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Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] dung. Ungewöhnlich hestig wüthete der Norweststurm auch an der Westküste
Schleswigs. Hier wurde die Mehrzahl der kleineren Halligen total von der
See überschwemmt, und der dadurch angerichtete Schaden wird groß genug
seyn, da man in der jetzigen Jahreszeit auf so heftige Stürme nicht gefaßt
ist. Hier sind wir noch leidlich gnädig mit der bloßen Kälte und stark zer-
zausten Bäumen davon gekommen. -- Gestern lief ein schwedisd es, noch auf
hoher See in Brand gerathenes Dampfschiff, das mit Getreide beladen war,
in den Köhlbrand ein. Es hatte das im Kohlenraum ausgebrochene Feuer
durch ununterbrochenes Arbeiten der Bemannung so weit zu bewältigen ge-
wußt, daß die Flammen wenigstens nicht in Lichterlohe emporschlugen. Von
Altona aus eilten sofort Spritzen und Löschmannschaften zu Hülfe. --
Die Angelegenheiten zwischen dem Director des Stadttheaters und den Mit-
gliedern desselben, das Personal des Orchesters mit inbegriffen, sind beigelegt.
Das Theater wird nicht geschlossen, in Ermangelung besserer Bedingungen,
aber die von einigen verlangt wurden, hat man weniger gute sich gefallen
lassen, um -- größeren Fatalitäten zu entgehen. Mit den Directoren un-
seres Stadttheaters ist nun einmal nicht zu spaßen. Das sollten die HH.
Mimen wissen, und sich von Anfang an danach richten. -- Das Wetter ver-
spricht wieder Besserung, zeigt aber doch fortwährend einen bedenklichen Hang
zu übler Laune. Nur gegen die Fruchtbarkeit desselben läßt sich keine ge-
gründete Klage erheben.

Preußen.

Die Zahl der Studierenden an der hiesigen
Universität hat in dem laufenden Semester gegen das verflossene einen Zu-
wachs erfahren. -- Ueber die Umtaufung der Koblenzer Straße, an welcher
Ernst Moriz Arndt wohnte, in Arndtsstraße hatten sich in dem Schooße des
hiesigen Gemeinderaths lebhafte Debatten erhoben, so daß diese Angelegen-
heit zur Kenntniß der Regierung zu Köln gebracht wurde. Die Regierung
zu Köln hat nun erklärt daß die Stadt Bonn kein Recht habe der Koblenzer
Straße einen andern als den bisherigen Namen beizulegen, da diese Straße
eine Staatsstraße sey.


Es scheint außer Zweifel zu seyn daß Dr.
Ryno Quehl bei dem Manteuffel'schen Manifest die Feder geführt, und
die Vertheidigung desselben durch eine der hiesigen Zeitungen vermittelt hat.
Jetzt erst tauchen beim abermaligen Durchlesen der wunderlichen Lucubra-
tion alle die holden Erinnerungen an die politische Weisheit auf, womit
Preußen jahrelang aus der Garküche des Quehl'schen Preßbureau's versorgt
wurde -- lauter Sprüche der richtigsten Mitte und der polizei-
lichsten Maßregelungen.
Armer Manteuffel-Quehl, oder eigentlich
Quehl-Manteuffel! Alle "Eingesandt" zu Gunsten eurer Kalischer Pro-
clamation wollen nicht verfangen -- ihr habt es keiner Partei recht gemacht,
und die Kreuz-Zeitung selbst kehrt euch verächtlich den Rücken. Gewiß ha-
ben die Herren es noch nicht vergessen daß eben die Kreuz-Zeitung und ihre
Potsdamer Fürsprecher es waren die den ehemaligen Ministerpräsidenten
zwangen seinen Seladon auf den Ruheposten nach Kopenhagen abgehen zu
lassen. Wozu also sich ängstlich hinter die Person des Königs verkrie-
chen, da niemand besser als Hr. v. Manteuffel wissen muß daß er nicht dem
König, sondern dessen Rathgebern, den HH. v. Gerlach u. s. w., zu Willen
war! Daß er den drohenden Saturnalien der Reaction Einhalt that, ist in
einem constitutionellen Staat kein Verdienst, sondern eher ein Vorwurf, da
mit Sicherheit angenommen werden kann daß Friedrich Wilhelm IV den
Ministerprästdenten nicht hätte fallen lassen, auch wenn dieser seine liberalen
Forderungen zehnmal höher stellte als er jemals that. Der Sultanismus
des Dirigenten des Preßbureau's aber, den Zeitungen gegenüber, füllt eine
der schmutzigsten Blattseiten der letzten zehn Jahre: es war ganz der Geist
Hinckeldey'scher Polizei-Allmacht, die bekanntlich so weit gieng, daß der Poli-
zeipräsident dem Staatsanwalt ins Gesicht sagte: er könne sich seinen, ob-
schon gesetzlich vorgeschriebenen, Anforderungen nicht fügen. Solche Dinge
vergißt und verzeiht man nicht. Hr. v. Bardeleben, der Neffe, weiß sich
als Nachfolger des Hrn. Quehl vorsichtiger zu benehmen, wenn es ihm auch
nicht gelingen will der ministeriellen Presse kräftig aufzuhelfen. Wirklich
gediegene Artikel enthält allein das "Preußische Wochenblatt," an dem na-
mentlich ältere militärische Notabilitäten mitarbeiten. Es ist Schade daß
nicht eine täglich erscheinende Zeitung die Leitartikel bringt die jetzt fast spur-
los verschwinden. Ueberhaupt aber ist es kein geringer Gewinn wenn her-
vorragende Persönlichkeiten sich an der Tagespresse betheiligen. -- In der
Person eines Bruders des hiesigen Ministerresidenten hat Brasilien nun-
mehr einen Generalconsul in Stettin. So herzlich man den Brasilianern
Arbeitskräfte für ihr großes und fruchtbares Land wünschen muß, so sehr
muß man die unredlichen, zum Theil betrügerischen Mittel beklagen die fort-
während zu diesem Behuf durch gewissenlose Agenten in Anwendung kom-
men. Auch sind aus den Jahren 1847 und 1852 Parceria-Verträge, welche
der damalige Generalconsul in Hamburg unterzeichnete, vorhanden, die zum
Verderben der Auswanderer ausschlagen mußten. Nicht auf eine Verdäch-
tigung Brastliens, sondern lediglich auf eine Aenderung der von dort aus
betriebenen Einwanderung ist es abgesehen. Die Aufmerksamkeit der Sach-
[Spaltenumbruch] verständigen wendet sich entschieden Canada zu, bloß weil von Brasilien keine
Schritte geschehen um das Schicksal der Einwanderer sicherzustellen. -- Das
von dem "Constitutionnel" für Frankreich beanspruchte Oberhoheitsrecht hat
auch hier gezündet: doch erscheinen in Berlin nach wie vor zwei Blätter die
von L. Napoleon nicht das geringste befürchten. -- Von der in dieser Woche
abzuhaltenden Berliner Pastoralconferenz verspricht man sich einige scharfe
Ausfälle auf die ministerielle Toleranz: Stahl namentlich als Präsident
wird seinem gedrückten Herzen Erleichterung verschaffen.


Der Elberfelder Zeitung wird geschrieben: "Die Bezeichnung
&q;Mit Gott für König und Vaterland," welche bis jetzt auf sämmtlichen Land-
wehrhelmen angebracht war, soll, einer allerhöchsten Bestimmung zufolge,
fortan der Kopfbedeckung der gesammten Armee zur Zierde gereichen."


Nach der Elb. Ztg. hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen
den deutschen Küstenstaaten den Entwurf zu einem gemeinsamen Vorschlag
wegen Befestigung der deutschen Küsten zum Beitritt und zur Unterstützung
desselben am Bunde unterbreitet. Von Hannover ist eine besondere Denk-
schrift hinsichtlich dieser Frage ausgearbeitet und dem preußischen Entwurf
als Ergänzung beigefügt worden. Demselben Blatte zufolge hat sich Bayern
in Betreff der Vorfrage wegen Eintheilung der Bundesarmeecorps bezüglich
der Reserve-Infanteriedivisionen der preußischen Auffassung, wonach die seit-
herige Eintheilung der Bundesarmeecorps aufrecht zu erhalten und die Reserve-
Infanteriedivisionen intakt bleiben sollen, angeschlossen. Eine vermittelnde
Stellung in dieser Angelegenheit sollen Baden und Württemberg einnehmen.


Der Redacteur der "Preußischen Jahrbücher," Dr. R. Haym, ist nach
der Köln. Ztg. zum außerordentlichen Professor in der philosophischen Fa-
cultät der Universität zu Halle mit einem entsprechenden Gehalt ernannt
worden. Die bekanntlich ultraconservative Facultät hatte sich der Ernennung
ziemlich lebhaft widersetzt. Die Vota der HH. Professoren sollen interessant
genug ausgefallen seyn. Leo sprach fich im Sinne seines Volksblattes aus.
Ein anderes Mitglied soll bemerkt haben: wenn das Ministerium seine
Freunde anstellen wolle, so würde sich gewiß in der Steuerverwaltung, im
Postfach, oder in der Polizei, Gelegenheit genug dazu finden!

Oesterreich.

Von so vielen Seiten auch der Au-
spruch auf unser Interesse geltend gemacht wird, beschäftigt doch kaum ein Er-
eigniß der Politik, nicht der Reichsrath, nicht der Kampf um Sicilien, nicht die
Friedensversicherungen des Hrn. Fould, die Gemüther bei uns in dem Grad
wie der Proceß welcher seit vier Tagen vor den Schranken des Landesgerichts
verhandelt wird. Und dießmal ist es nicht die blöde Neuigkeitssucht allein,
welche nichts lieber hört und liest als Schauergeschichten; der Mensch welcher
eines grausenhaften Mords in so hohem Grad verdächtig ist, der Commis
Schmidt, ist in der That ein Vorwurf für psychologische Studien. Die Last
der Indicien häuft sich in dem Maß, daß schon jetzt das Urtheil eines Schwur-
gerichts nicht zweifelhaft seyn würde. Er weiß aber daß zu seiner vollständigen
Verurtheilung sein Geständniß nothwendig ist, und dieß verweigert er mit
einer Beharrlichkeit und Festigkeit die sich durch nichts beirren lassen. Es ist
ihm auch offenbar nicht unbekannt daß das Zugeständniß: er sey bei der That
zugegen gewesen, oder habe etwa während derselben Wache gestanden, einem
vollen Geständniß in den Wirkungen ziemlich gleichkommen würde, darum
bleibt er allen Gegenbeweisen zum Trotz dabei er sey erst nach vollbrachter
That in den Laden des Hurtz zurückgekommen, da er nicht mehr läugnen kann
das Gewölbe Abends gesperrt zu haben. Aus der Boruntersuchung wurde
schon bekannt daß er den Mord selbst einem "Berliner" zuschreibt; wie er
auf diesen gekommen, zeigt sich jetzt aus der Vernehmung eines reisenden
Handlungscommis aus Berlin, welchen er bewegen wollte den Koffer mit der
Leiche über die Gränze nach Rußland zu schmuggeln. Wahrscheinlich war
schon damals sein Plan den Verdacht der Thäterschaft auf jenen zu lenken.
Entsetzlich ist bei einem so jungen Menschen (Schmidt ist erst 21 Jahre alt)
mit welchem kalten Vorbedacht er an die That gieng, schon vorher zur Her-
stellung eines Alibi Schritte that, z. B. einen fingirten Ausgabeposten ins
Cassabuch schrieb, dann den Ermordeten als flüchtigen Dieb zu brandmarken
suchte, und das geraubte Geld mit liederlichen Dirnen verjubelte, als ob er
gar keine Entdeckung zu fürchten hätte. Uhr und Ringe des Ermordeten trug
er selbst, in dessen Rocke machte Schmidts zukünftiger Schwager Hochzeit!
Seine Frechheit verläßt ihn auch jetzt keinen Augenblick, der Anblick des
Koffers und die Kleidungsstücke der Leiche machen keinen Eindruck auf ihn,
kein noch so greller Widerspruch bringt ihn aus der Fassung, und noch jetzt
sucht er den Verdacht der Veruntreuung gegen den Ermordeten aufrecht zu
erhalten. Das Gericht hat es offenbar mit einer der gefährlichsten Ver-
brechernaturen zu thun. Der Andrang zu den Sitzungen war so groß, daß
schon wochenlang vorher über allen disponibeln Raum im Gerichtssaal durch
Karten verfügt wurde.


Die Ostd. Post schreibt über die bereits gemel-
dete Wiederbeseitigung der orientalischen Frage: "Die neue orientalische
Frage welche Fürst Gortschakoff jüngstens in die Welt zu schleudern ver-
suchte, ist bereits abgethan und beseitigt. (?) Zuverlässige telegraphische Depe-

[Spaltenumbruch] dung. Ungewöhnlich heſtig wüthete der Norweſtſturm auch an der Weſtküſte
Schleswigs. Hier wurde die Mehrzahl der kleineren Halligen total von der
See überſchwemmt, und der dadurch angerichtete Schaden wird groß genug
ſeyn, da man in der jetzigen Jahreszeit auf ſo heftige Stürme nicht gefaßt
iſt. Hier ſind wir noch leidlich gnädig mit der bloßen Kälte und ſtark zer-
zausten Bäumen davon gekommen. — Geſtern lief ein ſchwediſd es, noch auf
hoher See in Brand gerathenes Dampfſchiff, das mit Getreide beladen war,
in den Köhlbrand ein. Es hatte das im Kohlenraum ausgebrochene Feuer
durch ununterbrochenes Arbeiten der Bemannung ſo weit zu bewältigen ge-
wußt, daß die Flammen wenigſtens nicht in Lichterlohe emporſchlugen. Von
Altona aus eilten ſofort Spritzen und Löſchmannſchaften zu Hülfe. —
Die Angelegenheiten zwiſchen dem Director des Stadttheaters und den Mit-
gliedern desſelben, das Perſonal des Orcheſters mit inbegriffen, ſind beigelegt.
Das Theater wird nicht geſchloſſen, in Ermangelung beſſerer Bedingungen,
aber die von einigen verlangt wurden, hat man weniger gute ſich gefallen
laſſen, um — größeren Fatalitäten zu entgehen. Mit den Directoren un-
ſeres Stadttheaters iſt nun einmal nicht zu ſpaßen. Das ſollten die HH.
Mimen wiſſen, und ſich von Anfang an danach richten. — Das Wetter ver-
ſpricht wieder Beſſerung, zeigt aber doch fortwährend einen bedenklichen Hang
zu übler Laune. Nur gegen die Fruchtbarkeit desſelben läßt ſich keine ge-
gründete Klage erheben.

Preußen.

Die Zahl der Studierenden an der hieſigen
Univerſität hat in dem laufenden Semeſter gegen das verfloſſene einen Zu-
wachs erfahren. — Ueber die Umtaufung der Koblenzer Straße, an welcher
Ernſt Moriz Arndt wohnte, in Arndtsſtraße hatten ſich in dem Schooße des
hieſigen Gemeinderaths lebhafte Debatten erhoben, ſo daß dieſe Angelegen-
heit zur Kenntniß der Regierung zu Köln gebracht wurde. Die Regierung
zu Köln hat nun erklärt daß die Stadt Bonn kein Recht habe der Koblenzer
Straße einen andern als den bisherigen Namen beizulegen, da dieſe Straße
eine Staatsſtraße ſey.


Es ſcheint außer Zweifel zu ſeyn daß Dr.
Ryno Quehl bei dem Manteuffel’ſchen Manifeſt die Feder geführt, und
die Vertheidigung desſelben durch eine der hieſigen Zeitungen vermittelt hat.
Jetzt erſt tauchen beim abermaligen Durchleſen der wunderlichen Lucubra-
tion alle die holden Erinnerungen an die politiſche Weisheit auf, womit
Preußen jahrelang aus der Garküche des Quehl’ſchen Preßbureau’s verſorgt
wurde — lauter Sprüche der richtigſten Mitte und der polizei-
lichſten Maßregelungen.
Armer Manteuffel-Quehl, oder eigentlich
Quehl-Manteuffel! Alle „Eingeſandt“ zu Gunſten eurer Kaliſcher Pro-
clamation wollen nicht verfangen — ihr habt es keiner Partei recht gemacht,
und die Kreuz-Zeitung ſelbſt kehrt euch verächtlich den Rücken. Gewiß ha-
ben die Herren es noch nicht vergeſſen daß eben die Kreuz-Zeitung und ihre
Potsdamer Fürſprecher es waren die den ehemaligen Miniſterpräſidenten
zwangen ſeinen Seladon auf den Ruhepoſten nach Kopenhagen abgehen zu
laſſen. Wozu alſo ſich ängſtlich hinter die Perſon des Königs verkrie-
chen, da niemand beſſer als Hr. v. Manteuffel wiſſen muß daß er nicht dem
König, ſondern deſſen Rathgebern, den HH. v. Gerlach u. ſ. w., zu Willen
war! Daß er den drohenden Saturnalien der Reaction Einhalt that, iſt in
einem conſtitutionellen Staat kein Verdienſt, ſondern eher ein Vorwurf, da
mit Sicherheit angenommen werden kann daß Friedrich Wilhelm IV den
Miniſterpräſtdenten nicht hätte fallen laſſen, auch wenn dieſer ſeine liberalen
Forderungen zehnmal höher ſtellte als er jemals that. Der Sultanismus
des Dirigenten des Preßbureau’s aber, den Zeitungen gegenüber, füllt eine
der ſchmutzigſten Blattſeiten der letzten zehn Jahre: es war ganz der Geiſt
Hinckeldey’ſcher Polizei-Allmacht, die bekanntlich ſo weit gieng, daß der Poli-
zeipräſident dem Staatsanwalt ins Geſicht ſagte: er könne ſich ſeinen, ob-
ſchon geſetzlich vorgeſchriebenen, Anforderungen nicht fügen. Solche Dinge
vergißt und verzeiht man nicht. Hr. v. Bardeleben, der Neffe, weiß ſich
als Nachfolger des Hrn. Quehl vorſichtiger zu benehmen, wenn es ihm auch
nicht gelingen will der miniſteriellen Preſſe kräftig aufzuhelfen. Wirklich
gediegene Artikel enthält allein das „Preußiſche Wochenblatt,“ an dem na-
mentlich ältere militäriſche Notabilitäten mitarbeiten. Es iſt Schade daß
nicht eine täglich erſcheinende Zeitung die Leitartikel bringt die jetzt faſt ſpur-
los verſchwinden. Ueberhaupt aber iſt es kein geringer Gewinn wenn her-
vorragende Perſönlichkeiten ſich an der Tagespreſſe betheiligen. — In der
Perſon eines Bruders des hieſigen Miniſterreſidenten hat Braſilien nun-
mehr einen Generalconſul in Stettin. So herzlich man den Braſilianern
Arbeitskräfte für ihr großes und fruchtbares Land wünſchen muß, ſo ſehr
muß man die unredlichen, zum Theil betrügeriſchen Mittel beklagen die fort-
während zu dieſem Behuf durch gewiſſenloſe Agenten in Anwendung kom-
men. Auch ſind aus den Jahren 1847 und 1852 Parceria-Verträge, welche
der damalige Generalconſul in Hamburg unterzeichnete, vorhanden, die zum
Verderben der Auswanderer ausſchlagen mußten. Nicht auf eine Verdäch-
tigung Braſtliens, ſondern lediglich auf eine Aenderung der von dort aus
betriebenen Einwanderung iſt es abgeſehen. Die Aufmerkſamkeit der Sach-
[Spaltenumbruch] verſtändigen wendet ſich entſchieden Canada zu, bloß weil von Braſilien keine
Schritte geſchehen um das Schickſal der Einwanderer ſicherzuſtellen. — Das
von dem „Conſtitutionnel“ für Frankreich beanſpruchte Oberhoheitsrecht hat
auch hier gezündet: doch erſcheinen in Berlin nach wie vor zwei Blätter die
von L. Napoleon nicht das geringſte befürchten. — Von der in dieſer Woche
abzuhaltenden Berliner Paſtoralconferenz verſpricht man ſich einige ſcharfe
Ausfälle auf die miniſterielle Toleranz: Stahl namentlich als Präſident
wird ſeinem gedrückten Herzen Erleichterung verſchaffen.


Der Elberfelder Zeitung wird geſchrieben: „Die Bezeichnung
&q;Mit Gott für König und Vaterland,“ welche bis jetzt auf ſämmtlichen Land-
wehrhelmen angebracht war, ſoll, einer allerhöchſten Beſtimmung zufolge,
fortan der Kopfbedeckung der geſammten Armee zur Zierde gereichen.“


Nach der Elb. Ztg. hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen
den deutſchen Küſtenſtaaten den Entwurf zu einem gemeinſamen Vorſchlag
wegen Befeſtigung der deutſchen Küſten zum Beitritt und zur Unterſtützung
desſelben am Bunde unterbreitet. Von Hannover iſt eine beſondere Denk-
ſchrift hinſichtlich dieſer Frage ausgearbeitet und dem preußiſchen Entwurf
als Ergänzung beigefügt worden. Demſelben Blatte zufolge hat ſich Bayern
in Betreff der Vorfrage wegen Eintheilung der Bundesarmeecorps bezüglich
der Reſerve-Infanteriediviſionen der preußiſchen Auffaſſung, wonach die ſeit-
herige Eintheilung der Bundesarmeecorps aufrecht zu erhalten und die Reſerve-
Infanteriediviſionen intakt bleiben ſollen, angeſchloſſen. Eine vermittelnde
Stellung in dieſer Angelegenheit ſollen Baden und Württemberg einnehmen.


Der Redacteur der „Preußiſchen Jahrbücher,“ Dr. R. Haym, iſt nach
der Köln. Ztg. zum außerordentlichen Profeſſor in der philoſophiſchen Fa-
cultät der Univerſität zu Halle mit einem entſprechenden Gehalt ernannt
worden. Die bekanntlich ultraconſervative Facultät hatte ſich der Ernennung
ziemlich lebhaft widerſetzt. Die Vota der HH. Profeſſoren ſollen intereſſant
genug ausgefallen ſeyn. Leo ſprach fich im Sinne ſeines Volksblattes aus.
Ein anderes Mitglied ſoll bemerkt haben: wenn das Miniſterium ſeine
Freunde anſtellen wolle, ſo würde ſich gewiß in der Steuerverwaltung, im
Poſtfach, oder in der Polizei, Gelegenheit genug dazu finden!

Oeſterreich.

Von ſo vielen Seiten auch der Au-
ſpruch auf unſer Intereſſe geltend gemacht wird, beſchäftigt doch kaum ein Er-
eigniß der Politik, nicht der Reichsrath, nicht der Kampf um Sicilien, nicht die
Friedensverſicherungen des Hrn. Fould, die Gemüther bei uns in dem Grad
wie der Proceß welcher ſeit vier Tagen vor den Schranken des Landesgerichts
verhandelt wird. Und dießmal iſt es nicht die blöde Neuigkeitsſucht allein,
welche nichts lieber hört und liest als Schauergeſchichten; der Menſch welcher
eines grauſenhaften Mords in ſo hohem Grad verdächtig iſt, der Commis
Schmidt, iſt in der That ein Vorwurf für pſychologiſche Studien. Die Laſt
der Indicien häuft ſich in dem Maß, daß ſchon jetzt das Urtheil eines Schwur-
gerichts nicht zweifelhaft ſeyn würde. Er weiß aber daß zu ſeiner vollſtändigen
Verurtheilung ſein Geſtändniß nothwendig iſt, und dieß verweigert er mit
einer Beharrlichkeit und Feſtigkeit die ſich durch nichts beirren laſſen. Es iſt
ihm auch offenbar nicht unbekannt daß das Zugeſtändniß: er ſey bei der That
zugegen geweſen, oder habe etwa während derſelben Wache geſtanden, einem
vollen Geſtändniß in den Wirkungen ziemlich gleichkommen würde, darum
bleibt er allen Gegenbeweiſen zum Trotz dabei er ſey erſt nach vollbrachter
That in den Laden des Hurtz zurückgekommen, da er nicht mehr läugnen kann
das Gewölbe Abends geſperrt zu haben. Aus der Borunterſuchung wurde
ſchon bekannt daß er den Mord ſelbſt einem „Berliner“ zuſchreibt; wie er
auf dieſen gekommen, zeigt ſich jetzt aus der Vernehmung eines reiſenden
Handlungscommis aus Berlin, welchen er bewegen wollte den Koffer mit der
Leiche über die Gränze nach Rußland zu ſchmuggeln. Wahrſcheinlich war
ſchon damals ſein Plan den Verdacht der Thäterſchaft auf jenen zu lenken.
Entſetzlich iſt bei einem ſo jungen Menſchen (Schmidt iſt erſt 21 Jahre alt)
mit welchem kalten Vorbedacht er an die That gieng, ſchon vorher zur Her-
ſtellung eines Alibi Schritte that, z. B. einen fingirten Ausgabepoſten ins
Caſſabuch ſchrieb, dann den Ermordeten als flüchtigen Dieb zu brandmarken
ſuchte, und das geraubte Geld mit liederlichen Dirnen verjubelte, als ob er
gar keine Entdeckung zu fürchten hätte. Uhr und Ringe des Ermordeten trug
er ſelbſt, in deſſen Rocke machte Schmidts zukünftiger Schwager Hochzeit!
Seine Frechheit verläßt ihn auch jetzt keinen Augenblick, der Anblick des
Koffers und die Kleidungsſtücke der Leiche machen keinen Eindruck auf ihn,
kein noch ſo greller Widerſpruch bringt ihn aus der Faſſung, und noch jetzt
ſucht er den Verdacht der Veruntreuung gegen den Ermordeten aufrecht zu
erhalten. Das Gericht hat es offenbar mit einer der gefährlichſten Ver-
brechernaturen zu thun. Der Andrang zu den Sitzungen war ſo groß, daß
ſchon wochenlang vorher über allen disponibeln Raum im Gerichtsſaal durch
Karten verfügt wurde.


Die Oſtd. Poſt ſchreibt über die bereits gemel-
dete Wiederbeſeitigung der orientaliſchen Frage: „Die neue orientaliſche
Frage welche Fürſt Gortſchakoff jüngſtens in die Welt zu ſchleudern ver-
ſuchte, iſt bereits abgethan und beſeitigt. (?) Zuverläſſige telegraphiſche Depe-

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[2632/0004] dung. Ungewöhnlich heſtig wüthete der Norweſtſturm auch an der Weſtküſte Schleswigs. Hier wurde die Mehrzahl der kleineren Halligen total von der See überſchwemmt, und der dadurch angerichtete Schaden wird groß genug ſeyn, da man in der jetzigen Jahreszeit auf ſo heftige Stürme nicht gefaßt iſt. Hier ſind wir noch leidlich gnädig mit der bloßen Kälte und ſtark zer- zausten Bäumen davon gekommen. — Geſtern lief ein ſchwediſd es, noch auf hoher See in Brand gerathenes Dampfſchiff, das mit Getreide beladen war, in den Köhlbrand ein. Es hatte das im Kohlenraum ausgebrochene Feuer durch ununterbrochenes Arbeiten der Bemannung ſo weit zu bewältigen ge- wußt, daß die Flammen wenigſtens nicht in Lichterlohe emporſchlugen. Von Altona aus eilten ſofort Spritzen und Löſchmannſchaften zu Hülfe. — Die Angelegenheiten zwiſchen dem Director des Stadttheaters und den Mit- gliedern desſelben, das Perſonal des Orcheſters mit inbegriffen, ſind beigelegt. Das Theater wird nicht geſchloſſen, in Ermangelung beſſerer Bedingungen, aber die von einigen verlangt wurden, hat man weniger gute ſich gefallen laſſen, um — größeren Fatalitäten zu entgehen. Mit den Directoren un- ſeres Stadttheaters iſt nun einmal nicht zu ſpaßen. Das ſollten die HH. Mimen wiſſen, und ſich von Anfang an danach richten. — Das Wetter ver- ſpricht wieder Beſſerung, zeigt aber doch fortwährend einen bedenklichen Hang zu übler Laune. Nur gegen die Fruchtbarkeit desſelben läßt ſich keine ge- gründete Klage erheben. Preußen. * Bonn, 2 Jun. Die Zahl der Studierenden an der hieſigen Univerſität hat in dem laufenden Semeſter gegen das verfloſſene einen Zu- wachs erfahren. — Ueber die Umtaufung der Koblenzer Straße, an welcher Ernſt Moriz Arndt wohnte, in Arndtsſtraße hatten ſich in dem Schooße des hieſigen Gemeinderaths lebhafte Debatten erhoben, ſo daß dieſe Angelegen- heit zur Kenntniß der Regierung zu Köln gebracht wurde. Die Regierung zu Köln hat nun erklärt daß die Stadt Bonn kein Recht habe der Koblenzer Straße einen andern als den bisherigen Namen beizulegen, da dieſe Straße eine Staatsſtraße ſey. ⊥ Berlin, 3 Jun. Es ſcheint außer Zweifel zu ſeyn daß Dr. Ryno Quehl bei dem Manteuffel’ſchen Manifeſt die Feder geführt, und die Vertheidigung desſelben durch eine der hieſigen Zeitungen vermittelt hat. Jetzt erſt tauchen beim abermaligen Durchleſen der wunderlichen Lucubra- tion alle die holden Erinnerungen an die politiſche Weisheit auf, womit Preußen jahrelang aus der Garküche des Quehl’ſchen Preßbureau’s verſorgt wurde — lauter Sprüche der richtigſten Mitte und der polizei- lichſten Maßregelungen. Armer Manteuffel-Quehl, oder eigentlich Quehl-Manteuffel! Alle „Eingeſandt“ zu Gunſten eurer Kaliſcher Pro- clamation wollen nicht verfangen — ihr habt es keiner Partei recht gemacht, und die Kreuz-Zeitung ſelbſt kehrt euch verächtlich den Rücken. Gewiß ha- ben die Herren es noch nicht vergeſſen daß eben die Kreuz-Zeitung und ihre Potsdamer Fürſprecher es waren die den ehemaligen Miniſterpräſidenten zwangen ſeinen Seladon auf den Ruhepoſten nach Kopenhagen abgehen zu laſſen. Wozu alſo ſich ängſtlich hinter die Perſon des Königs verkrie- chen, da niemand beſſer als Hr. v. Manteuffel wiſſen muß daß er nicht dem König, ſondern deſſen Rathgebern, den HH. v. Gerlach u. ſ. w., zu Willen war! Daß er den drohenden Saturnalien der Reaction Einhalt that, iſt in einem conſtitutionellen Staat kein Verdienſt, ſondern eher ein Vorwurf, da mit Sicherheit angenommen werden kann daß Friedrich Wilhelm IV den Miniſterpräſtdenten nicht hätte fallen laſſen, auch wenn dieſer ſeine liberalen Forderungen zehnmal höher ſtellte als er jemals that. Der Sultanismus des Dirigenten des Preßbureau’s aber, den Zeitungen gegenüber, füllt eine der ſchmutzigſten Blattſeiten der letzten zehn Jahre: es war ganz der Geiſt Hinckeldey’ſcher Polizei-Allmacht, die bekanntlich ſo weit gieng, daß der Poli- zeipräſident dem Staatsanwalt ins Geſicht ſagte: er könne ſich ſeinen, ob- ſchon geſetzlich vorgeſchriebenen, Anforderungen nicht fügen. Solche Dinge vergißt und verzeiht man nicht. Hr. v. Bardeleben, der Neffe, weiß ſich als Nachfolger des Hrn. Quehl vorſichtiger zu benehmen, wenn es ihm auch nicht gelingen will der miniſteriellen Preſſe kräftig aufzuhelfen. Wirklich gediegene Artikel enthält allein das „Preußiſche Wochenblatt,“ an dem na- mentlich ältere militäriſche Notabilitäten mitarbeiten. Es iſt Schade daß nicht eine täglich erſcheinende Zeitung die Leitartikel bringt die jetzt faſt ſpur- los verſchwinden. Ueberhaupt aber iſt es kein geringer Gewinn wenn her- vorragende Perſönlichkeiten ſich an der Tagespreſſe betheiligen. — In der Perſon eines Bruders des hieſigen Miniſterreſidenten hat Braſilien nun- mehr einen Generalconſul in Stettin. So herzlich man den Braſilianern Arbeitskräfte für ihr großes und fruchtbares Land wünſchen muß, ſo ſehr muß man die unredlichen, zum Theil betrügeriſchen Mittel beklagen die fort- während zu dieſem Behuf durch gewiſſenloſe Agenten in Anwendung kom- men. Auch ſind aus den Jahren 1847 und 1852 Parceria-Verträge, welche der damalige Generalconſul in Hamburg unterzeichnete, vorhanden, die zum Verderben der Auswanderer ausſchlagen mußten. Nicht auf eine Verdäch- tigung Braſtliens, ſondern lediglich auf eine Aenderung der von dort aus betriebenen Einwanderung iſt es abgeſehen. 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Ztg. hat das hiefige Cabinet vor ungefähr acht Tagen den deutſchen Küſtenſtaaten den Entwurf zu einem gemeinſamen Vorſchlag wegen Befeſtigung der deutſchen Küſten zum Beitritt und zur Unterſtützung desſelben am Bunde unterbreitet. Von Hannover iſt eine beſondere Denk- ſchrift hinſichtlich dieſer Frage ausgearbeitet und dem preußiſchen Entwurf als Ergänzung beigefügt worden. Demſelben Blatte zufolge hat ſich Bayern in Betreff der Vorfrage wegen Eintheilung der Bundesarmeecorps bezüglich der Reſerve-Infanteriediviſionen der preußiſchen Auffaſſung, wonach die ſeit- herige Eintheilung der Bundesarmeecorps aufrecht zu erhalten und die Reſerve- Infanteriediviſionen intakt bleiben ſollen, angeſchloſſen. Eine vermittelnde Stellung in dieſer Angelegenheit ſollen Baden und Württemberg einnehmen. Der Redacteur der „Preußiſchen Jahrbücher,“ Dr. R. Haym, iſt nach der Köln. Ztg. zum außerordentlichen Profeſſor in der philoſophiſchen Fa- cultät der Univerſität zu Halle mit einem entſprechenden Gehalt ernannt worden. Die bekanntlich ultraconſervative Facultät hatte ſich der Ernennung ziemlich lebhaft widerſetzt. Die Vota der HH. Profeſſoren ſollen intereſſant genug ausgefallen ſeyn. Leo ſprach fich im Sinne ſeines Volksblattes aus. Ein anderes Mitglied ſoll bemerkt haben: wenn das Miniſterium ſeine Freunde anſtellen wolle, ſo würde ſich gewiß in der Steuerverwaltung, im Poſtfach, oder in der Polizei, Gelegenheit genug dazu finden! Oeſterreich. ⩣ Wien, 2 Jun. Von ſo vielen Seiten auch der Au- ſpruch auf unſer Intereſſe geltend gemacht wird, beſchäftigt doch kaum ein Er- eigniß der Politik, nicht der Reichsrath, nicht der Kampf um Sicilien, nicht die Friedensverſicherungen des Hrn. Fould, die Gemüther bei uns in dem Grad wie der Proceß welcher ſeit vier Tagen vor den Schranken des Landesgerichts verhandelt wird. Und dießmal iſt es nicht die blöde Neuigkeitsſucht allein, welche nichts lieber hört und liest als Schauergeſchichten; der Menſch welcher eines grauſenhaften Mords in ſo hohem Grad verdächtig iſt, der Commis Schmidt, iſt in der That ein Vorwurf für pſychologiſche Studien. Die Laſt der Indicien häuft ſich in dem Maß, daß ſchon jetzt das Urtheil eines Schwur- gerichts nicht zweifelhaft ſeyn würde. Er weiß aber daß zu ſeiner vollſtändigen Verurtheilung ſein Geſtändniß nothwendig iſt, und dieß verweigert er mit einer Beharrlichkeit und Feſtigkeit die ſich durch nichts beirren laſſen. Es iſt ihm auch offenbar nicht unbekannt daß das Zugeſtändniß: er ſey bei der That zugegen geweſen, oder habe etwa während derſelben Wache geſtanden, einem vollen Geſtändniß in den Wirkungen ziemlich gleichkommen würde, darum bleibt er allen Gegenbeweiſen zum Trotz dabei er ſey erſt nach vollbrachter That in den Laden des Hurtz zurückgekommen, da er nicht mehr läugnen kann das Gewölbe Abends geſperrt zu haben. Aus der Borunterſuchung wurde ſchon bekannt daß er den Mord ſelbſt einem „Berliner“ zuſchreibt; wie er auf dieſen gekommen, zeigt ſich jetzt aus der Vernehmung eines reiſenden Handlungscommis aus Berlin, welchen er bewegen wollte den Koffer mit der Leiche über die Gränze nach Rußland zu ſchmuggeln. Wahrſcheinlich war ſchon damals ſein Plan den Verdacht der Thäterſchaft auf jenen zu lenken. Entſetzlich iſt bei einem ſo jungen Menſchen (Schmidt iſt erſt 21 Jahre alt) mit welchem kalten Vorbedacht er an die That gieng, ſchon vorher zur Her- ſtellung eines Alibi Schritte that, z. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-11-18T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860, S. 2632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine158_1860/4>, abgerufen am 01.06.2024.