Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924.Montag, den 14. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 18 [Spaltenumbruch]
Arbeitslosigkeit und Siedlung Das Gespenst der Arbeitslosigkeit geht Der Grundfehler war, daß man von der Aber oben am grünen Tisch thronten die Die Verhandlungen mit Thüringen * Berlin, 14. Januar.abgeschlossen Die Verhand- Dagegen hat die thüringische Regierung Neues aus aller Welt Die neue Nordpolexpedition London.Der gegenwärtig in London weilende Europäische Gespräche Der stärkste Geist, den das Jahrhundert in Noch ist er fern, und der Name jenes ameri- "Ich habe" -- schrieb Bismarck im Jahre Ein Grund für diese Unkenntnis ist die mon- Aus solchen Rück- und Vorblicken baut sich Hier scheint in der Tat einmal jene Synthese Oder wer von uns kennt denn genau den Und daran reiht sich zu höchster Anregung, Und was, bei den Göttern! wollt ihr sonst Der allrussische Gelehrten-Kongreß. Ende Novem- 70 Jahre "Bazar". Unser ältestes deutsches Das Schillergartenhaus in Jena. Das Uni- Danzig, Danzig über alles! Für eine Danzi- Kleine Nachrichten Auswärts Die diesjährige Goethe-Tagung. Auf der wie England interessiert sich für russische Museen. In Die Hauptversammlung der Deutschen Shakespeare- Gesellschaft. Die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft Bayreuth. Die in letzter Zeit verschiedentlich Wegen Erreichung der Altersgrenze wer- München Dienstag, den 15. Januar: "Museum" (8): Erster Heute Montag, 14. Januar: Bayer. Odeon (71/2 Uhr): 5. Abonnementskonzert, Die für den 17. bis 18. Januar angekündigten Der Münchener Tonkünstler-Verein gibt Den- Karten bei Schmid und Halbreiter. Moderne Galerie Thannhauser. Im Graphi- Nationaltheater. Wegen eines Unfalls des Montag, den 14. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 18 [Spaltenumbruch]
Arbeitsloſigkeit und Siedlung Das Geſpenſt der Arbeitsloſigkeit geht Der Grundfehler war, daß man von der Aber oben am grünen Tiſch thronten die Die Verhandlungen mit Thüringen * Berlin, 14. Januar.abgeſchloſſen Die Verhand- Dagegen hat die thüringiſche Regierung Neues aus aller Welt Die neue Nordpolexpedition London.Der gegenwärtig in London weilende Europäiſche Geſpräche Der ſtärkſte Geiſt, den das Jahrhundert in Noch iſt er fern, und der Name jenes ameri- „Ich habe“ — ſchrieb Bismarck im Jahre Ein Grund für dieſe Unkenntnis iſt die mon- Aus ſolchen Rück- und Vorblicken baut ſich Hier ſcheint in der Tat einmal jene Syntheſe Oder wer von uns kennt denn genau den Und daran reiht ſich zu höchſter Anregung, Und was, bei den Göttern! wollt ihr ſonſt Der allruſſiſche Gelehrten-Kongreß. Ende Novem- 70 Jahre „Bazar“. Unſer älteſtes deutſches Das Schillergartenhaus in Jena. Das Uni- Danzig, Danzig über alles! Für eine Danzi- Kleine Nachrichten Auswärts Die diesjährige Goethe-Tagung. Auf der wie England intereſſiert ſich für ruſſiſche Muſeen. In Die Hauptverſammlung der Deutſchen Shakeſpeare- Geſellſchaft. Die Deutſche Shakeſpeare-Geſellſchaft Bayreuth. Die in letzter Zeit verſchiedentlich Wegen Erreichung der Altersgrenze wer- München Dienstag, den 15. Januar: „Muſeum“ (8): Erſter Heute Montag, 14. Januar: Bayer. Odeon (7½ Uhr): 5. Abonnementskonzert, Die für den 17. bis 18. Januar angekündigten Der Münchener Tonkünſtler-Verein gibt Den- Karten bei Schmid und Halbreiter. Moderne Galerie Thannhauſer. Im Graphi- Nationaltheater. Wegen eines Unfalls des <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="Seite 3[3]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Montag, den 14. Januar 1924 <hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> Nr. 18</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Arbeitsloſigkeit und Siedlung</hi> </head><lb/> <byline>Von<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Gustav Langen,</hi></hi><lb/> Regierungsbaumeiſter a. D.,<lb/> Leiter des deutſchen Archivs für Siedlungsweſen</byline><lb/> <p>Das Geſpenſt der Arbeitsloſigkeit geht<lb/> wieder um; in unſerer heutigen Lage<lb/> drohender als jemals. Es raubt den In-<lb/> duſtriellen den Schlaf, geiſtert durch die<lb/> Flure der Miniſterien, beunruhigt die<lb/> Straßen und ermutigt den Umſturz. Die<lb/> Erwerbloſenfürſorge verſchlingt Billionen.<lb/> Die produktive Erwerbsloſenfürſorge iſt<lb/> nicht mehr in der Lage, Arbeit zu ſchaffen,<lb/> die für unſere heutige Notlage ſchnell ge-<lb/> nug produktiv wirkt. Hausbau, Straßen-<lb/> bau, Waſſerbau verſchlingen dafür zu ge-<lb/> waltige Summen, die doch erſt aufzubrin-<lb/> gen ſind, bevor ſie ſich verzinſen. Selbſt<lb/> ſolche Meliorationen, die bald Erträge<lb/> bringen, ſind deshalb nur ein ſchlechtes<lb/> Hilfsmittel, weil ſie eine Arbeit in Kolon-<lb/> nen erfordern, für die ſich nur ein Bruch-<lb/> teil der Arbeitsloſen ohne Familie eignet<lb/> und weil für dieſe Wohngelegenheit zu<lb/> ſchaffen iſt, die meiſt nicht vorhanden iſt<lb/> und deren Neubeſchaffung zuviel Zeit und<lb/> Geld verſchlingt. Unſere falſche bisherige<lb/> Wohnungs- und Siedlungspolitik hat es<lb/> nicht verſtanden, das heute drohende, ſeit<lb/> langem vorauszuſehende Geſpenſt der Ar-<lb/> beitsloſigkeit zu bannen. Rieſenſummen<lb/> ſind ausgegeben worden, um für einen<lb/> kleinen Teil der Bevölkerung neue Woh-<lb/> nungen zu bauen mit dem Erfolg, daß ein<lb/> Teil des Geldes dem Bauſtoffwucher zum<lb/> Opfer fiel, daß in manchen Gegenden die<lb/> neuen Wohnungen größer waren als der<lb/> übliche Durchſchnitt, daß die Bewohner<lb/> trotzdem unzufrieden waren und daß ſehr<lb/> viele Wohnungen nicht den kindereichen<lb/> Familien zugute kamen, für die ſie doch in<lb/> erſter Linie in Frage kommen.</p><lb/> <p>Der Grundfehler war, daß man von der<lb/> Wohnung ausging, alſo das letzte und<lb/> teuerſte Mittel ergriff, anſtatt das Uebel<lb/> beim Kern, bei der Bodenfrage zu faſſen.<lb/> Für den Preis von 10 000 Wohnungen<lb/> konnte man 350 000 Gärten zu je 500 Qua-<lb/> dratmeter im Umkreiſe der größeren und<lb/> kleineren Städte erhalten, bei Bemeſſung<lb/> der Gärten von brutto 250 Quadratmetern<lb/> konnten 700 000 Familien oder (die er-<lb/> werbsloſen Familienmitglieder und allein-<lb/> ſtehenden Erwerbsloſen mitgerechnet)<lb/> 1 Million Erwerbsloſe mit genügendem<lb/> Gartenland verſehen werden, um ihre freie<lb/> Zeit nutzbringend und produktiv zu ver-<lb/> werten. Man muß das geſehen haben, wie<lb/> dieſe Menſchen, ſobald ſie nicht in Arbeits-<lb/> loſenkolonnen, ſondern auf eigener Scholle<lb/> tätig waren, gearbeitet haben. Es iſt ge-<lb/> radezu erſtaunlich, mit welcher Sorgfalt<lb/> und Sachkenntnis dieſe ſogenannten Laien<lb/> ihre Gärten in Kultur brachten, ihre Ab-<lb/> fälle für die Kleintierzucht verwerteten.<lb/> Da gab es ſelbſt bei Erwerbsloſen keine<lb/> beſchränkte Arbeitszeit, ſondern vom Mor-<lb/> gen bis in die Nacht wurde gearbeitet, ge-<lb/> ſchuftet vom früheſten Frühjahr bis in den<lb/><cb/> kommenden Winter, im Sommer ganze<lb/> Sonntage lang halbnackt, um erſt einmal<lb/> aus dem Gröbſten herauszukommen. Und<lb/> doch ſtrömte Behagen aus dieſer Arbeit.<lb/> Dann meldete ſich der techniſche Betrieb,<lb/> Brunnen wurden gebaut, Leitungen ge-<lb/> legt, Zäune gerichtet, Lauben gebaut unter<lb/> Benutzung der erdenklichen Reſte von<lb/> Holz, alten Steinen, Lehm, Schlacke, Ze-<lb/> ment, Stroh, Dachpappe, Glas, alter Kon-<lb/> ſervenbüchſen, Stärkekiſten, alles, was<lb/> der Erfindungsgeiſt des Feldgrauen ge-<lb/> funden hatte, kam wieder zum Vorſchein<lb/> und wurde im Kleingarten verwendet.<lb/> Einer ſah es dem anderen ab. Drei Richt-<lb/> feſte ſchwebten dem Siedler als Glanz-<lb/> punkte und Markſteine vor: Bretterbude,<lb/> Wohnlaube, Dauerhaus.</p><lb/> <p>Aber oben am grünen Tiſch thronten die<lb/> Götter und brüteten über der Volkswoh-<lb/> nung, die 70 Quadratmeter groß, maſſiv,<lb/> an ausgebauten Straßen mit Kanaliſation<lb/> (zur Verhütung der Fruchtbarkeit des Gar-<lb/> tens) fertig wie Athene aus dem Haupte<lb/> des Zeus hervorgehen ſollte. Uebrigens<lb/> recht umſtändlich mit Geburts- und Tauf-<lb/> ſcheinen, hochnotpeinlichen Unterſuchun-<lb/> gen, mit Arzt und Hebamme, Verſuchsſied-<lb/> lungen und Geſellſchaften und mit jenen<lb/> berühmten verlorenen Zuſchüſſen, an denen<lb/> ſich Mutter Staat nachgerade verblutet<lb/> hat, — wo war der Volksführer, der ſtatt<lb/> der Milliarden Papiermark Milliarden<lb/> von Arbeitsſtunden bodenhungriger Klein-<lb/> gärtner und Siedler hervorzauberte, der<lb/> der Volksvertretung ſtatt bureaukratiſcher<lb/> Berichte mit dem Notſchrei eines hungern-<lb/> den Volkes ins Gewiſſen rief, der mit<lb/> einem Bruchteil der Baumilliarden die<lb/> faulen Hypotheken darbender Kleinrentner<lb/> noch rechtzeitig aus dem Sumpf holte und<lb/> mit einer großzügigen gemeinnützigen<lb/> Bodenankaufspolitik den entwerteten<lb/> Grundbeſitzern, den Kleinſiedlern, der ver-<lb/> nünftigen Beſiedlung ſtädtiſchen Bodens,<lb/> der Ernährung des Volkes, der wachſenden<lb/> oder ſchrumpfenden Induſtrie und dem<lb/> Staat den größten Dienſt erwieſen hätte?<lb/> Wo war der Mann, der nicht nur woh-<lb/> nungswirtſchaftlich und bauwirtſchaftlich,<lb/> ſondern volkswirtſchaftlich, produktiv, ſo-<lb/> zial und barmherzig-menſchlich die Sied-<lb/> lungsfrage nicht am Schwanz, ſondern<lb/> bei den Hörnern anpackte?</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Verhandlungen mit Thüringen<lb/> abgeſchloſſen</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Berlin,</hi> 14. Januar.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Verhand-<lb/> lungen zwiſchen der Reichsre-<lb/> gierung und der thüringiſchen<lb/> Staatsregierung</hi> ſind nun endgültig<lb/> zum Abſchluß gekommen. Das Reich ver-<lb/> zichtet auf die Entſendung eines Reichs-<lb/> kommiſſars ſowie auf die geplanten Exe-<lb/> kutivmaßnahmen.</p><lb/> <p>Dagegen hat die thüringiſche Regierung<lb/> gewiſſe Zugeſtändniſſe gemacht, vor allem,<lb/> indem ſie ſich verpflichtete, bis zu den<lb/> Neuwahlen in Thüringen keine entſchei-<lb/> dende Regierungshandlungen mehr vorzu-<lb/> nehmen.</p><lb/> <cb/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Neues aus aller Welt</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die neue Nordpolexpedition</hi> </head><lb/> <dateline> <hi rendition="#b">London.</hi> </dateline><lb/> <p>Der gegenwärtig in London weilende<lb/> Südpolentdecker <hi rendition="#g">Amundſen</hi> erklärte ameri-<lb/> kaniſchen Preſſevertretern über die von ihm<lb/> beabſichtigte Flugexpedition an den Nordpol, daß<lb/> er, wenn alles gut gehe, ſchon <hi rendition="#g">im Mai<lb/> ſtarten</hi> wolle, da dieſer Monat das günſtigſte<lb/> Wetter für alle Polarunternehmungen bilde. Er<lb/> ſehe der Flugreiſe vertrauensvoll entgegen, weil<lb/> Spitzbergen über eine vorzügliche Radioſtation<lb/> verfüge, welche die Expedition ſtets auf dem<lb/> laufenden über die Wetterverhältniſſe halten<lb/> werde. Es ſollen vier oder fünf Flugzeuge mit-<lb/> genommen werden. Die letzte Expedition im<lb/> Jahre 1922 ſei daran geſcheitert, daß man ſie<lb/> zu ſpät begonnen habe, und die im Jahre 1923,<lb/> weil die Flugapparate verſagten. Amundſen<lb/> glaubt, daß ſeine Expedition die 2000 Meilen<lb/><hi rendition="#g">von Alaska nach Spitzbergen</hi> im Flug-<lb/> zeuge in 20—25 Stunden werde zurücklegen<lb/> können. Sein Aufenthalt in London bezweckt,<lb/> Motore für die Flugzeuge zu kaufen, die ebenſo<lb/> ſicher wie auf dem Lande auch im Waſſer und<lb/> auf dem Eiſe ſollen landen können. Jedes Flug-<lb/> zeug ſoll einen Führer und einen Beobachter<lb/> haben. Die mitzuführenden Lebensmittelvorräte<lb/> ſollen ſo gering wie möglich bemeſſen werden,<lb/> während ſoviel Gaſolin mitgenommen werden<lb/> ſoll, wie die Apparate tragen können. Die Ex-<lb/> pedition diene wiſſenſchaftlichen Unternehmungen<lb/> und Beobachtungen und werde in allen ihren<lb/> Teilen gefilmt werden.</p> </div> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Europäiſche Geſpräche</hi> </head><lb/> <byline>Von<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Emil Ludwig</hi></hi></byline><lb/> <p>Der ſtärkſte Geiſt, den das Jahrhundert in<lb/> Deutſchland erzeugt hat, zugleich der heftigſte<lb/> Kritiker Deutſchlands: Nietzſche, hat in ſeinem<lb/> Wunſch nach internationaler Geiſtigkeit das Wort<lb/> vom Guten Europäer erfunden, das unſere Na-<lb/> tionaliſten ärgert, wie es die anderer Länder är-<lb/> gern würde. Seit die Liebe zum Vaterlande eine<lb/> Tugend wurde, die man wie einen Orden im<lb/> Knopfloch trägt, ſeit es Sitte geworden, ſich ſei-<lb/> nes Landes vor Fremden möglichſt laut als des<lb/> beſten auf dieſer Kugel zu rühmen, ſeit die na-<lb/> türlichſten und ſtillſten Inſtinkte plakatiert und<lb/> die reinſten und einfachſten Gefühle auf Walzen<lb/> gezogen werden, hat unſere Minderheit in allen<lb/> Ländern ſchwerſten Stand. Die Götzendämme-<lb/> rung wird immer von wenigen vorausgeſpürt,<lb/> während die Menge noch taumelt: Nationalität,<lb/> der große Fetiſch dieſer Jahrzehnte, wird die in-<lb/> tereſſante Ruine des Jahrhunderts ſein; es<lb/> kommt der Tag, wo niemand mehr begreift, wa-<lb/> rum die Völker eines kleinen Erdteils, längſt<lb/> kreuz und quer durch Blut und Geiſt, durch Wa-<lb/> ren und Raſſen gemiſcht, einander zu zerſtören<lb/> trachteten.</p><lb/> <p>Noch iſt er fern, und der Name jenes ameri-<lb/> kaniſchen Idealiſten, der anno 1919 aus einer<lb/> ideenhaften Kataſtrophe die vernünftige Löſung<lb/> zu ſchaffen ſuchte, wird von den ihm aſſozirerten<lb/> Siegern mit Spott, von den Beſiegten mit Haß<lb/> von ſeinen eigenen Landsleuten mit der Geſte<lb/> genannt, die Bedauern über Verrücktes bedeu-<lb/> tet. Das arme, zarte, angſtvoll um ſich blickende<lb/> Weſen, das ſich in Genf Europas anzunehmen<lb/> ſucht, dieſer erſte wacklige Völkerbund, der neben<lb/> Wilſons oder gar Kants und Goethes Viſien<lb/> wirkt wie Lilienthals Maſchine neben einer<lb/> Rumplertaube: dies rührende Modell einer gro-<lb/> ßen Maſchine hat den einſtigen Gedanken vol-<lb/> lends lächerlich gemacht, für den heut Politik zu<lb/> machen mehr bedeutet, als das Spiel zwiſchen<lb/> Mächten, die auf und nieder ſchweben.</p><lb/> <cit> <quote>„Ich habe“</quote> </cit><lb/> <p>— ſchrieb Bismarck im Jahre<lb/><cit><quote>1876 — „das Wort Europa immer im Munde<lb/> derjenigen Politiker gefunden, die von anderen<lb/> Mächten etwas verlangten, was ſie im eigenen<lb/> Namen nicht zu fordern wagten.“</quote></cit> Dies Wort,<lb/><cb/> das in den Klauen eines Völkiſchen eine ver-<lb/> derbliche Keule werden kann, ſteht in den groß-<lb/> artigen Papieren, mit denen die Freiheit dieſer<lb/> Republik und der Fleiß dreier Gelehrten das<lb/> deutſche Volk vergebens zu beſchenken trachtet.<lb/> Wer lieſt dieſe „Große Politik der europäiſchen<lb/> Kabinette?“ Wer lieſt überhaupt jene Papiere<lb/> und Memoiren, deren wir Deutſche heut mehr<lb/> als alle anderen beſitzen? Als ich verſuchte,<lb/> einige Stücke der letzten Geſchichte zu dramatiſie-<lb/> ren — nicht wie mich einige Bühnen parodieren,<lb/> ſondern wie es in den Bühnenbüchern gedruckt<lb/> ſteht —, weil dieſer, nur äſthetiſch anfechtbare<lb/> Umweg der Nation plaſtiſche Kenntnis ihrer<lb/> Hiſtorie vermitteln kann, ſah ich mit Staunen<lb/> hochgeiſtige Deutſche vor Stücken unſerer Ge-<lb/> ſchichte lächeln, ungläubig, daß dies alles in den<lb/> Dokumenten, nicht etwa nur im Kopfe eines<lb/> Theater-Hiſtorikers ſtände!</p><lb/> <p>Ein Grund für dieſe Unkenntnis iſt die mon-<lb/> archiſtiſche Verbiegung der Preußengeſchichte ge-<lb/> weſen, wie man ſie uns reichte; ein anderer,<lb/> der alte Weſenszug der Nation: lieber von<lb/> Schlachten als von Gedanken in der eigenen Ge-<lb/> ſchichte zu leſen. Beides kann man nun refor-<lb/> mieren.</p><lb/> <p>Aus ſolchen Rück- und Vorblicken baut ſich<lb/> das ungeſchriebene Programm einer Monats-<lb/> ſchrift auf, die nicht herzlich genug empfohlen<lb/> werden kann. In Hamburg erſcheinen mit dem<lb/> Sommer, vom Inſtitut für Auswärtige Politik<lb/> ediert, Hefte von je 80 oder 100 Seiten, in de-<lb/> nen der Deutſche nichts findet, was ihm die<lb/> Zeitung brachte, dennoch vieles, was das politi-<lb/> ſche Europa bewegt. Dies Unternehmen, das<lb/> den aus ſchöner Proſa gebildeten, forſchend zu-<lb/> rückhaltenden Titel <hi rendition="#g">„Europäiſche Geſprä-<lb/> che“</hi> führt, zuſammengehalten von dem beweg-<lb/> lich-zarten, ironiſch-ernſten und ſehr künſtleri-<lb/> ſchen Geiſt des Profeſſors A. <hi rendition="#g">Mendelsſohn-<lb/> Bartholdy,</hi> läßt großen Eſſays hiſtoriſch-<lb/> politiſcher Natur jeweils die wichtigſten Doku-<lb/> mente des Monats folgen, von denen wir ſonſt<lb/> nur Auszüge, eilige Schattenriſſe ſahen, fliehend<lb/> in der Haſt des Tages.</p><lb/> <p>Hier ſcheint in der Tat einmal jene Syntheſe<lb/> des Geiſtes gefunden, die „Bismarck“ ſagen kann,<lb/> ohne völkiſch zu erbeben oder demokratiſch zu er-<lb/> röten, und ſie ſagt recht oft Bismarck. Ueberall<lb/> aber wird die Beziehung des Vergangenen zur<lb/> heutigen Kriſe gezeigt und durch Belichtung von<lb/> Faſchoda die Warnung für 1923 deutlich. Solchen<lb/> parteilos enropäiſchen Eſſays, auch aus aus-<lb/> ländiſchen Federn, folgt dann ein Bündel Do-<lb/> kumente und ein Korb voll Buchdrucke faſt ſämt-<lb/> lich über Dinge, von denen wir nur die Titel<lb/> kennen.</p><lb/> <p>Oder wer von uns kennt denn genau den<lb/> Stand der Garantiefrage zur Sicherung Frank-<lb/> reichs? Wer hat Hardings entſcheidende Rede<lb/> über den Beitritt Amerikas zum Haag, wer<lb/> Greys bedeutſame Stellung zu Frankreich, wer<lb/> die Cheſter-Konzeſſion oder das Weltecho Poin-<lb/> caréſcher Reden geleſen: frei von der Nötigung<lb/> und Willkür eines telegraphierenden, alſo aus-<lb/> wählenden Korreſpondenten, ohne die Suggeſtion<lb/> der großen und kleinen Type des Meiteurs (der<lb/> auch Politik macht)?</p><lb/> <p>Und daran reiht ſich zu höchſter Anregung,<lb/> Kritik und Bibliographie auslandiſcher Bücher,<lb/> ſomit ein Medium zwiſchen uns und den ande-<lb/> ren, Zeittafel und Ueberſicht: eine Fülle von Re-<lb/> giſtern, auf denen man das Europäiſche Konzert<lb/> zu ſpielen trachtet.</p><lb/> <p>Und was, bei den Göttern! wollt ihr ſonſt<lb/> ſpielen? Lauter Soli in einem Saal, jeder nach<lb/> ſeinem Tempo, Sinn und Geſchmack? Iſt nicht<lb/> Europa wirklich „unſer natürlicher Himmels-<lb/> ſtrich, das Horoſkop unſeres Volksſchickſals“? Und<lb/> kann der Schwache törichter ſein, als im edlen<lb/> Trotze, „da wir ja doch in der Welt allein ſte-<lb/> hen, ſich nur noch auf ſich ſelbſt ſtellen“? Von<lb/> tauſend Orten hat ſich das gewaltſam zerriſſene<lb/> Netz wieder angeſponnen, nie war die Epoche<lb/> allen Freunden der Neuordnung günſtiger als<lb/> heut, wo — hinter der Phraſe dies- und jen-<lb/> ſeits des Rheines — Millionen räſonnabler<lb/> Köpfe Ausſprache und Ausgleich ſuchen.</p><lb/> <cb/> </div> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der allruſſiſche Gelehrten-Kongreß.</hi> </head><lb/> <p>Ende Novem-<lb/> ber fand in <hi rendition="#g">Moskau</hi> der erſte allruſſiſche Kongreß<lb/> der wiſſenſchaftlichen Arbeiter ſtatt. Ruſſiſche Ge-<lb/> lehrte verſchiedener politiſcher Geſinnung nahmen teil.<lb/> Ungeachtet deſſen haben die Teilnehmer einſtimmig<lb/> beſchloſſen, die Notwendigkeit einer Zuſammenarbeit<lb/> mit der Sowjetregierung, die alles Mögliche für die<lb/> Beſſerung der pekuntären und rechtlichen Lage der<lb/> Gelehrten aufbietet, anzuerkennen. Ueber 100 Uni-<lb/> verſitätsprofeſſoren von hohem Ruf in Rußland traten<lb/> zuſammen. Sie kamen als Vertreter von 8800 Wiſſen-<lb/> ſchaftlern. Man erörterte die beruflichen Intereſſen<lb/> der wiſſenſchaftlichen Arbeiter, es wurden konkrete<lb/> Vorſchläge für die wiſſenſchaftliche und kulturelle<lb/> Arbeit gemacht. In beſonders ſchweren Verhältniſſen<lb/> leben die Wiſſenſchaftler in der Provinz, wo die Ver-<lb/> dienſtmöglichkeiten viel geringer ſind als in den Uni-<lb/> verſitätsſtädten. Die anweſenden Vertreter der Sow-<lb/> jetregierung ſprachen über die bevorſtehende Arbeit, in<lb/> der die Organe der Regierung mit den Vertretern der<lb/> ruſſiſchen Intelligenz zuſammenarbeiten werden. Die<lb/> Mitglieder der ruſſiſchen Akademie der Wiſſenſchaften<lb/> Oldenburg, Marr, Fersman u. a. beſtätigten den An-<lb/> bruch einer neuen Aera in den Beziehungen zwiſchen<lb/> der ruſſiſchen Arbeiterklaſſe und der ruſſiſchen Intelli-<lb/> genz. Die geſamte Sowjetpreſſe begrüßt den Kongreß<lb/> der ruſſiſchen Wiſſenſchaftler und ſpricht in ſehr herz-<lb/> lichen Worten über die Verdienſte der ruſiſchen Ge-<lb/> lehrten vor dem ruſſiſchen Volk und über die Not-<lb/> wendigkeit, die materielle und rechtliche Lage der ruſ-<lb/> ſiſchen Gelehrten zu beſſern, um ſie auf eine Höhe zu<lb/> bringen, die ſie durch ihre Treue zur Wiſſenſchaft und<lb/> zur ruſſiſchen Kultur verdient haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">70 Jahre „Bazar“.</hi> </head><lb/> <p>Unſer älteſtes deutſches<lb/> Modenblatt „Der Bazar“ tritt in das neue Jahr<lb/> mit dem Schmucke einer beſonderen Jubiläums-<lb/> beilage, die in Wort und Bild die Zeit ſeines<lb/> nunmehr 70jährigen Erlebens und Schaffens auf<lb/> dem Gebiete unſerer Frauenmode wiedergibt. Es<lb/> iſt ein allerliebſter Spiegel der äußeren Er-<lb/> ſcheinung unſerer lieben Frauen, von jenen Ta-<lb/> gen an, in denen die damals „ſchönſte Frau der<lb/> Erde“, die Kaiſerin Eugenie von Frankreich,<lb/> das Modenzepter ſchwang bis zur allerletzten<lb/> Mode von heute, ein Bild des wechſelnden Ge-<lb/><cb/> ſchmackes, das ſeine eigenen Reize hat. Wie<lb/> hoch die gutbürgerliche Damenwelt ihren „Ba-<lb/> zar“ in ſeinem Werte einſchätzt, zeigt ſich nicht<lb/> nur in ſeiner großen Verbreitung in Deutſch-<lb/> land, ſondern auch darin, daß er außer in deut-<lb/> ſcher noch in fünf fremden Sprachen erſcheint.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Schillergartenhaus in Jena.</hi> </head><lb/> <p>Das Uni-<lb/> verſitätsamt in Jena beabſichtigt, das Schiller-<lb/> gartenhaus, das der Dichter 1795 käuflich erwor-<lb/> ben und bis zu ſeiner Ueberſiedlung nach Wei-<lb/> mar während der Sommerhalbjahre mit den<lb/> Seinen bewohnt hat, zu einer würdigen Ge-<lb/> dächtnisſtätte auszugeſtalten. In dem Hauſe und<lb/> dem dazugehörigen Garten hat Schiller den Wal-<lb/> lenſtein, Maria Stuart, Die Glocke und faſt alle<lb/> Balladen niedergeſchrieben und oft mit Goethe<lb/> verkehrt. Von dieſem rührt eine erſte Anregung<lb/> zu dem jetzt verfolgten Plan her. Von ſeiten der<lb/> Jenaer Bürgerſchaft ſind bereits eine Anzahl An-<lb/> denken der klaſſiſchen Zeit zu dem Zwecke zur<lb/> Verfügung geſtellt worden. Der Plan der Je-<lb/> naer Univerſitätsbehörde iſt zu begrüßen, denn<lb/> Jena iſt reich an klaſſiſchen Erinnerungen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Danzig, Danzig über alles!</hi> </head><lb/> <p>Für eine Danzi-<lb/> ger Nationalhymne wurde ein Preis ausgeſetzt,<lb/> über deſſen Verleihung eine Kommiſſion, aus<lb/> Vertretern der Kunſt und Wiſſenſchaft und der<lb/> Regierung des Freiſtaates Danzig beſtehend, be-<lb/> ſchließen wird.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kleine Nachrichten</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Auswärts</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Die diesjährige Goethe-Tagung.</hi> </head><lb/> <p>Auf der wie<lb/> üblich in der Woche nach Pfingſten ſtattfindenden<lb/> Generalverſammlung der Goethe-Geſellſchaft in<lb/> Weimar wird Profeſſor Eduard Spranger von<lb/> der Berliner Univerſität den Feſtvortrag halten.<lb/> Sein Thema lautet: „Goethe und die Metamor-<lb/> phoſe des Menſchen“. Die diesjährige Jahresgabe<lb/> der Geſellſchaft wird eine Fakſimile-Wiedergabe<lb/> von Goethe-Handſchriften bringen, von Briefen<lb/> und Gedichten an Charlotte von Stein. Ende<lb/> Auguſt ſoll das Jahrbuch 1923/24 erſchemen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">England intereſſiert ſich für ruſſiſche Muſeen.</hi> </head><lb/> <p>In<lb/> Petersburg iſt eine Gruppe Profeſſoren der Cambrid-<lb/><cb/> ger Univerſität und Londoner Muſe eingetroffen, die<lb/> die Verhältniſſe der ruſſiſchen Hochſchule und die<lb/> Reichtümer der ruſſiſchen Muſeen ſtudieren wollen.<lb/> Die engliſchen Gelehrten haben ihr beſonderes Inter-<lb/> eſſe den ſeltenen etnographiſchen Sammlungen, die<lb/> aus Indien und von den Inſeln des Indiſchen Ozeans<lb/> gebracht worden ſind, gewidmet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Die Hauptverſammlung der Deutſchen Shakeſpeare-<lb/> Geſellſchaft.</hi> </head><lb/> <p>Die Deutſche Shakeſpeare-Geſellſchaft<lb/> hält ihre diesjährige Hauptverſammlung am 23. April,<lb/> dem Geburtstage des Dichters, im Großen Armbruſt-<lb/> ſaale in <hi rendition="#g">Weimar</hi> ab. Den Feſtvortrag über die<lb/> Bacon-Frage, zu der die Geſellſchaft offiziell Stellung<lb/> nehmen wird, hat Profeſſor Emil Wolff, Dozent an<lb/> der Hamburger Univerſität, übernommen. Als Feſt-<lb/> vorſtellung im Deutſchen Nationaltheater iſt Shake-<lb/> ſpeares „Macbeth“ in der Bearbeitung von Karl Rothe<lb/> in Leipzig in Ausſicht genommen. Wann das Jahr-<lb/> buch erſcheinen wird, iſt noch nicht beſtimmt feſtgeſetzt<lb/> worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Bayreuth.</hi> </head><lb/> <p>Die in letzter Zeit verſchiedentlich<lb/> aufgetauchten Zweifel an dem Zuſtandekommen<lb/> der Feſtſpiele 1924 ſind unbegründet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Wegen Erreichung der <hi rendition="#g">Altersgrenze</hi> wer-<lb/> den zum Schluſſe des Semeſters folgende ordent-<lb/> lichen Profeſſoren in Freiburg in den Ruheſtand<lb/> treten: Dr. Karl Julius <hi rendition="#g">Mayer</hi> (Moral und<lb/> Enzyklopädie der theoſ. Wiſſenſchaft). Dr. Ernſt<lb/><hi rendition="#g">Fabricius</hi> (Alte Geſchichte). Dr. Georg <hi rendition="#g">von<lb/> Below</hi> (Mittlere und Neuere Geſchichte) und<lb/> Dr. Heinrich <hi rendition="#g">Finke</hi> (Mittlere und Neuere Ge-<lb/> ſchichte). Es wird ſchwer ſein, die empfindlichen<lb/> Verluſte, die das Ausſcheiden dieſer hervorragen-<lb/> den Gelehrten für die Freiburger Univerſität be-<lb/> deuten, wieder auszugleichen.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">München</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p><hi rendition="#b">Dienstag,</hi> den 15. Januar: <hi rendition="#b">„Muſeum“</hi> (8): <hi rendition="#b">Erſter<lb/> Abend für den Mittelſtand: Konzert.</hi> <hi rendition="#g">Ausfü-<lb/> rende:</hi> Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L.<lb/> Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klavier), <hi rendition="#g">das<lb/> Münchener Bläſerquintett</hi> (Kaleve, Uf-<lb/> ſinger, Wagner, Nöth, Baumeiſter). <hi rendition="#g">Programm:</hi><lb/><cb/> K. Ph. Em. <hi rendition="#g">Bach,</hi> Sonate <hi rendition="#aq">A</hi>-moll für Flöte allein.<lb/><hi rendition="#g">Mozart,</hi> Klavierſonate <hi rendition="#aq">Es</hi>-Dur. Joh. Chr. <hi rendition="#g">Bach,</hi><lb/> Arie mit obligater Flöte, Konzertſzene mit obligater<lb/> Oboe. <hi rendition="#g">Mozart,</hi> Bläſerquintett.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Heute Montag,</hi> 14. Januar: <hi rendition="#g">Bayer.<lb/> Hof</hi> (7½ Uhr) Liederabend W. v. <hi rendition="#g">Geuns.</hi></p><lb/> <p><hi rendition="#g">Odeon</hi> (7½ Uhr): 5. 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Ber-<lb/> lichingen“ (Inſel-Verlag), „Balzac Las Maranas“<lb/> (Verlag der Münchener Drucke), „Zauberflöte“<lb/> (Verlag Müller) und Gobineau „Gamber Ali“.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Nationaltheater.</hi> </head><lb/> <p>Wegen eines Unfalls des<lb/> Herrn Ulmer wird heute Montag an Stelle von<lb/> „Florian Geyer“ <hi rendition="#g">„Minna von Barnhelm“</hi><lb/> gegeben. Die im öffentl. Verkauf gelöſten Ein-<lb/> trittskarten bleiben gültig oder können bis ſpä-<lb/> teſtens Vorſtellungsbeginn an der Kaſſe der<lb/> Staatstheater zurückgegeben werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [Seite 3[3]/0003]
Montag, den 14. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 18
Arbeitsloſigkeit und Siedlung
Von
Gustav Langen,
Regierungsbaumeiſter a. D.,
Leiter des deutſchen Archivs für Siedlungsweſen
Das Geſpenſt der Arbeitsloſigkeit geht
wieder um; in unſerer heutigen Lage
drohender als jemals. Es raubt den In-
duſtriellen den Schlaf, geiſtert durch die
Flure der Miniſterien, beunruhigt die
Straßen und ermutigt den Umſturz. Die
Erwerbloſenfürſorge verſchlingt Billionen.
Die produktive Erwerbsloſenfürſorge iſt
nicht mehr in der Lage, Arbeit zu ſchaffen,
die für unſere heutige Notlage ſchnell ge-
nug produktiv wirkt. Hausbau, Straßen-
bau, Waſſerbau verſchlingen dafür zu ge-
waltige Summen, die doch erſt aufzubrin-
gen ſind, bevor ſie ſich verzinſen. Selbſt
ſolche Meliorationen, die bald Erträge
bringen, ſind deshalb nur ein ſchlechtes
Hilfsmittel, weil ſie eine Arbeit in Kolon-
nen erfordern, für die ſich nur ein Bruch-
teil der Arbeitsloſen ohne Familie eignet
und weil für dieſe Wohngelegenheit zu
ſchaffen iſt, die meiſt nicht vorhanden iſt
und deren Neubeſchaffung zuviel Zeit und
Geld verſchlingt. Unſere falſche bisherige
Wohnungs- und Siedlungspolitik hat es
nicht verſtanden, das heute drohende, ſeit
langem vorauszuſehende Geſpenſt der Ar-
beitsloſigkeit zu bannen. Rieſenſummen
ſind ausgegeben worden, um für einen
kleinen Teil der Bevölkerung neue Woh-
nungen zu bauen mit dem Erfolg, daß ein
Teil des Geldes dem Bauſtoffwucher zum
Opfer fiel, daß in manchen Gegenden die
neuen Wohnungen größer waren als der
übliche Durchſchnitt, daß die Bewohner
trotzdem unzufrieden waren und daß ſehr
viele Wohnungen nicht den kindereichen
Familien zugute kamen, für die ſie doch in
erſter Linie in Frage kommen.
Der Grundfehler war, daß man von der
Wohnung ausging, alſo das letzte und
teuerſte Mittel ergriff, anſtatt das Uebel
beim Kern, bei der Bodenfrage zu faſſen.
Für den Preis von 10 000 Wohnungen
konnte man 350 000 Gärten zu je 500 Qua-
dratmeter im Umkreiſe der größeren und
kleineren Städte erhalten, bei Bemeſſung
der Gärten von brutto 250 Quadratmetern
konnten 700 000 Familien oder (die er-
werbsloſen Familienmitglieder und allein-
ſtehenden Erwerbsloſen mitgerechnet)
1 Million Erwerbsloſe mit genügendem
Gartenland verſehen werden, um ihre freie
Zeit nutzbringend und produktiv zu ver-
werten. Man muß das geſehen haben, wie
dieſe Menſchen, ſobald ſie nicht in Arbeits-
loſenkolonnen, ſondern auf eigener Scholle
tätig waren, gearbeitet haben. Es iſt ge-
radezu erſtaunlich, mit welcher Sorgfalt
und Sachkenntnis dieſe ſogenannten Laien
ihre Gärten in Kultur brachten, ihre Ab-
fälle für die Kleintierzucht verwerteten.
Da gab es ſelbſt bei Erwerbsloſen keine
beſchränkte Arbeitszeit, ſondern vom Mor-
gen bis in die Nacht wurde gearbeitet, ge-
ſchuftet vom früheſten Frühjahr bis in den
kommenden Winter, im Sommer ganze
Sonntage lang halbnackt, um erſt einmal
aus dem Gröbſten herauszukommen. Und
doch ſtrömte Behagen aus dieſer Arbeit.
Dann meldete ſich der techniſche Betrieb,
Brunnen wurden gebaut, Leitungen ge-
legt, Zäune gerichtet, Lauben gebaut unter
Benutzung der erdenklichen Reſte von
Holz, alten Steinen, Lehm, Schlacke, Ze-
ment, Stroh, Dachpappe, Glas, alter Kon-
ſervenbüchſen, Stärkekiſten, alles, was
der Erfindungsgeiſt des Feldgrauen ge-
funden hatte, kam wieder zum Vorſchein
und wurde im Kleingarten verwendet.
Einer ſah es dem anderen ab. Drei Richt-
feſte ſchwebten dem Siedler als Glanz-
punkte und Markſteine vor: Bretterbude,
Wohnlaube, Dauerhaus.
Aber oben am grünen Tiſch thronten die
Götter und brüteten über der Volkswoh-
nung, die 70 Quadratmeter groß, maſſiv,
an ausgebauten Straßen mit Kanaliſation
(zur Verhütung der Fruchtbarkeit des Gar-
tens) fertig wie Athene aus dem Haupte
des Zeus hervorgehen ſollte. Uebrigens
recht umſtändlich mit Geburts- und Tauf-
ſcheinen, hochnotpeinlichen Unterſuchun-
gen, mit Arzt und Hebamme, Verſuchsſied-
lungen und Geſellſchaften und mit jenen
berühmten verlorenen Zuſchüſſen, an denen
ſich Mutter Staat nachgerade verblutet
hat, — wo war der Volksführer, der ſtatt
der Milliarden Papiermark Milliarden
von Arbeitsſtunden bodenhungriger Klein-
gärtner und Siedler hervorzauberte, der
der Volksvertretung ſtatt bureaukratiſcher
Berichte mit dem Notſchrei eines hungern-
den Volkes ins Gewiſſen rief, der mit
einem Bruchteil der Baumilliarden die
faulen Hypotheken darbender Kleinrentner
noch rechtzeitig aus dem Sumpf holte und
mit einer großzügigen gemeinnützigen
Bodenankaufspolitik den entwerteten
Grundbeſitzern, den Kleinſiedlern, der ver-
nünftigen Beſiedlung ſtädtiſchen Bodens,
der Ernährung des Volkes, der wachſenden
oder ſchrumpfenden Induſtrie und dem
Staat den größten Dienſt erwieſen hätte?
Wo war der Mann, der nicht nur woh-
nungswirtſchaftlich und bauwirtſchaftlich,
ſondern volkswirtſchaftlich, produktiv, ſo-
zial und barmherzig-menſchlich die Sied-
lungsfrage nicht am Schwanz, ſondern
bei den Hörnern anpackte?
Die Verhandlungen mit Thüringen
abgeſchloſſen
* Berlin, 14. Januar.
Die Verhand-
lungen zwiſchen der Reichsre-
gierung und der thüringiſchen
Staatsregierung ſind nun endgültig
zum Abſchluß gekommen. Das Reich ver-
zichtet auf die Entſendung eines Reichs-
kommiſſars ſowie auf die geplanten Exe-
kutivmaßnahmen.
Dagegen hat die thüringiſche Regierung
gewiſſe Zugeſtändniſſe gemacht, vor allem,
indem ſie ſich verpflichtete, bis zu den
Neuwahlen in Thüringen keine entſchei-
dende Regierungshandlungen mehr vorzu-
nehmen.
Neues aus aller Welt
Die neue Nordpolexpedition
London.
Der gegenwärtig in London weilende
Südpolentdecker Amundſen erklärte ameri-
kaniſchen Preſſevertretern über die von ihm
beabſichtigte Flugexpedition an den Nordpol, daß
er, wenn alles gut gehe, ſchon im Mai
ſtarten wolle, da dieſer Monat das günſtigſte
Wetter für alle Polarunternehmungen bilde. Er
ſehe der Flugreiſe vertrauensvoll entgegen, weil
Spitzbergen über eine vorzügliche Radioſtation
verfüge, welche die Expedition ſtets auf dem
laufenden über die Wetterverhältniſſe halten
werde. Es ſollen vier oder fünf Flugzeuge mit-
genommen werden. Die letzte Expedition im
Jahre 1922 ſei daran geſcheitert, daß man ſie
zu ſpät begonnen habe, und die im Jahre 1923,
weil die Flugapparate verſagten. Amundſen
glaubt, daß ſeine Expedition die 2000 Meilen
von Alaska nach Spitzbergen im Flug-
zeuge in 20—25 Stunden werde zurücklegen
können. Sein Aufenthalt in London bezweckt,
Motore für die Flugzeuge zu kaufen, die ebenſo
ſicher wie auf dem Lande auch im Waſſer und
auf dem Eiſe ſollen landen können. Jedes Flug-
zeug ſoll einen Führer und einen Beobachter
haben. Die mitzuführenden Lebensmittelvorräte
ſollen ſo gering wie möglich bemeſſen werden,
während ſoviel Gaſolin mitgenommen werden
ſoll, wie die Apparate tragen können. Die Ex-
pedition diene wiſſenſchaftlichen Unternehmungen
und Beobachtungen und werde in allen ihren
Teilen gefilmt werden.
Europäiſche Geſpräche
Von
Emil Ludwig
Der ſtärkſte Geiſt, den das Jahrhundert in
Deutſchland erzeugt hat, zugleich der heftigſte
Kritiker Deutſchlands: Nietzſche, hat in ſeinem
Wunſch nach internationaler Geiſtigkeit das Wort
vom Guten Europäer erfunden, das unſere Na-
tionaliſten ärgert, wie es die anderer Länder är-
gern würde. Seit die Liebe zum Vaterlande eine
Tugend wurde, die man wie einen Orden im
Knopfloch trägt, ſeit es Sitte geworden, ſich ſei-
nes Landes vor Fremden möglichſt laut als des
beſten auf dieſer Kugel zu rühmen, ſeit die na-
türlichſten und ſtillſten Inſtinkte plakatiert und
die reinſten und einfachſten Gefühle auf Walzen
gezogen werden, hat unſere Minderheit in allen
Ländern ſchwerſten Stand. Die Götzendämme-
rung wird immer von wenigen vorausgeſpürt,
während die Menge noch taumelt: Nationalität,
der große Fetiſch dieſer Jahrzehnte, wird die in-
tereſſante Ruine des Jahrhunderts ſein; es
kommt der Tag, wo niemand mehr begreift, wa-
rum die Völker eines kleinen Erdteils, längſt
kreuz und quer durch Blut und Geiſt, durch Wa-
ren und Raſſen gemiſcht, einander zu zerſtören
trachteten.
Noch iſt er fern, und der Name jenes ameri-
kaniſchen Idealiſten, der anno 1919 aus einer
ideenhaften Kataſtrophe die vernünftige Löſung
zu ſchaffen ſuchte, wird von den ihm aſſozirerten
Siegern mit Spott, von den Beſiegten mit Haß
von ſeinen eigenen Landsleuten mit der Geſte
genannt, die Bedauern über Verrücktes bedeu-
tet. Das arme, zarte, angſtvoll um ſich blickende
Weſen, das ſich in Genf Europas anzunehmen
ſucht, dieſer erſte wacklige Völkerbund, der neben
Wilſons oder gar Kants und Goethes Viſien
wirkt wie Lilienthals Maſchine neben einer
Rumplertaube: dies rührende Modell einer gro-
ßen Maſchine hat den einſtigen Gedanken vol-
lends lächerlich gemacht, für den heut Politik zu
machen mehr bedeutet, als das Spiel zwiſchen
Mächten, die auf und nieder ſchweben.
„Ich habe“
— ſchrieb Bismarck im Jahre
1876 — „das Wort Europa immer im Munde
derjenigen Politiker gefunden, die von anderen
Mächten etwas verlangten, was ſie im eigenen
Namen nicht zu fordern wagten.“ Dies Wort,
das in den Klauen eines Völkiſchen eine ver-
derbliche Keule werden kann, ſteht in den groß-
artigen Papieren, mit denen die Freiheit dieſer
Republik und der Fleiß dreier Gelehrten das
deutſche Volk vergebens zu beſchenken trachtet.
Wer lieſt dieſe „Große Politik der europäiſchen
Kabinette?“ Wer lieſt überhaupt jene Papiere
und Memoiren, deren wir Deutſche heut mehr
als alle anderen beſitzen? Als ich verſuchte,
einige Stücke der letzten Geſchichte zu dramatiſie-
ren — nicht wie mich einige Bühnen parodieren,
ſondern wie es in den Bühnenbüchern gedruckt
ſteht —, weil dieſer, nur äſthetiſch anfechtbare
Umweg der Nation plaſtiſche Kenntnis ihrer
Hiſtorie vermitteln kann, ſah ich mit Staunen
hochgeiſtige Deutſche vor Stücken unſerer Ge-
ſchichte lächeln, ungläubig, daß dies alles in den
Dokumenten, nicht etwa nur im Kopfe eines
Theater-Hiſtorikers ſtände!
Ein Grund für dieſe Unkenntnis iſt die mon-
archiſtiſche Verbiegung der Preußengeſchichte ge-
weſen, wie man ſie uns reichte; ein anderer,
der alte Weſenszug der Nation: lieber von
Schlachten als von Gedanken in der eigenen Ge-
ſchichte zu leſen. Beides kann man nun refor-
mieren.
Aus ſolchen Rück- und Vorblicken baut ſich
das ungeſchriebene Programm einer Monats-
ſchrift auf, die nicht herzlich genug empfohlen
werden kann. In Hamburg erſcheinen mit dem
Sommer, vom Inſtitut für Auswärtige Politik
ediert, Hefte von je 80 oder 100 Seiten, in de-
nen der Deutſche nichts findet, was ihm die
Zeitung brachte, dennoch vieles, was das politi-
ſche Europa bewegt. Dies Unternehmen, das
den aus ſchöner Proſa gebildeten, forſchend zu-
rückhaltenden Titel „Europäiſche Geſprä-
che“ führt, zuſammengehalten von dem beweg-
lich-zarten, ironiſch-ernſten und ſehr künſtleri-
ſchen Geiſt des Profeſſors A. Mendelsſohn-
Bartholdy, läßt großen Eſſays hiſtoriſch-
politiſcher Natur jeweils die wichtigſten Doku-
mente des Monats folgen, von denen wir ſonſt
nur Auszüge, eilige Schattenriſſe ſahen, fliehend
in der Haſt des Tages.
Hier ſcheint in der Tat einmal jene Syntheſe
des Geiſtes gefunden, die „Bismarck“ ſagen kann,
ohne völkiſch zu erbeben oder demokratiſch zu er-
röten, und ſie ſagt recht oft Bismarck. Ueberall
aber wird die Beziehung des Vergangenen zur
heutigen Kriſe gezeigt und durch Belichtung von
Faſchoda die Warnung für 1923 deutlich. Solchen
parteilos enropäiſchen Eſſays, auch aus aus-
ländiſchen Federn, folgt dann ein Bündel Do-
kumente und ein Korb voll Buchdrucke faſt ſämt-
lich über Dinge, von denen wir nur die Titel
kennen.
Oder wer von uns kennt denn genau den
Stand der Garantiefrage zur Sicherung Frank-
reichs? Wer hat Hardings entſcheidende Rede
über den Beitritt Amerikas zum Haag, wer
Greys bedeutſame Stellung zu Frankreich, wer
die Cheſter-Konzeſſion oder das Weltecho Poin-
caréſcher Reden geleſen: frei von der Nötigung
und Willkür eines telegraphierenden, alſo aus-
wählenden Korreſpondenten, ohne die Suggeſtion
der großen und kleinen Type des Meiteurs (der
auch Politik macht)?
Und daran reiht ſich zu höchſter Anregung,
Kritik und Bibliographie auslandiſcher Bücher,
ſomit ein Medium zwiſchen uns und den ande-
ren, Zeittafel und Ueberſicht: eine Fülle von Re-
giſtern, auf denen man das Europäiſche Konzert
zu ſpielen trachtet.
Und was, bei den Göttern! wollt ihr ſonſt
ſpielen? Lauter Soli in einem Saal, jeder nach
ſeinem Tempo, Sinn und Geſchmack? Iſt nicht
Europa wirklich „unſer natürlicher Himmels-
ſtrich, das Horoſkop unſeres Volksſchickſals“? Und
kann der Schwache törichter ſein, als im edlen
Trotze, „da wir ja doch in der Welt allein ſte-
hen, ſich nur noch auf ſich ſelbſt ſtellen“? Von
tauſend Orten hat ſich das gewaltſam zerriſſene
Netz wieder angeſponnen, nie war die Epoche
allen Freunden der Neuordnung günſtiger als
heut, wo — hinter der Phraſe dies- und jen-
ſeits des Rheines — Millionen räſonnabler
Köpfe Ausſprache und Ausgleich ſuchen.
Der allruſſiſche Gelehrten-Kongreß.
Ende Novem-
ber fand in Moskau der erſte allruſſiſche Kongreß
der wiſſenſchaftlichen Arbeiter ſtatt. Ruſſiſche Ge-
lehrte verſchiedener politiſcher Geſinnung nahmen teil.
Ungeachtet deſſen haben die Teilnehmer einſtimmig
beſchloſſen, die Notwendigkeit einer Zuſammenarbeit
mit der Sowjetregierung, die alles Mögliche für die
Beſſerung der pekuntären und rechtlichen Lage der
Gelehrten aufbietet, anzuerkennen. Ueber 100 Uni-
verſitätsprofeſſoren von hohem Ruf in Rußland traten
zuſammen. Sie kamen als Vertreter von 8800 Wiſſen-
ſchaftlern. Man erörterte die beruflichen Intereſſen
der wiſſenſchaftlichen Arbeiter, es wurden konkrete
Vorſchläge für die wiſſenſchaftliche und kulturelle
Arbeit gemacht. In beſonders ſchweren Verhältniſſen
leben die Wiſſenſchaftler in der Provinz, wo die Ver-
dienſtmöglichkeiten viel geringer ſind als in den Uni-
verſitätsſtädten. Die anweſenden Vertreter der Sow-
jetregierung ſprachen über die bevorſtehende Arbeit, in
der die Organe der Regierung mit den Vertretern der
ruſſiſchen Intelligenz zuſammenarbeiten werden. Die
Mitglieder der ruſſiſchen Akademie der Wiſſenſchaften
Oldenburg, Marr, Fersman u. a. beſtätigten den An-
bruch einer neuen Aera in den Beziehungen zwiſchen
der ruſſiſchen Arbeiterklaſſe und der ruſſiſchen Intelli-
genz. Die geſamte Sowjetpreſſe begrüßt den Kongreß
der ruſſiſchen Wiſſenſchaftler und ſpricht in ſehr herz-
lichen Worten über die Verdienſte der ruſiſchen Ge-
lehrten vor dem ruſſiſchen Volk und über die Not-
wendigkeit, die materielle und rechtliche Lage der ruſ-
ſiſchen Gelehrten zu beſſern, um ſie auf eine Höhe zu
bringen, die ſie durch ihre Treue zur Wiſſenſchaft und
zur ruſſiſchen Kultur verdient haben.
70 Jahre „Bazar“.
Unſer älteſtes deutſches
Modenblatt „Der Bazar“ tritt in das neue Jahr
mit dem Schmucke einer beſonderen Jubiläums-
beilage, die in Wort und Bild die Zeit ſeines
nunmehr 70jährigen Erlebens und Schaffens auf
dem Gebiete unſerer Frauenmode wiedergibt. Es
iſt ein allerliebſter Spiegel der äußeren Er-
ſcheinung unſerer lieben Frauen, von jenen Ta-
gen an, in denen die damals „ſchönſte Frau der
Erde“, die Kaiſerin Eugenie von Frankreich,
das Modenzepter ſchwang bis zur allerletzten
Mode von heute, ein Bild des wechſelnden Ge-
ſchmackes, das ſeine eigenen Reize hat. Wie
hoch die gutbürgerliche Damenwelt ihren „Ba-
zar“ in ſeinem Werte einſchätzt, zeigt ſich nicht
nur in ſeiner großen Verbreitung in Deutſch-
land, ſondern auch darin, daß er außer in deut-
ſcher noch in fünf fremden Sprachen erſcheint.
Das Schillergartenhaus in Jena.
Das Uni-
verſitätsamt in Jena beabſichtigt, das Schiller-
gartenhaus, das der Dichter 1795 käuflich erwor-
ben und bis zu ſeiner Ueberſiedlung nach Wei-
mar während der Sommerhalbjahre mit den
Seinen bewohnt hat, zu einer würdigen Ge-
dächtnisſtätte auszugeſtalten. In dem Hauſe und
dem dazugehörigen Garten hat Schiller den Wal-
lenſtein, Maria Stuart, Die Glocke und faſt alle
Balladen niedergeſchrieben und oft mit Goethe
verkehrt. Von dieſem rührt eine erſte Anregung
zu dem jetzt verfolgten Plan her. Von ſeiten der
Jenaer Bürgerſchaft ſind bereits eine Anzahl An-
denken der klaſſiſchen Zeit zu dem Zwecke zur
Verfügung geſtellt worden. Der Plan der Je-
naer Univerſitätsbehörde iſt zu begrüßen, denn
Jena iſt reich an klaſſiſchen Erinnerungen.
Danzig, Danzig über alles!
Für eine Danzi-
ger Nationalhymne wurde ein Preis ausgeſetzt,
über deſſen Verleihung eine Kommiſſion, aus
Vertretern der Kunſt und Wiſſenſchaft und der
Regierung des Freiſtaates Danzig beſtehend, be-
ſchließen wird.
Kleine Nachrichten
Auswärts
Die diesjährige Goethe-Tagung.
Auf der wie
üblich in der Woche nach Pfingſten ſtattfindenden
Generalverſammlung der Goethe-Geſellſchaft in
Weimar wird Profeſſor Eduard Spranger von
der Berliner Univerſität den Feſtvortrag halten.
Sein Thema lautet: „Goethe und die Metamor-
phoſe des Menſchen“. Die diesjährige Jahresgabe
der Geſellſchaft wird eine Fakſimile-Wiedergabe
von Goethe-Handſchriften bringen, von Briefen
und Gedichten an Charlotte von Stein. Ende
Auguſt ſoll das Jahrbuch 1923/24 erſchemen.
England intereſſiert ſich für ruſſiſche Muſeen.
In
Petersburg iſt eine Gruppe Profeſſoren der Cambrid-
ger Univerſität und Londoner Muſe eingetroffen, die
die Verhältniſſe der ruſſiſchen Hochſchule und die
Reichtümer der ruſſiſchen Muſeen ſtudieren wollen.
Die engliſchen Gelehrten haben ihr beſonderes Inter-
eſſe den ſeltenen etnographiſchen Sammlungen, die
aus Indien und von den Inſeln des Indiſchen Ozeans
gebracht worden ſind, gewidmet.
Die Hauptverſammlung der Deutſchen Shakeſpeare-
Geſellſchaft.
Die Deutſche Shakeſpeare-Geſellſchaft
hält ihre diesjährige Hauptverſammlung am 23. April,
dem Geburtstage des Dichters, im Großen Armbruſt-
ſaale in Weimar ab. Den Feſtvortrag über die
Bacon-Frage, zu der die Geſellſchaft offiziell Stellung
nehmen wird, hat Profeſſor Emil Wolff, Dozent an
der Hamburger Univerſität, übernommen. Als Feſt-
vorſtellung im Deutſchen Nationaltheater iſt Shake-
ſpeares „Macbeth“ in der Bearbeitung von Karl Rothe
in Leipzig in Ausſicht genommen. Wann das Jahr-
buch erſcheinen wird, iſt noch nicht beſtimmt feſtgeſetzt
worden.
Bayreuth.
Die in letzter Zeit verſchiedentlich
aufgetauchten Zweifel an dem Zuſtandekommen
der Feſtſpiele 1924 ſind unbegründet.
Wegen Erreichung der Altersgrenze wer-
den zum Schluſſe des Semeſters folgende ordent-
lichen Profeſſoren in Freiburg in den Ruheſtand
treten: Dr. Karl Julius Mayer (Moral und
Enzyklopädie der theoſ. Wiſſenſchaft). Dr. Ernſt
Fabricius (Alte Geſchichte). Dr. Georg von
Below (Mittlere und Neuere Geſchichte) und
Dr. Heinrich Finke (Mittlere und Neuere Ge-
ſchichte). Es wird ſchwer ſein, die empfindlichen
Verluſte, die das Ausſcheiden dieſer hervorragen-
den Gelehrten für die Freiburger Univerſität be-
deuten, wieder auszugleichen.
München
Dienstag, den 15. Januar: „Muſeum“ (8): Erſter
Abend für den Mittelſtand: Konzert. Ausfü-
rende: Philippine Landshoff (Sopran), Dr. L.
Landshoff und Prof. Wolfgang Ruoff (Klavier), das
Münchener Bläſerquintett (Kaleve, Uf-
ſinger, Wagner, Nöth, Baumeiſter). Programm:
K. Ph. Em. Bach, Sonate A-moll für Flöte allein.
Mozart, Klavierſonate Es-Dur. Joh. Chr. Bach,
Arie mit obligater Flöte, Konzertſzene mit obligater
Oboe. Mozart, Bläſerquintett.
Heute Montag, 14. Januar: Bayer.
Hof (7½ Uhr) Liederabend W. v. Geuns.
Odeon (7½ Uhr): 5. Abonnementskonzert,
Leitung H. Knappertsbuſch.
Die für den 17. bis 18. Januar angekündigten
Abende des Stuttgarter Streichquar-
tetts müſſen infolge dienſtlicher Verhinderung
des Quartetts auf Ende Januar verſchoben wer-
den. Die neuen Daten werden baldigſt bekannt-
gegeben.
Der Münchener Tonkünſtler-Verein gibt Den-
nerstag, den 17. Januar, abends 7½ Uhr, im
Herkulesſaal der Reſidenz ein Schülerkonzert.
Programm: Schumann: Novelette op. 21
Nr. 8, fis-moll; Haydn: Recitative und Arie der
Hanna aus den „Vier Jahreszeiten“; Joſef
Haas: Hausmärchen op. 35 G-dur, H-moll, F-
dur; Beethoven: Romanze F-dur op. 50; Reger:
vier Klavierſtücke; Brahms: vier Lieder für
Mezzo-Sopran; Rameau: Gavotte und Variatio-
nen A-Moll; Chopin: Nocturne op. 9 Nr. 1 B-
moll; Leſchetitzky: Toccata op. 46 Nr. 3 D-moll;
Chopin: Fantaſie F-moll op. 49.
Karten bei Schmid und Halbreiter.
Moderne Galerie Thannhauſer.
Im Graphi-
ſchen Kabinett wurden neu ausgeſtellt Zeichnun-
gen von Werner Schmidt, München, Buch-
illuſtrationen zu Goethes „Herrmann und Do-
rothea“ (Drei-Masken-Verlag), „Gottfr. v. Ber-
lichingen“ (Inſel-Verlag), „Balzac Las Maranas“
(Verlag der Münchener Drucke), „Zauberflöte“
(Verlag Müller) und Gobineau „Gamber Ali“.
Nationaltheater.
Wegen eines Unfalls des
Herrn Ulmer wird heute Montag an Stelle von
„Florian Geyer“ „Minna von Barnhelm“
gegeben. Die im öffentl. Verkauf gelöſten Ein-
trittskarten bleiben gültig oder können bis ſpä-
teſtens Vorſtellungsbeginn an der Kaſſe der
Staatstheater zurückgegeben werden.
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(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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