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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 17. Januar 1929.

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Donnerstag, den 17. Januar "AZ am Abend" Nr. 14
Filmen mit Hindernissen

Abenteuer einer Filmexpedition bei den Lappen

Lappland und seine Bewohner sind dem
Publikum bisher auf der lebenden Lein-
wand noch nicht vorgestellt worden. Man
hat Indianer, Neger, Malayen und alle
nur erdenkbaren Völkerschaften gefilmt, aber
noch keine Lappländer. Dies hat einen
religiösen Grund. Die Lappländer, eine
streng lutherische Sekte, sind treue Befolger
des zweiten Gebotes: "Du sollst dir kein
Bildnis noch irgendein Gleichnis machen .."
Ihre bunten und malerischen Gewänder,
ihre eigenartigen Sitten und Gebräuche,
ihre sonderbaren Lehmhütten, ihre Renn-
tierherden, die weiten schneebedeckten Ein-
öden, in denen sie leben -- alles dies ergibt
prachtvolle Motive für Filmaufnahmen.
Aber die Motive blieben bisher unverwertet.
Eine ganze Reihe von Filmphotographen
haben sich an die Aufgabe herangewagt,
sind aber an dem Widerstand der Lappen
gescheitert.

Einige Amerikaner, die zudringlich
wurden, mußten ihre kurz und klein
geschlagene Kamera auf dem "Schlacht-
feld" zurücklassen.

Erst zwei Engländern ist es neuerdings ge-
lungen, die Lappländer auf der Platte der
Filmkamera festzuhalten.

Nach ihrer Rückkehr erfährt man einiges
Nähere über ihr Abenteuer. In Lappland,
dem skandinavischen Gebiet nördlich des
Polarkreises, dreht sich das ganze Leben um
das Renntier. Die Lappen wechseln ihren
Aufenthalt mit dem dieses nützlichen Ge-
schöpfes. Im Sommer ziehen sie mit ihm
nach dem Norden im Winter nach dem
Süden. Die Engländer versuchten zunächst,
durch längeres Zusammenleben mit den
Lappen deren Vertrauen zu gewinnen.
Aber sie wären nie an ihr Ziel gelangt,
wenn der eine nicht ein großer Taschen-
spieler, und der andere nicht
im Besitz zahlreicher Arzneien
gewesen wäre. So aber war es möglich,
den Erwachsenen und Kindern Zauber-
kunststücke zu zeigen, durch die das Eis ge-
brochen wurde. Die Arzneien erwiesen sich
in vielen Fällen als wirksame Heilmittel.
Allmählich ließen die gezähmten Lappen
sich vor die Kamera bringen und nach eini-
ger Zeit war die Hütte, die den Engländern
zur Verfügung gestellt worden war, immer
voll von Besuchern.

Als ein paar Wochen vergangen und die
beiden Engländer mit den Landesbewoh-
nern
vertraut und schmutzig wie sie
geworden waren, ließen die Lappländer sich
photographieren. Es konnten Massenßenen
gefilmt werden, in denen Männer und
Frauen, Erwachsene und Kinder sich be-
wegten. Damit war den Filmleuten aber
noch nicht Genüge getan. Der Plan lief
darauf hinaus, das Volk der Lappländer
nicht nur in beweglichen Massenßenen, son-
dern auch im Leben einer einzelnen Familie
darzustellen. Zu diesem Zweck mußten
Einzelpersonen ausgewählt werden und
diese Aufgabe erwies sich als besonders
schwierig. Die Lappländer hatten sich
schließlich dazu verstanden, in Gruppen und
Mengen die Aufnahme über sich ergehen zu
lassen. Aber allein oder zu zweien und
dreien der Kamera die Stirn zu bieten --
das war denn doch ein Unternehmen, zu
dem besonderer Wagemut gehörte.

Die beiden Engländer machten von ihrer
Hütte aus Schneeschuh-Ausflüge nach den
benachbarten Dörfern, um die nötigen
Filmsterne zu gewinnen. Sie wohnten ein
paar Tage mit einer Lappenfamilie zusam-
men und suchten sich nach Möglichkeit an-
genehm zu machen. Der eine zeigte seine
Zauberkünste, der andere half mit seinen
Arzneien aus und die Beziehungen wurden
immer freundlicher. Endlich wagte man
den Versuch. Die Kamera wurde hervor-
geholt und die Aufnahme vorbereitet. Aber
sobald der Lappenvater merkte, um was es
sich handelte.

war es mit der Freundschaft vorbei.
Es blieb den Engländern nichts anderes
übrig, als ihre Siebensachen zu packen und
weiter zu ziehen. Es kostete unendliche
Mühe und eine ansehnliche Geldbelohnung,
bis es endlich gelang, einige Erwachsene als
Darsteller für das Lappendrama zu ge-
winnen.

Als die Aufnahmen sich dem Ende näher-
ten, mußte das Darstellerpersonal um zwei
kleine Knaben vermehrt werden. Neue
[Spaltenumbruch] Schwierigkeiten! Es war verhältnismäßig
leicht, mit den Knaben Fühlung zu gewin-
nen. Der Zauberkünstler brachte ein paar
Knaben zum Niesen, und zwar mit dem
Erfolge, daß einige Münzen aus der Nase
zur Erde fielen. Mehr und mehr Knaben
gesellten sich hinzu und das jugendliche Pu-
blikum fand an dem lohnenden Kunststück
Geschmack. Endlich fanden sich zwei Kna-
ben bereit, die Filmrollen zu übernehmen.
Mit des Vaters Segen zogen sie an der
Hand der Photographen davon. Unglück-
licherweise begegnete ihnen die Mutter. Als
sie erfuhr, um was es sich handelte,
wünschte sie die Engländer zur Hölle
und nahm ihre Kinder wieder an sich.

Aber auch diese Schwierigkeit wurde
schließlich überwunden. Nun sollten ein
paar Renntiere gefilmt werden. Die Eng-
länder versuchten die nötigen Tiere zu
kaufen, machten sich aber dadurch sehr un-
beliebt. Die Lappländer sind mißtrauisch.
Offenbar trauten sie den Engländern die
Absicht zu, eine eigene Renntierherde zu
gründen und den Lappen Konkurrenz zu
machen. Ein Lappländer versicherte sogar,
es sei unchristlich und sündhaft, ein Renn-
tier für Filmzwecke zu verkaufen. Am näch-
sten Tage erkrankte seine Frau und den
Engländern war Gelegenheit geboten, mit
ihren Arzneien eine
[Spaltenumbruch] Wunderkur
zu vollbringen. Der Ehemann zeigte sich
erkenntlich und der Renntierverkauf wurde
perfekt.

Die Aufnahmen waren ein fortgesetzter
Kampf mit Hindernissen. Eines Tages
waren die jugendlichen Filmsterne ver-
schwunden. Ein alter Lappe, dem Beden-
ken gekommen waren, hatte sie nach Hause
geholt. Die Filmleute schnallten ihre
Schneeschuhe an und legten einen Weg von
mehr als 20 Kilometern zurück, um die
Knaben wieder einzufangen. Das kostete
drei Tage Arbeit. Dann streikte der Lappe,
der die Hauptrolle spielte. Der lange Auf-
enthalt im Schnee paßte ihm nicht mehr.
Als man auch darüber hinweggekommen
war, liefen ein paar Renntiere davon. Nur
mit Mühe konnten diese unersetzlichen Mit-
spieler wieder eingefangen werden. Hin
und wieder
kam auch ein Schneesturm
und warf die ganze Szenerie über den
Haufen. Das waren fast alltägliche Zwi-
schenfälle. Aber die Filmphotographen
nahmen Schwierigkeiten und Hindernisse
dieser Art gern in den Kauf. Die Haupt-
sache war, daß der Film trotz alledem Fort-
schritte machte und daß es schließlich gelang,
das Lappendrama erfolgreich zum Abschluß
zu bringen.

[Spaltenumbruch]
BUECHER UND SCHRIFTEN
Ludwig Finckh: Das Vogelnest.

Unter diesem Titel erscheint im G. Franzschen
Verlag, München, Baaderstraße 1 a, soeben ein
Band, der sich schon durch seine schlichte, aber
hübsche äußere Ausstattung und billigen Preis
(Kart. M 1.80, Leinen M 2.50) vorzüglich als
Geschenk empfiehlt. Was aus der Feder Ludwig
Finckhs, dieses vielgelesenen, bekannten und ge-
mütvollen schwäbischen Dichters fließt, bedarf
keiner besonderen Empfehlung. Den Inhalt des
Bandes von 112 Seiten bilden 22 kurze, aber
feinsinnige Betrachtungen, die nach den Ueber-
schriften scheinbar in keinem Zusammenhang mit-
einander stehen. Es sind Gräser und Halme --
sagen wir von einem Finkenpärchen -- zu einem
Vogelnest geflochten. Der durch die sämtlichen
Betrachtungen ziehende Hauptgedanke ist die
Familie, Familiensinn, Freude an der Familien-
geschichte und -forschung, Interesse und Verständ-
nis für den Wert und die Bedeutung des Fami-
lienlebens, den Nachwuchs und die Ahnen zu
wecken, ist die Absicht des Dichters. Er weiß --
selbst dafür begeistert -- auch bei anderen solche
Begeisterung zu erwecken. Wer es gelesen, wird
dies bestätigen.

Der Fall Uzarski.

Eine grausige Kriminal-
geschichte von Ad. Uzarski. Delphin-Verlag
München. Wer die Schriften dieses gewaltigen
Wortjongleurs und geistig-artistischen Grotesk-
komikers kennt, wird sich das neue Buch kaum
entgehen lassen, das in mancher Beziehung einen
Höhepunkt seines bisherigen literarischen Schaf-
fens bedeutet. Man kann irgendeine Seite auf-
schlagen und zu lesen beginnen -- gleich ist man
mitten drinn und bezwungen von jeder Zeile
voll knapper komprimierter Wortkomik. Die
Florettwaffen dieser Sprache gegen Spießertum
sind fein geschliffen, genußreich geführt und
immer siegreich auf überraschende Manier. ro.



[irrelevantes Material]


[Spaltenumbruch]
Der Meisterschuß

Der Oberst lief an das offene Fenster,
aber da war keine Kühle, tropische Hitze
schlug ihm entgegen und stieg zitternd, Kon-
turen verwischend zum Himmel Der stand
weißblau, erbarmungslos. "Exzellenz," rief
der Oberst, "diese Stunde drückt mir die
Luft ab." Der General schaute kurz auf,
dann wandte er den Blick wieder den ver-
sammelten Offizieren zu. Seine Ruhe war
nicht posiert; von Geburt Nordamerikaner
hatte er sich in diesem kleinen Staat zwischen
zwei Ozeanen naturalisieren lassen und war
rasch in der Armee aufgerückt. Er führte
den Oberbefehl über die Regierungstruppen,
die wieder einmal hier im Süden eine Re-
bellion mißgünstiger Generäle niederzu-
schlagen hatten. "Es ist nichts so fein ge-
sponnen," sagte er, "einmal mußte auch die-
ser Mensch sich fangen. Herr Hauptmann
Sirdonio, Sie sind dort am nächsten, wollen
Sie bitte die Türe öffnen."

Der junge Offizier tat, wie ihm gesagt.
Als die Tür sich kaum bewegte, sprang em
dünner Ton in den Raum, so, als schnappe
eine Feder ein.

"Der erste Kontakt. Er öffnet die Linse
des photographischen Apparates dort in der
Wand. Denken wir uns jetzt, es sei Nacht,
kein Licht fällt in dieses Zimmer. Der Mann,
der hier eindrang, brauchte kein Licht. Er
fand seinen Weg im Dunkel. Sehen Sie ..."
Der General übernahm diese Rolle des Ein-
dringlings, er schlich an den Schrank, griff
an das Sicherheitsschloß und wollte die Zahl
einstellen, die es zurückspringen ließ, da
sprühte ein Blitz auf. Die Offiziere zuckten
zusammen, aber der General lächelte kalt.
"Eine kleine Momentaufnahme," erläuterte
er, "wäre es Nacht, hätten wir die gelungene
Aufnahme, wie ein General den Akten-
schrank zu bestehlen versucht."

Der Scherz war zu dünn; keiner der Her-
ren belächelte ihn.

"Und die Aufnahme heute nacht ist ge-
lungen?" fragte der Oberst vom Fenster,
"Exzellenz haben schon Nachricht darüber?"

Der General nickte dem gelben Mann mit
dem pechfarbenen Schnurrbart zu. "Sie ist
gelungen. Wir werden sie in wenigen
Minuten hier haben."

Der Oberst atmete auf. "Diese Diebstähle
[Spaltenumbruch] von wichtigen Papieren ..., es ging nicht
mehr mit richtigen Dingen zu." Er über-
legte. "Und Exzellenz meinen, jener Mensch
sei noch unter uns in der Festung?" Wieder
nickte der Angeredete nur. Und dann: "Er
floh nach dem Aufflammen des Blitzlichtes;
ihm blieb nicht Zeit nach dem eingebauten
Apparat zu suchen, um ihn etwa zu zer-
stören. Aber er kann nur aus diesem Raum
geflohen sein. Es hat niemand den Festungs-
gürtel passiert, und wer vermöchte in dieser
Jahreszeit über den Rio Pantukan zu ent-
kommen?"

Ein Major fuhr auf. "Exzellenz, in dieser
Minute reiten die Nachrichten-Offiziere ab!"

Der General begriff; er sah sich um. Der
Hauptmann Sirdonio stand in Gedanken
versunken an der Tür. "Herr Hauptmann,"
bat der General, "eilen Sie an das Osttor.
Der Posten soll auch diese Herren aufhalten.
Vor zwölf Uhr verläßt keine lebende Seele
den Festungsbereich!"

Der Hauptmann salutierte; dann ging er.
Er schritt die Treppe hinab; seine Füße
traten die Stufen, aber er wußte nichts von
diesen Bewegungen. Vor acht Stunden hatte
er diesen Raum zuletzt betreten, hatte ihn
verlassen in panischer Flucht, als das Licht
aufgeflammt war -- nun sollte er diesem
Zimmer noch einmal entrinnen dürfen ...
Er wußte, niemand brauchte ihm das zuzu-
rufen, daß alles aus war. Ein Bild lügt
nicht. Dieses Bild würde klar aussagen und
ein Gesicht zeigen, wie nur je ein Porträt-
bild. -- Er sah sich um. Niemand folgte ihm.
Natürlich nicht. Wer vermutete hinter dem
tüchtigen Hauptmann Sirdonio einen Spion,
ein Geschöpf, das Dokumente stahl ... Er
lächelte, sein junges Gesicht war plötzlich alt,
verstaubt und grau. Warum stahl ich denn,
Exzellenz? ... Und sein Lächeln war stär-
ker, bitterer, ward Hohn. Aber dann fand
er sich. Ein Mann zahlt, sagte er, niemand
muß mich dazu auffordern. Dies war ein
Spiel. Sie haben die Trümpfe in den Hän-
den. Auf ein andermal! Doch er wußte, dies
anderemal war nicht mehr seine Partie.

Er überquerte den Hof und schritt durch
das Walltor. Der Doppelposten in ver-
waschenem Khaki salutierte. "Hat jemand
passiert?" -- "Niemand, Herr Hauptmann!"
[Spaltenumbruch] Sirdonio stand still. Er sah in das Land
hinaus. Dann tat er eine Bewegung, als
wische er etwas weg. Ein Bild? Er nahm
dem ersten Posten das Gewehr aus der
Hand und stellte die Waffe mit dem Kolben
zur Erde. "Entsichert? Scharf geladen?" --
"Befehl." Der Hauptmann nickte. "Das
Rohr," sagte er und bückte sich, "es scheint
nicht ganz ...", da neigte er sich wohl zu
weit, zu tief nach vorn, er wollte sich stützen,
rutschte mit der Hand am Lauf ab und be-
rührte für eine Sekunde den Abzughahn.
Der Krach prallte gegen den Waldabhang
und warf sich im Echo zurück. Das Gewehr
fiel um. Der Mann stand noch einen Augen-
blick länger. Die Kugel hatte ihn glatt
durchbohrt. Sie hatte sein Leben heraus-
gerissen. Aber sein Leben wog nur leicht; es
hielt diese Kugel nicht auf.

Am Fenster des Beratungszimmers stan-
den die Herren. Der General trat zu dem
Oberst in das volle Licht. "Geben Sie her!"
Der Feldwebel in weißem Laborantenkittel
reichte die Platte hin. "Vorsicht, Exzellenz,
nur die Ränder berühren." Der General
hob die Glasscheibe gegen den Himmel. Der
Oberst beugte sich zu ihm. "Man erkennt
deutlich eine Gestalt," sagte er, "man ..."
Da geschah es. Sie vernahmen alle den
rollenden Knall. Sie wollten hinhorchen,
eine Vermutung anstellen -- da pfiff etwas
durch die Luft, schlug dem General die Platte
aus der Hand, daß sie klirrend auf die Die-
len stürzte und krachte prasselnd an die
Mauer. Die Männer standen erstarrt. Der
Feldwebel im Kittel kniete; er wollte die
Scherben zusammensuchen, aber diese Quer-
schlägerkugel hatte nur winzige Splitter hin-
terlassen.

Ueber den Hof kam der eingeborene
Posten gestürzt. Der Oberst rief ihn herauf.
Oben erzählt der Mann den Unglücksfall
am Wall, wie der Herr Hauptmann das
Gewehr hatte prüfen wollen, und wie er zu
Fall gekommen. Der General winkte ab.
-- In die kleine Pause sagte der Oberst:
"Welcher teuflische Zufall hat diese Kugel
geführt, daß sie meinen besten Offizier
nimmt und zugleich einen Spion entwischen
läßt!" Er ahnte nicht einmal, wie nahe sein
Satz die Zusammenhänge streifte. "Ja,"
sagte der Feldwebel, "dieser Spion wird
seinen Versuch nicht noch einmal wieder-
holen. Wir können den Apparat abbauen."
Er war gar nicht gefragt gewesen. Der Ge-
neral sah ihn verwundert an, dann nickte
er nur.



Kammermusik aus vier Jahrhunderten

Freitag, den 18. Januar, 8 Uhr, im Bayer.
Hof, Kammermusik-Abend mit Werken von Pur-
cell, Isaak, Ortando di Lasso, Hans Leo, J. S.
Bach und Marais.

Ausführende: Gabriele von Lottner (Cembalo)
und das Münchner Rialon-Quartett
(zum ersten Mate) Vasentin Härtl, Joachim Ernst,
Karl Lift, Willy Schmid.

Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid und im
Amtl. Bauer. Reisebureau.

[Spaltenumbruch]
[irrelevantes Material]
Donnerstag, den 17. Januar „AZ am Abend“ Nr. 14
Filmen mit Hinderniſſen

Abenteuer einer Filmexpedition bei den Lappen

Lappland und ſeine Bewohner ſind dem
Publikum bisher auf der lebenden Lein-
wand noch nicht vorgeſtellt worden. Man
hat Indianer, Neger, Malayen und alle
nur erdenkbaren Völkerſchaften gefilmt, aber
noch keine Lappländer. Dies hat einen
religiöſen Grund. Die Lappländer, eine
ſtreng lutheriſche Sekte, ſind treue Befolger
des zweiten Gebotes: „Du ſollſt dir kein
Bildnis noch irgendein Gleichnis machen ..“
Ihre bunten und maleriſchen Gewänder,
ihre eigenartigen Sitten und Gebräuche,
ihre ſonderbaren Lehmhütten, ihre Renn-
tierherden, die weiten ſchneebedeckten Ein-
öden, in denen ſie leben — alles dies ergibt
prachtvolle Motive für Filmaufnahmen.
Aber die Motive blieben bisher unverwertet.
Eine ganze Reihe von Filmphotographen
haben ſich an die Aufgabe herangewagt,
ſind aber an dem Widerſtand der Lappen
geſcheitert.

Einige Amerikaner, die zudringlich
wurden, mußten ihre kurz und klein
geſchlagene Kamera auf dem „Schlacht-
feld“ zurücklaſſen.

Erſt zwei Engländern iſt es neuerdings ge-
lungen, die Lappländer auf der Platte der
Filmkamera feſtzuhalten.

Nach ihrer Rückkehr erfährt man einiges
Nähere über ihr Abenteuer. In Lappland,
dem ſkandinaviſchen Gebiet nördlich des
Polarkreiſes, dreht ſich das ganze Leben um
das Renntier. Die Lappen wechſeln ihren
Aufenthalt mit dem dieſes nützlichen Ge-
ſchöpfes. Im Sommer ziehen ſie mit ihm
nach dem Norden im Winter nach dem
Süden. Die Engländer verſuchten zunächſt,
durch längeres Zuſammenleben mit den
Lappen deren Vertrauen zu gewinnen.
Aber ſie wären nie an ihr Ziel gelangt,
wenn der eine nicht ein großer Taſchen-
ſpieler, und der andere nicht
im Beſitz zahlreicher Arzneien
geweſen wäre. So aber war es möglich,
den Erwachſenen und Kindern Zauber-
kunſtſtücke zu zeigen, durch die das Eis ge-
brochen wurde. Die Arzneien erwieſen ſich
in vielen Fällen als wirkſame Heilmittel.
Allmählich ließen die gezähmten Lappen
ſich vor die Kamera bringen und nach eini-
ger Zeit war die Hütte, die den Engländern
zur Verfügung geſtellt worden war, immer
voll von Beſuchern.

Als ein paar Wochen vergangen und die
beiden Engländer mit den Landesbewoh-
nern
vertraut und ſchmutzig wie ſie
geworden waren, ließen die Lappländer ſich
photographieren. Es konnten Maſſenſzenen
gefilmt werden, in denen Männer und
Frauen, Erwachſene und Kinder ſich be-
wegten. Damit war den Filmleuten aber
noch nicht Genüge getan. Der Plan lief
darauf hinaus, das Volk der Lappländer
nicht nur in beweglichen Maſſenſzenen, ſon-
dern auch im Leben einer einzelnen Familie
darzuſtellen. Zu dieſem Zweck mußten
Einzelperſonen ausgewählt werden und
dieſe Aufgabe erwies ſich als beſonders
ſchwierig. Die Lappländer hatten ſich
ſchließlich dazu verſtanden, in Gruppen und
Mengen die Aufnahme über ſich ergehen zu
laſſen. Aber allein oder zu zweien und
dreien der Kamera die Stirn zu bieten —
das war denn doch ein Unternehmen, zu
dem beſonderer Wagemut gehörte.

Die beiden Engländer machten von ihrer
Hütte aus Schneeſchuh-Ausflüge nach den
benachbarten Dörfern, um die nötigen
Filmſterne zu gewinnen. Sie wohnten ein
paar Tage mit einer Lappenfamilie zuſam-
men und ſuchten ſich nach Möglichkeit an-
genehm zu machen. Der eine zeigte ſeine
Zauberkünſte, der andere half mit ſeinen
Arzneien aus und die Beziehungen wurden
immer freundlicher. Endlich wagte man
den Verſuch. Die Kamera wurde hervor-
geholt und die Aufnahme vorbereitet. Aber
ſobald der Lappenvater merkte, um was es
ſich handelte.

war es mit der Freundſchaft vorbei.
Es blieb den Engländern nichts anderes
übrig, als ihre Siebenſachen zu packen und
weiter zu ziehen. Es koſtete unendliche
Mühe und eine anſehnliche Geldbelohnung,
bis es endlich gelang, einige Erwachſene als
Darſteller für das Lappendrama zu ge-
winnen.

Als die Aufnahmen ſich dem Ende näher-
ten, mußte das Darſtellerperſonal um zwei
kleine Knaben vermehrt werden. Neue
[Spaltenumbruch] Schwierigkeiten! Es war verhältnismäßig
leicht, mit den Knaben Fühlung zu gewin-
nen. Der Zauberkünſtler brachte ein paar
Knaben zum Nieſen, und zwar mit dem
Erfolge, daß einige Münzen aus der Naſe
zur Erde fielen. Mehr und mehr Knaben
geſellten ſich hinzu und das jugendliche Pu-
blikum fand an dem lohnenden Kunſtſtück
Geſchmack. Endlich fanden ſich zwei Kna-
ben bereit, die Filmrollen zu übernehmen.
Mit des Vaters Segen zogen ſie an der
Hand der Photographen davon. Unglück-
licherweiſe begegnete ihnen die Mutter. Als
ſie erfuhr, um was es ſich handelte,
wünſchte ſie die Engländer zur Hölle
und nahm ihre Kinder wieder an ſich.

Aber auch dieſe Schwierigkeit wurde
ſchließlich überwunden. Nun ſollten ein
paar Renntiere gefilmt werden. Die Eng-
länder verſuchten die nötigen Tiere zu
kaufen, machten ſich aber dadurch ſehr un-
beliebt. Die Lappländer ſind mißtrauiſch.
Offenbar trauten ſie den Engländern die
Abſicht zu, eine eigene Renntierherde zu
gründen und den Lappen Konkurrenz zu
machen. Ein Lappländer verſicherte ſogar,
es ſei unchriſtlich und ſündhaft, ein Renn-
tier für Filmzwecke zu verkaufen. Am näch-
ſten Tage erkrankte ſeine Frau und den
Engländern war Gelegenheit geboten, mit
ihren Arzneien eine
[Spaltenumbruch] Wunderkur
zu vollbringen. Der Ehemann zeigte ſich
erkenntlich und der Renntierverkauf wurde
perfekt.

Die Aufnahmen waren ein fortgeſetzter
Kampf mit Hinderniſſen. Eines Tages
waren die jugendlichen Filmſterne ver-
ſchwunden. Ein alter Lappe, dem Beden-
ken gekommen waren, hatte ſie nach Hauſe
geholt. Die Filmleute ſchnallten ihre
Schneeſchuhe an und legten einen Weg von
mehr als 20 Kilometern zurück, um die
Knaben wieder einzufangen. Das koſtete
drei Tage Arbeit. Dann ſtreikte der Lappe,
der die Hauptrolle ſpielte. Der lange Auf-
enthalt im Schnee paßte ihm nicht mehr.
Als man auch darüber hinweggekommen
war, liefen ein paar Renntiere davon. Nur
mit Mühe konnten dieſe unerſetzlichen Mit-
ſpieler wieder eingefangen werden. Hin
und wieder
kam auch ein Schneeſturm
und warf die ganze Szenerie über den
Haufen. Das waren faſt alltägliche Zwi-
ſchenfälle. Aber die Filmphotographen
nahmen Schwierigkeiten und Hinderniſſe
dieſer Art gern in den Kauf. Die Haupt-
ſache war, daß der Film trotz alledem Fort-
ſchritte machte und daß es ſchließlich gelang,
das Lappendrama erfolgreich zum Abſchluß
zu bringen.

[Spaltenumbruch]
BUECHER UND SCHRIFTEN
Ludwig Finckh: Das Vogelneſt.

Unter dieſem Titel erſcheint im G. Franzſchen
Verlag, München, Baaderſtraße 1 a, ſoeben ein
Band, der ſich ſchon durch ſeine ſchlichte, aber
hübſche äußere Ausſtattung und billigen Preis
(Kart. M 1.80, Leinen M 2.50) vorzüglich als
Geſchenk empfiehlt. Was aus der Feder Ludwig
Finckhs, dieſes vielgeleſenen, bekannten und ge-
mütvollen ſchwäbiſchen Dichters fließt, bedarf
keiner beſonderen Empfehlung. Den Inhalt des
Bandes von 112 Seiten bilden 22 kurze, aber
feinſinnige Betrachtungen, die nach den Ueber-
ſchriften ſcheinbar in keinem Zuſammenhang mit-
einander ſtehen. Es ſind Gräſer und Halme —
ſagen wir von einem Finkenpärchen — zu einem
Vogelneſt geflochten. Der durch die ſämtlichen
Betrachtungen ziehende Hauptgedanke iſt die
Familie, Familienſinn, Freude an der Familien-
geſchichte und -forſchung, Intereſſe und Verſtänd-
nis für den Wert und die Bedeutung des Fami-
lienlebens, den Nachwuchs und die Ahnen zu
wecken, iſt die Abſicht des Dichters. Er weiß —
ſelbſt dafür begeiſtert — auch bei anderen ſolche
Begeiſterung zu erwecken. Wer es geleſen, wird
dies beſtätigen.

Der Fall Uzarſki.

Eine grauſige Kriminal-
geſchichte von Ad. Uzarſki. Delphin-Verlag
München. Wer die Schriften dieſes gewaltigen
Wortjongleurs und geiſtig-artiſtiſchen Grotesk-
komikers kennt, wird ſich das neue Buch kaum
entgehen laſſen, das in mancher Beziehung einen
Höhepunkt ſeines bisherigen literariſchen Schaf-
fens bedeutet. Man kann irgendeine Seite auf-
ſchlagen und zu leſen beginnen — gleich iſt man
mitten drinn und bezwungen von jeder Zeile
voll knapper komprimierter Wortkomik. Die
Florettwaffen dieſer Sprache gegen Spießertum
ſind fein geſchliffen, genußreich geführt und
immer ſiegreich auf überraſchende Manier. ro.



[irrelevantes Material]


[Spaltenumbruch]
Der Meiſterſchuß

Der Oberſt lief an das offene Fenſter,
aber da war keine Kühle, tropiſche Hitze
ſchlug ihm entgegen und ſtieg zitternd, Kon-
turen verwiſchend zum Himmel Der ſtand
weißblau, erbarmungslos. „Exzellenz,“ rief
der Oberſt, „dieſe Stunde drückt mir die
Luft ab.“ Der General ſchaute kurz auf,
dann wandte er den Blick wieder den ver-
ſammelten Offizieren zu. Seine Ruhe war
nicht poſiert; von Geburt Nordamerikaner
hatte er ſich in dieſem kleinen Staat zwiſchen
zwei Ozeanen naturaliſieren laſſen und war
raſch in der Armee aufgerückt. Er führte
den Oberbefehl über die Regierungstruppen,
die wieder einmal hier im Süden eine Re-
bellion mißgünſtiger Generäle niederzu-
ſchlagen hatten. „Es iſt nichts ſo fein ge-
ſponnen,“ ſagte er, „einmal mußte auch die-
ſer Menſch ſich fangen. Herr Hauptmann
Sirdonio, Sie ſind dort am nächſten, wollen
Sie bitte die Türe öffnen.“

Der junge Offizier tat, wie ihm geſagt.
Als die Tür ſich kaum bewegte, ſprang em
dünner Ton in den Raum, ſo, als ſchnappe
eine Feder ein.

„Der erſte Kontakt. Er öffnet die Linſe
des photographiſchen Apparates dort in der
Wand. Denken wir uns jetzt, es ſei Nacht,
kein Licht fällt in dieſes Zimmer. Der Mann,
der hier eindrang, brauchte kein Licht. Er
fand ſeinen Weg im Dunkel. Sehen Sie ...“
Der General übernahm dieſe Rolle des Ein-
dringlings, er ſchlich an den Schrank, griff
an das Sicherheitsſchloß und wollte die Zahl
einſtellen, die es zurückſpringen ließ, da
ſprühte ein Blitz auf. Die Offiziere zuckten
zuſammen, aber der General lächelte kalt.
„Eine kleine Momentaufnahme,“ erläuterte
er, „wäre es Nacht, hätten wir die gelungene
Aufnahme, wie ein General den Akten-
ſchrank zu beſtehlen verſucht.“

Der Scherz war zu dünn; keiner der Her-
ren belächelte ihn.

„Und die Aufnahme heute nacht iſt ge-
lungen?“ fragte der Oberſt vom Fenſter,
„Exzellenz haben ſchon Nachricht darüber?“

Der General nickte dem gelben Mann mit
dem pechfarbenen Schnurrbart zu. „Sie iſt
gelungen. Wir werden ſie in wenigen
Minuten hier haben.“

Der Oberſt atmete auf. „Dieſe Diebſtähle
[Spaltenumbruch] von wichtigen Papieren ..., es ging nicht
mehr mit richtigen Dingen zu.“ Er über-
legte. „Und Exzellenz meinen, jener Menſch
ſei noch unter uns in der Feſtung?“ Wieder
nickte der Angeredete nur. Und dann: „Er
floh nach dem Aufflammen des Blitzlichtes;
ihm blieb nicht Zeit nach dem eingebauten
Apparat zu ſuchen, um ihn etwa zu zer-
ſtören. Aber er kann nur aus dieſem Raum
geflohen ſein. Es hat niemand den Feſtungs-
gürtel paſſiert, und wer vermöchte in dieſer
Jahreszeit über den Rio Pantukan zu ent-
kommen?“

Ein Major fuhr auf. „Exzellenz, in dieſer
Minute reiten die Nachrichten-Offiziere ab!“

Der General begriff; er ſah ſich um. Der
Hauptmann Sirdonio ſtand in Gedanken
verſunken an der Tür. „Herr Hauptmann,“
bat der General, „eilen Sie an das Oſttor.
Der Poſten ſoll auch dieſe Herren aufhalten.
Vor zwölf Uhr verläßt keine lebende Seele
den Feſtungsbereich!“

Der Hauptmann ſalutierte; dann ging er.
Er ſchritt die Treppe hinab; ſeine Füße
traten die Stufen, aber er wußte nichts von
dieſen Bewegungen. Vor acht Stunden hatte
er dieſen Raum zuletzt betreten, hatte ihn
verlaſſen in paniſcher Flucht, als das Licht
aufgeflammt war — nun ſollte er dieſem
Zimmer noch einmal entrinnen dürfen ...
Er wußte, niemand brauchte ihm das zuzu-
rufen, daß alles aus war. Ein Bild lügt
nicht. Dieſes Bild würde klar ausſagen und
ein Geſicht zeigen, wie nur je ein Porträt-
bild. — Er ſah ſich um. Niemand folgte ihm.
Natürlich nicht. Wer vermutete hinter dem
tüchtigen Hauptmann Sirdonio einen Spion,
ein Geſchöpf, das Dokumente ſtahl ... Er
lächelte, ſein junges Geſicht war plötzlich alt,
verſtaubt und grau. Warum ſtahl ich denn,
Exzellenz? ... Und ſein Lächeln war ſtär-
ker, bitterer, ward Hohn. Aber dann fand
er ſich. Ein Mann zahlt, ſagte er, niemand
muß mich dazu auffordern. Dies war ein
Spiel. Sie haben die Trümpfe in den Hän-
den. Auf ein andermal! Doch er wußte, dies
anderemal war nicht mehr ſeine Partie.

Er überquerte den Hof und ſchritt durch
das Walltor. Der Doppelpoſten in ver-
waſchenem Khaki ſalutierte. „Hat jemand
paſſiert?“ — „Niemand, Herr Hauptmann!“
[Spaltenumbruch] Sirdonio ſtand ſtill. Er ſah in das Land
hinaus. Dann tat er eine Bewegung, als
wiſche er etwas weg. Ein Bild? Er nahm
dem erſten Poſten das Gewehr aus der
Hand und ſtellte die Waffe mit dem Kolben
zur Erde. „Entſichert? Scharf geladen?“ —
„Befehl.“ Der Hauptmann nickte. „Das
Rohr,“ ſagte er und bückte ſich, „es ſcheint
nicht ganz ...“, da neigte er ſich wohl zu
weit, zu tief nach vorn, er wollte ſich ſtützen,
rutſchte mit der Hand am Lauf ab und be-
rührte für eine Sekunde den Abzughahn.
Der Krach prallte gegen den Waldabhang
und warf ſich im Echo zurück. Das Gewehr
fiel um. Der Mann ſtand noch einen Augen-
blick länger. Die Kugel hatte ihn glatt
durchbohrt. Sie hatte ſein Leben heraus-
geriſſen. Aber ſein Leben wog nur leicht; es
hielt dieſe Kugel nicht auf.

Am Fenſter des Beratungszimmers ſtan-
den die Herren. Der General trat zu dem
Oberſt in das volle Licht. „Geben Sie her!“
Der Feldwebel in weißem Laborantenkittel
reichte die Platte hin. „Vorſicht, Exzellenz,
nur die Ränder berühren.“ Der General
hob die Glasſcheibe gegen den Himmel. Der
Oberſt beugte ſich zu ihm. „Man erkennt
deutlich eine Geſtalt,“ ſagte er, „man ...“
Da geſchah es. Sie vernahmen alle den
rollenden Knall. Sie wollten hinhorchen,
eine Vermutung anſtellen — da pfiff etwas
durch die Luft, ſchlug dem General die Platte
aus der Hand, daß ſie klirrend auf die Die-
len ſtürzte und krachte praſſelnd an die
Mauer. Die Männer ſtanden erſtarrt. Der
Feldwebel im Kittel kniete; er wollte die
Scherben zuſammenſuchen, aber dieſe Quer-
ſchlägerkugel hatte nur winzige Splitter hin-
terlaſſen.

Ueber den Hof kam der eingeborene
Poſten geſtürzt. Der Oberſt rief ihn herauf.
Oben erzählt der Mann den Unglücksfall
am Wall, wie der Herr Hauptmann das
Gewehr hatte prüfen wollen, und wie er zu
Fall gekommen. Der General winkte ab.
— In die kleine Pauſe ſagte der Oberſt:
„Welcher teufliſche Zufall hat dieſe Kugel
geführt, daß ſie meinen beſten Offizier
nimmt und zugleich einen Spion entwiſchen
läßt!“ Er ahnte nicht einmal, wie nahe ſein
Satz die Zuſammenhänge ſtreifte. „Ja,“
ſagte der Feldwebel, „dieſer Spion wird
ſeinen Verſuch nicht noch einmal wieder-
holen. Wir können den Apparat abbauen.“
Er war gar nicht gefragt geweſen. Der Ge-
neral ſah ihn verwundert an, dann nickte
er nur.



Kammermuſik aus vier Jahrhunderten

Freitag, den 18. Januar, 8 Uhr, im Bayer.
Hof, Kammermuſik-Abend mit Werken von Pur-
cell, Iſaak, Ortando di Laſſo, Hans Leo, J. S.
Bach und Marais.

Ausführende: Gabriele von Lottner (Cembalo)
und das Münchner Rialon-Quartett
(zum erſten Mate) Vaſentin Härtl, Joachim Ernſt,
Karl Lift, Willy Schmid.

Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid und im
Amtl. Bauer. Reiſebureau.

[Spaltenumbruch]
[irrelevantes Material]
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[Seite 11[11]/0011] Donnerstag, den 17. Januar „AZ am Abend“ Nr. 14 Filmen mit Hinderniſſen Abenteuer einer Filmexpedition bei den Lappen Lappland und ſeine Bewohner ſind dem Publikum bisher auf der lebenden Lein- wand noch nicht vorgeſtellt worden. Man hat Indianer, Neger, Malayen und alle nur erdenkbaren Völkerſchaften gefilmt, aber noch keine Lappländer. Dies hat einen religiöſen Grund. Die Lappländer, eine ſtreng lutheriſche Sekte, ſind treue Befolger des zweiten Gebotes: „Du ſollſt dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen ..“ Ihre bunten und maleriſchen Gewänder, ihre eigenartigen Sitten und Gebräuche, ihre ſonderbaren Lehmhütten, ihre Renn- tierherden, die weiten ſchneebedeckten Ein- öden, in denen ſie leben — alles dies ergibt prachtvolle Motive für Filmaufnahmen. Aber die Motive blieben bisher unverwertet. Eine ganze Reihe von Filmphotographen haben ſich an die Aufgabe herangewagt, ſind aber an dem Widerſtand der Lappen geſcheitert. Einige Amerikaner, die zudringlich wurden, mußten ihre kurz und klein geſchlagene Kamera auf dem „Schlacht- feld“ zurücklaſſen. Erſt zwei Engländern iſt es neuerdings ge- lungen, die Lappländer auf der Platte der Filmkamera feſtzuhalten. Nach ihrer Rückkehr erfährt man einiges Nähere über ihr Abenteuer. In Lappland, dem ſkandinaviſchen Gebiet nördlich des Polarkreiſes, dreht ſich das ganze Leben um das Renntier. Die Lappen wechſeln ihren Aufenthalt mit dem dieſes nützlichen Ge- ſchöpfes. Im Sommer ziehen ſie mit ihm nach dem Norden im Winter nach dem Süden. Die Engländer verſuchten zunächſt, durch längeres Zuſammenleben mit den Lappen deren Vertrauen zu gewinnen. Aber ſie wären nie an ihr Ziel gelangt, wenn der eine nicht ein großer Taſchen- ſpieler, und der andere nicht im Beſitz zahlreicher Arzneien geweſen wäre. So aber war es möglich, den Erwachſenen und Kindern Zauber- kunſtſtücke zu zeigen, durch die das Eis ge- brochen wurde. Die Arzneien erwieſen ſich in vielen Fällen als wirkſame Heilmittel. Allmählich ließen die gezähmten Lappen ſich vor die Kamera bringen und nach eini- ger Zeit war die Hütte, die den Engländern zur Verfügung geſtellt worden war, immer voll von Beſuchern. Als ein paar Wochen vergangen und die beiden Engländer mit den Landesbewoh- nern vertraut und ſchmutzig wie ſie geworden waren, ließen die Lappländer ſich photographieren. Es konnten Maſſenſzenen gefilmt werden, in denen Männer und Frauen, Erwachſene und Kinder ſich be- wegten. Damit war den Filmleuten aber noch nicht Genüge getan. Der Plan lief darauf hinaus, das Volk der Lappländer nicht nur in beweglichen Maſſenſzenen, ſon- dern auch im Leben einer einzelnen Familie darzuſtellen. Zu dieſem Zweck mußten Einzelperſonen ausgewählt werden und dieſe Aufgabe erwies ſich als beſonders ſchwierig. Die Lappländer hatten ſich ſchließlich dazu verſtanden, in Gruppen und Mengen die Aufnahme über ſich ergehen zu laſſen. Aber allein oder zu zweien und dreien der Kamera die Stirn zu bieten — das war denn doch ein Unternehmen, zu dem beſonderer Wagemut gehörte. Die beiden Engländer machten von ihrer Hütte aus Schneeſchuh-Ausflüge nach den benachbarten Dörfern, um die nötigen Filmſterne zu gewinnen. Sie wohnten ein paar Tage mit einer Lappenfamilie zuſam- men und ſuchten ſich nach Möglichkeit an- genehm zu machen. Der eine zeigte ſeine Zauberkünſte, der andere half mit ſeinen Arzneien aus und die Beziehungen wurden immer freundlicher. Endlich wagte man den Verſuch. Die Kamera wurde hervor- geholt und die Aufnahme vorbereitet. Aber ſobald der Lappenvater merkte, um was es ſich handelte. war es mit der Freundſchaft vorbei. Es blieb den Engländern nichts anderes übrig, als ihre Siebenſachen zu packen und weiter zu ziehen. Es koſtete unendliche Mühe und eine anſehnliche Geldbelohnung, bis es endlich gelang, einige Erwachſene als Darſteller für das Lappendrama zu ge- winnen. Als die Aufnahmen ſich dem Ende näher- ten, mußte das Darſtellerperſonal um zwei kleine Knaben vermehrt werden. Neue Schwierigkeiten! Es war verhältnismäßig leicht, mit den Knaben Fühlung zu gewin- nen. Der Zauberkünſtler brachte ein paar Knaben zum Nieſen, und zwar mit dem Erfolge, daß einige Münzen aus der Naſe zur Erde fielen. Mehr und mehr Knaben geſellten ſich hinzu und das jugendliche Pu- blikum fand an dem lohnenden Kunſtſtück Geſchmack. Endlich fanden ſich zwei Kna- ben bereit, die Filmrollen zu übernehmen. Mit des Vaters Segen zogen ſie an der Hand der Photographen davon. Unglück- licherweiſe begegnete ihnen die Mutter. Als ſie erfuhr, um was es ſich handelte, wünſchte ſie die Engländer zur Hölle und nahm ihre Kinder wieder an ſich. Aber auch dieſe Schwierigkeit wurde ſchließlich überwunden. Nun ſollten ein paar Renntiere gefilmt werden. Die Eng- länder verſuchten die nötigen Tiere zu kaufen, machten ſich aber dadurch ſehr un- beliebt. Die Lappländer ſind mißtrauiſch. Offenbar trauten ſie den Engländern die Abſicht zu, eine eigene Renntierherde zu gründen und den Lappen Konkurrenz zu machen. Ein Lappländer verſicherte ſogar, es ſei unchriſtlich und ſündhaft, ein Renn- tier für Filmzwecke zu verkaufen. Am näch- ſten Tage erkrankte ſeine Frau und den Engländern war Gelegenheit geboten, mit ihren Arzneien eine Wunderkur zu vollbringen. Der Ehemann zeigte ſich erkenntlich und der Renntierverkauf wurde perfekt. Die Aufnahmen waren ein fortgeſetzter Kampf mit Hinderniſſen. Eines Tages waren die jugendlichen Filmſterne ver- ſchwunden. Ein alter Lappe, dem Beden- ken gekommen waren, hatte ſie nach Hauſe geholt. Die Filmleute ſchnallten ihre Schneeſchuhe an und legten einen Weg von mehr als 20 Kilometern zurück, um die Knaben wieder einzufangen. Das koſtete drei Tage Arbeit. Dann ſtreikte der Lappe, der die Hauptrolle ſpielte. Der lange Auf- enthalt im Schnee paßte ihm nicht mehr. Als man auch darüber hinweggekommen war, liefen ein paar Renntiere davon. Nur mit Mühe konnten dieſe unerſetzlichen Mit- ſpieler wieder eingefangen werden. Hin und wieder kam auch ein Schneeſturm und warf die ganze Szenerie über den Haufen. Das waren faſt alltägliche Zwi- ſchenfälle. Aber die Filmphotographen nahmen Schwierigkeiten und Hinderniſſe dieſer Art gern in den Kauf. Die Haupt- ſache war, daß der Film trotz alledem Fort- ſchritte machte und daß es ſchließlich gelang, das Lappendrama erfolgreich zum Abſchluß zu bringen. BUECHER UND SCHRIFTEN Ludwig Finckh: Das Vogelneſt. Unter dieſem Titel erſcheint im G. Franzſchen Verlag, München, Baaderſtraße 1 a, ſoeben ein Band, der ſich ſchon durch ſeine ſchlichte, aber hübſche äußere Ausſtattung und billigen Preis (Kart. M 1.80, Leinen M 2.50) vorzüglich als Geſchenk empfiehlt. Was aus der Feder Ludwig Finckhs, dieſes vielgeleſenen, bekannten und ge- mütvollen ſchwäbiſchen Dichters fließt, bedarf keiner beſonderen Empfehlung. Den Inhalt des Bandes von 112 Seiten bilden 22 kurze, aber feinſinnige Betrachtungen, die nach den Ueber- ſchriften ſcheinbar in keinem Zuſammenhang mit- einander ſtehen. Es ſind Gräſer und Halme — ſagen wir von einem Finkenpärchen — zu einem Vogelneſt geflochten. Der durch die ſämtlichen Betrachtungen ziehende Hauptgedanke iſt die Familie, Familienſinn, Freude an der Familien- geſchichte und -forſchung, Intereſſe und Verſtänd- nis für den Wert und die Bedeutung des Fami- lienlebens, den Nachwuchs und die Ahnen zu wecken, iſt die Abſicht des Dichters. Er weiß — ſelbſt dafür begeiſtert — auch bei anderen ſolche Begeiſterung zu erwecken. Wer es geleſen, wird dies beſtätigen. Der Fall Uzarſki. Eine grauſige Kriminal- geſchichte von Ad. Uzarſki. Delphin-Verlag München. Wer die Schriften dieſes gewaltigen Wortjongleurs und geiſtig-artiſtiſchen Grotesk- komikers kennt, wird ſich das neue Buch kaum entgehen laſſen, das in mancher Beziehung einen Höhepunkt ſeines bisherigen literariſchen Schaf- fens bedeutet. Man kann irgendeine Seite auf- ſchlagen und zu leſen beginnen — gleich iſt man mitten drinn und bezwungen von jeder Zeile voll knapper komprimierter Wortkomik. Die Florettwaffen dieſer Sprache gegen Spießertum ſind fein geſchliffen, genußreich geführt und immer ſiegreich auf überraſchende Manier. ro. _ Der Meiſterſchuß Von Frank F. Braun Der Oberſt lief an das offene Fenſter, aber da war keine Kühle, tropiſche Hitze ſchlug ihm entgegen und ſtieg zitternd, Kon- turen verwiſchend zum Himmel Der ſtand weißblau, erbarmungslos. „Exzellenz,“ rief der Oberſt, „dieſe Stunde drückt mir die Luft ab.“ Der General ſchaute kurz auf, dann wandte er den Blick wieder den ver- ſammelten Offizieren zu. Seine Ruhe war nicht poſiert; von Geburt Nordamerikaner hatte er ſich in dieſem kleinen Staat zwiſchen zwei Ozeanen naturaliſieren laſſen und war raſch in der Armee aufgerückt. Er führte den Oberbefehl über die Regierungstruppen, die wieder einmal hier im Süden eine Re- bellion mißgünſtiger Generäle niederzu- ſchlagen hatten. „Es iſt nichts ſo fein ge- ſponnen,“ ſagte er, „einmal mußte auch die- ſer Menſch ſich fangen. Herr Hauptmann Sirdonio, Sie ſind dort am nächſten, wollen Sie bitte die Türe öffnen.“ Der junge Offizier tat, wie ihm geſagt. Als die Tür ſich kaum bewegte, ſprang em dünner Ton in den Raum, ſo, als ſchnappe eine Feder ein. „Der erſte Kontakt. Er öffnet die Linſe des photographiſchen Apparates dort in der Wand. Denken wir uns jetzt, es ſei Nacht, kein Licht fällt in dieſes Zimmer. Der Mann, der hier eindrang, brauchte kein Licht. Er fand ſeinen Weg im Dunkel. Sehen Sie ...“ Der General übernahm dieſe Rolle des Ein- dringlings, er ſchlich an den Schrank, griff an das Sicherheitsſchloß und wollte die Zahl einſtellen, die es zurückſpringen ließ, da ſprühte ein Blitz auf. Die Offiziere zuckten zuſammen, aber der General lächelte kalt. „Eine kleine Momentaufnahme,“ erläuterte er, „wäre es Nacht, hätten wir die gelungene Aufnahme, wie ein General den Akten- ſchrank zu beſtehlen verſucht.“ Der Scherz war zu dünn; keiner der Her- ren belächelte ihn. „Und die Aufnahme heute nacht iſt ge- lungen?“ fragte der Oberſt vom Fenſter, „Exzellenz haben ſchon Nachricht darüber?“ Der General nickte dem gelben Mann mit dem pechfarbenen Schnurrbart zu. „Sie iſt gelungen. Wir werden ſie in wenigen Minuten hier haben.“ Der Oberſt atmete auf. „Dieſe Diebſtähle von wichtigen Papieren ..., es ging nicht mehr mit richtigen Dingen zu.“ Er über- legte. „Und Exzellenz meinen, jener Menſch ſei noch unter uns in der Feſtung?“ Wieder nickte der Angeredete nur. Und dann: „Er floh nach dem Aufflammen des Blitzlichtes; ihm blieb nicht Zeit nach dem eingebauten Apparat zu ſuchen, um ihn etwa zu zer- ſtören. Aber er kann nur aus dieſem Raum geflohen ſein. Es hat niemand den Feſtungs- gürtel paſſiert, und wer vermöchte in dieſer Jahreszeit über den Rio Pantukan zu ent- kommen?“ Ein Major fuhr auf. „Exzellenz, in dieſer Minute reiten die Nachrichten-Offiziere ab!“ Der General begriff; er ſah ſich um. Der Hauptmann Sirdonio ſtand in Gedanken verſunken an der Tür. „Herr Hauptmann,“ bat der General, „eilen Sie an das Oſttor. Der Poſten ſoll auch dieſe Herren aufhalten. Vor zwölf Uhr verläßt keine lebende Seele den Feſtungsbereich!“ Der Hauptmann ſalutierte; dann ging er. Er ſchritt die Treppe hinab; ſeine Füße traten die Stufen, aber er wußte nichts von dieſen Bewegungen. Vor acht Stunden hatte er dieſen Raum zuletzt betreten, hatte ihn verlaſſen in paniſcher Flucht, als das Licht aufgeflammt war — nun ſollte er dieſem Zimmer noch einmal entrinnen dürfen ... Er wußte, niemand brauchte ihm das zuzu- rufen, daß alles aus war. Ein Bild lügt nicht. Dieſes Bild würde klar ausſagen und ein Geſicht zeigen, wie nur je ein Porträt- bild. — Er ſah ſich um. Niemand folgte ihm. Natürlich nicht. Wer vermutete hinter dem tüchtigen Hauptmann Sirdonio einen Spion, ein Geſchöpf, das Dokumente ſtahl ... Er lächelte, ſein junges Geſicht war plötzlich alt, verſtaubt und grau. Warum ſtahl ich denn, Exzellenz? ... Und ſein Lächeln war ſtär- ker, bitterer, ward Hohn. Aber dann fand er ſich. Ein Mann zahlt, ſagte er, niemand muß mich dazu auffordern. Dies war ein Spiel. Sie haben die Trümpfe in den Hän- den. Auf ein andermal! Doch er wußte, dies anderemal war nicht mehr ſeine Partie. Er überquerte den Hof und ſchritt durch das Walltor. Der Doppelpoſten in ver- waſchenem Khaki ſalutierte. „Hat jemand paſſiert?“ — „Niemand, Herr Hauptmann!“ Sirdonio ſtand ſtill. Er ſah in das Land hinaus. Dann tat er eine Bewegung, als wiſche er etwas weg. Ein Bild? Er nahm dem erſten Poſten das Gewehr aus der Hand und ſtellte die Waffe mit dem Kolben zur Erde. „Entſichert? Scharf geladen?“ — „Befehl.“ Der Hauptmann nickte. „Das Rohr,“ ſagte er und bückte ſich, „es ſcheint nicht ganz ...“, da neigte er ſich wohl zu weit, zu tief nach vorn, er wollte ſich ſtützen, rutſchte mit der Hand am Lauf ab und be- rührte für eine Sekunde den Abzughahn. Der Krach prallte gegen den Waldabhang und warf ſich im Echo zurück. Das Gewehr fiel um. Der Mann ſtand noch einen Augen- blick länger. Die Kugel hatte ihn glatt durchbohrt. Sie hatte ſein Leben heraus- geriſſen. Aber ſein Leben wog nur leicht; es hielt dieſe Kugel nicht auf. Am Fenſter des Beratungszimmers ſtan- den die Herren. Der General trat zu dem Oberſt in das volle Licht. „Geben Sie her!“ Der Feldwebel in weißem Laborantenkittel reichte die Platte hin. „Vorſicht, Exzellenz, nur die Ränder berühren.“ Der General hob die Glasſcheibe gegen den Himmel. Der Oberſt beugte ſich zu ihm. „Man erkennt deutlich eine Geſtalt,“ ſagte er, „man ...“ Da geſchah es. Sie vernahmen alle den rollenden Knall. Sie wollten hinhorchen, eine Vermutung anſtellen — da pfiff etwas durch die Luft, ſchlug dem General die Platte aus der Hand, daß ſie klirrend auf die Die- len ſtürzte und krachte praſſelnd an die Mauer. Die Männer ſtanden erſtarrt. Der Feldwebel im Kittel kniete; er wollte die Scherben zuſammenſuchen, aber dieſe Quer- ſchlägerkugel hatte nur winzige Splitter hin- terlaſſen. Ueber den Hof kam der eingeborene Poſten geſtürzt. Der Oberſt rief ihn herauf. Oben erzählt der Mann den Unglücksfall am Wall, wie der Herr Hauptmann das Gewehr hatte prüfen wollen, und wie er zu Fall gekommen. Der General winkte ab. — In die kleine Pauſe ſagte der Oberſt: „Welcher teufliſche Zufall hat dieſe Kugel geführt, daß ſie meinen beſten Offizier nimmt und zugleich einen Spion entwiſchen läßt!“ Er ahnte nicht einmal, wie nahe ſein Satz die Zuſammenhänge ſtreifte. „Ja,“ ſagte der Feldwebel, „dieſer Spion wird ſeinen Verſuch nicht noch einmal wieder- holen. Wir können den Apparat abbauen.“ Er war gar nicht gefragt geweſen. Der Ge- neral ſah ihn verwundert an, dann nickte er nur. Kammermuſik aus vier Jahrhunderten Freitag, den 18. Januar, 8 Uhr, im Bayer. Hof, Kammermuſik-Abend mit Werken von Pur- cell, Iſaak, Ortando di Laſſo, Hans Leo, J. S. Bach und Marais. Ausführende: Gabriele von Lottner (Cembalo) und das Münchner Rialon-Quartett (zum erſten Mate) Vaſentin Härtl, Joachim Ernſt, Karl Lift, Willy Schmid. Karten bei Bauer, Halbreiter, Schmid und im Amtl. Bauer. Reiſebureau. _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 17. Januar 1929, S. Seite 11[11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1929/11>, abgerufen am 17.06.2024.