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Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] ankündigte, geruhte Allerhöchstderselbe zu erklären: "die Segnungen des Frie-
dens seyen doppelt werthvoll, weil sie die nöthige Muße gönnen werden die
ganze Aufmerksamkeit und Sorgfalt ungestört der erfolgreichen Lösung der
Aufgabe zu weihen Oesterreichs innere Wohlfahrt und äußere Macht durch
zweckmäßige Entwicklung seiner reichen geistigen und materiellen Kräfte wie
durch zeitgemäße Verbesserungen in Gesetzgebung und Verwaltung dauernd
zu begründen." In dieser Richtung unermüdlich thätig, hat Se. Majestät
das Bedürfniß erkannt über die Interessen und Wünsche der Bevölkerung
aller Theile des weiten Reichs Berichte und Vorschläge von unmittelbar dabei
Betheiligten einzuholen. Die Erstattung dieser Aeußerungen wird die wich-
tigste Aufgabe der Landesvertretungen seyn, welche in allen Kronländern ins
Leben treten werden. Aber auch im Mittelpunkt des Reichs will Se. Ma
jestät sich des Beiraths treubewährter, erfahrener und unabhängiger Männer
erfreuen, deren reiches Wissen und erprobte Liebe für den allerhöchsten Thron
und das große österreichische Gesammtvaterland um so segensreicher wirken
werden, je schwieriger die zu lösende Aufgabe ist. Se. Majestät hat die Aus-
führung dieses Zwecks dem Reichsrath, der nach den bisherigen Normen fort-
bestehen soll, anzuvertrauen, und demselben hiezu eine Verstärkung einzufügen
geruht. Sie, meine Herren, werden hieraus erkennen daß dem verstärkten
Reichsrath die ehrenvolle Bestimmung zugedacht ist: "a s oberster Rath des
Kaisers und der Krone zu wirken." Zu Gliedern dieses obersten Raths-
körpers in Gemäßheit des Patents und der kaiserlichen Verordnung vom
5 März d. J. durch das allerhöchste Vertrauen berufen, werden Sie, meine
Herren, alle Ihre Kraft zur Erreichung des uns gesteckten großen Zieles aufbie-
ten. Sie werden, stets eingedenk daß Se. Majestät bei Ihrer Berufung
den Zweck vor Augen hatte seinen obersten Rath durch Männer zu verstärken
welche, bei genauer Kenntniß der Verhältnisse des Kronlandes welchem sie
angehören, frei von jedem äußern Einfluß, über die Ihnen vorgelegten Fra-
gen Ihre persönlichen Ansichten aussprechen, mit voller Offenheit die Be-
dürfnisse und Interessen aller Schichten und Berufsclassen der Bevölkerung
zur allerhöchsten Kenntniß bringen, zugleich aber stets im Auge behalten daß
das Heil und die Wohlfahrt aller auf der Festigung der Rechte des Throns
und auf der Erhaltung der Einheit des Reichs beruhen. Von Sr. Majestät
dem Kaiser, unserm allergnädigsten Herrn, mit der ehrenvollen Aufgabe be-
traut Ihre Berathungen zu leiten, habe ich jedem von Ihnen, meine Herren,
die von Sr. Majestät genehmigte Geschäftsordnung zur Darnachachtung mit-
getheilt, und lade Sie nunmehr ein den im §. 3 derselben vorgeschriebenen
Eid in meine Hände abzulegen. (Eidesleistung.) Bevor wir die uns zu-
gewiesene Arbeit beginnen, drängt es mich noch einige Worte an Sie, meine
Herren, zu richten. Empfangen Sie vor allem die Versicherung daß ich die
Berathungen mit voller Unparteilichkeit leiten, zugleich aber stets auf genaue
Einhaltung der uns von Sr. Majestät gegebenen Geschäftsordnung sehen
werde. Ich bin überzeugt daß Sie, in richtiger Würdigung der Ihnen ge-
stellten großen Aufgabe, mich in meinen Bemühungen eifrig und redlich unter-
stützen, und alles aufbieten werden damit der verstärkte Reichsrath den Er-
wartungen entspreche welche Se. Majestät und das Gesammtvaterland auf
ihn setzen. Meine Herren! Groß und wichtig sind die Arbeiten welche Sie
erwarten. Die größte und wichtigste unter denselben ist Ihr Gutachten über die
Mittel und Wege abzugeben welche zur Regelung unsers Staatshaushalts einge-
schlagen werden sollen. Umfassende Vorarbeiten haben in dieser Richtung
stattgefunden, dieselben werden Ihre Aufgabe erleichtern, von deren glück-
licher Losung das Wohl Oesterreichs abhängt. Aber auch den andern von
Sr. Majestät Ihrer Berathung zugewiesenen Vorlagen werden Sie, ich bin
es von Ihnen überzeugt, mit gleichem Eifer und gleicher Hingebung obliegen.
Meine Herren! Ernst ist die Lage des Vaterlandes in dem Augenblick in
welchem der verstärkte Reichsrath sich zum erstenmal versammelt, aber eine
bessere Zukunft steht uns bevor, und ich beglückwünsche Sie, meine Herren,
daß Ihnen der schöne Beruf geworden zu ihrer Verwirklichung an hervor-
ragender Stelle mitzuwirken. Stets wollen wir uns den Wahlspruch unsers
Kaisers: "Mit vereinten Kräften," gegenwärtig halten und darnach wirken.
Indem ich die erste Session des verstärkten Reichsraths für eröffnet erkläre,
theile ich Ihnen mit daß Se. Maj. unser allergnädigster Herr Se. Exc. den
Reichsrath v. Szögyeny und den Grafen Albert Nostitz für die Dauer der
dießmaligen Session zu Vicepräsidenten ernannt hat, und lade Sie ein zur
Wahl der gemäß §. 19 der Geschäftsordnung zur Controle der Sitzungspro-
tokolle zu bestimmenden beiden Reichsräthe durch schriftliche Angabe der von
jedem von Ihnen beantragten beiden Namen zu schreiten, wobei ich Ihnen
zugleich bekannt gebe daß ich zu demselben Zweck bereits Ihre Excellenzen die
beiden ständigen Reichsräthe Graf Mercandin und Frhr. v. Lichtenfels be-
stimmt habe."


Die Oesterr. Ztg. schreibt über die Anrede des
Kaisers an den Reichsrath: Vor allem ist es der Gedanke der Reichseinheit
welcher in der Rede vom Thron herab als Cardinalpunkt vorangestellt wird.
Die Freunde des Gesammistaates haben in neuester Zeit zu fürchten begonnen
das mühsame Werk eines Jahrzehnts erschüttert zu sehen. Andere wurden
von der Bangigkeit beschlichen es könnte wieder wie vordem ein Unterschied
zwischen einem und dem anderen Reichstheile, eine particuläre Begünstigung
einzelner Länder stattfinden. Das Wort des Kaisers hat diese Wolken zer-
strent. Das Band welches die ganze Monarchie umschlingt soll nicht ge-
lockert, es soll in Oesterreich keine particuläre, sondern eine alle Länder und
Völker gleichmäßig treffende gesetzliche Freiheit bestehen. Alle Länder, alle
[Spaltenumbruch] Volksstämme sollen gleich berechtigt und gleich verpflichtet seyn. In allen
Stämmen ist das Nationalitätsbewußtseyn wach geworden. Keiner derselben
aber hat Kraft, keiner ist groß genug um als mächtiger Nationalverband allein
zu stehen. Nur wenn sie alle sich gleich achten, alle gleichen Schutz genießen,
alle "in brüderlicher Eintracht zu einem mächtigen Ganzen verbunden sind"
vermögen sie auszuharren und auszuhalten. Diese Conföderation der Bölker
und Stämme zu seyn, ist die Aufgabe des Ostreiches, sie kann nur durch ein
einheitliches politisches Band ermöglicht werden. Geschichtliche Thatsachen,
gemeinsamer Ruhm, gemeinsames Leid und Freude ketten uns nicht minder
aneinander als die weitestverzweigten und bis in die tiefsten Schichten hinab-
reichenden Interessen. Diejenigen welche hier einen Schnitt, einen Riß ver-
suchen -- eine Auflösung ist nicht möglich -- müßten tief ins eigene Fleisch
hinein schneiden. Nur die verhärtetste Ehr- und Eigensucht vermag zu solch
frevelhaftem Beginnen sich zu vermessen, und die tiefen Wanden nicht zu
scheuen welche sie einem und allen Ländern des Reiches schlagen würden.
Die Worte des Kaisers können in allen braven Herzen, in allen verständigen
Köpfen nur lauten Widerhall finden. Oesterreich soll nach außen mächtig,
im Innern glücklich seyn. Beides hängt innig zusammen; beides ist unzer-
trennlich. Nur wenn die Völker zufrieden und befriedigt, nur wenn ihr ge-
meinsames Wohl und Glück fest gegründet ist, steht der Staat mit markigen
Knochen auf festem Boden, nur dann vermag er jedem Feind, weß Namens,
ohne Furcht zu trotzen, kann er jeder Gefahr ruhig ins Auge schauen.

Wie der Oesterr. Ztg. mitgetheilt wird, ist Fürst Gagarin, der auf
seiner Reise nach Turin hier durchgekommen, der Ueberbringer weiterer In-
structionen für den Grafen Stackelberg, so wie eines eigenhändigen Schrei-
bens des Kaisers Alexander an den König Victor Emmanuel, welche sich auf
die Haltung des Turiner Cabinets in Betreff der Garibaldi-Expedition be-
ziehen sollen. Bekanntlich hatte Graf Stackelberg bereits vor einigen Wo-
chen in einer Audienz dem König Victor Emmanuel darauf bezügliche Auden-
tungen gemacht, da das St. Petersburger Cabinet durch eine Fortsetzung der
bisherigen Politik Piemonts weitere Complicationen in Italien befürchtet.

Die Redaction des Fortschritt hat unterm 31 Mai eine Verwarnung
erhalten, weil das Journal in neuerer Zeit die Gränzen welche das Preßge-
setz der Tageslitteratur vorzeichnet mehrfach überschritten habe. Unter den
bezeichneten Artikeln befindet sich auch der: "Aufklärungen über den
Frhrn. v. Bruck" in Nr. 120, in welchem ein in der officiellen Wiener Ztg.
vorgekommener unliebsamer Druckfehler zum Anlaß genommen worden sey
die Regierung in niedriger Weise zu verdächtigen.


Im Laufe der jüngsten Zeit machte eine die
Ehre des Directors der Staatsdruckerei, Hofrath Auer, verunglimpfende
Notiz die Runde durch mehrere auswärtige Blätter. Obwohl dieses Gerücht
den Stempel böswilliger Erfindung an der Stirne trägt, und von hiesigen
Blättern bereits Widerlegung erfahren hat, so ist es doch vielleicht nicht über-
flüssig wenn ich Ihnen aus verläßlicher Quelle die Lügenhaftigkeit des Ge-
rüchts ausdrücklich versichere. -- Vor einigen Tagen hat Hofrath Auer ein
sehr sinniges Geschenk aus Sydney in Neuholland erhalten. Es ist ein in
Silber gefaßtes als Schreibzeug dienendes Casuar-Ei. Es ruht auf Farn-
kräutern von getriebenem Silber; auf dem Deckel des Schreibzeugs befindet
sich ein Casuar mit mehreren Jungen aus massivem Silber dargestellt. Die
Silberarbeit ist sehr geschmackvoll und mit wahrhaft künstlerischem Sinn von
Hrn. Hogarth, dem ersten Mann seines Fachs in Sydney, ausgeführt. Das
schöne Geschenk kommt von Hrn. Degotardi, einem gebornen Oesterreicher,
der seit vielen Jahren als Buchdrucker in Sydney ansässig ist, einem äußerst
thätigen und strebsamen Mann, der für Neuholland zu werden verspricht was
Hofrath Auer für Oesterreich und Deutschland geworden ist. Er beschränkt
sich nicht auf die Typographie im engern Sinn, sondern er beschäftigt sich mit
allen graphischen Künsten, wie Lithographie, Holzschnitt, Photographie, Gal-
vanoplastik, Naturselbstdruck etc. Er ist der Gründer und war der Redacteur
der "Australischen deutschen Zeitung." Er war es auch dem die Novara-
Fahrer während ihres Aufenthalts in Sydney zum Theil den überaus glänzen-
den und herzlichen Empfang zu verdanken hatten der ihnen von Seite der dort
lebenden Deutschen zu Theil wurde.

Schweiz.

Die Gazette de Savoie hofft daß schon heute, oder
spätestens morgen, die Proclamation des Anschlusses erfolgen werde. Die
Geistlichkeit hat nicht einmal auf das "le roi est mort" gewartet, um ihr
"vive le roi!" zu rufen, denn schon vor einigen Tagen haben die General-
vicare der Diöcese Annecy den Klerus in einem Rundschreiben aufgefordert
die Kirchengebete den Umständen entsprechend abzuändern, und den Anschluß
Savoyens an Frankreich unmittelbar nach der Publication durch einen großen
kirchlichen Act mit Messe, Tedeum, Ausstellung des Allerheiligsten, Bene-
diction u. s. w. zu feiern. In einigen Dörfern ließen die übereifrigen Syn-
dics schon vorgestern wieder französische Flaggen aushängen. Die Garnison
von Chambery war an demselben Tag auf 5000 Mann gebracht; die Agen-
ten des französischen Chauvinismus, darunter auch viele dem Samen Abra-

[Spaltenumbruch] ankündigte, geruhte Allerhöchſtderſelbe zu erklären: „die Segnungen des Frie-
dens ſeyen doppelt werthvoll, weil ſie die nöthige Muße gönnen werden die
ganze Aufmerkſamkeit und Sorgfalt ungeſtört der erfolgreichen Löſung der
Aufgabe zu weihen Oeſterreichs innere Wohlfahrt und äußere Macht durch
zweckmäßige Entwicklung ſeiner reichen geiſtigen und materiellen Kräfte wie
durch zeitgemäße Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Verwaltung dauernd
zu begründen.“ In dieſer Richtung unermüdlich thätig, hat Se. Majeſtät
das Bedürfniß erkannt über die Intereſſen und Wünſche der Bevölkerung
aller Theile des weiten Reichs Berichte und Vorſchläge von unmittelbar dabei
Betheiligten einzuholen. Die Erſtattung dieſer Aeußerungen wird die wich-
tigſte Aufgabe der Landesvertretungen ſeyn, welche in allen Kronländern ins
Leben treten werden. Aber auch im Mittelpunkt des Reichs will Se. Ma
jeſtät ſich des Beiraths treubewährter, erfahrener und unabhängiger Männer
erfreuen, deren reiches Wiſſen und erprobte Liebe für den allerhöchſten Thron
und das große öſterreichiſche Geſammtvaterland um ſo ſegensreicher wirken
werden, je ſchwieriger die zu löſende Aufgabe iſt. Se. Majeſtät hat die Aus-
führung dieſes Zwecks dem Reichsrath, der nach den bisherigen Normen fort-
beſtehen ſoll, anzuvertrauen, und demſelben hiezu eine Verſtärkung einzufügen
geruht. Sie, meine Herren, werden hieraus erkennen daß dem verſtärkten
Reichsrath die ehrenvolle Beſtimmung zugedacht iſt: „a s oberſter Rath des
Kaiſers und der Krone zu wirken.“ Zu Gliedern dieſes oberſten Raths-
körpers in Gemäßheit des Patents und der kaiſerlichen Verordnung vom
5 März d. J. durch das allerhöchſte Vertrauen berufen, werden Sie, meine
Herren, alle Ihre Kraft zur Erreichung des uns geſteckten großen Zieles aufbie-
ten. Sie werden, ſtets eingedenk daß Se. Majeſtät bei Ihrer Berufung
den Zweck vor Augen hatte ſeinen oberſten Rath durch Männer zu verſtärken
welche, bei genauer Kenntniß der Verhältniſſe des Kronlandes welchem ſie
angehören, frei von jedem äußern Einfluß, über die Ihnen vorgelegten Fra-
gen Ihre perſönlichen Anſichten ausſprechen, mit voller Offenheit die Be-
dürfniſſe und Intereſſen aller Schichten und Berufsclaſſen der Bevölkerung
zur allerhöchſten Kenntniß bringen, zugleich aber ſtets im Auge behalten daß
das Heil und die Wohlfahrt aller auf der Feſtigung der Rechte des Throns
und auf der Erhaltung der Einheit des Reichs beruhen. Von Sr. Majeſtät
dem Kaiſer, unſerm allergnädigſten Herrn, mit der ehrenvollen Aufgabe be-
traut Ihre Berathungen zu leiten, habe ich jedem von Ihnen, meine Herren,
die von Sr. Majeſtät genehmigte Geſchäftsordnung zur Darnachachtung mit-
getheilt, und lade Sie nunmehr ein den im §. 3 derſelben vorgeſchriebenen
Eid in meine Hände abzulegen. (Eidesleiſtung.) Bevor wir die uns zu-
gewieſene Arbeit beginnen, drängt es mich noch einige Worte an Sie, meine
Herren, zu richten. Empfangen Sie vor allem die Verſicherung daß ich die
Berathungen mit voller Unparteilichkeit leiten, zugleich aber ſtets auf genaue
Einhaltung der uns von Sr. Majeſtät gegebenen Geſchäftsordnung ſehen
werde. Ich bin überzeugt daß Sie, in richtiger Würdigung der Ihnen ge-
ſtellten großen Aufgabe, mich in meinen Bemühungen eifrig und redlich unter-
ſtützen, und alles aufbieten werden damit der verſtärkte Reichsrath den Er-
wartungen entſpreche welche Se. Majeſtät und das Geſammtvaterland auf
ihn ſetzen. Meine Herren! Groß und wichtig ſind die Arbeiten welche Sie
erwarten. Die größte und wichtigſte unter denſelben iſt Ihr Gutachten über die
Mittel und Wege abzugeben welche zur Regelung unſers Staatshaushalts einge-
ſchlagen werden ſollen. Umfaſſende Vorarbeiten haben in dieſer Richtung
ſtattgefunden, dieſelben werden Ihre Aufgabe erleichtern, von deren glück-
licher Loſung das Wohl Oeſterreichs abhängt. Aber auch den andern von
Sr. Majeſtät Ihrer Berathung zugewieſenen Vorlagen werden Sie, ich bin
es von Ihnen überzeugt, mit gleichem Eifer und gleicher Hingebung obliegen.
Meine Herren! Ernſt iſt die Lage des Vaterlandes in dem Augenblick in
welchem der verſtärkte Reichsrath ſich zum erſtenmal verſammelt, aber eine
beſſere Zukunft ſteht uns bevor, und ich beglückwünſche Sie, meine Herren,
daß Ihnen der ſchöne Beruf geworden zu ihrer Verwirklichung an hervor-
ragender Stelle mitzuwirken. Stets wollen wir uns den Wahlſpruch unſers
Kaiſers: „Mit vereinten Kräften,“ gegenwärtig halten und darnach wirken.
Indem ich die erſte Seſſion des verſtärkten Reichsraths für eröffnet erkläre,
theile ich Ihnen mit daß Se. Maj. unſer allergnädigſter Herr Se. Exc. den
Reichsrath v. Szögyeny und den Grafen Albert Noſtitz für die Dauer der
dießmaligen Seſſion zu Vicepräſidenten ernannt hat, und lade Sie ein zur
Wahl der gemäß §. 19 der Geſchäftsordnung zur Controle der Sitzungspro-
tokolle zu beſtimmenden beiden Reichsräthe durch ſchriftliche Angabe der von
jedem von Ihnen beantragten beiden Namen zu ſchreiten, wobei ich Ihnen
zugleich bekannt gebe daß ich zu demſelben Zweck bereits Ihre Excellenzen die
beiden ſtändigen Reichsräthe Graf Mercandin und Frhr. v. Lichtenfels be-
ſtimmt habe.“


Die Oeſterr. Ztg. ſchreibt über die Anrede des
Kaiſers an den Reichsrath: Vor allem iſt es der Gedanke der Reichseinheit
welcher in der Rede vom Thron herab als Cardinalpunkt vorangeſtellt wird.
Die Freunde des Geſammiſtaates haben in neueſter Zeit zu fürchten begonnen
das mühſame Werk eines Jahrzehnts erſchüttert zu ſehen. Andere wurden
von der Bangigkeit beſchlichen es könnte wieder wie vordem ein Unterſchied
zwiſchen einem und dem anderen Reichstheile, eine particuläre Begünſtigung
einzelner Länder ſtattfinden. Das Wort des Kaiſers hat dieſe Wolken zer-
ſtrent. Das Band welches die ganze Monarchie umſchlingt ſoll nicht ge-
lockert, es ſoll in Oeſterreich keine particuläre, ſondern eine alle Länder und
Völker gleichmäßig treffende geſetzliche Freiheit beſtehen. Alle Länder, alle
[Spaltenumbruch] Volksſtämme ſollen gleich bérechtigt und gleich verpflichtet ſeyn. In allen
Stämmen iſt das Nationalitätsbewußtſeyn wach geworden. Keiner derſelben
aber hat Kraft, keiner iſt groß genug um als mächtiger Nationalverband allein
zu ſtehen. Nur wenn ſie alle ſich gleich achten, alle gleichen Schutz genießen,
alle „in brüderlicher Eintracht zu einem mächtigen Ganzen verbunden ſind“
vermögen ſie auszuharren und auszuhalten. Dieſe Conföderation der Bölker
und Stämme zu ſeyn, iſt die Aufgabe des Oſtreiches, ſie kann nur durch ein
einheitliches politiſches Band ermöglicht werden. Geſchichtliche Thatſachen,
gemeinſamer Ruhm, gemeinſames Leid und Freude ketten uns nicht minder
aneinander als die weiteſtverzweigten und bis in die tiefſten Schichten hinab-
reichenden Intereſſen. Diejenigen welche hier einen Schnitt, einen Riß ver-
ſuchen — eine Auflöſung iſt nicht möglich — müßten tief ins eigene Fleiſch
hinein ſchneiden. Nur die verhärtetſte Ehr- und Eigenſucht vermag zu ſolch
frevelhaftem Beginnen ſich zu vermeſſen, und die tiefen Wanden nicht zu
ſcheuen welche ſie einem und allen Ländern des Reiches ſchlagen würden.
Die Worte des Kaiſers können in allen braven Herzen, in allen verſtändigen
Köpfen nur lauten Widerhall finden. Oeſterreich ſoll nach außen mächtig,
im Innern glücklich ſeyn. Beides hängt innig zuſammen; beides iſt unzer-
trennlich. Nur wenn die Völker zufrieden und befriedigt, nur wenn ihr ge-
meinſames Wohl und Glück feſt gegründet iſt, ſteht der Staat mit markigen
Knochen auf feſtem Boden, nur dann vermag er jedem Feind, weß Namens,
ohne Furcht zu trotzen, kann er jeder Gefahr ruhig ins Auge ſchauen.

Wie der Oeſterr. Ztg. mitgetheilt wird, iſt Fürſt Gagarin, der auf
ſeiner Reiſe nach Turin hier durchgekommen, der Ueberbringer weiterer In-
ſtructionen für den Grafen Stackelberg, ſo wie eines eigenhändigen Schrei-
bens des Kaiſers Alexander an den König Victor Emmanuel, welche ſich auf
die Haltung des Turiner Cabinets in Betreff der Garibaldi-Expedition be-
ziehen ſollen. Bekanntlich hatte Graf Stackelberg bereits vor einigen Wo-
chen in einer Audienz dem König Victor Emmanuel darauf bezügliche Auden-
tungen gemacht, da das St. Petersburger Cabinet durch eine Fortſetzung der
bisherigen Politik Piemonts weitere Complicationen in Italien befürchtet.

Die Redaction des Fortſchritt hat unterm 31 Mai eine Verwarnung
erhalten, weil das Journal in neuerer Zeit die Gränzen welche das Preßge-
ſetz der Tageslitteratur vorzeichnet mehrfach überſchritten habe. Unter den
bezeichneten Artikeln befindet ſich auch der: „Aufklärungen über den
Frhrn. v. Bruck“ in Nr. 120, in welchem ein in der officiellen Wiener Ztg.
vorgekommener unliebſamer Druckfehler zum Anlaß genommen worden ſey
die Regierung in niedriger Weiſe zu verdächtigen.


Im Laufe der jüngſten Zeit machte eine die
Ehre des Directors der Staatsdruckerei, Hofrath Auer, verunglimpfende
Notiz die Runde durch mehrere auswärtige Blätter. Obwohl dieſes Gerücht
den Stempel böswilliger Erfindung an der Stirne trägt, und von hieſigen
Blättern bereits Widerlegung erfahren hat, ſo iſt es doch vielleicht nicht über-
flüſſig wenn ich Ihnen aus verläßlicher Quelle die Lügenhaftigkeit des Ge-
rüchts ausdrücklich verſichere. — Vor einigen Tagen hat Hofrath Auer ein
ſehr ſinniges Geſchenk aus Sydney in Neuholland erhalten. Es iſt ein in
Silber gefaßtes als Schreibzeug dienendes Caſuar-Ei. Es ruht auf Farn-
kräutern von getriebenem Silber; auf dem Deckel des Schreibzeugs befindet
ſich ein Caſuar mit mehreren Jungen aus maſſivem Silber dargeſtellt. Die
Silberarbeit iſt ſehr geſchmackvoll und mit wahrhaft künſtleriſchem Sinn von
Hrn. Hogarth, dem erſten Mann ſeines Fachs in Sydney, ausgeführt. Das
ſchöne Geſchenk kommt von Hrn. Degotardi, einem gebornen Oeſterreicher,
der ſeit vielen Jahren als Buchdrucker in Sydney anſäſſig iſt, einem äußerſt
thätigen und ſtrebſamen Mann, der für Neuholland zu werden verſpricht was
Hofrath Auer für Oeſterreich und Deutſchland geworden iſt. Er beſchränkt
ſich nicht auf die Typographie im engern Sinn, ſondern er beſchäftigt ſich mit
allen graphiſchen Künſten, wie Lithographie, Holzſchnitt, Photographie, Gal-
vanoplaſtik, Naturſelbſtdruck ꝛc. Er iſt der Gründer und war der Redacteur
der „Auſtraliſchen deutſchen Zeitung.“ Er war es auch dem die Novara-
Fahrer während ihres Aufenthalts in Sydney zum Theil den überaus glänzen-
den und herzlichen Empfang zu verdanken hatten der ihnen von Seite der dort
lebenden Deutſchen zu Theil wurde.

Schweiz.

Die Gazette de Savoie hofft daß ſchon heute, oder
ſpäteſtens morgen, die Proclamation des Anſchluſſes erfolgen werde. Die
Geiſtlichkeit hat nicht einmal auf das „le roi est mort“ gewartet, um ihr
„vive le roi!“ zu rufen, denn ſchon vor einigen Tagen haben die General-
vicare der Diöceſe Annecy den Klerus in einem Rundſchreiben aufgefordert
die Kirchengebete den Umſtänden entſprechend abzuändern, und den Anſchluß
Savoyens an Frankreich unmittelbar nach der Publication durch einen großen
kirchlichen Act mit Meſſe, Tedeum, Ausſtellung des Allerheiligſten, Bene-
diction u. ſ. w. zu feiern. In einigen Dörfern ließen die übereifrigen Syn-
dics ſchon vorgeſtern wieder franzöſiſche Flaggen aushängen. Die Garniſon
von Chambery war an demſelben Tag auf 5000 Mann gebracht; die Agen-
ten des franzöſiſchen Chauvinismus, darunter auch viele dem Samen Abra-

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[2616/0004] ankündigte, geruhte Allerhöchſtderſelbe zu erklären: „die Segnungen des Frie- dens ſeyen doppelt werthvoll, weil ſie die nöthige Muße gönnen werden die ganze Aufmerkſamkeit und Sorgfalt ungeſtört der erfolgreichen Löſung der Aufgabe zu weihen Oeſterreichs innere Wohlfahrt und äußere Macht durch zweckmäßige Entwicklung ſeiner reichen geiſtigen und materiellen Kräfte wie durch zeitgemäße Verbeſſerungen in Geſetzgebung und Verwaltung dauernd zu begründen.“ In dieſer Richtung unermüdlich thätig, hat Se. Majeſtät das Bedürfniß erkannt über die Intereſſen und Wünſche der Bevölkerung aller Theile des weiten Reichs Berichte und Vorſchläge von unmittelbar dabei Betheiligten einzuholen. Die Erſtattung dieſer Aeußerungen wird die wich- tigſte Aufgabe der Landesvertretungen ſeyn, welche in allen Kronländern ins Leben treten werden. Aber auch im Mittelpunkt des Reichs will Se. Ma jeſtät ſich des Beiraths treubewährter, erfahrener und unabhängiger Männer erfreuen, deren reiches Wiſſen und erprobte Liebe für den allerhöchſten Thron und das große öſterreichiſche Geſammtvaterland um ſo ſegensreicher wirken werden, je ſchwieriger die zu löſende Aufgabe iſt. Se. Majeſtät hat die Aus- führung dieſes Zwecks dem Reichsrath, der nach den bisherigen Normen fort- beſtehen ſoll, anzuvertrauen, und demſelben hiezu eine Verſtärkung einzufügen geruht. Sie, meine Herren, werden hieraus erkennen daß dem verſtärkten Reichsrath die ehrenvolle Beſtimmung zugedacht iſt: „a s oberſter Rath des Kaiſers und der Krone zu wirken.“ Zu Gliedern dieſes oberſten Raths- körpers in Gemäßheit des Patents und der kaiſerlichen Verordnung vom 5 März d. J. durch das allerhöchſte Vertrauen berufen, werden Sie, meine Herren, alle Ihre Kraft zur Erreichung des uns geſteckten großen Zieles aufbie- ten. Sie werden, ſtets eingedenk daß Se. Majeſtät bei Ihrer Berufung den Zweck vor Augen hatte ſeinen oberſten Rath durch Männer zu verſtärken welche, bei genauer Kenntniß der Verhältniſſe des Kronlandes welchem ſie angehören, frei von jedem äußern Einfluß, über die Ihnen vorgelegten Fra- gen Ihre perſönlichen Anſichten ausſprechen, mit voller Offenheit die Be- dürfniſſe und Intereſſen aller Schichten und Berufsclaſſen der Bevölkerung zur allerhöchſten Kenntniß bringen, zugleich aber ſtets im Auge behalten daß das Heil und die Wohlfahrt aller auf der Feſtigung der Rechte des Throns und auf der Erhaltung der Einheit des Reichs beruhen. Von Sr. Majeſtät dem Kaiſer, unſerm allergnädigſten Herrn, mit der ehrenvollen Aufgabe be- traut Ihre Berathungen zu leiten, habe ich jedem von Ihnen, meine Herren, die von Sr. Majeſtät genehmigte Geſchäftsordnung zur Darnachachtung mit- getheilt, und lade Sie nunmehr ein den im §. 3 derſelben vorgeſchriebenen Eid in meine Hände abzulegen. (Eidesleiſtung.) Bevor wir die uns zu- gewieſene Arbeit beginnen, drängt es mich noch einige Worte an Sie, meine Herren, zu richten. Empfangen Sie vor allem die Verſicherung daß ich die Berathungen mit voller Unparteilichkeit leiten, zugleich aber ſtets auf genaue Einhaltung der uns von Sr. Majeſtät gegebenen Geſchäftsordnung ſehen werde. Ich bin überzeugt daß Sie, in richtiger Würdigung der Ihnen ge- ſtellten großen Aufgabe, mich in meinen Bemühungen eifrig und redlich unter- ſtützen, und alles aufbieten werden damit der verſtärkte Reichsrath den Er- wartungen entſpreche welche Se. Majeſtät und das Geſammtvaterland auf ihn ſetzen. Meine Herren! Groß und wichtig ſind die Arbeiten welche Sie erwarten. Die größte und wichtigſte unter denſelben iſt Ihr Gutachten über die Mittel und Wege abzugeben welche zur Regelung unſers Staatshaushalts einge- ſchlagen werden ſollen. Umfaſſende Vorarbeiten haben in dieſer Richtung ſtattgefunden, dieſelben werden Ihre Aufgabe erleichtern, von deren glück- licher Loſung das Wohl Oeſterreichs abhängt. Aber auch den andern von Sr. Majeſtät Ihrer Berathung zugewieſenen Vorlagen werden Sie, ich bin es von Ihnen überzeugt, mit gleichem Eifer und gleicher Hingebung obliegen. Meine Herren! Ernſt iſt die Lage des Vaterlandes in dem Augenblick in welchem der verſtärkte Reichsrath ſich zum erſtenmal verſammelt, aber eine beſſere Zukunft ſteht uns bevor, und ich beglückwünſche Sie, meine Herren, daß Ihnen der ſchöne Beruf geworden zu ihrer Verwirklichung an hervor- ragender Stelle mitzuwirken. Stets wollen wir uns den Wahlſpruch unſers Kaiſers: „Mit vereinten Kräften,“ gegenwärtig halten und darnach wirken. Indem ich die erſte Seſſion des verſtärkten Reichsraths für eröffnet erkläre, theile ich Ihnen mit daß Se. Maj. unſer allergnädigſter Herr Se. Exc. den Reichsrath v. Szögyeny und den Grafen Albert Noſtitz für die Dauer der dießmaligen Seſſion zu Vicepräſidenten ernannt hat, und lade Sie ein zur Wahl der gemäß §. 19 der Geſchäftsordnung zur Controle der Sitzungspro- tokolle zu beſtimmenden beiden Reichsräthe durch ſchriftliche Angabe der von jedem von Ihnen beantragten beiden Namen zu ſchreiten, wobei ich Ihnen zugleich bekannt gebe daß ich zu demſelben Zweck bereits Ihre Excellenzen die beiden ſtändigen Reichsräthe Graf Mercandin und Frhr. v. Lichtenfels be- ſtimmt habe.“ Wien, 2 Jun. Die Oeſterr. Ztg. ſchreibt über die Anrede des Kaiſers an den Reichsrath: Vor allem iſt es der Gedanke der Reichseinheit welcher in der Rede vom Thron herab als Cardinalpunkt vorangeſtellt wird. Die Freunde des Geſammiſtaates haben in neueſter Zeit zu fürchten begonnen das mühſame Werk eines Jahrzehnts erſchüttert zu ſehen. Andere wurden von der Bangigkeit beſchlichen es könnte wieder wie vordem ein Unterſchied zwiſchen einem und dem anderen Reichstheile, eine particuläre Begünſtigung einzelner Länder ſtattfinden. Das Wort des Kaiſers hat dieſe Wolken zer- ſtrent. Das Band welches die ganze Monarchie umſchlingt ſoll nicht ge- lockert, es ſoll in Oeſterreich keine particuläre, ſondern eine alle Länder und Völker gleichmäßig treffende geſetzliche Freiheit beſtehen. Alle Länder, alle Volksſtämme ſollen gleich bérechtigt und gleich verpflichtet ſeyn. In allen Stämmen iſt das Nationalitätsbewußtſeyn wach geworden. Keiner derſelben aber hat Kraft, keiner iſt groß genug um als mächtiger Nationalverband allein zu ſtehen. Nur wenn ſie alle ſich gleich achten, alle gleichen Schutz genießen, alle „in brüderlicher Eintracht zu einem mächtigen Ganzen verbunden ſind“ vermögen ſie auszuharren und auszuhalten. Dieſe Conföderation der Bölker und Stämme zu ſeyn, iſt die Aufgabe des Oſtreiches, ſie kann nur durch ein einheitliches politiſches Band ermöglicht werden. Geſchichtliche Thatſachen, gemeinſamer Ruhm, gemeinſames Leid und Freude ketten uns nicht minder aneinander als die weiteſtverzweigten und bis in die tiefſten Schichten hinab- reichenden Intereſſen. Diejenigen welche hier einen Schnitt, einen Riß ver- ſuchen — eine Auflöſung iſt nicht möglich — müßten tief ins eigene Fleiſch hinein ſchneiden. Nur die verhärtetſte Ehr- und Eigenſucht vermag zu ſolch frevelhaftem Beginnen ſich zu vermeſſen, und die tiefen Wanden nicht zu ſcheuen welche ſie einem und allen Ländern des Reiches ſchlagen würden. Die Worte des Kaiſers können in allen braven Herzen, in allen verſtändigen Köpfen nur lauten Widerhall finden. Oeſterreich ſoll nach außen mächtig, im Innern glücklich ſeyn. Beides hängt innig zuſammen; beides iſt unzer- trennlich. Nur wenn die Völker zufrieden und befriedigt, nur wenn ihr ge- meinſames Wohl und Glück feſt gegründet iſt, ſteht der Staat mit markigen Knochen auf feſtem Boden, nur dann vermag er jedem Feind, weß Namens, ohne Furcht zu trotzen, kann er jeder Gefahr ruhig ins Auge ſchauen. Wie der Oeſterr. Ztg. mitgetheilt wird, iſt Fürſt Gagarin, der auf ſeiner Reiſe nach Turin hier durchgekommen, der Ueberbringer weiterer In- ſtructionen für den Grafen Stackelberg, ſo wie eines eigenhändigen Schrei- bens des Kaiſers Alexander an den König Victor Emmanuel, welche ſich auf die Haltung des Turiner Cabinets in Betreff der Garibaldi-Expedition be- ziehen ſollen. Bekanntlich hatte Graf Stackelberg bereits vor einigen Wo- chen in einer Audienz dem König Victor Emmanuel darauf bezügliche Auden- tungen gemacht, da das St. Petersburger Cabinet durch eine Fortſetzung der bisherigen Politik Piemonts weitere Complicationen in Italien befürchtet. Die Redaction des Fortſchritt hat unterm 31 Mai eine Verwarnung erhalten, weil das Journal in neuerer Zeit die Gränzen welche das Preßge- ſetz der Tageslitteratur vorzeichnet mehrfach überſchritten habe. Unter den bezeichneten Artikeln befindet ſich auch der: „Aufklärungen über den Frhrn. v. Bruck“ in Nr. 120, in welchem ein in der officiellen Wiener Ztg. vorgekommener unliebſamer Druckfehler zum Anlaß genommen worden ſey die Regierung in niedriger Weiſe zu verdächtigen. * Wien, Ende Mai. Im Laufe der jüngſten Zeit machte eine die Ehre des Directors der Staatsdruckerei, Hofrath Auer, verunglimpfende Notiz die Runde durch mehrere auswärtige Blätter. Obwohl dieſes Gerücht den Stempel böswilliger Erfindung an der Stirne trägt, und von hieſigen Blättern bereits Widerlegung erfahren hat, ſo iſt es doch vielleicht nicht über- flüſſig wenn ich Ihnen aus verläßlicher Quelle die Lügenhaftigkeit des Ge- rüchts ausdrücklich verſichere. — Vor einigen Tagen hat Hofrath Auer ein ſehr ſinniges Geſchenk aus Sydney in Neuholland erhalten. Es iſt ein in Silber gefaßtes als Schreibzeug dienendes Caſuar-Ei. Es ruht auf Farn- kräutern von getriebenem Silber; auf dem Deckel des Schreibzeugs befindet ſich ein Caſuar mit mehreren Jungen aus maſſivem Silber dargeſtellt. Die Silberarbeit iſt ſehr geſchmackvoll und mit wahrhaft künſtleriſchem Sinn von Hrn. Hogarth, dem erſten Mann ſeines Fachs in Sydney, ausgeführt. Das ſchöne Geſchenk kommt von Hrn. Degotardi, einem gebornen Oeſterreicher, der ſeit vielen Jahren als Buchdrucker in Sydney anſäſſig iſt, einem äußerſt thätigen und ſtrebſamen Mann, der für Neuholland zu werden verſpricht was Hofrath Auer für Oeſterreich und Deutſchland geworden iſt. Er beſchränkt ſich nicht auf die Typographie im engern Sinn, ſondern er beſchäftigt ſich mit allen graphiſchen Künſten, wie Lithographie, Holzſchnitt, Photographie, Gal- vanoplaſtik, Naturſelbſtdruck ꝛc. Er iſt der Gründer und war der Redacteur der „Auſtraliſchen deutſchen Zeitung.“ Er war es auch dem die Novara- Fahrer während ihres Aufenthalts in Sydney zum Theil den überaus glänzen- den und herzlichen Empfang zu verdanken hatten der ihnen von Seite der dort lebenden Deutſchen zu Theil wurde. Schweiz. &#xfffc; Genf, 1 Jun. Die Gazette de Savoie hofft daß ſchon heute, oder ſpäteſtens morgen, die Proclamation des Anſchluſſes erfolgen werde. Die Geiſtlichkeit hat nicht einmal auf das „le roi est mort“ gewartet, um ihr „vive le roi!“ zu rufen, denn ſchon vor einigen Tagen haben die General- vicare der Diöceſe Annecy den Klerus in einem Rundſchreiben aufgefordert die Kirchengebete den Umſtänden entſprechend abzuändern, und den Anſchluß Savoyens an Frankreich unmittelbar nach der Publication durch einen großen kirchlichen Act mit Meſſe, Tedeum, Ausſtellung des Allerheiligſten, Bene- diction u. ſ. w. zu feiern. In einigen Dörfern ließen die übereifrigen Syn- dics ſchon vorgeſtern wieder franzöſiſche Flaggen aushängen. Die Garniſon von Chambery war an demſelben Tag auf 5000 Mann gebracht; die Agen- ten des franzöſiſchen Chauvinismus, darunter auch viele dem Samen Abra-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 157, 5. Juni 1860, S. 2616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine157_1860/4>, abgerufen am 26.06.2024.