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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924.

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Montag, den 14. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 18
[Spaltenumbruch]
Arbeitslosigkeit und Siedlung

Das Gespenst der Arbeitslosigkeit geht
wieder um; in unserer heutigen Lage
drohender als jemals. Es raubt den In-
dustriellen den Schlaf, geistert durch die
Flure der Ministerien, beunruhigt die
Straßen und ermutigt den Umsturz. Die
Erwerblosenfürsorge verschlingt Billionen.
Die produktive Erwerbslosenfürsorge ist
nicht mehr in der Lage, Arbeit zu schaffen,
die für unsere heutige Notlage schnell ge-
nug produktiv wirkt. Hausbau, Straßen-
bau, Wasserbau verschlingen dafür zu ge-
waltige Summen, die doch erst aufzubrin-
gen sind, bevor sie sich verzinsen. Selbst
solche Meliorationen, die bald Erträge
bringen, sind deshalb nur ein schlechtes
Hilfsmittel, weil sie eine Arbeit in Kolon-
nen erfordern, für die sich nur ein Bruch-
teil der Arbeitslosen ohne Familie eignet
und weil für diese Wohngelegenheit zu
schaffen ist, die meist nicht vorhanden ist
und deren Neubeschaffung zuviel Zeit und
Geld verschlingt. Unsere falsche bisherige
Wohnungs- und Siedlungspolitik hat es
nicht verstanden, das heute drohende, seit
langem vorauszusehende Gespenst der Ar-
beitslosigkeit zu bannen. Riesensummen
sind ausgegeben worden, um für einen
kleinen Teil der Bevölkerung neue Woh-
nungen zu bauen mit dem Erfolg, daß ein
Teil des Geldes dem Baustoffwucher zum
Opfer fiel, daß in manchen Gegenden die
neuen Wohnungen größer waren als der
übliche Durchschnitt, daß die Bewohner
trotzdem unzufrieden waren und daß sehr
viele Wohnungen nicht den kindereichen
Familien zugute kamen, für die sie doch in
erster Linie in Frage kommen.

Der Grundfehler war, daß man von der
Wohnung ausging, also das letzte und
teuerste Mittel ergriff, anstatt das Uebel
beim Kern, bei der Bodenfrage zu fassen.
Für den Preis von 10 000 Wohnungen
konnte man 350 000 Gärten zu je 500 Qua-
dratmeter im Umkreise der größeren und
kleineren Städte erhalten, bei Bemessung
der Gärten von brutto 250 Quadratmetern
konnten 700 000 Familien oder (die er-
werbslosen Familienmitglieder und allein-
stehenden Erwerbslosen mitgerechnet)
1 Million Erwerbslose mit genügendem
Gartenland versehen werden, um ihre freie
Zeit nutzbringend und produktiv zu ver-
werten. Man muß das gesehen haben, wie
diese Menschen, sobald sie nicht in Arbeits-
losenkolonnen, sondern auf eigener Scholle
tätig waren, gearbeitet haben. Es ist ge-
radezu erstaunlich, mit welcher Sorgfalt
und Sachkenntnis diese sogenannten Laien
ihre Gärten in Kultur brachten, ihre Ab-
fälle für die Kleintierzucht verwerteten.
Da gab es selbst bei Erwerbslosen keine
beschränkte Arbeitszeit, sondern vom Mor-
gen bis in die Nacht wurde gearbeitet, ge-
schuftet vom frühesten Frühjahr bis in den
[Spaltenumbruch] kommenden Winter, im Sommer ganze
Sonntage lang halbnackt, um erst einmal
aus dem Gröbsten herauszukommen. Und
doch strömte Behagen aus dieser Arbeit.
Dann meldete sich der technische Betrieb,
Brunnen wurden gebaut, Leitungen ge-
legt, Zäune gerichtet, Lauben gebaut unter
Benutzung der erdenklichen Reste von
Holz, alten Steinen, Lehm, Schlacke, Ze-
ment, Stroh, Dachpappe, Glas, alter Kon-
servenbüchsen, Stärkekisten, alles, was
der Erfindungsgeist des Feldgrauen ge-
funden hatte, kam wieder zum Vorschein
und wurde im Kleingarten verwendet.
Einer sah es dem anderen ab. Drei Richt-
feste schwebten dem Siedler als Glanz-
punkte und Marksteine vor: Bretterbude,
Wohnlaube, Dauerhaus.

Aber oben am grünen Tisch thronten die
Götter und brüteten über der Volkswoh-
nung, die 70 Quadratmeter groß, massiv,
an ausgebauten Straßen mit Kanalisation
(zur Verhütung der Fruchtbarkeit des Gar-
tens) fertig wie Athene aus dem Haupte
des Zeus hervorgehen sollte. Uebrigens
recht umständlich mit Geburts- und Tauf-
scheinen, hochnotpeinlichen Untersuchun-
gen, mit Arzt und Hebamme, Versuchssied-
lungen und Gesellschaften und mit jenen
berühmten verlorenen Zuschüssen, an denen
sich Mutter Staat nachgerade verblutet
hat, -- wo war der Volksführer, der statt
der Milliarden Papiermark Milliarden
von Arbeitsstunden bodenhungriger Klein-
gärtner und Siedler hervorzauberte, der
der Volksvertretung statt bureaukratischer
Berichte mit dem Notschrei eines hungern-
den Volkes ins Gewissen rief, der mit
einem Bruchteil der Baumilliarden die
faulen Hypotheken darbender Kleinrentner
noch rechtzeitig aus dem Sumpf holte und
mit einer großzügigen gemeinnützigen
Bodenankaufspolitik den entwerteten
Grundbesitzern, den Kleinsiedlern, der ver-
nünftigen Besiedlung städtischen Bodens,
der Ernährung des Volkes, der wachsenden
oder schrumpfenden Industrie und dem
Staat den größten Dienst erwiesen hätte?
Wo war der Mann, der nicht nur woh-
nungswirtschaftlich und bauwirtschaftlich,
sondern volkswirtschaftlich, produktiv, so-
zial und barmherzig-menschlich die Sied-
lungsfrage nicht am Schwanz, sondern
bei den Hörnern anpackte?

Die Verhandlungen mit Thüringen
abgeschlossen

Die Verhand-
lungen zwischen der Reichsre-
gierung und der thüringischen
Staatsregierung
sind nun endgültig
zum Abschluß gekommen. Das Reich ver-
zichtet auf die Entsendung eines Reichs-
kommissars sowie auf die geplanten Exe-
kutivmaßnahmen.

Dagegen hat die thüringische Regierung
gewisse Zugeständnisse gemacht, vor allem,
indem sie sich verpflichtete, bis zu den
Neuwahlen in Thüringen keine entschei-
dende Regierungshandlungen mehr vorzu-
nehmen.

[Spaltenumbruch]
Neues aus aller Welt
Die neue Nordpolexpedition

Der gegenwärtig in London weilende
Südpolentdecker Amundsen erklärte ameri-
kanischen Pressevertretern über die von ihm
beabsichtigte Flugexpedition an den Nordpol, daß
er, wenn alles gut gehe, schon im Mai
starten
wolle, da dieser Monat das günstigste
Wetter für alle Polarunternehmungen bilde. Er
sehe der Flugreise vertrauensvoll entgegen, weil
Spitzbergen über eine vorzügliche Radiostation
verfüge, welche die Expedition stets auf dem
laufenden über die Wetterverhältnisse halten
werde. Es sollen vier oder fünf Flugzeuge mit-
genommen werden. Die letzte Expedition im
Jahre 1922 sei daran gescheitert, daß man sie
zu spät begonnen habe, und die im Jahre 1923,
weil die Flugapparate versagten. Amundsen
glaubt, daß seine Expedition die 2000 Meilen
von Alaska nach Spitzbergen im Flug-
zeuge in 20--25 Stunden werde zurücklegen
können. Sein Aufenthalt in London bezweckt,
Motore für die Flugzeuge zu kaufen, die ebenso
sicher wie auf dem Lande auch im Wasser und
auf dem Eise sollen landen können. Jedes Flug-
zeug soll einen Führer und einen Beobachter
haben. Die mitzuführenden Lebensmittelvorräte
sollen so gering wie möglich bemessen werden,
während soviel Gasolin mitgenommen werden
soll, wie die Apparate tragen können. Die Ex-
pedition diene wissenschaftlichen Unternehmungen
und Beobachtungen und werde in allen ihren
Teilen gefilmt werden.

Europäische Gespräche

Der stärkste Geist, den das Jahrhundert in
Deutschland erzeugt hat, zugleich der heftigste
Kritiker Deutschlands: Nietzsche, hat in seinem
Wunsch nach internationaler Geistigkeit das Wort
vom Guten Europäer erfunden, das unsere Na-
tionalisten ärgert, wie es die anderer Länder är-
gern würde. Seit die Liebe zum Vaterlande eine
Tugend wurde, die man wie einen Orden im
Knopfloch trägt, seit es Sitte geworden, sich sei-
nes Landes vor Fremden möglichst laut als des
besten auf dieser Kugel zu rühmen, seit die na-
türlichsten und stillsten Instinkte plakatiert und
die reinsten und einfachsten Gefühle auf Walzen
gezogen werden, hat unsere Minderheit in allen
Ländern schwersten Stand. Die Götzendämme-
rung wird immer von wenigen vorausgespürt,
während die Menge noch taumelt: Nationalität,
der große Fetisch dieser Jahrzehnte, wird die in-
teressante Ruine des Jahrhunderts sein; es
kommt der Tag, wo niemand mehr begreift, wa-
rum die Völker eines kleinen Erdteils, längst
kreuz und quer durch Blut und Geist, durch Wa-
ren und Rassen gemischt, einander zu zerstören
trachteten.

Noch ist er fern, und der Name jenes ameri-
kanischen Idealisten, der anno 1919 aus einer
ideenhaften Katastrophe die vernünftige Lösung
zu schaffen suchte, wird von den ihm assozirerten
Siegern mit Spott, von den Besiegten mit Haß
von seinen eigenen Landsleuten mit der Geste
genannt, die Bedauern über Verrücktes bedeu-
tet. Das arme, zarte, angstvoll um sich blickende
Wesen, das sich in Genf Europas anzunehmen
sucht, dieser erste wacklige Völkerbund, der neben
Wilsons oder gar Kants und Goethes Visien
wirkt wie Lilienthals Maschine neben einer
Rumplertaube: dies rührende Modell einer gro-
ßen Maschine hat den einstigen Gedanken vol-
lends lächerlich gemacht, für den heut Politik zu
machen mehr bedeutet, als das Spiel zwischen
Mächten, die auf und nieder schweben.

"Ich habe"

-- schrieb Bismarck im Jahre
1876 -- "das Wort Europa immer im Munde
derjenigen Politiker gefunden, die von anderen
Mächten etwas verlangten, was sie im eigenen
Namen nicht zu fordern wagten."
Dies Wort,
[Spaltenumbruch] das in den Klauen eines Völkischen eine ver-
derbliche Keule werden kann, steht in den groß-
artigen Papieren, mit denen die Freiheit dieser
Republik und der Fleiß dreier Gelehrten das
deutsche Volk vergebens zu beschenken trachtet.
Wer liest diese "Große Politik der europäischen
Kabinette?" Wer liest überhaupt jene Papiere
und Memoiren, deren wir Deutsche heut mehr
als alle anderen besitzen? Als ich versuchte,
einige Stücke der letzten Geschichte zu dramatisie-
ren -- nicht wie mich einige Bühnen parodieren,
sondern wie es in den Bühnenbüchern gedruckt
steht --, weil dieser, nur ästhetisch anfechtbare
Umweg der Nation plastische Kenntnis ihrer
Historie vermitteln kann, sah ich mit Staunen
hochgeistige Deutsche vor Stücken unserer Ge-
schichte lächeln, ungläubig, daß dies alles in den
Dokumenten, nicht etwa nur im Kopfe eines
Theater-Historikers stände!

Ein Grund für diese Unkenntnis ist die mon-
archistische Verbiegung der Preußengeschichte ge-
wesen, wie man sie uns reichte; ein anderer,
der alte Wesenszug der Nation: lieber von
Schlachten als von Gedanken in der eigenen Ge-
schichte zu lesen. Beides kann man nun refor-
mieren.

Aus solchen Rück- und Vorblicken baut sich
das ungeschriebene Programm einer Monats-
schrift auf, die nicht herzlich genug empfohlen
werden kann. In Hamburg erscheinen mit dem
Sommer, vom Institut für Auswärtige Politik
ediert, Hefte von je 80 oder 100 Seiten, in de-
nen der Deutsche nichts findet, was ihm die
Zeitung brachte, dennoch vieles, was das politi-
sche Europa bewegt. Dies Unternehmen, das
den aus schöner Prosa gebildeten, forschend zu-
rückhaltenden Titel "Europäische Gesprä-
che"
führt, zusammengehalten von dem beweg-
lich-zarten, ironisch-ernsten und sehr künstleri-
schen Geist des Professors A. Mendelssohn-
Bartholdy,
läßt großen Essays historisch-
politischer Natur jeweils die wichtigsten Doku-
mente des Monats folgen, von denen wir sonst
nur Auszüge, eilige Schattenrisse sahen, fliehend
in der Hast des Tages.

Hier scheint in der Tat einmal jene Synthese
des Geistes gefunden, die "Bismarck" sagen kann,
ohne völkisch zu erbeben oder demokratisch zu er-
röten, und sie sagt recht oft Bismarck. Ueberall
aber wird die Beziehung des Vergangenen zur
heutigen Krise gezeigt und durch Belichtung von
Faschoda die Warnung für 1923 deutlich. Solchen
parteilos enropäischen Essays, auch aus aus-
ländischen Federn, folgt dann ein Bündel Do-
kumente und ein Korb voll Buchdrucke fast sämt-
lich über Dinge, von denen wir nur die Titel
kennen.

Oder wer von uns kennt denn genau den
Stand der Garantiefrage zur Sicherung Frank-
reichs? Wer hat Hardings entscheidende Rede
über den Beitritt Amerikas zum Haag, wer
Greys bedeutsame Stellung zu Frankreich, wer
die Chester-Konzession oder das Weltecho Poin-
carescher Reden gelesen: frei von der Nötigung
und Willkür eines telegraphierenden, also aus-
wählenden Korrespondenten, ohne die Suggestion
der großen und kleinen Type des Meiteurs (der
auch Politik macht)?

Und daran reiht sich zu höchster Anregung,
Kritik und Bibliographie auslandischer Bücher,
somit ein Medium zwischen uns und den ande-
ren, Zeittafel und Uebersicht: eine Fülle von Re-
gistern, auf denen man das Europäische Konzert
zu spielen trachtet.

Und was, bei den Göttern! wollt ihr sonst
spielen? Lauter Soli in einem Saal, jeder nach
seinem Tempo, Sinn und Geschmack? Ist nicht
Europa wirklich "unser natürlicher Himmels-
strich, das Horoskop unseres Volksschicksals"? Und
kann der Schwache törichter sein, als im edlen
Trotze, "da wir ja doch in der Welt allein ste-
hen, sich nur noch auf sich selbst stellen"? Von
tausend Orten hat sich das gewaltsam zerrissene
Netz wieder angesponnen, nie war die Epoche
allen Freunden der Neuordnung günstiger als
heut, wo -- hinter der Phrase dies- und jen-
seits des Rheines -- Millionen räsonnabler
Köpfe Aussprache und Ausgleich suchen.

[Spaltenumbruch]

Der allrussische Gelehrten-Kongreß.

Ende Novem-
ber fand in Moskau der erste allrussische Kongreß
der wissenschaftlichen Arbeiter statt. Russische Ge-
lehrte verschiedener politischer Gesinnung nahmen teil.
Ungeachtet dessen haben die Teilnehmer einstimmig
beschlossen, die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit
mit der Sowjetregierung, die alles Mögliche für die
Besserung der pekuntären und rechtlichen Lage der
Gelehrten aufbietet, anzuerkennen. Ueber 100 Uni-
versitätsprofessoren von hohem Ruf in Rußland traten
zusammen. Sie kamen als Vertreter von 8800 Wissen-
schaftlern. Man erörterte die beruflichen Interessen
der wissenschaftlichen Arbeiter, es wurden konkrete
Vorschläge für die wissenschaftliche und kulturelle
Arbeit gemacht. In besonders schweren Verhältnissen
leben die Wissenschaftler in der Provinz, wo die Ver-
dienstmöglichkeiten viel geringer sind als in den Uni-
versitätsstädten. Die anwesenden Vertreter der Sow-
jetregierung sprachen über die bevorstehende Arbeit, in
der die Organe der Regierung mit den Vertretern der
russischen Intelligenz zusammenarbeiten werden. Die
Mitglieder der russischen Akademie der Wissenschaften
Oldenburg, Marr, Fersman u. a. bestätigten den An-
bruch einer neuen Aera in den Beziehungen zwischen
der russischen Arbeiterklasse und der russischen Intelli-
genz. Die gesamte Sowjetpresse begrüßt den Kongreß
der russischen Wissenschaftler und spricht in sehr herz-
lichen Worten über die Verdienste der rusischen Ge-
lehrten vor dem russischen Volk und über die Not-
wendigkeit, die materielle und rechtliche Lage der rus-
sischen Gelehrten zu bessern, um sie auf eine Höhe zu
bringen, die sie durch ihre Treue zur Wissenschaft und
zur russischen Kultur verdient haben.

70 Jahre "Bazar".

Unser ältestes deutsches
Modenblatt "Der Bazar" tritt in das neue Jahr
mit dem Schmucke einer besonderen Jubiläums-
beilage, die in Wort und Bild die Zeit seines
nunmehr 70jährigen Erlebens und Schaffens auf
dem Gebiete unserer Frauenmode wiedergibt. Es
ist ein allerliebster Spiegel der äußeren Er-
scheinung unserer lieben Frauen, von jenen Ta-
gen an, in denen die damals "schönste Frau der
Erde", die Kaiserin Eugenie von Frankreich,
das Modenzepter schwang bis zur allerletzten
Mode von heute, ein Bild des wechselnden Ge-
[Spaltenumbruch] schmackes, das seine eigenen Reize hat. Wie
hoch die gutbürgerliche Damenwelt ihren "Ba-
zar" in seinem Werte einschätzt, zeigt sich nicht
nur in seiner großen Verbreitung in Deutsch-
land, sondern auch darin, daß er außer in deut-
scher noch in fünf fremden Sprachen erscheint.

Das Schillergartenhaus in Jena.

Das Uni-
versitätsamt in Jena beabsichtigt, das Schiller-
gartenhaus, das der Dichter 1795 käuflich erwor-
ben und bis zu seiner Uebersiedlung nach Wei-
mar während der Sommerhalbjahre mit den
Seinen bewohnt hat, zu einer würdigen Ge-
dächtnisstätte auszugestalten. In dem Hause und
dem dazugehörigen Garten hat Schiller den Wal-
lenstein, Maria Stuart, Die Glocke und fast alle
Balladen niedergeschrieben und oft mit Goethe
verkehrt. Von diesem rührt eine erste Anregung
zu dem jetzt verfolgten Plan her. Von seiten der
Jenaer Bürgerschaft sind bereits eine Anzahl An-
denken der klassischen Zeit zu dem Zwecke zur
Verfügung gestellt worden. Der Plan der Je-
naer Universitätsbehörde ist zu begrüßen, denn
Jena ist reich an klassischen Erinnerungen.

Danzig, Danzig über alles!

Für eine Danzi-
ger Nationalhymne wurde ein Preis ausgesetzt,
über dessen Verleihung eine Kommission, aus
Vertretern der Kunst und Wissenschaft und der
Regierung des Freistaates Danzig bestehend, be-
schließen wird.

Kleine Nachrichten
Auswärts
Die diesjährige Goethe-Tagung.

Auf der wie
üblich in der Woche nach Pfingsten stattfindenden
Generalversammlung der Goethe-Gesellschaft in
Weimar wird Professor Eduard Spranger von
der Berliner Universität den Festvortrag halten.
Sein Thema lautet: "Goethe und die Metamor-
phose des Menschen". Die diesjährige Jahresgabe
der Gesellschaft wird eine Faksimile-Wiedergabe
von Goethe-Handschriften bringen, von Briefen
und Gedichten an Charlotte von Stein. Ende
August soll das Jahrbuch 1923/24 erschemen.

England interessiert sich für russische Museen.

In
Petersburg ist eine Gruppe Professoren der Cambrid-
[Spaltenumbruch] ger Universität und Londoner Muse eingetroffen, die
die Verhältnisse der russischen Hochschule und die
Reichtümer der russischen Museen studieren wollen.
Die englischen Gelehrten haben ihr besonderes Inter-
esse den seltenen etnographischen Sammlungen, die
aus Indien und von den Inseln des Indischen Ozeans
gebracht worden sind, gewidmet.

Die Hauptversammlung der Deutschen Shakespeare-
Gesellschaft.

Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft
hält ihre diesjährige Hauptversammlung am 23. April,
dem Geburtstage des Dichters, im Großen Armbrust-
saale in Weimar ab. Den Festvortrag über die
Bacon-Frage, zu der die Gesellschaft offiziell Stellung
nehmen wird, hat Professor Emil Wolff, Dozent an
der Hamburger Universität, übernommen. Als Fest-
vorstellung im Deutschen Nationaltheater ist Shake-
speares "Macbeth" in der Bearbeitung von Karl Rothe
in Leipzig in Aussicht genommen. Wann das Jahr-
buch erscheinen wird, ist noch nicht bestimmt festgesetzt
worden.

Bayreuth.

Die in letzter Zeit verschiedentlich
aufgetauchten Zweifel an dem Zustandekommen
der Festspiele 1924 sind unbegründet.


Wegen Erreichung der Altersgrenze wer-
den zum Schlusse des Semesters folgende ordent-
lichen Professoren in Freiburg in den Ruhestand
treten: Dr. Karl Julius Mayer (Moral und
Enzyklopädie der theos. Wissenschaft). Dr. Ernst
Fabricius (Alte Geschichte). Dr. Georg von
Below
(Mittlere und Neuere Geschichte) und
Dr. Heinrich Finke (Mittlere und Neuere Ge-
schichte). Es wird schwer sein, die empfindlichen
Verluste, die das Ausscheiden dieser hervorragen-
den Gelehrten für die Freiburger Universität be-
deuten, wieder auszugleichen.

München

Dienstag, den 15. Januar: "Museum" (8): Erster
Abend für den Mittelstand: Konzert.
Ausfü-
rende:
Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L.
Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klavier), das
Münchener Bläserquintett
(Kaleve, Uf-
singer, Wagner, Nöth, Baumeister). Programm:
[Spaltenumbruch] K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein.
Mozart, Klaviersonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach,
Arie mit obligater Flöte, Konzertßene mit obligater
Oboe. Mozart, Bläserquintett.

Heute Montag, 14. Januar: Bayer.
Hof
(71/2 Uhr) Liederabend W. v. Geuns.

Odeon (71/2 Uhr): 5. Abonnementskonzert,
Leitung H. Knappertsbusch.

Die für den 17. bis 18. Januar angekündigten
Abende des Stuttgarter Streichquar-
tetts
müssen infolge dienstlicher Verhinderung
des Quartetts auf Ende Januar verschoben wer-
den. Die neuen Daten werden baldigst bekannt-
gegeben.


Der Münchener Tonkünstler-Verein gibt Den-
nerstag, den 17. Januar, abends 71/2 Uhr, im
Herkulessaal der Residenz ein Schülerkonzert.
Programm: Schumann: Novelette op. 21
Nr. 8, fis-moll; Haydn: Recitative und Arie der
Hanna aus den "Vier Jahreszeiten"; Josef
Haas: Hausmärchen op. 35 G-dur, H-moll, F-
dur; Beethoven: Romanze F-dur op. 50; Reger:
vier Klavierstücke; Brahms: vier Lieder für
Mezzo-Sopran; Rameau: Gavotte und Variatio-
nen A-Moll; Chopin: Nocturne op. 9 Nr. 1 B-
moll; Leschetitzky: Toccata op. 46 Nr. 3 D-moll;
Chopin: Fantasie F-moll op. 49.

Karten bei Schmid und Halbreiter.

Moderne Galerie Thannhauser.

Im Graphi-
schen Kabinett wurden neu ausgestellt Zeichnun-
gen von Werner Schmidt, München, Buch-
illustrationen zu Goethes "Herrmann und Do-
rothea" (Drei-Masken-Verlag), "Gottfr. v. Ber-
lichingen" (Insel-Verlag), "Balzac Las Maranas"
(Verlag der Münchener Drucke), "Zauberflöte"
(Verlag Müller) und Gobineau "Gamber Ali".

Nationaltheater.

Wegen eines Unfalls des
Herrn Ulmer wird heute Montag an Stelle von
"Florian Geyer" "Minna von Barnhelm"
gegeben. Die im öffentl. Verkauf gelösten Ein-
trittskarten bleiben gültig oder können bis spä-
testens Vorstellungsbeginn an der Kasse der
Staatstheater zurückgegeben werden.

Montag, den 14. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 18
[Spaltenumbruch]
Arbeitsloſigkeit und Siedlung

Das Geſpenſt der Arbeitsloſigkeit geht
wieder um; in unſerer heutigen Lage
drohender als jemals. Es raubt den In-
duſtriellen den Schlaf, geiſtert durch die
Flure der Miniſterien, beunruhigt die
Straßen und ermutigt den Umſturz. Die
Erwerbloſenfürſorge verſchlingt Billionen.
Die produktive Erwerbsloſenfürſorge iſt
nicht mehr in der Lage, Arbeit zu ſchaffen,
die für unſere heutige Notlage ſchnell ge-
nug produktiv wirkt. Hausbau, Straßen-
bau, Waſſerbau verſchlingen dafür zu ge-
waltige Summen, die doch erſt aufzubrin-
gen ſind, bevor ſie ſich verzinſen. Selbſt
ſolche Meliorationen, die bald Erträge
bringen, ſind deshalb nur ein ſchlechtes
Hilfsmittel, weil ſie eine Arbeit in Kolon-
nen erfordern, für die ſich nur ein Bruch-
teil der Arbeitsloſen ohne Familie eignet
und weil für dieſe Wohngelegenheit zu
ſchaffen iſt, die meiſt nicht vorhanden iſt
und deren Neubeſchaffung zuviel Zeit und
Geld verſchlingt. Unſere falſche bisherige
Wohnungs- und Siedlungspolitik hat es
nicht verſtanden, das heute drohende, ſeit
langem vorauszuſehende Geſpenſt der Ar-
beitsloſigkeit zu bannen. Rieſenſummen
ſind ausgegeben worden, um für einen
kleinen Teil der Bevölkerung neue Woh-
nungen zu bauen mit dem Erfolg, daß ein
Teil des Geldes dem Bauſtoffwucher zum
Opfer fiel, daß in manchen Gegenden die
neuen Wohnungen größer waren als der
übliche Durchſchnitt, daß die Bewohner
trotzdem unzufrieden waren und daß ſehr
viele Wohnungen nicht den kindereichen
Familien zugute kamen, für die ſie doch in
erſter Linie in Frage kommen.

Der Grundfehler war, daß man von der
Wohnung ausging, alſo das letzte und
teuerſte Mittel ergriff, anſtatt das Uebel
beim Kern, bei der Bodenfrage zu faſſen.
Für den Preis von 10 000 Wohnungen
konnte man 350 000 Gärten zu je 500 Qua-
dratmeter im Umkreiſe der größeren und
kleineren Städte erhalten, bei Bemeſſung
der Gärten von brutto 250 Quadratmetern
konnten 700 000 Familien oder (die er-
werbsloſen Familienmitglieder und allein-
ſtehenden Erwerbsloſen mitgerechnet)
1 Million Erwerbsloſe mit genügendem
Gartenland verſehen werden, um ihre freie
Zeit nutzbringend und produktiv zu ver-
werten. Man muß das geſehen haben, wie
dieſe Menſchen, ſobald ſie nicht in Arbeits-
loſenkolonnen, ſondern auf eigener Scholle
tätig waren, gearbeitet haben. Es iſt ge-
radezu erſtaunlich, mit welcher Sorgfalt
und Sachkenntnis dieſe ſogenannten Laien
ihre Gärten in Kultur brachten, ihre Ab-
fälle für die Kleintierzucht verwerteten.
Da gab es ſelbſt bei Erwerbsloſen keine
beſchränkte Arbeitszeit, ſondern vom Mor-
gen bis in die Nacht wurde gearbeitet, ge-
ſchuftet vom früheſten Frühjahr bis in den
[Spaltenumbruch] kommenden Winter, im Sommer ganze
Sonntage lang halbnackt, um erſt einmal
aus dem Gröbſten herauszukommen. Und
doch ſtrömte Behagen aus dieſer Arbeit.
Dann meldete ſich der techniſche Betrieb,
Brunnen wurden gebaut, Leitungen ge-
legt, Zäune gerichtet, Lauben gebaut unter
Benutzung der erdenklichen Reſte von
Holz, alten Steinen, Lehm, Schlacke, Ze-
ment, Stroh, Dachpappe, Glas, alter Kon-
ſervenbüchſen, Stärkekiſten, alles, was
der Erfindungsgeiſt des Feldgrauen ge-
funden hatte, kam wieder zum Vorſchein
und wurde im Kleingarten verwendet.
Einer ſah es dem anderen ab. Drei Richt-
feſte ſchwebten dem Siedler als Glanz-
punkte und Markſteine vor: Bretterbude,
Wohnlaube, Dauerhaus.

Aber oben am grünen Tiſch thronten die
Götter und brüteten über der Volkswoh-
nung, die 70 Quadratmeter groß, maſſiv,
an ausgebauten Straßen mit Kanaliſation
(zur Verhütung der Fruchtbarkeit des Gar-
tens) fertig wie Athene aus dem Haupte
des Zeus hervorgehen ſollte. Uebrigens
recht umſtändlich mit Geburts- und Tauf-
ſcheinen, hochnotpeinlichen Unterſuchun-
gen, mit Arzt und Hebamme, Verſuchsſied-
lungen und Geſellſchaften und mit jenen
berühmten verlorenen Zuſchüſſen, an denen
ſich Mutter Staat nachgerade verblutet
hat, — wo war der Volksführer, der ſtatt
der Milliarden Papiermark Milliarden
von Arbeitsſtunden bodenhungriger Klein-
gärtner und Siedler hervorzauberte, der
der Volksvertretung ſtatt bureaukratiſcher
Berichte mit dem Notſchrei eines hungern-
den Volkes ins Gewiſſen rief, der mit
einem Bruchteil der Baumilliarden die
faulen Hypotheken darbender Kleinrentner
noch rechtzeitig aus dem Sumpf holte und
mit einer großzügigen gemeinnützigen
Bodenankaufspolitik den entwerteten
Grundbeſitzern, den Kleinſiedlern, der ver-
nünftigen Beſiedlung ſtädtiſchen Bodens,
der Ernährung des Volkes, der wachſenden
oder ſchrumpfenden Induſtrie und dem
Staat den größten Dienſt erwieſen hätte?
Wo war der Mann, der nicht nur woh-
nungswirtſchaftlich und bauwirtſchaftlich,
ſondern volkswirtſchaftlich, produktiv, ſo-
zial und barmherzig-menſchlich die Sied-
lungsfrage nicht am Schwanz, ſondern
bei den Hörnern anpackte?

Die Verhandlungen mit Thüringen
abgeſchloſſen

Die Verhand-
lungen zwiſchen der Reichsre-
gierung und der thüringiſchen
Staatsregierung
ſind nun endgültig
zum Abſchluß gekommen. Das Reich ver-
zichtet auf die Entſendung eines Reichs-
kommiſſars ſowie auf die geplanten Exe-
kutivmaßnahmen.

Dagegen hat die thüringiſche Regierung
gewiſſe Zugeſtändniſſe gemacht, vor allem,
indem ſie ſich verpflichtete, bis zu den
Neuwahlen in Thüringen keine entſchei-
dende Regierungshandlungen mehr vorzu-
nehmen.

[Spaltenumbruch]
Neues aus aller Welt
Die neue Nordpolexpedition

Der gegenwärtig in London weilende
Südpolentdecker Amundſen erklärte ameri-
kaniſchen Preſſevertretern über die von ihm
beabſichtigte Flugexpedition an den Nordpol, daß
er, wenn alles gut gehe, ſchon im Mai
ſtarten
wolle, da dieſer Monat das günſtigſte
Wetter für alle Polarunternehmungen bilde. Er
ſehe der Flugreiſe vertrauensvoll entgegen, weil
Spitzbergen über eine vorzügliche Radioſtation
verfüge, welche die Expedition ſtets auf dem
laufenden über die Wetterverhältniſſe halten
werde. Es ſollen vier oder fünf Flugzeuge mit-
genommen werden. Die letzte Expedition im
Jahre 1922 ſei daran geſcheitert, daß man ſie
zu ſpät begonnen habe, und die im Jahre 1923,
weil die Flugapparate verſagten. Amundſen
glaubt, daß ſeine Expedition die 2000 Meilen
von Alaska nach Spitzbergen im Flug-
zeuge in 20—25 Stunden werde zurücklegen
können. Sein Aufenthalt in London bezweckt,
Motore für die Flugzeuge zu kaufen, die ebenſo
ſicher wie auf dem Lande auch im Waſſer und
auf dem Eiſe ſollen landen können. Jedes Flug-
zeug ſoll einen Führer und einen Beobachter
haben. Die mitzuführenden Lebensmittelvorräte
ſollen ſo gering wie möglich bemeſſen werden,
während ſoviel Gaſolin mitgenommen werden
ſoll, wie die Apparate tragen können. Die Ex-
pedition diene wiſſenſchaftlichen Unternehmungen
und Beobachtungen und werde in allen ihren
Teilen gefilmt werden.

Europäiſche Geſpräche

Der ſtärkſte Geiſt, den das Jahrhundert in
Deutſchland erzeugt hat, zugleich der heftigſte
Kritiker Deutſchlands: Nietzſche, hat in ſeinem
Wunſch nach internationaler Geiſtigkeit das Wort
vom Guten Europäer erfunden, das unſere Na-
tionaliſten ärgert, wie es die anderer Länder är-
gern würde. Seit die Liebe zum Vaterlande eine
Tugend wurde, die man wie einen Orden im
Knopfloch trägt, ſeit es Sitte geworden, ſich ſei-
nes Landes vor Fremden möglichſt laut als des
beſten auf dieſer Kugel zu rühmen, ſeit die na-
türlichſten und ſtillſten Inſtinkte plakatiert und
die reinſten und einfachſten Gefühle auf Walzen
gezogen werden, hat unſere Minderheit in allen
Ländern ſchwerſten Stand. Die Götzendämme-
rung wird immer von wenigen vorausgeſpürt,
während die Menge noch taumelt: Nationalität,
der große Fetiſch dieſer Jahrzehnte, wird die in-
tereſſante Ruine des Jahrhunderts ſein; es
kommt der Tag, wo niemand mehr begreift, wa-
rum die Völker eines kleinen Erdteils, längſt
kreuz und quer durch Blut und Geiſt, durch Wa-
ren und Raſſen gemiſcht, einander zu zerſtören
trachteten.

Noch iſt er fern, und der Name jenes ameri-
kaniſchen Idealiſten, der anno 1919 aus einer
ideenhaften Kataſtrophe die vernünftige Löſung
zu ſchaffen ſuchte, wird von den ihm aſſozirerten
Siegern mit Spott, von den Beſiegten mit Haß
von ſeinen eigenen Landsleuten mit der Geſte
genannt, die Bedauern über Verrücktes bedeu-
tet. Das arme, zarte, angſtvoll um ſich blickende
Weſen, das ſich in Genf Europas anzunehmen
ſucht, dieſer erſte wacklige Völkerbund, der neben
Wilſons oder gar Kants und Goethes Viſien
wirkt wie Lilienthals Maſchine neben einer
Rumplertaube: dies rührende Modell einer gro-
ßen Maſchine hat den einſtigen Gedanken vol-
lends lächerlich gemacht, für den heut Politik zu
machen mehr bedeutet, als das Spiel zwiſchen
Mächten, die auf und nieder ſchweben.

„Ich habe“

— ſchrieb Bismarck im Jahre
1876 — „das Wort Europa immer im Munde
derjenigen Politiker gefunden, die von anderen
Mächten etwas verlangten, was ſie im eigenen
Namen nicht zu fordern wagten.“
Dies Wort,
[Spaltenumbruch] das in den Klauen eines Völkiſchen eine ver-
derbliche Keule werden kann, ſteht in den groß-
artigen Papieren, mit denen die Freiheit dieſer
Republik und der Fleiß dreier Gelehrten das
deutſche Volk vergebens zu beſchenken trachtet.
Wer lieſt dieſe „Große Politik der europäiſchen
Kabinette?“ Wer lieſt überhaupt jene Papiere
und Memoiren, deren wir Deutſche heut mehr
als alle anderen beſitzen? Als ich verſuchte,
einige Stücke der letzten Geſchichte zu dramatiſie-
ren — nicht wie mich einige Bühnen parodieren,
ſondern wie es in den Bühnenbüchern gedruckt
ſteht —, weil dieſer, nur äſthetiſch anfechtbare
Umweg der Nation plaſtiſche Kenntnis ihrer
Hiſtorie vermitteln kann, ſah ich mit Staunen
hochgeiſtige Deutſche vor Stücken unſerer Ge-
ſchichte lächeln, ungläubig, daß dies alles in den
Dokumenten, nicht etwa nur im Kopfe eines
Theater-Hiſtorikers ſtände!

Ein Grund für dieſe Unkenntnis iſt die mon-
archiſtiſche Verbiegung der Preußengeſchichte ge-
weſen, wie man ſie uns reichte; ein anderer,
der alte Weſenszug der Nation: lieber von
Schlachten als von Gedanken in der eigenen Ge-
ſchichte zu leſen. Beides kann man nun refor-
mieren.

Aus ſolchen Rück- und Vorblicken baut ſich
das ungeſchriebene Programm einer Monats-
ſchrift auf, die nicht herzlich genug empfohlen
werden kann. In Hamburg erſcheinen mit dem
Sommer, vom Inſtitut für Auswärtige Politik
ediert, Hefte von je 80 oder 100 Seiten, in de-
nen der Deutſche nichts findet, was ihm die
Zeitung brachte, dennoch vieles, was das politi-
ſche Europa bewegt. Dies Unternehmen, das
den aus ſchöner Proſa gebildeten, forſchend zu-
rückhaltenden Titel „Europäiſche Geſprä-
che“
führt, zuſammengehalten von dem beweg-
lich-zarten, ironiſch-ernſten und ſehr künſtleri-
ſchen Geiſt des Profeſſors A. Mendelsſohn-
Bartholdy,
läßt großen Eſſays hiſtoriſch-
politiſcher Natur jeweils die wichtigſten Doku-
mente des Monats folgen, von denen wir ſonſt
nur Auszüge, eilige Schattenriſſe ſahen, fliehend
in der Haſt des Tages.

Hier ſcheint in der Tat einmal jene Syntheſe
des Geiſtes gefunden, die „Bismarck“ ſagen kann,
ohne völkiſch zu erbeben oder demokratiſch zu er-
röten, und ſie ſagt recht oft Bismarck. Ueberall
aber wird die Beziehung des Vergangenen zur
heutigen Kriſe gezeigt und durch Belichtung von
Faſchoda die Warnung für 1923 deutlich. Solchen
parteilos enropäiſchen Eſſays, auch aus aus-
ländiſchen Federn, folgt dann ein Bündel Do-
kumente und ein Korb voll Buchdrucke faſt ſämt-
lich über Dinge, von denen wir nur die Titel
kennen.

Oder wer von uns kennt denn genau den
Stand der Garantiefrage zur Sicherung Frank-
reichs? Wer hat Hardings entſcheidende Rede
über den Beitritt Amerikas zum Haag, wer
Greys bedeutſame Stellung zu Frankreich, wer
die Cheſter-Konzeſſion oder das Weltecho Poin-
caréſcher Reden geleſen: frei von der Nötigung
und Willkür eines telegraphierenden, alſo aus-
wählenden Korreſpondenten, ohne die Suggeſtion
der großen und kleinen Type des Meiteurs (der
auch Politik macht)?

Und daran reiht ſich zu höchſter Anregung,
Kritik und Bibliographie auslandiſcher Bücher,
ſomit ein Medium zwiſchen uns und den ande-
ren, Zeittafel und Ueberſicht: eine Fülle von Re-
giſtern, auf denen man das Europäiſche Konzert
zu ſpielen trachtet.

Und was, bei den Göttern! wollt ihr ſonſt
ſpielen? Lauter Soli in einem Saal, jeder nach
ſeinem Tempo, Sinn und Geſchmack? Iſt nicht
Europa wirklich „unſer natürlicher Himmels-
ſtrich, das Horoſkop unſeres Volksſchickſals“? Und
kann der Schwache törichter ſein, als im edlen
Trotze, „da wir ja doch in der Welt allein ſte-
hen, ſich nur noch auf ſich ſelbſt ſtellen“? Von
tauſend Orten hat ſich das gewaltſam zerriſſene
Netz wieder angeſponnen, nie war die Epoche
allen Freunden der Neuordnung günſtiger als
heut, wo — hinter der Phraſe dies- und jen-
ſeits des Rheines — Millionen räſonnabler
Köpfe Ausſprache und Ausgleich ſuchen.

[Spaltenumbruch]

Der allruſſiſche Gelehrten-Kongreß.

Ende Novem-
ber fand in Moskau der erſte allruſſiſche Kongreß
der wiſſenſchaftlichen Arbeiter ſtatt. Ruſſiſche Ge-
lehrte verſchiedener politiſcher Geſinnung nahmen teil.
Ungeachtet deſſen haben die Teilnehmer einſtimmig
beſchloſſen, die Notwendigkeit einer Zuſammenarbeit
mit der Sowjetregierung, die alles Mögliche für die
Beſſerung der pekuntären und rechtlichen Lage der
Gelehrten aufbietet, anzuerkennen. Ueber 100 Uni-
verſitätsprofeſſoren von hohem Ruf in Rußland traten
zuſammen. Sie kamen als Vertreter von 8800 Wiſſen-
ſchaftlern. Man erörterte die beruflichen Intereſſen
der wiſſenſchaftlichen Arbeiter, es wurden konkrete
Vorſchläge für die wiſſenſchaftliche und kulturelle
Arbeit gemacht. In beſonders ſchweren Verhältniſſen
leben die Wiſſenſchaftler in der Provinz, wo die Ver-
dienſtmöglichkeiten viel geringer ſind als in den Uni-
verſitätsſtädten. Die anweſenden Vertreter der Sow-
jetregierung ſprachen über die bevorſtehende Arbeit, in
der die Organe der Regierung mit den Vertretern der
ruſſiſchen Intelligenz zuſammenarbeiten werden. Die
Mitglieder der ruſſiſchen Akademie der Wiſſenſchaften
Oldenburg, Marr, Fersman u. a. beſtätigten den An-
bruch einer neuen Aera in den Beziehungen zwiſchen
der ruſſiſchen Arbeiterklaſſe und der ruſſiſchen Intelli-
genz. Die geſamte Sowjetpreſſe begrüßt den Kongreß
der ruſſiſchen Wiſſenſchaftler und ſpricht in ſehr herz-
lichen Worten über die Verdienſte der ruſiſchen Ge-
lehrten vor dem ruſſiſchen Volk und über die Not-
wendigkeit, die materielle und rechtliche Lage der ruſ-
ſiſchen Gelehrten zu beſſern, um ſie auf eine Höhe zu
bringen, die ſie durch ihre Treue zur Wiſſenſchaft und
zur ruſſiſchen Kultur verdient haben.

70 Jahre „Bazar“.

Unſer älteſtes deutſches
Modenblatt „Der Bazar“ tritt in das neue Jahr
mit dem Schmucke einer beſonderen Jubiläums-
beilage, die in Wort und Bild die Zeit ſeines
nunmehr 70jährigen Erlebens und Schaffens auf
dem Gebiete unſerer Frauenmode wiedergibt. Es
iſt ein allerliebſter Spiegel der äußeren Er-
ſcheinung unſerer lieben Frauen, von jenen Ta-
gen an, in denen die damals „ſchönſte Frau der
Erde“, die Kaiſerin Eugenie von Frankreich,
das Modenzepter ſchwang bis zur allerletzten
Mode von heute, ein Bild des wechſelnden Ge-
[Spaltenumbruch] ſchmackes, das ſeine eigenen Reize hat. Wie
hoch die gutbürgerliche Damenwelt ihren „Ba-
zar“ in ſeinem Werte einſchätzt, zeigt ſich nicht
nur in ſeiner großen Verbreitung in Deutſch-
land, ſondern auch darin, daß er außer in deut-
ſcher noch in fünf fremden Sprachen erſcheint.

Das Schillergartenhaus in Jena.

Das Uni-
verſitätsamt in Jena beabſichtigt, das Schiller-
gartenhaus, das der Dichter 1795 käuflich erwor-
ben und bis zu ſeiner Ueberſiedlung nach Wei-
mar während der Sommerhalbjahre mit den
Seinen bewohnt hat, zu einer würdigen Ge-
dächtnisſtätte auszugeſtalten. In dem Hauſe und
dem dazugehörigen Garten hat Schiller den Wal-
lenſtein, Maria Stuart, Die Glocke und faſt alle
Balladen niedergeſchrieben und oft mit Goethe
verkehrt. Von dieſem rührt eine erſte Anregung
zu dem jetzt verfolgten Plan her. Von ſeiten der
Jenaer Bürgerſchaft ſind bereits eine Anzahl An-
denken der klaſſiſchen Zeit zu dem Zwecke zur
Verfügung geſtellt worden. Der Plan der Je-
naer Univerſitätsbehörde iſt zu begrüßen, denn
Jena iſt reich an klaſſiſchen Erinnerungen.

Danzig, Danzig über alles!

Für eine Danzi-
ger Nationalhymne wurde ein Preis ausgeſetzt,
über deſſen Verleihung eine Kommiſſion, aus
Vertretern der Kunſt und Wiſſenſchaft und der
Regierung des Freiſtaates Danzig beſtehend, be-
ſchließen wird.

Kleine Nachrichten
Auswärts
Die diesjährige Goethe-Tagung.

Auf der wie
üblich in der Woche nach Pfingſten ſtattfindenden
Generalverſammlung der Goethe-Geſellſchaft in
Weimar wird Profeſſor Eduard Spranger von
der Berliner Univerſität den Feſtvortrag halten.
Sein Thema lautet: „Goethe und die Metamor-
phoſe des Menſchen“. Die diesjährige Jahresgabe
der Geſellſchaft wird eine Fakſimile-Wiedergabe
von Goethe-Handſchriften bringen, von Briefen
und Gedichten an Charlotte von Stein. Ende
Auguſt ſoll das Jahrbuch 1923/24 erſchemen.

England intereſſiert ſich für ruſſiſche Muſeen.

In
Petersburg iſt eine Gruppe Profeſſoren der Cambrid-
[Spaltenumbruch] ger Univerſität und Londoner Muſe eingetroffen, die
die Verhältniſſe der ruſſiſchen Hochſchule und die
Reichtümer der ruſſiſchen Muſeen ſtudieren wollen.
Die engliſchen Gelehrten haben ihr beſonderes Inter-
eſſe den ſeltenen etnographiſchen Sammlungen, die
aus Indien und von den Inſeln des Indiſchen Ozeans
gebracht worden ſind, gewidmet.

Die Hauptverſammlung der Deutſchen Shakeſpeare-
Geſellſchaft.

Die Deutſche Shakeſpeare-Geſellſchaft
hält ihre diesjährige Hauptverſammlung am 23. April,
dem Geburtstage des Dichters, im Großen Armbruſt-
ſaale in Weimar ab. Den Feſtvortrag über die
Bacon-Frage, zu der die Geſellſchaft offiziell Stellung
nehmen wird, hat Profeſſor Emil Wolff, Dozent an
der Hamburger Univerſität, übernommen. Als Feſt-
vorſtellung im Deutſchen Nationaltheater iſt Shake-
ſpeares „Macbeth“ in der Bearbeitung von Karl Rothe
in Leipzig in Ausſicht genommen. Wann das Jahr-
buch erſcheinen wird, iſt noch nicht beſtimmt feſtgeſetzt
worden.

Bayreuth.

Die in letzter Zeit verſchiedentlich
aufgetauchten Zweifel an dem Zuſtandekommen
der Feſtſpiele 1924 ſind unbegründet.


Wegen Erreichung der Altersgrenze wer-
den zum Schluſſe des Semeſters folgende ordent-
lichen Profeſſoren in Freiburg in den Ruheſtand
treten: Dr. Karl Julius Mayer (Moral und
Enzyklopädie der theoſ. Wiſſenſchaft). Dr. Ernſt
Fabricius (Alte Geſchichte). Dr. Georg von
Below
(Mittlere und Neuere Geſchichte) und
Dr. Heinrich Finke (Mittlere und Neuere Ge-
ſchichte). Es wird ſchwer ſein, die empfindlichen
Verluſte, die das Ausſcheiden dieſer hervorragen-
den Gelehrten für die Freiburger Univerſität be-
deuten, wieder auszugleichen.

München

Dienstag, den 15. Januar: „Muſeum“ (8): Erſter
Abend für den Mittelſtand: Konzert.
Ausfü-
rende:
Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L.
Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klavier), das
Münchener Bläſerquintett
(Kaleve, Uf-
ſinger, Wagner, Nöth, Baumeiſter). Programm:
[Spaltenumbruch] K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein.
Mozart, Klavierſonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach,
Arie mit obligater Flöte, Konzertſzene mit obligater
Oboe. Mozart, Bläſerquintett.

Heute Montag, 14. Januar: Bayer.
Hof
(7½ Uhr) Liederabend W. v. Geuns.

Odeon (7½ Uhr): 5. Abonnementskonzert,
Leitung H. Knappertsbuſch.

Die für den 17. bis 18. Januar angekündigten
Abende des Stuttgarter Streichquar-
tetts
müſſen infolge dienſtlicher Verhinderung
des Quartetts auf Ende Januar verſchoben wer-
den. Die neuen Daten werden baldigſt bekannt-
gegeben.


Der Münchener Tonkünſtler-Verein gibt Den-
nerstag, den 17. Januar, abends 7½ Uhr, im
Herkulesſaal der Reſidenz ein Schülerkonzert.
Programm: Schumann: Novelette op. 21
Nr. 8, fis-moll; Haydn: Recitative und Arie der
Hanna aus den „Vier Jahreszeiten“; Joſef
Haas: Hausmärchen op. 35 G-dur, H-moll, F-
dur; Beethoven: Romanze F-dur op. 50; Reger:
vier Klavierſtücke; Brahms: vier Lieder für
Mezzo-Sopran; Rameau: Gavotte und Variatio-
nen A-Moll; Chopin: Nocturne op. 9 Nr. 1 B-
moll; Leſchetitzky: Toccata op. 46 Nr. 3 D-moll;
Chopin: Fantaſie F-moll op. 49.

Karten bei Schmid und Halbreiter.

Moderne Galerie Thannhauſer.

Im Graphi-
ſchen Kabinett wurden neu ausgeſtellt Zeichnun-
gen von Werner Schmidt, München, Buch-
illuſtrationen zu Goethes „Herrmann und Do-
rothea“ (Drei-Masken-Verlag), „Gottfr. v. Ber-
lichingen“ (Inſel-Verlag), „Balzac Las Maranas“
(Verlag der Münchener Drucke), „Zauberflöte“
(Verlag Müller) und Gobineau „Gamber Ali“.

Nationaltheater.

Wegen eines Unfalls des
Herrn Ulmer wird heute Montag an Stelle von
„Florian Geyer“ „Minna von Barnhelm“
gegeben. Die im öffentl. Verkauf gelöſten Ein-
trittskarten bleiben gültig oder können bis ſpä-
teſtens Vorſtellungsbeginn an der Kaſſe der
Staatstheater zurückgegeben werden.

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[Seite 3[3]/0003] Montag, den 14. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 18 Arbeitsloſigkeit und Siedlung Von Gustav Langen, Regierungsbaumeiſter a. D., Leiter des deutſchen Archivs für Siedlungsweſen Das Geſpenſt der Arbeitsloſigkeit geht wieder um; in unſerer heutigen Lage drohender als jemals. Es raubt den In- duſtriellen den Schlaf, geiſtert durch die Flure der Miniſterien, beunruhigt die Straßen und ermutigt den Umſturz. Die Erwerbloſenfürſorge verſchlingt Billionen. Die produktive Erwerbsloſenfürſorge iſt nicht mehr in der Lage, Arbeit zu ſchaffen, die für unſere heutige Notlage ſchnell ge- nug produktiv wirkt. Hausbau, Straßen- bau, Waſſerbau verſchlingen dafür zu ge- waltige Summen, die doch erſt aufzubrin- gen ſind, bevor ſie ſich verzinſen. Selbſt ſolche Meliorationen, die bald Erträge bringen, ſind deshalb nur ein ſchlechtes Hilfsmittel, weil ſie eine Arbeit in Kolon- nen erfordern, für die ſich nur ein Bruch- teil der Arbeitsloſen ohne Familie eignet und weil für dieſe Wohngelegenheit zu ſchaffen iſt, die meiſt nicht vorhanden iſt und deren Neubeſchaffung zuviel Zeit und Geld verſchlingt. Unſere falſche bisherige Wohnungs- und Siedlungspolitik hat es nicht verſtanden, das heute drohende, ſeit langem vorauszuſehende Geſpenſt der Ar- beitsloſigkeit zu bannen. Rieſenſummen ſind ausgegeben worden, um für einen kleinen Teil der Bevölkerung neue Woh- nungen zu bauen mit dem Erfolg, daß ein Teil des Geldes dem Bauſtoffwucher zum Opfer fiel, daß in manchen Gegenden die neuen Wohnungen größer waren als der übliche Durchſchnitt, daß die Bewohner trotzdem unzufrieden waren und daß ſehr viele Wohnungen nicht den kindereichen Familien zugute kamen, für die ſie doch in erſter Linie in Frage kommen. Der Grundfehler war, daß man von der Wohnung ausging, alſo das letzte und teuerſte Mittel ergriff, anſtatt das Uebel beim Kern, bei der Bodenfrage zu faſſen. Für den Preis von 10 000 Wohnungen konnte man 350 000 Gärten zu je 500 Qua- dratmeter im Umkreiſe der größeren und kleineren Städte erhalten, bei Bemeſſung der Gärten von brutto 250 Quadratmetern konnten 700 000 Familien oder (die er- werbsloſen Familienmitglieder und allein- ſtehenden Erwerbsloſen mitgerechnet) 1 Million Erwerbsloſe mit genügendem Gartenland verſehen werden, um ihre freie Zeit nutzbringend und produktiv zu ver- werten. Man muß das geſehen haben, wie dieſe Menſchen, ſobald ſie nicht in Arbeits- loſenkolonnen, ſondern auf eigener Scholle tätig waren, gearbeitet haben. Es iſt ge- radezu erſtaunlich, mit welcher Sorgfalt und Sachkenntnis dieſe ſogenannten Laien ihre Gärten in Kultur brachten, ihre Ab- fälle für die Kleintierzucht verwerteten. Da gab es ſelbſt bei Erwerbsloſen keine beſchränkte Arbeitszeit, ſondern vom Mor- gen bis in die Nacht wurde gearbeitet, ge- ſchuftet vom früheſten Frühjahr bis in den kommenden Winter, im Sommer ganze Sonntage lang halbnackt, um erſt einmal aus dem Gröbſten herauszukommen. Und doch ſtrömte Behagen aus dieſer Arbeit. Dann meldete ſich der techniſche Betrieb, Brunnen wurden gebaut, Leitungen ge- legt, Zäune gerichtet, Lauben gebaut unter Benutzung der erdenklichen Reſte von Holz, alten Steinen, Lehm, Schlacke, Ze- ment, Stroh, Dachpappe, Glas, alter Kon- ſervenbüchſen, Stärkekiſten, alles, was der Erfindungsgeiſt des Feldgrauen ge- funden hatte, kam wieder zum Vorſchein und wurde im Kleingarten verwendet. Einer ſah es dem anderen ab. Drei Richt- feſte ſchwebten dem Siedler als Glanz- punkte und Markſteine vor: Bretterbude, Wohnlaube, Dauerhaus. Aber oben am grünen Tiſch thronten die Götter und brüteten über der Volkswoh- nung, die 70 Quadratmeter groß, maſſiv, an ausgebauten Straßen mit Kanaliſation (zur Verhütung der Fruchtbarkeit des Gar- tens) fertig wie Athene aus dem Haupte des Zeus hervorgehen ſollte. Uebrigens recht umſtändlich mit Geburts- und Tauf- ſcheinen, hochnotpeinlichen Unterſuchun- gen, mit Arzt und Hebamme, Verſuchsſied- lungen und Geſellſchaften und mit jenen berühmten verlorenen Zuſchüſſen, an denen ſich Mutter Staat nachgerade verblutet hat, — wo war der Volksführer, der ſtatt der Milliarden Papiermark Milliarden von Arbeitsſtunden bodenhungriger Klein- gärtner und Siedler hervorzauberte, der der Volksvertretung ſtatt bureaukratiſcher Berichte mit dem Notſchrei eines hungern- den Volkes ins Gewiſſen rief, der mit einem Bruchteil der Baumilliarden die faulen Hypotheken darbender Kleinrentner noch rechtzeitig aus dem Sumpf holte und mit einer großzügigen gemeinnützigen Bodenankaufspolitik den entwerteten Grundbeſitzern, den Kleinſiedlern, der ver- nünftigen Beſiedlung ſtädtiſchen Bodens, der Ernährung des Volkes, der wachſenden oder ſchrumpfenden Induſtrie und dem Staat den größten Dienſt erwieſen hätte? Wo war der Mann, der nicht nur woh- nungswirtſchaftlich und bauwirtſchaftlich, ſondern volkswirtſchaftlich, produktiv, ſo- zial und barmherzig-menſchlich die Sied- lungsfrage nicht am Schwanz, ſondern bei den Hörnern anpackte? Die Verhandlungen mit Thüringen abgeſchloſſen * Berlin, 14. Januar. Die Verhand- lungen zwiſchen der Reichsre- gierung und der thüringiſchen Staatsregierung ſind nun endgültig zum Abſchluß gekommen. Das Reich ver- zichtet auf die Entſendung eines Reichs- kommiſſars ſowie auf die geplanten Exe- kutivmaßnahmen. Dagegen hat die thüringiſche Regierung gewiſſe Zugeſtändniſſe gemacht, vor allem, indem ſie ſich verpflichtete, bis zu den Neuwahlen in Thüringen keine entſchei- dende Regierungshandlungen mehr vorzu- nehmen. Neues aus aller Welt Die neue Nordpolexpedition London. Der gegenwärtig in London weilende Südpolentdecker Amundſen erklärte ameri- kaniſchen Preſſevertretern über die von ihm beabſichtigte Flugexpedition an den Nordpol, daß er, wenn alles gut gehe, ſchon im Mai ſtarten wolle, da dieſer Monat das günſtigſte Wetter für alle Polarunternehmungen bilde. Er ſehe der Flugreiſe vertrauensvoll entgegen, weil Spitzbergen über eine vorzügliche Radioſtation verfüge, welche die Expedition ſtets auf dem laufenden über die Wetterverhältniſſe halten werde. Es ſollen vier oder fünf Flugzeuge mit- genommen werden. Die letzte Expedition im Jahre 1922 ſei daran geſcheitert, daß man ſie zu ſpät begonnen habe, und die im Jahre 1923, weil die Flugapparate verſagten. Amundſen glaubt, daß ſeine Expedition die 2000 Meilen von Alaska nach Spitzbergen im Flug- zeuge in 20—25 Stunden werde zurücklegen können. Sein Aufenthalt in London bezweckt, Motore für die Flugzeuge zu kaufen, die ebenſo ſicher wie auf dem Lande auch im Waſſer und auf dem Eiſe ſollen landen können. Jedes Flug- zeug ſoll einen Führer und einen Beobachter haben. Die mitzuführenden Lebensmittelvorräte ſollen ſo gering wie möglich bemeſſen werden, während ſoviel Gaſolin mitgenommen werden ſoll, wie die Apparate tragen können. Die Ex- pedition diene wiſſenſchaftlichen Unternehmungen und Beobachtungen und werde in allen ihren Teilen gefilmt werden. Europäiſche Geſpräche Von Emil Ludwig Der ſtärkſte Geiſt, den das Jahrhundert in Deutſchland erzeugt hat, zugleich der heftigſte Kritiker Deutſchlands: Nietzſche, hat in ſeinem Wunſch nach internationaler Geiſtigkeit das Wort vom Guten Europäer erfunden, das unſere Na- tionaliſten ärgert, wie es die anderer Länder är- gern würde. Seit die Liebe zum Vaterlande eine Tugend wurde, die man wie einen Orden im Knopfloch trägt, ſeit es Sitte geworden, ſich ſei- nes Landes vor Fremden möglichſt laut als des beſten auf dieſer Kugel zu rühmen, ſeit die na- türlichſten und ſtillſten Inſtinkte plakatiert und die reinſten und einfachſten Gefühle auf Walzen gezogen werden, hat unſere Minderheit in allen Ländern ſchwerſten Stand. Die Götzendämme- rung wird immer von wenigen vorausgeſpürt, während die Menge noch taumelt: Nationalität, der große Fetiſch dieſer Jahrzehnte, wird die in- tereſſante Ruine des Jahrhunderts ſein; es kommt der Tag, wo niemand mehr begreift, wa- rum die Völker eines kleinen Erdteils, längſt kreuz und quer durch Blut und Geiſt, durch Wa- ren und Raſſen gemiſcht, einander zu zerſtören trachteten. Noch iſt er fern, und der Name jenes ameri- kaniſchen Idealiſten, der anno 1919 aus einer ideenhaften Kataſtrophe die vernünftige Löſung zu ſchaffen ſuchte, wird von den ihm aſſozirerten Siegern mit Spott, von den Beſiegten mit Haß von ſeinen eigenen Landsleuten mit der Geſte genannt, die Bedauern über Verrücktes bedeu- tet. Das arme, zarte, angſtvoll um ſich blickende Weſen, das ſich in Genf Europas anzunehmen ſucht, dieſer erſte wacklige Völkerbund, der neben Wilſons oder gar Kants und Goethes Viſien wirkt wie Lilienthals Maſchine neben einer Rumplertaube: dies rührende Modell einer gro- ßen Maſchine hat den einſtigen Gedanken vol- lends lächerlich gemacht, für den heut Politik zu machen mehr bedeutet, als das Spiel zwiſchen Mächten, die auf und nieder ſchweben. „Ich habe“ — ſchrieb Bismarck im Jahre 1876 — „das Wort Europa immer im Munde derjenigen Politiker gefunden, die von anderen Mächten etwas verlangten, was ſie im eigenen Namen nicht zu fordern wagten.“ Dies Wort, das in den Klauen eines Völkiſchen eine ver- derbliche Keule werden kann, ſteht in den groß- artigen Papieren, mit denen die Freiheit dieſer Republik und der Fleiß dreier Gelehrten das deutſche Volk vergebens zu beſchenken trachtet. Wer lieſt dieſe „Große Politik der europäiſchen Kabinette?“ Wer lieſt überhaupt jene Papiere und Memoiren, deren wir Deutſche heut mehr als alle anderen beſitzen? Als ich verſuchte, einige Stücke der letzten Geſchichte zu dramatiſie- ren — nicht wie mich einige Bühnen parodieren, ſondern wie es in den Bühnenbüchern gedruckt ſteht —, weil dieſer, nur äſthetiſch anfechtbare Umweg der Nation plaſtiſche Kenntnis ihrer Hiſtorie vermitteln kann, ſah ich mit Staunen hochgeiſtige Deutſche vor Stücken unſerer Ge- ſchichte lächeln, ungläubig, daß dies alles in den Dokumenten, nicht etwa nur im Kopfe eines Theater-Hiſtorikers ſtände! Ein Grund für dieſe Unkenntnis iſt die mon- archiſtiſche Verbiegung der Preußengeſchichte ge- weſen, wie man ſie uns reichte; ein anderer, der alte Weſenszug der Nation: lieber von Schlachten als von Gedanken in der eigenen Ge- ſchichte zu leſen. Beides kann man nun refor- mieren. Aus ſolchen Rück- und Vorblicken baut ſich das ungeſchriebene Programm einer Monats- ſchrift auf, die nicht herzlich genug empfohlen werden kann. In Hamburg erſcheinen mit dem Sommer, vom Inſtitut für Auswärtige Politik ediert, Hefte von je 80 oder 100 Seiten, in de- nen der Deutſche nichts findet, was ihm die Zeitung brachte, dennoch vieles, was das politi- ſche Europa bewegt. Dies Unternehmen, das den aus ſchöner Proſa gebildeten, forſchend zu- rückhaltenden Titel „Europäiſche Geſprä- che“ führt, zuſammengehalten von dem beweg- lich-zarten, ironiſch-ernſten und ſehr künſtleri- ſchen Geiſt des Profeſſors A. Mendelsſohn- Bartholdy, läßt großen Eſſays hiſtoriſch- politiſcher Natur jeweils die wichtigſten Doku- mente des Monats folgen, von denen wir ſonſt nur Auszüge, eilige Schattenriſſe ſahen, fliehend in der Haſt des Tages. Hier ſcheint in der Tat einmal jene Syntheſe des Geiſtes gefunden, die „Bismarck“ ſagen kann, ohne völkiſch zu erbeben oder demokratiſch zu er- röten, und ſie ſagt recht oft Bismarck. Ueberall aber wird die Beziehung des Vergangenen zur heutigen Kriſe gezeigt und durch Belichtung von Faſchoda die Warnung für 1923 deutlich. Solchen parteilos enropäiſchen Eſſays, auch aus aus- ländiſchen Federn, folgt dann ein Bündel Do- kumente und ein Korb voll Buchdrucke faſt ſämt- lich über Dinge, von denen wir nur die Titel kennen. Oder wer von uns kennt denn genau den Stand der Garantiefrage zur Sicherung Frank- reichs? Wer hat Hardings entſcheidende Rede über den Beitritt Amerikas zum Haag, wer Greys bedeutſame Stellung zu Frankreich, wer die Cheſter-Konzeſſion oder das Weltecho Poin- caréſcher Reden geleſen: frei von der Nötigung und Willkür eines telegraphierenden, alſo aus- wählenden Korreſpondenten, ohne die Suggeſtion der großen und kleinen Type des Meiteurs (der auch Politik macht)? Und daran reiht ſich zu höchſter Anregung, Kritik und Bibliographie auslandiſcher Bücher, ſomit ein Medium zwiſchen uns und den ande- ren, Zeittafel und Ueberſicht: eine Fülle von Re- giſtern, auf denen man das Europäiſche Konzert zu ſpielen trachtet. Und was, bei den Göttern! wollt ihr ſonſt ſpielen? Lauter Soli in einem Saal, jeder nach ſeinem Tempo, Sinn und Geſchmack? Iſt nicht Europa wirklich „unſer natürlicher Himmels- ſtrich, das Horoſkop unſeres Volksſchickſals“? Und kann der Schwache törichter ſein, als im edlen Trotze, „da wir ja doch in der Welt allein ſte- hen, ſich nur noch auf ſich ſelbſt ſtellen“? Von tauſend Orten hat ſich das gewaltſam zerriſſene Netz wieder angeſponnen, nie war die Epoche allen Freunden der Neuordnung günſtiger als heut, wo — hinter der Phraſe dies- und jen- ſeits des Rheines — Millionen räſonnabler Köpfe Ausſprache und Ausgleich ſuchen. Der allruſſiſche Gelehrten-Kongreß. Ende Novem- ber fand in Moskau der erſte allruſſiſche Kongreß der wiſſenſchaftlichen Arbeiter ſtatt. Ruſſiſche Ge- lehrte verſchiedener politiſcher Geſinnung nahmen teil. Ungeachtet deſſen haben die Teilnehmer einſtimmig beſchloſſen, die Notwendigkeit einer Zuſammenarbeit mit der Sowjetregierung, die alles Mögliche für die Beſſerung der pekuntären und rechtlichen Lage der Gelehrten aufbietet, anzuerkennen. Ueber 100 Uni- verſitätsprofeſſoren von hohem Ruf in Rußland traten zuſammen. Sie kamen als Vertreter von 8800 Wiſſen- ſchaftlern. Man erörterte die beruflichen Intereſſen der wiſſenſchaftlichen Arbeiter, es wurden konkrete Vorſchläge für die wiſſenſchaftliche und kulturelle Arbeit gemacht. In beſonders ſchweren Verhältniſſen leben die Wiſſenſchaftler in der Provinz, wo die Ver- dienſtmöglichkeiten viel geringer ſind als in den Uni- verſitätsſtädten. Die anweſenden Vertreter der Sow- jetregierung ſprachen über die bevorſtehende Arbeit, in der die Organe der Regierung mit den Vertretern der ruſſiſchen Intelligenz zuſammenarbeiten werden. Die Mitglieder der ruſſiſchen Akademie der Wiſſenſchaften Oldenburg, Marr, Fersman u. a. beſtätigten den An- bruch einer neuen Aera in den Beziehungen zwiſchen der ruſſiſchen Arbeiterklaſſe und der ruſſiſchen Intelli- genz. Die geſamte Sowjetpreſſe begrüßt den Kongreß der ruſſiſchen Wiſſenſchaftler und ſpricht in ſehr herz- lichen Worten über die Verdienſte der ruſiſchen Ge- lehrten vor dem ruſſiſchen Volk und über die Not- wendigkeit, die materielle und rechtliche Lage der ruſ- ſiſchen Gelehrten zu beſſern, um ſie auf eine Höhe zu bringen, die ſie durch ihre Treue zur Wiſſenſchaft und zur ruſſiſchen Kultur verdient haben. 70 Jahre „Bazar“. Unſer älteſtes deutſches Modenblatt „Der Bazar“ tritt in das neue Jahr mit dem Schmucke einer beſonderen Jubiläums- beilage, die in Wort und Bild die Zeit ſeines nunmehr 70jährigen Erlebens und Schaffens auf dem Gebiete unſerer Frauenmode wiedergibt. Es iſt ein allerliebſter Spiegel der äußeren Er- ſcheinung unſerer lieben Frauen, von jenen Ta- gen an, in denen die damals „ſchönſte Frau der Erde“, die Kaiſerin Eugenie von Frankreich, das Modenzepter ſchwang bis zur allerletzten Mode von heute, ein Bild des wechſelnden Ge- ſchmackes, das ſeine eigenen Reize hat. Wie hoch die gutbürgerliche Damenwelt ihren „Ba- zar“ in ſeinem Werte einſchätzt, zeigt ſich nicht nur in ſeiner großen Verbreitung in Deutſch- land, ſondern auch darin, daß er außer in deut- ſcher noch in fünf fremden Sprachen erſcheint. Das Schillergartenhaus in Jena. Das Uni- verſitätsamt in Jena beabſichtigt, das Schiller- gartenhaus, das der Dichter 1795 käuflich erwor- ben und bis zu ſeiner Ueberſiedlung nach Wei- mar während der Sommerhalbjahre mit den Seinen bewohnt hat, zu einer würdigen Ge- dächtnisſtätte auszugeſtalten. In dem Hauſe und dem dazugehörigen Garten hat Schiller den Wal- lenſtein, Maria Stuart, Die Glocke und faſt alle Balladen niedergeſchrieben und oft mit Goethe verkehrt. Von dieſem rührt eine erſte Anregung zu dem jetzt verfolgten Plan her. Von ſeiten der Jenaer Bürgerſchaft ſind bereits eine Anzahl An- denken der klaſſiſchen Zeit zu dem Zwecke zur Verfügung geſtellt worden. Der Plan der Je- naer Univerſitätsbehörde iſt zu begrüßen, denn Jena iſt reich an klaſſiſchen Erinnerungen. Danzig, Danzig über alles! Für eine Danzi- ger Nationalhymne wurde ein Preis ausgeſetzt, über deſſen Verleihung eine Kommiſſion, aus Vertretern der Kunſt und Wiſſenſchaft und der Regierung des Freiſtaates Danzig beſtehend, be- ſchließen wird. Kleine Nachrichten Auswärts Die diesjährige Goethe-Tagung. Auf der wie üblich in der Woche nach Pfingſten ſtattfindenden Generalverſammlung der Goethe-Geſellſchaft in Weimar wird Profeſſor Eduard Spranger von der Berliner Univerſität den Feſtvortrag halten. Sein Thema lautet: „Goethe und die Metamor- phoſe des Menſchen“. Die diesjährige Jahresgabe der Geſellſchaft wird eine Fakſimile-Wiedergabe von Goethe-Handſchriften bringen, von Briefen und Gedichten an Charlotte von Stein. Ende Auguſt ſoll das Jahrbuch 1923/24 erſchemen. England intereſſiert ſich für ruſſiſche Muſeen. In Petersburg iſt eine Gruppe Profeſſoren der Cambrid- ger Univerſität und Londoner Muſe eingetroffen, die die Verhältniſſe der ruſſiſchen Hochſchule und die Reichtümer der ruſſiſchen Muſeen ſtudieren wollen. Die engliſchen Gelehrten haben ihr beſonderes Inter- eſſe den ſeltenen etnographiſchen Sammlungen, die aus Indien und von den Inſeln des Indiſchen Ozeans gebracht worden ſind, gewidmet. Die Hauptverſammlung der Deutſchen Shakeſpeare- Geſellſchaft. Die Deutſche Shakeſpeare-Geſellſchaft hält ihre diesjährige Hauptverſammlung am 23. April, dem Geburtstage des Dichters, im Großen Armbruſt- ſaale in Weimar ab. Den Feſtvortrag über die Bacon-Frage, zu der die Geſellſchaft offiziell Stellung nehmen wird, hat Profeſſor Emil Wolff, Dozent an der Hamburger Univerſität, übernommen. Als Feſt- vorſtellung im Deutſchen Nationaltheater iſt Shake- ſpeares „Macbeth“ in der Bearbeitung von Karl Rothe in Leipzig in Ausſicht genommen. Wann das Jahr- buch erſcheinen wird, iſt noch nicht beſtimmt feſtgeſetzt worden. Bayreuth. Die in letzter Zeit verſchiedentlich aufgetauchten Zweifel an dem Zuſtandekommen der Feſtſpiele 1924 ſind unbegründet. Wegen Erreichung der Altersgrenze wer- den zum Schluſſe des Semeſters folgende ordent- lichen Profeſſoren in Freiburg in den Ruheſtand treten: Dr. Karl Julius Mayer (Moral und Enzyklopädie der theoſ. Wiſſenſchaft). Dr. Ernſt Fabricius (Alte Geſchichte). Dr. Georg von Below (Mittlere und Neuere Geſchichte) und Dr. Heinrich Finke (Mittlere und Neuere Ge- ſchichte). Es wird ſchwer ſein, die empfindlichen Verluſte, die das Ausſcheiden dieſer hervorragen- den Gelehrten für die Freiburger Univerſität be- deuten, wieder auszugleichen. München Dienstag, den 15. Januar: „Muſeum“ (8): Erſter Abend für den Mittelſtand: Konzert. Ausfü- rende: Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L. Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klavier), das Münchener Bläſerquintett (Kaleve, Uf- ſinger, Wagner, Nöth, Baumeiſter). Programm: K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein. Mozart, Klavierſonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach, Arie mit obligater Flöte, Konzertſzene mit obligater Oboe. Mozart, Bläſerquintett. Heute Montag, 14. Januar: Bayer. Hof (7½ Uhr) Liederabend W. v. Geuns. Odeon (7½ Uhr): 5. Abonnementskonzert, Leitung H. Knappertsbuſch. Die für den 17. bis 18. Januar angekündigten Abende des Stuttgarter Streichquar- tetts müſſen infolge dienſtlicher Verhinderung des Quartetts auf Ende Januar verſchoben wer- den. Die neuen Daten werden baldigſt bekannt- gegeben. Der Münchener Tonkünſtler-Verein gibt Den- nerstag, den 17. Januar, abends 7½ Uhr, im Herkulesſaal der Reſidenz ein Schülerkonzert. Programm: Schumann: Novelette op. 21 Nr. 8, fis-moll; Haydn: Recitative und Arie der Hanna aus den „Vier Jahreszeiten“; Joſef Haas: Hausmärchen op. 35 G-dur, H-moll, F- dur; Beethoven: Romanze F-dur op. 50; Reger: vier Klavierſtücke; Brahms: vier Lieder für Mezzo-Sopran; Rameau: Gavotte und Variatio- nen A-Moll; Chopin: Nocturne op. 9 Nr. 1 B- moll; Leſchetitzky: Toccata op. 46 Nr. 3 D-moll; Chopin: Fantaſie F-moll op. 49. Karten bei Schmid und Halbreiter. Moderne Galerie Thannhauſer. Im Graphi- ſchen Kabinett wurden neu ausgeſtellt Zeichnun- gen von Werner Schmidt, München, Buch- illuſtrationen zu Goethes „Herrmann und Do- rothea“ (Drei-Masken-Verlag), „Gottfr. v. Ber- lichingen“ (Inſel-Verlag), „Balzac Las Maranas“ (Verlag der Münchener Drucke), „Zauberflöte“ (Verlag Müller) und Gobineau „Gamber Ali“. Nationaltheater. Wegen eines Unfalls des Herrn Ulmer wird heute Montag an Stelle von „Florian Geyer“ „Minna von Barnhelm“ gegeben. Die im öffentl. Verkauf gelöſten Ein- trittskarten bleiben gültig oder können bis ſpä- teſtens Vorſtellungsbeginn an der Kaſſe der Staatstheater zurückgegeben werden.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924, S. Seite 3[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1924/3>, abgerufen am 21.12.2024.