Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.daß sich der Handwerker die Vorbedingung dieser Entwicklung, die Gewerbe- Berlin. Das "Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung Griechenland. Athen, 26 Mai. Die Opposition in der Kammer macht zwar fort- Handels- und Börsennachrichten. London. Die Ermäßigung des Einfuhrzolles auf Weine aller Art hat bis- Verantwortliche Revaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Alterhöfer. Dr. H. Orges Verlag der J. G. Cotta' schen Buchhandlung. daß ſich der Handwerker die Vorbedingung dieſer Entwicklung, die Gewerbe- Berlin. Das „Centralblatt für die geſammte Unterrichtsverwaltung Griechenland. ᴕ Athen, 26 Mai. Die Oppoſition in der Kammer macht zwar fort- Handels- und Börſennachrichten. London. Die Ermäßigung des Einfuhrzolles auf Weine aller Art hat bis- Verantwortliche Revaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Alterhöfer. Dr. H. Orges Verlag der J. G. Cotta’ ſchen Buchhandlung. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jVarious" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0020" n="2664"/> daß ſich der Handwerker die Vorbedingung dieſer Entwicklung, die Gewerbe-<lb/> freiheit, getroſten Muthes aneignen dürfe, zeige (wie ein anderer Redner un-<lb/> ter dem lauteſten Beifall ausführte) das Beiſpiel der des gewerblichen Be-<lb/> hagens in der gewerbfreien Pfalz. Nach dieſen Erörterungen fanden ſich<lb/> ſchließlich nur noch zwei Vertreter die nicht in ihrem eigenen, ſondern im Na-<lb/> men ihrer Vereine den Wunſch nach einer „liberalen Gewerbe-Ordnung“<lb/> zu Protokoll gaben. Die Verſammlung entſchied ſich dagegen einſtimmig für<lb/> die Gewerbefreiheit. Eben ſo einſtimmig erfolgte dann der Beſchluß über<lb/> die Geſtattung einer freien Niederlaſſung (unabhängig von dem zum Mitge-<lb/> nuß vom Gemeindevermögen und zur Armenunterſtützung berechtigenden<lb/> Ortsbürgerrechte) im ganzen Großherzogthum, und wo möglich durch eine<lb/> für ganz Deutſchland verwirklichte Freizügigkeit. Auch der Antrag fand kei-<lb/> nen Widerſpruch daß das Conceſſionsweſen auf die möglichſt geringe Zahl<lb/> von Gewerben beſchränkt werden möge, und eben ſo einmüthig erhob ſich die<lb/> Verſammlung für den Wunſch nach einem, nach dem Muſter des engliſchen,<lb/> belgiſchen, öfterreichiſchen gearteten Patent- und Muſterſchutzgeſetze. Als<lb/> den Ort für die Zuſammenkunft der nächſtfolgenden Wanderverſammlung<lb/> entſchied man ſich dann einſtimmig für Heidelberg. Die Zeit bleibt dem<lb/> Vorſtand des dortigen Gewerbevereins überlaſſen, und dieſem wurde auch<lb/> die Unterſuchung übertragen ob und unter welchen Vorausfetzungen etwa<lb/> ein den wirthſchaftlichen Intereſſen des badiſchen Gewerbeſtandes gewidme-<lb/> tes Blatt ins Leben zu rufen wäre. Auf die Tagesordnung wurde vorläufig<lb/> geſetzt: eingehende Berathung über das Conceſſionsweſen — die Polizei-<lb/> taxen — die neuere Genoſſenſchaftsbewegung. Nach dem gelungenen Aus-<lb/> fall dieſes erſten Verſuchs dürfen wir uns mit dem Präſidenten der zuver-<lb/> ſichtlichen Erwartung hingeben daß ſich die Wanderverſammlungen auch in<lb/> Baden als ein ſegensreiches Mittel für die Aufklärung und Einigung des<lb/> geſammten denkenden und ſtrebenden Gewerbsſtandes bewähren werden.<lb/> (S. Z.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">Berlin.</hi> </dateline><lb/> <p>Das „Centralblatt für die geſammte Unterrichtsverwaltung<lb/> in Preußen“ bringt in ſeinem Maiheft eine Zuſammenſtellung der von dem<lb/> gegenwärtigen Cultusminiſter angenommenen Grundſätze in Betreff der Anſtel-<lb/> lung von Juden an öffentlichen Schulen. Daraus ergibt ſich für den Reſſort<lb/> der Unterrichtsverwaltung daß an öffentlichen Volksſchulen, an Schullehrer-<lb/> Seminarien, an Gymnaſten und Pro-Gymnaſten, ſo wie an den Univer-<lb/> ſitäten zu Königsberg, Greifswald, Halle und Bonn und an der Akademie<lb/> zu Münſter Juden überhaupt nicht, an den Real- und höh ren Bürgerſchu-<lb/> len aber nur inſofern als Lehrer angeſtellt werden dürfen, als dieſelben we-<lb/> der bei ihrer Gründung, noch ſpäter durch beſondere Erklärungen der Stifter<lb/> einen die Anſtellung von Juden ausſchließenden confeſſionellen Charakter er-<lb/> halten haben, reſp. erhalten werden. Demgemäß werden auch nur an<lb/> Schulen dieſer Kategorie Juden zur Abſolvirung des ſogenannten pädagogi-<lb/> ſchen Probejahres zugelaſſen werden dürfen. Hinſichtlich der Univerſitäten<lb/> Berlin und Breslau iſt aus den Statuten ein Hinderniß gegen die Anſtel-<lb/> lung von Juden als Lehrer nicht zu entnehmen. Zu Organen der Schul-<lb/> aufſicht, insbeſondere zu Schulräthen, ſind Juden, wegen ſich von ſelbſt er-<lb/> gebender Bedenken, nicht geeignet. Von den übrigen Aemtern im Reſſort<lb/> der Unterrichtsverwaltung und von den Aemtern im Reſſort der Medicinal-<lb/> verwaltung ſind Juden als ſolche ſchon nach dem Geſetz vom 23 Juli 1847<lb/> nicht ausgeſchloſſen geweſen. Als Kreisphyſiker fungiren bereits mehrere<lb/> Juden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Griechenland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">ᴕ Athen,</hi> 26 Mai.</dateline><lb/> <p>Die Oppoſition in der Kammer macht zwar fort-<lb/> geſetzte Anſtrengungen um der Regierung Hinderniſſe in den Weg zu legen,<lb/> allein ohne andern Erfolg als einigen Zeitverluſt. Das Budget der Ein-<lb/> nahmen und Ausgaben für das Jahr 1861 iſt nun vollſtändig angenommen,<lb/> und hat nur noch den Senat zu paſſiren. Ebenſo wurde im Laufe der Woche<lb/> der Geſetzentwurf über die Beziehung einer Penſion von monatlich 1000<lb/> Drachmen von Seiten des Generals Deligianny, und über einen Vorſchuß von<lb/> 50,000 Drachmen für den Admiral Kriezis von Kammer und Senat ange-<lb/> nommen; der Geſetzentwurf über das Militärſtrafgeſetz von der Deputirten-<lb/> kammer erledigt, und das Geſetz über Pferde-Eiſenbahnen des Landes ange-<lb/> nommen. Nur bei dem zuletzt eingebrachten Vorſchlag von Seiten des Mini-<lb/> ſteriums, die Auſhebung des §. 17 des vorjährigen Geſetzes über die Er-<lb/> höhung der Beamtengehalte betreffend, wodurch die temporäre Erhöhung für<lb/> immer den Beamten geſichert worden wäre, hat die Oppoſition alle Mittel<lb/> aufgekoten um den Entwurf ſcheitern zu machen. In vier Tagen ſollen die<lb/> Kammern geſchloffen werden; allein da der Senat mit dem Budget und<lb/> andern Vorlagen nicht zu Stande kommen wird, ſo dürſte es nicht unwahr-<lb/> ſcheinlich ſeyn daß eine Verlärgerung von acht bis zehn Tagen eintritt.<lb/> — Die Fortſchritte des Panſlavismus im Norden des illyriſchen Dreiecks,<lb/> namentlich in Bulgarien, und die damit im nothwendigen Zuſammenhang<lb/> ſtehende Verdrängung, ja ſyſtematiſche Verfelgung des griechiſchen Elements<lb/> in Kirche und Schule, beunruhigen nicht bloß die Atheniſche Preſſe, und<lb/> bieten einen Gegenſtand oft wiederkehrender Erörterungen, ſondern haben<lb/> auch im Senat zwei Redner veranlaßt das Wort zu nehmen, und die Re-<lb/> gierung aufzufordern alles mögliche aufzubieten um das verlorne Gebiet<lb/> wieder zu gewinnen. Heute iſt es nicht mehr die Broſchüre Abouts welche<lb/> uns in Aufregung bringt, ſendern die Nachricht aus St. Petersburg,<lb/> daß der kranke Mann aufs neue für <hi rendition="#g">ſehr krank</hi> erklärt worden iſt.<lb/> Dieſe Nachricht wurde noch im Laufe der verfloſſenen Nacht durch Extra-<lb/> blätter einiger Zeitungen verbreitet, und elektriſirt die bisher beim Buch<lb/> Abouts unempfindlich Gebliebenen. — Das Revolutionscomit<hi rendition="#aq">é</hi> Siciliens hat<lb/> auch eines ſeiner Rundſchreiben zu uns herübergeſchleudert, in welchem der<lb/> Aufruf an alle Demokraten Europa’s enthalten iſt, und vorzüglich die ſtamm-<lb/> verwandten Griechen aufgefordert werden zur Befreiung Siciliens herbeizueilen,<lb/> mit dem Verſprechen daß ſie (die Sicilianer), befreit von dem Joche, ſeiner Zeit<lb/> eben ſo thatſächlich mitwirken werden zur Befreiung der unter türkiſchem Joche<lb/> ſeufzenden griechiſchen Provinzen. Der Mauerbrecher wird von allen Seiten<lb/> in Bewegung geſetzt, und das morſche Gebäude, türkiſches Reich genannt,<lb/> das nach dem letzten Friedensſchluß durch Hat-Humayums und andern fal-<lb/> ſchen Mörtel zuſammengeflickt worden, iſt nicht im Stand einen Stoß auszu-<lb/> halten, von welcher Seite er auch kommen mag. — Die türkiſchen Behörden<lb/> ſcheinen in einer fieberhaften Aufregung zu ſeyn. Der Paſcha von Lariſſa<lb/> (Theſſalien) ließ ſich beikommen das griechiſche Poſtfelleiſen anzuhalten, in der<lb/> Abſicht es zu öffnen. Es ſcheinen ihm aber doch Serupel gekommen zu ſeyn,<lb/> und er wandte ſich deßhalb an das griechiſche Conſulat, daß ſich der Conſul<lb/> zu ihm verſügen möge um der Eröffnung beizuwohnen. Der griechiſche Conſul<lb/> ſelbſt war auf Urlaub in Athen; aber ſein Stellvertreter erwiederte: daß er<lb/> nie und nimmermehr einer ſo rechtswidrigen Handlung beiwohnen werde, und<lb/> daß er hiemit gegen dieſelbe feierlichen Proteſt einlege. Der Paſcha ärgerte<lb/> ſich über den kleinen griechiſchen Conſulatsbeamten, und wendete ſich an den<lb/> engliſchen Conſul mit derſelben Bitte. Aber auch dieſer ſchlug dieſe Zu-<lb/> muthung rund ab, und bedeutete dem Paſcha daß er ſich hüten möge eine ſo<lb/> völkerrechtswidrige Handlung zu begehen; die unausbleiblichen Folgen wür-<lb/> den auf ihn zurückfallen. Der Paſcha unterließ demnach die Erbrechung der<lb/> griechiſchen Poſt. Dagegen hat der Paſcha von Janina weniger Scrupel<lb/> gezeigt; er erbrach die griechiſche Poſt, und ſchickte das geöffnete Paket an den<lb/> griechiſchen Conſul. Die Negierung in Athen hat über beide Vorfälle bei der<lb/> hieſigen türkiſchen Geſandtſchaftsverweſung Aufklärung verlangt. — Ueberdieß<lb/> wird aus Epirus berichtet daß man dort die feſten Plätze und Engpäſſe be-<lb/> feſtige und mit Munition verſehe. Die griechiſchen Zeitungen ſind an der<lb/> türkiſchen Gränze durch eine ſehr ſtrenge Cenſur an der Verbreitung gehemmt.<lb/> Dieß iſt geradezu eine reſultatloſe Maßregel — was zu ſagen war, haben<lb/> die griechiſchen Zeitungen ſeit fünfundzwanzig und mehr Jahren den drüben<lb/> wohnenden Brüdern geſagt, und wieder geſagt, und tauſendmal wiederholt.<lb/> Was ſie heute ſagen, iſt nichts als eine matte Wiederholung. Was geſchehen<lb/> ſoll, wird geſchehen durch diejenigen welche ſich dazu für berufen erklären. —<lb/> Aus Beſſarabien iſt die Nachricht an das Miniſterium des Aeußern gekom-<lb/> men daß die Localbehörde in Renio dem dortigen griechiſchen Conſul nicht<lb/> verſtattete an einem nationalen Feſtiag die griechiſche Flagge aufzuzieben.<lb/> Auch hier der Conflict des Panſlavismus mit dem Hellenismus. — Der<lb/> Admiral der franzöſiſchen Mittelmeerflotte, Laroncier-Lenouri, hat die königl.<lb/> Mafeſtäten eingeladen ſich auf ſeinem Admiralsſchiff nach Eleuſis zu be-<lb/> geben, um die dort von dem Franzoſen Lenorman, Sohn des vor drei Viertel-<lb/> jahren in Athen verſtorbenen Philhellenen und Mitglieds des Inſtituts,<lb/> unternommenen Ausgrabungen und deren archäologiſche Reſultate zu be-<lb/> ſichtigen. Heute Mittags begaben ſich die Majeſtäten von Athen nach Piräeus,<lb/> wo dieſelben ſich auf dem Admiralſchiff einſchifften. Man erwartet die ſie bis<lb/> Mitternacht zurück.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jFinancialNews" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Handels- und Börſennachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">London.</hi> </dateline><lb/> <p>Die Ermäßigung des Einfuhrzolles auf Weine aller Art hat bis-<lb/> her nur eine Zunahme in der Einfuhr der ſogenannten leichten Weinſorten (aus<lb/> Frankreich und Deutſchland) veranlaßt. Bei franzöſiſchen Weinen beträgt dieſe<lb/> Zunahme ungefähr 87 Procent, während ſich bei der Einſuhr portugieſiſcher Weine<lb/> ein Ausfall von 11 Procent herausſtellt. Spaniſche Weine, deren Verbrauch in<lb/> England bisher dem aller übrigen zuſammengenommen gleich kam, haben ebenfalls<lb/> um 7 Procent zugenommen, während die bisher ſo ſehr beſchränkte Einfuhr deut-<lb/> ſcher Weine ſich ſeit dem 1 Januar um volle 100 Procent, nämlich von 30,488<lb/> auf 61,539 Gallonen, gehoben hat. Da jedoch der Gefammtverbrauch während dieſes<lb/> Zeitraums 2,581,566 Gallonen betrug, iſt dieſer Zuwachs in der Einfuhr deut-<lb/> ſcher Weine, ſo beträchtlich er auch für ſich allein betrachtet iſt in der Maſſe von<lb/> keiner außerordentlichen Bedeutung. Deſto größer muß ſie jedoch fürs Rheinland<lb/> erſcheinen, vorausgeſetzt daß die Einfuhr ein Bedürfniß iſt das ſich erhält. Süd-<lb/> afrikaniſche Weine (vornehmlich Capweine), die als Colonialweine bisher einen ge-<lb/> ringeren Eingargszoll zahlten und bloß ihrer Wohlfeilheit wegen einen Markt<lb/> hatten, ſind, ſeitdem ſie dieſen Vortheil einbüßten, ſchon um 54 Procent weniger<lb/> conſumirt worden. Und rechnet man alle Weinſorten zuſammen, ſo ergibt ſich als<lb/> Reſultat daß vorerſt der Weinverbrauch Englands in Folge der Zollermäßigung bleß<lb/> um 6 Procent geſtiegen iſt, daß ſich bisher eine bedeutende Veränderung in der Quali-<lb/> tät, nicht aber in der Quantität, der importirten Weine herausgeſtellt hat. Was ge-<lb/> genwärtig an Weinen in Bond hier liegt, iſt nicht viel mehr als zur ſelbigen Zeit<lb/> des vorigen Jahres, nämlich 10,355,282 Gallonen gegen 9,652,582 (ein Zuwachs<lb/> von nur etwa 7½ Procent); aber wie bemerkt, die Qualitäten auf dem Lager<lb/> haben ſich ſehr verändert, indem der Vorrath franzöſicher Weine von 409,377 auf<lb/> 740,332, der Lagervorrath deutſcher Weine von 57,125 auf 133,554, der ſpani-<lb/> ſchen von 3,424,824 auf 3,713,751 und der ſüdafrikaniſchen von 603,360 auf<lb/> 887,386 Gallonen ſtieg, während der Vorrath portugieſiſcher Weine von 4,017,404<lb/> auf 3,708,085 zuſammenſchmolz.</p> </div> </div><lb/> <div type="jEditorialStaff" n="2"> <head>Verantwortliche Revaction: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> G. <hi rendition="#g">Kolb.</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> A. J. <hi rendition="#g">Alterhöfer.</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> H. <hi rendition="#g">Orges</hi></head> </div><lb/> <div type="imprint" n="2"> <head>Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta’</hi> ſchen Buchhandlung.</head> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2664/0020]
daß ſich der Handwerker die Vorbedingung dieſer Entwicklung, die Gewerbe-
freiheit, getroſten Muthes aneignen dürfe, zeige (wie ein anderer Redner un-
ter dem lauteſten Beifall ausführte) das Beiſpiel der des gewerblichen Be-
hagens in der gewerbfreien Pfalz. Nach dieſen Erörterungen fanden ſich
ſchließlich nur noch zwei Vertreter die nicht in ihrem eigenen, ſondern im Na-
men ihrer Vereine den Wunſch nach einer „liberalen Gewerbe-Ordnung“
zu Protokoll gaben. Die Verſammlung entſchied ſich dagegen einſtimmig für
die Gewerbefreiheit. Eben ſo einſtimmig erfolgte dann der Beſchluß über
die Geſtattung einer freien Niederlaſſung (unabhängig von dem zum Mitge-
nuß vom Gemeindevermögen und zur Armenunterſtützung berechtigenden
Ortsbürgerrechte) im ganzen Großherzogthum, und wo möglich durch eine
für ganz Deutſchland verwirklichte Freizügigkeit. Auch der Antrag fand kei-
nen Widerſpruch daß das Conceſſionsweſen auf die möglichſt geringe Zahl
von Gewerben beſchränkt werden möge, und eben ſo einmüthig erhob ſich die
Verſammlung für den Wunſch nach einem, nach dem Muſter des engliſchen,
belgiſchen, öfterreichiſchen gearteten Patent- und Muſterſchutzgeſetze. Als
den Ort für die Zuſammenkunft der nächſtfolgenden Wanderverſammlung
entſchied man ſich dann einſtimmig für Heidelberg. Die Zeit bleibt dem
Vorſtand des dortigen Gewerbevereins überlaſſen, und dieſem wurde auch
die Unterſuchung übertragen ob und unter welchen Vorausfetzungen etwa
ein den wirthſchaftlichen Intereſſen des badiſchen Gewerbeſtandes gewidme-
tes Blatt ins Leben zu rufen wäre. Auf die Tagesordnung wurde vorläufig
geſetzt: eingehende Berathung über das Conceſſionsweſen — die Polizei-
taxen — die neuere Genoſſenſchaftsbewegung. Nach dem gelungenen Aus-
fall dieſes erſten Verſuchs dürfen wir uns mit dem Präſidenten der zuver-
ſichtlichen Erwartung hingeben daß ſich die Wanderverſammlungen auch in
Baden als ein ſegensreiches Mittel für die Aufklärung und Einigung des
geſammten denkenden und ſtrebenden Gewerbsſtandes bewähren werden.
(S. Z.)
Berlin.
Das „Centralblatt für die geſammte Unterrichtsverwaltung
in Preußen“ bringt in ſeinem Maiheft eine Zuſammenſtellung der von dem
gegenwärtigen Cultusminiſter angenommenen Grundſätze in Betreff der Anſtel-
lung von Juden an öffentlichen Schulen. Daraus ergibt ſich für den Reſſort
der Unterrichtsverwaltung daß an öffentlichen Volksſchulen, an Schullehrer-
Seminarien, an Gymnaſten und Pro-Gymnaſten, ſo wie an den Univer-
ſitäten zu Königsberg, Greifswald, Halle und Bonn und an der Akademie
zu Münſter Juden überhaupt nicht, an den Real- und höh ren Bürgerſchu-
len aber nur inſofern als Lehrer angeſtellt werden dürfen, als dieſelben we-
der bei ihrer Gründung, noch ſpäter durch beſondere Erklärungen der Stifter
einen die Anſtellung von Juden ausſchließenden confeſſionellen Charakter er-
halten haben, reſp. erhalten werden. Demgemäß werden auch nur an
Schulen dieſer Kategorie Juden zur Abſolvirung des ſogenannten pädagogi-
ſchen Probejahres zugelaſſen werden dürfen. Hinſichtlich der Univerſitäten
Berlin und Breslau iſt aus den Statuten ein Hinderniß gegen die Anſtel-
lung von Juden als Lehrer nicht zu entnehmen. Zu Organen der Schul-
aufſicht, insbeſondere zu Schulräthen, ſind Juden, wegen ſich von ſelbſt er-
gebender Bedenken, nicht geeignet. Von den übrigen Aemtern im Reſſort
der Unterrichtsverwaltung und von den Aemtern im Reſſort der Medicinal-
verwaltung ſind Juden als ſolche ſchon nach dem Geſetz vom 23 Juli 1847
nicht ausgeſchloſſen geweſen. Als Kreisphyſiker fungiren bereits mehrere
Juden.
Griechenland.
ᴕ Athen, 26 Mai.
Die Oppoſition in der Kammer macht zwar fort-
geſetzte Anſtrengungen um der Regierung Hinderniſſe in den Weg zu legen,
allein ohne andern Erfolg als einigen Zeitverluſt. Das Budget der Ein-
nahmen und Ausgaben für das Jahr 1861 iſt nun vollſtändig angenommen,
und hat nur noch den Senat zu paſſiren. Ebenſo wurde im Laufe der Woche
der Geſetzentwurf über die Beziehung einer Penſion von monatlich 1000
Drachmen von Seiten des Generals Deligianny, und über einen Vorſchuß von
50,000 Drachmen für den Admiral Kriezis von Kammer und Senat ange-
nommen; der Geſetzentwurf über das Militärſtrafgeſetz von der Deputirten-
kammer erledigt, und das Geſetz über Pferde-Eiſenbahnen des Landes ange-
nommen. Nur bei dem zuletzt eingebrachten Vorſchlag von Seiten des Mini-
ſteriums, die Auſhebung des §. 17 des vorjährigen Geſetzes über die Er-
höhung der Beamtengehalte betreffend, wodurch die temporäre Erhöhung für
immer den Beamten geſichert worden wäre, hat die Oppoſition alle Mittel
aufgekoten um den Entwurf ſcheitern zu machen. In vier Tagen ſollen die
Kammern geſchloffen werden; allein da der Senat mit dem Budget und
andern Vorlagen nicht zu Stande kommen wird, ſo dürſte es nicht unwahr-
ſcheinlich ſeyn daß eine Verlärgerung von acht bis zehn Tagen eintritt.
— Die Fortſchritte des Panſlavismus im Norden des illyriſchen Dreiecks,
namentlich in Bulgarien, und die damit im nothwendigen Zuſammenhang
ſtehende Verdrängung, ja ſyſtematiſche Verfelgung des griechiſchen Elements
in Kirche und Schule, beunruhigen nicht bloß die Atheniſche Preſſe, und
bieten einen Gegenſtand oft wiederkehrender Erörterungen, ſondern haben
auch im Senat zwei Redner veranlaßt das Wort zu nehmen, und die Re-
gierung aufzufordern alles mögliche aufzubieten um das verlorne Gebiet
wieder zu gewinnen. Heute iſt es nicht mehr die Broſchüre Abouts welche
uns in Aufregung bringt, ſendern die Nachricht aus St. Petersburg,
daß der kranke Mann aufs neue für ſehr krank erklärt worden iſt.
Dieſe Nachricht wurde noch im Laufe der verfloſſenen Nacht durch Extra-
blätter einiger Zeitungen verbreitet, und elektriſirt die bisher beim Buch
Abouts unempfindlich Gebliebenen. — Das Revolutionscomité Siciliens hat
auch eines ſeiner Rundſchreiben zu uns herübergeſchleudert, in welchem der
Aufruf an alle Demokraten Europa’s enthalten iſt, und vorzüglich die ſtamm-
verwandten Griechen aufgefordert werden zur Befreiung Siciliens herbeizueilen,
mit dem Verſprechen daß ſie (die Sicilianer), befreit von dem Joche, ſeiner Zeit
eben ſo thatſächlich mitwirken werden zur Befreiung der unter türkiſchem Joche
ſeufzenden griechiſchen Provinzen. Der Mauerbrecher wird von allen Seiten
in Bewegung geſetzt, und das morſche Gebäude, türkiſches Reich genannt,
das nach dem letzten Friedensſchluß durch Hat-Humayums und andern fal-
ſchen Mörtel zuſammengeflickt worden, iſt nicht im Stand einen Stoß auszu-
halten, von welcher Seite er auch kommen mag. — Die türkiſchen Behörden
ſcheinen in einer fieberhaften Aufregung zu ſeyn. Der Paſcha von Lariſſa
(Theſſalien) ließ ſich beikommen das griechiſche Poſtfelleiſen anzuhalten, in der
Abſicht es zu öffnen. Es ſcheinen ihm aber doch Serupel gekommen zu ſeyn,
und er wandte ſich deßhalb an das griechiſche Conſulat, daß ſich der Conſul
zu ihm verſügen möge um der Eröffnung beizuwohnen. Der griechiſche Conſul
ſelbſt war auf Urlaub in Athen; aber ſein Stellvertreter erwiederte: daß er
nie und nimmermehr einer ſo rechtswidrigen Handlung beiwohnen werde, und
daß er hiemit gegen dieſelbe feierlichen Proteſt einlege. Der Paſcha ärgerte
ſich über den kleinen griechiſchen Conſulatsbeamten, und wendete ſich an den
engliſchen Conſul mit derſelben Bitte. Aber auch dieſer ſchlug dieſe Zu-
muthung rund ab, und bedeutete dem Paſcha daß er ſich hüten möge eine ſo
völkerrechtswidrige Handlung zu begehen; die unausbleiblichen Folgen wür-
den auf ihn zurückfallen. Der Paſcha unterließ demnach die Erbrechung der
griechiſchen Poſt. Dagegen hat der Paſcha von Janina weniger Scrupel
gezeigt; er erbrach die griechiſche Poſt, und ſchickte das geöffnete Paket an den
griechiſchen Conſul. Die Negierung in Athen hat über beide Vorfälle bei der
hieſigen türkiſchen Geſandtſchaftsverweſung Aufklärung verlangt. — Ueberdieß
wird aus Epirus berichtet daß man dort die feſten Plätze und Engpäſſe be-
feſtige und mit Munition verſehe. Die griechiſchen Zeitungen ſind an der
türkiſchen Gränze durch eine ſehr ſtrenge Cenſur an der Verbreitung gehemmt.
Dieß iſt geradezu eine reſultatloſe Maßregel — was zu ſagen war, haben
die griechiſchen Zeitungen ſeit fünfundzwanzig und mehr Jahren den drüben
wohnenden Brüdern geſagt, und wieder geſagt, und tauſendmal wiederholt.
Was ſie heute ſagen, iſt nichts als eine matte Wiederholung. Was geſchehen
ſoll, wird geſchehen durch diejenigen welche ſich dazu für berufen erklären. —
Aus Beſſarabien iſt die Nachricht an das Miniſterium des Aeußern gekom-
men daß die Localbehörde in Renio dem dortigen griechiſchen Conſul nicht
verſtattete an einem nationalen Feſtiag die griechiſche Flagge aufzuzieben.
Auch hier der Conflict des Panſlavismus mit dem Hellenismus. — Der
Admiral der franzöſiſchen Mittelmeerflotte, Laroncier-Lenouri, hat die königl.
Mafeſtäten eingeladen ſich auf ſeinem Admiralsſchiff nach Eleuſis zu be-
geben, um die dort von dem Franzoſen Lenorman, Sohn des vor drei Viertel-
jahren in Athen verſtorbenen Philhellenen und Mitglieds des Inſtituts,
unternommenen Ausgrabungen und deren archäologiſche Reſultate zu be-
ſichtigen. Heute Mittags begaben ſich die Majeſtäten von Athen nach Piräeus,
wo dieſelben ſich auf dem Admiralſchiff einſchifften. Man erwartet die ſie bis
Mitternacht zurück.
Handels- und Börſennachrichten.
London.
Die Ermäßigung des Einfuhrzolles auf Weine aller Art hat bis-
her nur eine Zunahme in der Einfuhr der ſogenannten leichten Weinſorten (aus
Frankreich und Deutſchland) veranlaßt. Bei franzöſiſchen Weinen beträgt dieſe
Zunahme ungefähr 87 Procent, während ſich bei der Einſuhr portugieſiſcher Weine
ein Ausfall von 11 Procent herausſtellt. Spaniſche Weine, deren Verbrauch in
England bisher dem aller übrigen zuſammengenommen gleich kam, haben ebenfalls
um 7 Procent zugenommen, während die bisher ſo ſehr beſchränkte Einfuhr deut-
ſcher Weine ſich ſeit dem 1 Januar um volle 100 Procent, nämlich von 30,488
auf 61,539 Gallonen, gehoben hat. Da jedoch der Gefammtverbrauch während dieſes
Zeitraums 2,581,566 Gallonen betrug, iſt dieſer Zuwachs in der Einfuhr deut-
ſcher Weine, ſo beträchtlich er auch für ſich allein betrachtet iſt in der Maſſe von
keiner außerordentlichen Bedeutung. Deſto größer muß ſie jedoch fürs Rheinland
erſcheinen, vorausgeſetzt daß die Einfuhr ein Bedürfniß iſt das ſich erhält. Süd-
afrikaniſche Weine (vornehmlich Capweine), die als Colonialweine bisher einen ge-
ringeren Eingargszoll zahlten und bloß ihrer Wohlfeilheit wegen einen Markt
hatten, ſind, ſeitdem ſie dieſen Vortheil einbüßten, ſchon um 54 Procent weniger
conſumirt worden. Und rechnet man alle Weinſorten zuſammen, ſo ergibt ſich als
Reſultat daß vorerſt der Weinverbrauch Englands in Folge der Zollermäßigung bleß
um 6 Procent geſtiegen iſt, daß ſich bisher eine bedeutende Veränderung in der Quali-
tät, nicht aber in der Quantität, der importirten Weine herausgeſtellt hat. Was ge-
genwärtig an Weinen in Bond hier liegt, iſt nicht viel mehr als zur ſelbigen Zeit
des vorigen Jahres, nämlich 10,355,282 Gallonen gegen 9,652,582 (ein Zuwachs
von nur etwa 7½ Procent); aber wie bemerkt, die Qualitäten auf dem Lager
haben ſich ſehr verändert, indem der Vorrath franzöſicher Weine von 409,377 auf
740,332, der Lagervorrath deutſcher Weine von 57,125 auf 133,554, der ſpani-
ſchen von 3,424,824 auf 3,713,751 und der ſüdafrikaniſchen von 603,360 auf
887,386 Gallonen ſtieg, während der Vorrath portugieſiſcher Weine von 4,017,404
auf 3,708,085 zuſammenſchmolz.
Verantwortliche Revaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Alterhöfer. Dr. H. Orges
Verlag der J. G. Cotta’ ſchen Buchhandlung.
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(2021-01-12T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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