Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.beim Anblick seines neuen Königs ausgerufen: Che bel pezzo d'uomo! Florenz, Ende Mai. Zur Ergänzung der Genfer *) Correspon- sha Florenz, 2 Jun. Die neuesten aus Neapel und Sicilien hier | Turin, 2 Jun. Die Verhaftungen unter dem Klerus wie unter *) Dieß wird auch in englischen Blättern gemeldet. *) Dieß wird auch in englischen Blättern gemeldet.
beim Anblick ſeines neuen Königs ausgerufen: Che bel pezzo d’uomo! ✕ Florenz, Ende Mai. Zur Ergänzung der Genfer *) Correſpon- ᔕ Florenz, 2 Jun. Die neueſten aus Neapel und Sicilien hier ↓ Turin, 2 Jun. Die Verhaftungen unter dem Klerus wie unter *) Dieß wird auch in engliſchen Blättern gemeldet. *) Dieß wird auch in engliſchen Blättern gemeldet.
<TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0007" n="2651"/> beim Anblick ſeines neuen Königs ausgerufen: <hi rendition="#aq">Che bel pezzo d’uomo!<lb/> Dio ti benedica!</hi> Die Geſchmäcke ſind verſchieden — nach andern Berich-<lb/> ten ſollen den zum Applaudiren Hingepflanzten die Hände den Dienſt verſagt<lb/> haben, unter dem Wort: <hi rendition="#aq">quanto è brutto!</hi> Die Mittelclaſſe iſt größten-<lb/> theils in der Bewegung, theils aus wirklichen politiſchen Gründen, theils<lb/> aus Abneigung gegen Florenz und aus municipalen Beweggründen, welche die<lb/> Sieneſen ſtets in Aerger verſetzen wenn ſie ſich „Provinciali“ nennen hörten,<lb/> theils aus Bedürfniß der Bewegung und namentlich des Schwätzens, worin<lb/> man hier ein erkleckliches leiſten ſoll, theils in der Hoffnung irgendein Aemt-<lb/> chen zu erhaſchen. Ein bedeutender Theil des Adels ſoll dem frühern Zuſtand<lb/> der Dinge zugethan geblieben ſeyn, und ſich von allem fernhalten, doch ver-<lb/> nehme ich auch gutklingende Namen wie Piccolomini, Gori, Pieri, Borgheſt,<lb/> und andere, unter denen der herrſchenden Partei. Wie in Siena, mag’s ſo<lb/> ziemlich in den übrigen Städten des Landes ſeyn. Der Klerus iſt meiſt in<lb/> der Oppoſition gegen die neue Regierung. Der Erzbiſchof Monſ. Baldanzi,<lb/> ein tüchtiger und geachteter Mann, welcher indeß weniger in theologiſchen<lb/> Dingen als in der Litteratur und auch in der Geſchichte der Kunſt bewandert<lb/> ſeyn ſoll, gab anfangs der Bewegung zu viel nach, wie ſein College in Flo-<lb/> renz, bis auch er wie dieſer das Unhaltbare ſeiner geiſtlichen Stellung au<lb/> dieſer ſchiefen Ebene erkannte. Von der Univerſität gebe ich in meinem<lb/> nächſten Nachricht, indem ich einige Zeit zu verweilen denke, obgleich die<lb/> Mittelmäßigkeit der hieſtgen Gaſthöfe gegen Piſa, Florenz, Livorno ꝛc. ſehr<lb/> unangenehm abſticht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>✕ <hi rendition="#b">Florenz,</hi> Ende Mai.</dateline><lb/> <p>Zur Ergänzung der Genfer <note place="foot" n="*)">Dieß wird auch in engliſchen Blättern gemeldet.</note> Correſpon-<lb/> denz in Nr. 140 der Allg. Ztg., der wir vollkommen beiſtimmen, wollen<lb/> wir hiermit beſtätigen daß es mit dem Aufſchlagen aller Leibes- und Lebens-<lb/> bedürfniſſe ſeine volle Richtigkeit hat; ſogar das Papier iſt, bei allem Ueber-<lb/> fluß an Lumpen, im Preis geſtiegen; hauptſächlich aber ſind es Schnitt- und<lb/> Spinnereiwaaren die um ein Fünftel theurer als früher ſind. Dieſer Fall<lb/> macht um ſo ſchlimmern Eindruck, als das arme Volk gleich nach vollbrachter<lb/> Revolution der Ueberzeugung lebte daß jetzt kein Elend mehr herrſchen<lb/> werde. <hi rendition="#aq">Ora non ci sarà più miseria!</hi> riefen ſich die guten Leute zu.<lb/> Daß der König die Pfänder auslöſen werde, wußten ſie ebenfalls ganz gewiß,<lb/> denn er hatte es ja in Mailand gethan; es handelte ſich alſo bloß darum<lb/> daß er nach Florenz komme. Große Bitterkeit erregte erſt nachträglich die<lb/> Verſetzung der toscaniſchen Regimenter ins Ausland, als die betrogenen<lb/> Helden vom 27 April in ihren Briefen an ihre Angehörigen über ſchlechte<lb/> Aufnahme und Behandlung, über deſpotiſche Disciplin ſich bitter beklagten.<lb/> Anders konnte es nun freilich nicht kommen, denn wo liegt wohl das Land<lb/> wo man den Meineidigen, den Verräther mit der Zeit nicht verachtet?<lb/> Das ſollten ſich doch alle Dienſtpflichtigen tief ins Herz ſchreiben. Der<lb/> König kam — aber mit leeren Händen. Eine zweiſtündige Audienz ertheilte<lb/> er einmal innerhalb der vierzehn Tage ſeiner Gegenwart. Feine Bildung,<lb/> anſtändiges Benehmen oder Seelenadel ſind ihm nicht eigen, und Hacklän-<lb/> ders Meinung über dieſen damals neuen König hat ſich vollkommen bewährt;<lb/> kurz keinen entſprechendern Poſten konnten ihm ſeine Verehrer anweiſen als<lb/> den eines Zuavencorporals. Er war nach Florenz geſtürmt, und entfloh<lb/> daraus Morgens um 4 Uhr wie ein — Ehrenmann, ohne daß die Zeitun-<lb/> gen ſeine Flucht vorher angekündigt hätten. Welchen Zweck ſeine Anweſen-<lb/> heit eigentlich hatte, darüber ſind wir noch im unklaren; daß er in Erſtaunen<lb/> gerieth als er die Verwaltungsbücher über private Wohlthätigkeit <hi rendition="#aq">(Ammi-<lb/> nistrazione di benificenza privata)</hi> des Großherzogs durchblätterte, und<lb/> verwundert ſagte: „So viel hat mein Oheim gegeben!“ können wir verbür-<lb/> gen. Daß er ſich im Pittipalaſt genau umſah, ein Inventarium beſaß, und<lb/> auf mehrere fehlende Gegenſtände mit der Bemerkung: „ſie müſſen wie-<lb/> der beigeſchafft werden“ aufmerkſam machte, hat ebenfalls ſeine Richtigkeit.<lb/> Unter dieſem Gegenſtände gehört ein kleiner Tiſch aus <hi rendition="#aq">pietre dure,</hi> deſſen<lb/> Werth wegen der ausgezeichneten Arbeit nie beſtimmt werden konnte. Die-<lb/> ſer Tiſch hat die größte Aehnlichkeit mit jenem welchen das Municipium dem<lb/> damals königl. Commiſſär Boncompagni, für ſeine ausgezeichneten Berdienſte<lb/> um das Vaterland, als ein Product toscaniſcher Induſtrie bei ſeiner er-<lb/> ſten glorreichen Abreiſe verehrte. Das waren ein paar moraliſche Anwand-<lb/> lungen, bei denen der König ſich aber nicht lange aufhielt. Dagegen ſcheint<lb/> es daß der Prinz-Statthalter tiefer in das Getriebe des letzten Jahres<lb/> eingedrungen iſt. Immer hieß es ſchon er werde bald nach Turin zurück-<lb/> kehren, jetzt ſteht es auch in einigen Blättern. Bei alledem wird aber von<lb/> hier aus — ausgenommen die Ereigniſſe von außen drängen dazu — für<lb/> jetzt nichts geſchehen was einer Gegenrevolution ähnlich wäre. Faſt ſchien<lb/> es als hätte man piemonteſiſcherſeits eine ſolche ermöglichen wollen, da man<lb/> das Land acht Tage lang ohne Beſatzung ließ, nur bleibt es dann zweifel-<lb/> haft ob Victor Emmanuel dem Großherzog oder dem Kaiſer Napoleon da-<lb/> mit dienen wollte. Und warum nun keine Gegenrevolution? Es gibt unter<lb/> der Bevölterung einen großen und geſunden Theil, der recht gut weiß daß das<lb/> Land durch die Ereigniſſe des letzten Jahres in große nie dageweſene Schul-<lb/> den gerathen iſt, und daß bald eine andere Wirthſchaft eingeführt werden<lb/> muß. Da es uns — ſagen dieſe Leute — nicht gelang vergangenes Jahr,<lb/> wo noch vieles zu retten war, durchzudringen, ſo laßt ſie nur die piemonteſi-<lb/> ſche Fenſter-, Domeſtiken-, Equipagen- und Mobilienſteuer, die wir in Toſ-<lb/> cana alle nicht kennen, ein wenig verſuchen; laßt ſie erſt den Unterſchied ken-<lb/> nen lernen zwiſchen toscaniſcher und piemonteſiſcher Vermögen-, Einkom-<lb/> men- und Induſtrieſteuer, damit ſie einſehen was ſie begiengen als ſie un-<lb/> ſern Großherzog verriethen und verkauften, und ſich in Zukunft nicht mehr<lb/> betrügen laſſen. — Der „Contemporaneo“ macht wieder folgende Bemer-<lb/> kungen: „Der Deputirte Ror<hi rendition="#aq">à</hi> hat gefolgert daß die Abtretung Nizza’s die Ver-<lb/> gangenheit heiligt, die Gegenwart ſichert und die Zukunft bereitet; daß die-<lb/> ſelbe die Folge des ſardiniſch franzöſiſchen Bündniſſes iſt, und daß wir ent-<lb/> lich, indem wir Savoyen abtreten, die Verträge von 1815 vernichten. Hr.<lb/> Ror<hi rendition="#aq">à</hi> beugt ſich alſo mit ſammt den Miniſtern vor dem erhabenen Willen<lb/> Bonaparte’s. Indem wir Savoyen überlaſſen, vernichten wir die Verträge<lb/> von 1815! O das iſt wirklich ſchön. Gebt alſo, um die Verträge von 1815<lb/> zu vernichten, ganz Piemont weg! Und wißt ihr denn nicht, ihr einfältigen<lb/> Kopfnicker, daß wir Genua in Kraft derjenigen Verträge beſitzen die ihr ver-<lb/> nichten wollt! und iſt euch die unterirdiſche Arbeit nicht bewußt, an welche<lb/> man ſchon Hand angelegt hat um auch die Hauptſtadt von Ligurien mit<lb/> Frankreich zu vereinigen?“ — „Die Zeitungen reden immer von den ſici-<lb/> lianiſchen Veſpern. Aber die Veſpern ſind berühmt in Sicilien durch die<lb/> Vertreibung der Franzoſen, was nur beweist daß die Franzoſen jene<lb/> Inſulaner ſchlecht behandelt haben.“ — „Eine Pariſer Correſpondenz<lb/> im „Journal de Gen<hi rendition="#aq">è</hi>ve“ thut zu wiſſen daß die Prinzeſſin Clotilde, Frau<lb/> des in Toscana geliebten und verliebten Prinzen, ſich in intereſſanten Um-<lb/> ſtänden befindet. Gut. Das Geſchlecht der Bonaparte gedeiht; wir wer-<lb/> den ſehen ob auch die Throne für ſie gedeihen.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>ᔕ <hi rendition="#b">Florenz,</hi> 2 Jun.</dateline><lb/> <p>Die neueſten aus Neapel und Sicilien hier<lb/> eingetroffenen Nachrichten tragen, mit einander verglichen, eine gewiſſe Wahr-<lb/> ſcheinlichkeit in ſich, aus der man allmählich auf die Wahrheit ſchließen<lb/> könnte. Am 31 Mai Mittags lief ein Waffenſtillſtand von 24 Stunden ab,<lb/> der zwiſchen Garibaldi und General Lanza in Palermo geſchloſſen worden<lb/> war, um die zahlreichen Todten und die noch zahlreicheren Verwundelen aus<lb/> dem Wege zu räumen. Am 29 Mai Abends wußte man ſchon in Neapel<lb/> daß der engliſche Admiral um einen Waffenſtillſtand bei beiden kämpfenden<lb/> Parteien nachgeſucht hatte, wahrſcheinlich um den noch in Palermo befind-<lb/> lichen engliſchen Schutzbefohlenen Zeit zur Rettung auf die Schiffe zu geben.<lb/> Am 28 Mai wurde der ſchon oft genannte neapolitaniſche General Salzano<lb/> mit ſeinem Majorſtab von den Aufftändiſchen gefangen genommen, und Ga-<lb/> ribaldi ließ dem Commandanten des Forts Caſtellamare, von welchem die<lb/> Stadt bombardirt wurde, durch einen dieſer gefangenen Officiere ſagen daß<lb/> für jede Bombe die noch auf die Stadt falle ein neapolitaniſcher Officier er-<lb/> ſchoſſen werden würde. Demnach kennt man alſo drei Veranlaſſungen zum<lb/> Waffenſtillſtand, der übrigens am 31 Mai Mittags auf drei Tage verlängert<lb/> wurde, ſo daß es ſich hier nicht mehr um die Beſtattung von Todten, ſondern<lb/> vielmehr um Auslöſung von Officieren zu handeln ſcheint. Die Stellung<lb/> beider Parteien war in der Stadt noch dieſelbe wie früher der Telegraph ge-<lb/> meldet. Das Heer Garibaldi’s ſoll auf den Anhöhen von Palermo noch<lb/> vor Erſtürmung der Stadt auf 37,000 Mann mit 300 Pferden angewachſen<lb/> ſeyn. Lanza war aus Palermo in der Richtung von Quattro Venti ge-<lb/> zogen, und der Garibaldi’ſche Oberſt Orſini hatte Befehl ſich dieſer Stellung<lb/> zu bemächtigen. Durch ein geſchicktes ſtrategiſches Manöver ſoll Garibaldi<lb/> ein großes Blutbad unter den königlichen Truppen in der Stadt angerichtet<lb/> haben. Deputationen der benachbarten Gemeinden bringen Garibaldi die<lb/> Anerkennung ſeiner Dictatur. Girgenti iſt im Aufſtande. Aus der Provinz<lb/> Noto bringt „La Nazione“ einen „officiellen Bericht des Staats,“ als deſſen<lb/> Monitore ſie beſcheiden ſelbſt auftritt. Indeſſen ſcheint „L’Unit<hi rendition="#aq">à</hi> Italiana“<lb/> in dieſen Dingen nicht ſchlechter unterrichtet zu ſeyn, und während nach<lb/> erſterem Blatt bei der Demonſtration am 28 Mai in der Straße Toledo in<lb/> Neapel das Volk zuerſt <hi rendition="#aq">„Viva Vittorio Emmanuele,“</hi> und hinterdrein<lb/> „Garibaldi“ rief, ließ man nach letzterem nur Sicilien und Garibaldi, aber<lb/> den Victor Emmanuel gar nicht hoch leben. Nach dem genannten Monitore<lb/> des „Staats“ iſt Revolution in Catania und Syrakus, und als an letzterm<lb/> Ort der engliſche Conſul ſeine Flagge auf ſein Haus hißte, ſchoſſen die<lb/> königlichen Soldaten auf dasſelbe und tödteten ſeine Fran. <note place="foot" n="*)">Dieß wird auch in engliſchen Blättern gemeldet.</note> Der Herzog<lb/> v. Torlonia ſoll mit ſeiner ganzen Familie von Rom in Livorno angekom-<lb/> men ſeyn.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>↓ <hi rendition="#b">Turin,</hi> 2 Jun.</dateline><lb/> <p>Die Verhaftungen unter dem Klerus wie unter<lb/> dem Laienſtand, beſonders unter den in Turin, Mailand und Genua weilen-<lb/> den Fremden, dauern fort. Die Regierung behauptet offen daß in Rom eine<lb/> ausgedehnte Verſchwörung gegen den hieſtgen Staat im Werk iſt, und daß ſie<lb/> die Fäden davon in Händen hat. Die <hi rendition="#g">Opinione</hi> ruft pathetiſch aus: „Die<lb/> römiſche Curie hat eine Fahne aufgeſteckt unter welcher ſie alle Geiſtlichen<lb/> und alle Biſchöfe unſerer Provinzen zu ſammeln gedenkt; dieſe Fahne iſt die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2651/0007]
beim Anblick ſeines neuen Königs ausgerufen: Che bel pezzo d’uomo!
Dio ti benedica! Die Geſchmäcke ſind verſchieden — nach andern Berich-
ten ſollen den zum Applaudiren Hingepflanzten die Hände den Dienſt verſagt
haben, unter dem Wort: quanto è brutto! Die Mittelclaſſe iſt größten-
theils in der Bewegung, theils aus wirklichen politiſchen Gründen, theils
aus Abneigung gegen Florenz und aus municipalen Beweggründen, welche die
Sieneſen ſtets in Aerger verſetzen wenn ſie ſich „Provinciali“ nennen hörten,
theils aus Bedürfniß der Bewegung und namentlich des Schwätzens, worin
man hier ein erkleckliches leiſten ſoll, theils in der Hoffnung irgendein Aemt-
chen zu erhaſchen. Ein bedeutender Theil des Adels ſoll dem frühern Zuſtand
der Dinge zugethan geblieben ſeyn, und ſich von allem fernhalten, doch ver-
nehme ich auch gutklingende Namen wie Piccolomini, Gori, Pieri, Borgheſt,
und andere, unter denen der herrſchenden Partei. Wie in Siena, mag’s ſo
ziemlich in den übrigen Städten des Landes ſeyn. Der Klerus iſt meiſt in
der Oppoſition gegen die neue Regierung. Der Erzbiſchof Monſ. Baldanzi,
ein tüchtiger und geachteter Mann, welcher indeß weniger in theologiſchen
Dingen als in der Litteratur und auch in der Geſchichte der Kunſt bewandert
ſeyn ſoll, gab anfangs der Bewegung zu viel nach, wie ſein College in Flo-
renz, bis auch er wie dieſer das Unhaltbare ſeiner geiſtlichen Stellung au
dieſer ſchiefen Ebene erkannte. Von der Univerſität gebe ich in meinem
nächſten Nachricht, indem ich einige Zeit zu verweilen denke, obgleich die
Mittelmäßigkeit der hieſtgen Gaſthöfe gegen Piſa, Florenz, Livorno ꝛc. ſehr
unangenehm abſticht.
✕ Florenz, Ende Mai.
Zur Ergänzung der Genfer *) Correſpon-
denz in Nr. 140 der Allg. Ztg., der wir vollkommen beiſtimmen, wollen
wir hiermit beſtätigen daß es mit dem Aufſchlagen aller Leibes- und Lebens-
bedürfniſſe ſeine volle Richtigkeit hat; ſogar das Papier iſt, bei allem Ueber-
fluß an Lumpen, im Preis geſtiegen; hauptſächlich aber ſind es Schnitt- und
Spinnereiwaaren die um ein Fünftel theurer als früher ſind. Dieſer Fall
macht um ſo ſchlimmern Eindruck, als das arme Volk gleich nach vollbrachter
Revolution der Ueberzeugung lebte daß jetzt kein Elend mehr herrſchen
werde. Ora non ci sarà più miseria! riefen ſich die guten Leute zu.
Daß der König die Pfänder auslöſen werde, wußten ſie ebenfalls ganz gewiß,
denn er hatte es ja in Mailand gethan; es handelte ſich alſo bloß darum
daß er nach Florenz komme. Große Bitterkeit erregte erſt nachträglich die
Verſetzung der toscaniſchen Regimenter ins Ausland, als die betrogenen
Helden vom 27 April in ihren Briefen an ihre Angehörigen über ſchlechte
Aufnahme und Behandlung, über deſpotiſche Disciplin ſich bitter beklagten.
Anders konnte es nun freilich nicht kommen, denn wo liegt wohl das Land
wo man den Meineidigen, den Verräther mit der Zeit nicht verachtet?
Das ſollten ſich doch alle Dienſtpflichtigen tief ins Herz ſchreiben. Der
König kam — aber mit leeren Händen. Eine zweiſtündige Audienz ertheilte
er einmal innerhalb der vierzehn Tage ſeiner Gegenwart. Feine Bildung,
anſtändiges Benehmen oder Seelenadel ſind ihm nicht eigen, und Hacklän-
ders Meinung über dieſen damals neuen König hat ſich vollkommen bewährt;
kurz keinen entſprechendern Poſten konnten ihm ſeine Verehrer anweiſen als
den eines Zuavencorporals. Er war nach Florenz geſtürmt, und entfloh
daraus Morgens um 4 Uhr wie ein — Ehrenmann, ohne daß die Zeitun-
gen ſeine Flucht vorher angekündigt hätten. Welchen Zweck ſeine Anweſen-
heit eigentlich hatte, darüber ſind wir noch im unklaren; daß er in Erſtaunen
gerieth als er die Verwaltungsbücher über private Wohlthätigkeit (Ammi-
nistrazione di benificenza privata) des Großherzogs durchblätterte, und
verwundert ſagte: „So viel hat mein Oheim gegeben!“ können wir verbür-
gen. Daß er ſich im Pittipalaſt genau umſah, ein Inventarium beſaß, und
auf mehrere fehlende Gegenſtände mit der Bemerkung: „ſie müſſen wie-
der beigeſchafft werden“ aufmerkſam machte, hat ebenfalls ſeine Richtigkeit.
Unter dieſem Gegenſtände gehört ein kleiner Tiſch aus pietre dure, deſſen
Werth wegen der ausgezeichneten Arbeit nie beſtimmt werden konnte. Die-
ſer Tiſch hat die größte Aehnlichkeit mit jenem welchen das Municipium dem
damals königl. Commiſſär Boncompagni, für ſeine ausgezeichneten Berdienſte
um das Vaterland, als ein Product toscaniſcher Induſtrie bei ſeiner er-
ſten glorreichen Abreiſe verehrte. Das waren ein paar moraliſche Anwand-
lungen, bei denen der König ſich aber nicht lange aufhielt. Dagegen ſcheint
es daß der Prinz-Statthalter tiefer in das Getriebe des letzten Jahres
eingedrungen iſt. Immer hieß es ſchon er werde bald nach Turin zurück-
kehren, jetzt ſteht es auch in einigen Blättern. Bei alledem wird aber von
hier aus — ausgenommen die Ereigniſſe von außen drängen dazu — für
jetzt nichts geſchehen was einer Gegenrevolution ähnlich wäre. Faſt ſchien
es als hätte man piemonteſiſcherſeits eine ſolche ermöglichen wollen, da man
das Land acht Tage lang ohne Beſatzung ließ, nur bleibt es dann zweifel-
haft ob Victor Emmanuel dem Großherzog oder dem Kaiſer Napoleon da-
mit dienen wollte. Und warum nun keine Gegenrevolution? Es gibt unter
der Bevölterung einen großen und geſunden Theil, der recht gut weiß daß das
Land durch die Ereigniſſe des letzten Jahres in große nie dageweſene Schul-
den gerathen iſt, und daß bald eine andere Wirthſchaft eingeführt werden
muß. Da es uns — ſagen dieſe Leute — nicht gelang vergangenes Jahr,
wo noch vieles zu retten war, durchzudringen, ſo laßt ſie nur die piemonteſi-
ſche Fenſter-, Domeſtiken-, Equipagen- und Mobilienſteuer, die wir in Toſ-
cana alle nicht kennen, ein wenig verſuchen; laßt ſie erſt den Unterſchied ken-
nen lernen zwiſchen toscaniſcher und piemonteſiſcher Vermögen-, Einkom-
men- und Induſtrieſteuer, damit ſie einſehen was ſie begiengen als ſie un-
ſern Großherzog verriethen und verkauften, und ſich in Zukunft nicht mehr
betrügen laſſen. — Der „Contemporaneo“ macht wieder folgende Bemer-
kungen: „Der Deputirte Rorà hat gefolgert daß die Abtretung Nizza’s die Ver-
gangenheit heiligt, die Gegenwart ſichert und die Zukunft bereitet; daß die-
ſelbe die Folge des ſardiniſch franzöſiſchen Bündniſſes iſt, und daß wir ent-
lich, indem wir Savoyen abtreten, die Verträge von 1815 vernichten. Hr.
Rorà beugt ſich alſo mit ſammt den Miniſtern vor dem erhabenen Willen
Bonaparte’s. Indem wir Savoyen überlaſſen, vernichten wir die Verträge
von 1815! O das iſt wirklich ſchön. Gebt alſo, um die Verträge von 1815
zu vernichten, ganz Piemont weg! Und wißt ihr denn nicht, ihr einfältigen
Kopfnicker, daß wir Genua in Kraft derjenigen Verträge beſitzen die ihr ver-
nichten wollt! und iſt euch die unterirdiſche Arbeit nicht bewußt, an welche
man ſchon Hand angelegt hat um auch die Hauptſtadt von Ligurien mit
Frankreich zu vereinigen?“ — „Die Zeitungen reden immer von den ſici-
lianiſchen Veſpern. Aber die Veſpern ſind berühmt in Sicilien durch die
Vertreibung der Franzoſen, was nur beweist daß die Franzoſen jene
Inſulaner ſchlecht behandelt haben.“ — „Eine Pariſer Correſpondenz
im „Journal de Genève“ thut zu wiſſen daß die Prinzeſſin Clotilde, Frau
des in Toscana geliebten und verliebten Prinzen, ſich in intereſſanten Um-
ſtänden befindet. Gut. Das Geſchlecht der Bonaparte gedeiht; wir wer-
den ſehen ob auch die Throne für ſie gedeihen.“
ᔕ Florenz, 2 Jun.
Die neueſten aus Neapel und Sicilien hier
eingetroffenen Nachrichten tragen, mit einander verglichen, eine gewiſſe Wahr-
ſcheinlichkeit in ſich, aus der man allmählich auf die Wahrheit ſchließen
könnte. Am 31 Mai Mittags lief ein Waffenſtillſtand von 24 Stunden ab,
der zwiſchen Garibaldi und General Lanza in Palermo geſchloſſen worden
war, um die zahlreichen Todten und die noch zahlreicheren Verwundelen aus
dem Wege zu räumen. Am 29 Mai Abends wußte man ſchon in Neapel
daß der engliſche Admiral um einen Waffenſtillſtand bei beiden kämpfenden
Parteien nachgeſucht hatte, wahrſcheinlich um den noch in Palermo befind-
lichen engliſchen Schutzbefohlenen Zeit zur Rettung auf die Schiffe zu geben.
Am 28 Mai wurde der ſchon oft genannte neapolitaniſche General Salzano
mit ſeinem Majorſtab von den Aufftändiſchen gefangen genommen, und Ga-
ribaldi ließ dem Commandanten des Forts Caſtellamare, von welchem die
Stadt bombardirt wurde, durch einen dieſer gefangenen Officiere ſagen daß
für jede Bombe die noch auf die Stadt falle ein neapolitaniſcher Officier er-
ſchoſſen werden würde. Demnach kennt man alſo drei Veranlaſſungen zum
Waffenſtillſtand, der übrigens am 31 Mai Mittags auf drei Tage verlängert
wurde, ſo daß es ſich hier nicht mehr um die Beſtattung von Todten, ſondern
vielmehr um Auslöſung von Officieren zu handeln ſcheint. Die Stellung
beider Parteien war in der Stadt noch dieſelbe wie früher der Telegraph ge-
meldet. Das Heer Garibaldi’s ſoll auf den Anhöhen von Palermo noch
vor Erſtürmung der Stadt auf 37,000 Mann mit 300 Pferden angewachſen
ſeyn. Lanza war aus Palermo in der Richtung von Quattro Venti ge-
zogen, und der Garibaldi’ſche Oberſt Orſini hatte Befehl ſich dieſer Stellung
zu bemächtigen. Durch ein geſchicktes ſtrategiſches Manöver ſoll Garibaldi
ein großes Blutbad unter den königlichen Truppen in der Stadt angerichtet
haben. Deputationen der benachbarten Gemeinden bringen Garibaldi die
Anerkennung ſeiner Dictatur. Girgenti iſt im Aufſtande. Aus der Provinz
Noto bringt „La Nazione“ einen „officiellen Bericht des Staats,“ als deſſen
Monitore ſie beſcheiden ſelbſt auftritt. Indeſſen ſcheint „L’Unità Italiana“
in dieſen Dingen nicht ſchlechter unterrichtet zu ſeyn, und während nach
erſterem Blatt bei der Demonſtration am 28 Mai in der Straße Toledo in
Neapel das Volk zuerſt „Viva Vittorio Emmanuele,“ und hinterdrein
„Garibaldi“ rief, ließ man nach letzterem nur Sicilien und Garibaldi, aber
den Victor Emmanuel gar nicht hoch leben. Nach dem genannten Monitore
des „Staats“ iſt Revolution in Catania und Syrakus, und als an letzterm
Ort der engliſche Conſul ſeine Flagge auf ſein Haus hißte, ſchoſſen die
königlichen Soldaten auf dasſelbe und tödteten ſeine Fran. *) Der Herzog
v. Torlonia ſoll mit ſeiner ganzen Familie von Rom in Livorno angekom-
men ſeyn.
↓ Turin, 2 Jun.
Die Verhaftungen unter dem Klerus wie unter
dem Laienſtand, beſonders unter den in Turin, Mailand und Genua weilen-
den Fremden, dauern fort. Die Regierung behauptet offen daß in Rom eine
ausgedehnte Verſchwörung gegen den hieſtgen Staat im Werk iſt, und daß ſie
die Fäden davon in Händen hat. Die Opinione ruft pathetiſch aus: „Die
römiſche Curie hat eine Fahne aufgeſteckt unter welcher ſie alle Geiſtlichen
und alle Biſchöfe unſerer Provinzen zu ſammeln gedenkt; dieſe Fahne iſt die
*) Dieß wird auch in engliſchen Blättern gemeldet.
*) Dieß wird auch in engliſchen Blättern gemeldet.
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(2021-01-12T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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