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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 14. Januar 1929.

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10
Pfennig


Nr. 11
AZ am Abend
[Spaltenumbruch]
8-Uhr-Abendblatt
Allgemeine Zeitung
132. Jahrgang
[Spaltenumbruch] München
Montag
14. Januar 1929
Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien-
Gesellschaft, München, Baaderstraße 1a.
/ Redaktion: München,
Baaderstr. 1a. / Telephon 25 784, 28 784 und 297 319 / Postscheckkonto
München 9870 / Verantwortlich für den gesamten Inhalt
Dr. Rolf Flügel. Für Anzeigen M. Girisch, sämtliche in München
[Abbildung]
Die "A Z" erscheint an jed. Wochentag u. kostet im Einzelverkauf 10 Pfg., im
Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2. - monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl.,
außerhalb Münchens u. durch d. Post M. 2.40 monatl. / Für D. Oesterr. beträgt
der Einzelpreis 20 Grosch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl. / Anzeigen-
preis:
Die neunspaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80


[Spaltenumbruch]
Das Schicksal der Reparationen
Morgan sichert neue Anleihe

Obligationen im Wert von 2 Milliarden Mark auf dem amerikanischen Markt


Der Neuyorker Korrespondent der "Daily News" schreibt:
Die Ernennung Piermont Morgans zum amerikanischen Reparationssachverständigen
wird die unbegründelen Gerüchte zerstreuen, daß Kellogg ein Veto gegen die Flüssig-
machung einer deutschen Anleihe im Amerika einlegen werde.

Man glaubt jetzt, daß eine erhebliche Ausgabe von Reparationsobligationen einen
wesentlichen Teil des neuen Planes bilden wird, der von den Sachverständigen in
Paris aufgestellt werden soll. Der Korrespondent sagt, man rechne damit, daß Ob-
ligationen im Wert von 2 Milliarden Mark auf den amerikani-
schen Markt
gelangen würden und daß der Erfolg gesichert sei, wenn Morgan hin-
ter der Sache stehe.

[Spaltenumbruch]
Japan im Nachteil

Die neue Lage in China


"Times" meldet aus
Tokio: Die Japaner glauben nicht, daß Yang-
jutings Tod unmittelbar zu Schwierigleiten in
der Mandschurei führen wird, sind sich aber klar
darüber, daß die Lage sich zu Japans Nachteil
verändern wird. Als wirklicher Urheber der Er-
schießung Yangjutings wird der Gouverneur von
Kirin, Tschangtsotscheng, betrachtet, der ständig
gegen den japanischen Plan des Baues einer
Verbindungslinie zwischen dem koreanischen und
dem mandschurischen Eisenbahnsystem gearbeitet
hat.



Die Soldaten
im Streikgebiet

Vermiedene Zwischenfälle


"Petit Journal" berichtet,
im Innenministerium habe man gestern zur
Streiklage im Bergwerksgebiet von Alais er-
klärt, daß die Truppen ihre Pflicht getan hätten.
Sämtliche Posten seien allerdings durch Gendar-
men verstärkt, aber jedwede Fühlungnahme mit
den Streikenden sei vermieden worden. Ledig-
lich die Offiziere bzw. Unteroffiziere hätten mit
streikenden Arbeitern gesprochen.

Der einzige Zwischenfall habe sich am Donners-
tag ereignet, als ein kleiner Posten in Stärke
von zehn Mann sich zurückgezogen habe, um
eine Fühlungnahme zu vermeiden, woraufhin die
Streikenden in zwei Schächte eingedrungen seien.



Völlig vereist
Einstellung der Mainschiffahrt
in Bamberg

Infolge des starken
Frostes mußte der Schiffsbetrieb im Bamberger
Hafen eingestellt werden. Ein Kettenschlepper
mit drei großen Lastschiffen erreichte den Hafen
noch kurz vor der Vereisung der Vierether
Schleuse.



Der Arktisflug des "Graf Zeppelin"
Die Luftschiffbasis in Nome
[Spaltenumbruch]

Mit dem "Columbus"
schifft sich am 14. Januar Herr Bruns, der
Generalsekretär der Internationalen Gesellschaft
zur Erforschung der Arktis mit Luftfahrzeugen
nach Neuyork ein. Er trifft sich dort mit Prof.
Frithjof Nansen, der bereits von Göteborg

[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]

nach Amerika abgereist ist. Sie werden in
Washington mit dem Marinedepartement der
I. S. A. und der dortigen Landesgruppe der
Aero-Arctis verhandeln wegen der
Errichtung einer Lufzschiffbasis in Nome,
bestehend aus einem niedrigen Ankermast
neuester amerikanischer Konstruktion und einem
Trag- und Triebgaslager für den dort nach
Ueberquerung des Polargebietes landenden
"Graf Zeppelin".

Kurz vor der Abreise wurden in Friedrichshafen
zwischen Dr. Eckener und Herrn Bruns die
technischen Einzelheiten über Luftschiffbasis ein-
gehend erörtert. Seinen Aufenthalt in U. S. A.
benutzt Professor Nansen zu einer Reihe von
Vorträgen. Außerdem werden die bereits ein-
geleiteten Verhandlungen wegen des Verkaufes
des Presse-, Bild- und Filmmonopols von Herrn
Bruns zum Abschluß gebracht. Zum ersten
Male wird der Bildfunk zur Uebermittlung der
vom Luftschiff gewonnenen Eindrücke Verwen-
dung finden.

[Spaltenumbruch]


Der Wettersturz
Durch Glatteis 20 Autos demoliert

Personen verletzt * Schwerer Unfall in Stuttgart

[Spaltenumbruch]

Auf der Chaussee, die
von Berlin nach Potsdam führt, sind am Sonn-
tag nachmittag, als dem Tauwetter vom Vor-
mittag ein plötzlicher Frost folgte, katastrophale
Zustände eingetreten. Es bildete sich Glatteis,
auf dem weder Fuhrwerke noch Autos fahren
konnten. Mehrere Kraftfahrzeuge fuhren an
Bäume und wurden demoliert. Etwa zwan-
zig Wagen waren ineinander ge-
fahren und bildeten ein fast unlös-
bares Chaos
.

Ein Autobus, dessen Chauffeur die Passagiere
aufgefordert hatte, auszusteigen, da er nicht
weiterfahren könne, wurde gleich darauf von
[Spaltenumbruch] einem Privatkraftwagen mit solcher Wucht an-
gefahren, daß die hintere Plattform abriß.
Mehrere Personen trugen leichtere Verletzungen
davon.



Gestern nach-
mittag geriet durch Glatteis auf der Alten
Weinsteige das Automobil eines Ingenieurs ins
Schleudern. Der Wagen fuhr auf den Bürger-
steig und verletzte acht Personen. Ein 17 Jahre
altes Mädchen trug einen Schädelbruch davon.
Von den übrigen Personen erlitten zwei
Knochenbrüche, eine andere eine Gehirnerschütte-
rung, die übrigen Hautabschürfungen.



Erfolgreiche Kellerkontrollen bei Winzern

In vino veritas? * Der geleugnete zweite Weinkeller

[Spaltenumbruch]

In einer Landtagsanfrage war darauf
hingewiesen worden, daß im pfälzischen
Finanzamtsbezirk Bergzabern bei einer
Reihe von Winzern Kellerkontrollen vorge-
nommen wurden, und das Finanzministe-
rium war aufgefordert worden, beim Lan-

[Spaltenumbruch]

desfinanzamt dafür einzutreten, daß die auf
Grund dieser Kontrollen anhängigen Ver-
fahren sofort eingestellt werden und daß von
einer Bestrafung der Winzer abgesehen
wird.

In der Antwort des Finanzministeriums
wird u. a. festgestellt: "Bei einigen Steuer-
pflichtigen waren die Erklärungen so
augenfällig unrichtig und der-
art abweichend
von den Gutachten der
Gemeindevertreter und der Sachverständi-
gen, daß der dringende Verdacht einer ver-
suchten Steuerhinterziehung vorlag, und
eine nähere Nachprüfung der Weinbestände
an Ort und Stelle unerläßlich war. Da-
bei wurden in 15 Fällen ganz erhebliche
Unterschiede zwischen den Angaben der
Pflichtigen und den wirklichen Erntemengen
festgestellt. Ein Pflichtiger hatte sogar das
Vorhandensein eines weiteren Weinkellers
abzuleugnen versucht, in dem nachträglich
3000 Liter Wein der Ernte 1928 festgestellt
wurden.

In neun Fällen ist das gebotene Straf-
verfahren sogleich dadurch erledigt worden,
daß sich die Beschuldigten der Bestrafung
unterworfen haben. In sechs Fällen ist das
Strafverfahren noch im Gange.



Wetterbericht

Weitere Schneefälle, kein Tauwetter; winter-
liche Witterung noch längere Zeit anhaltend.

[Spaltenumbruch]
Weltpolitik
und Reparationen

II.

Die Weltpolitik wird heute von dem britisch-
amerikanischen Gegensatz beherrscht. Es handelt
sich darum, wer die vorherrschende Weltmacht
sein soll. Mit dem Grundsatz der "offenen
Tür", d. h. der ökonomischen Entwertung aller
kolonialen Monopolgebiete durch gleichberechtigte
Mitbeteiligung des amerikanischen Kapitals (siehe
die Beteiligung des amerikanischen Kapitals an
der Ausbeute der Petroleumgebiete im Irak!)
suchen die Vereinigten Staaten das englische
Weltreich zu unterhöhlen. Die politische Ober-
hoheit Englands über seine Kolonien und Kron-
länder droht zur Fiktion zu werden. Das Ueber-
gewicht des amerikanischen Kapitals würde sich
vollständig geltend machen wie in Kanada.

England besitzt durch seine maritimen Stütz-
punkte ein bedeutendes Uebergewicht zur See,
das durch das sogenannte Washingtoner Ab-
kommen gebrochen werden sollte. Amerika for-
derte eine Einschränkung aller Kreuzerbauten,
England nur derjenigen über 8000 Tonnen und
mit einer Bestückung von Kanonen mit einem
Kaliber über 6 Zoll. Der tiefere Sinn dieses
Konfliktes ist der: England braucht für den
Kriegsfall kleinere, billigere Kriegsschiffe, die es
aus seiner riesigen Handelsflotte bewaffnen und
mit einem kleineren Aktionsradius zwischen sei-
nen Flottenstützpunkten operieren lassen kann.
Amerika braucht große Kreuzer mit bedeutendem
Aktionsradius, weil es wenig Flottenbasen hat.
Um Frankreich zu gewinnen, mußte England sich
mit dem unbeschränkten Bau von U-Booten über
600 Tonnen und damit abfinden, daß die aus-
gebildeten französischen Armeereserven nicht in
die Heeresstärke Frankreichs eingerechnet werden
dürfen.

Darin liegt die weltpolitische Bedeutung der
neuen englisch-französischen Entente, mit der wohl
einstweilen als einem ernsthaften politischen
Machtfaktor zu rechnen ist. Der britisch-fran-
zösische Gegensatz in der Reparationsfrage, der
vor allem während des Ruhrkrieges in Erschei-
nung getreten ist, ist in den Hintergrund gerückt.

Die französische Valuta konnte ohne Aufnahme
neuer amerikanischer Anleihen stabilisiert wer-
den, was die Position Frankreichs gegenüber den
Vereinigten Staaten bedeutend stärkte und die
Sabotage der Ratifizierung des Schuldenabkom-
mens wirtschaftlich erleichterte. Die internatio-
nale Kohlenkrise hat die französische Wirtschaft
von der Ruhrkohle, die man im Ruhrkrieg zu
unterwerfen hoffte, unabhängiger gemacht, so
daß einem wirtschaftlich gewachsenen Deutschland
ein stärker gewordenes Frankreich gegenübersteht.

In der deutschen Schwerindustrie und in der
Chemie, neuerdings auch auf dem Kapitalmarkt,
hat sich das französische Kapital einen gewissen
Einfluß zu sichern gewußt, wenn es auch in der
Eisenindustrie keine Hegemonie zu erlangen ver-
mochte. Die "Information Financiere" vom
21. September 1928 behauptet sogar, daß der
deutsche Geldmarkt heute in viel stärkerem Maße
von Frankreich abhänge, wie von irgendeinem
anderen ausländischem Finanzzentrum. Frank-
reich habe sehr bedeutende Posten von deutschen
Anleihen und Goldbons angekauft, die in Amerika
emittiert wurden ...

Deutschland hat in den letzten Jahren seine
Eisenindustrie unabhängig von Frankreich auf-
gebaut und ist im internationalen Stahlkartell
führend. Es hat seine Wirtschaft mit amerikani-
schem Kapital wieder aufgebaut und befindet sich
daher auch politisch mit den Vereinigten Staaten
in engstem Konnex. Es ist so erstarkt, daß es
sich schon wieder kolonialpolitisch betätigen kann,
ohne direkt über Kolonien zu verfügen. Zwei
ehemalige deutsche Kolonialgesellschaften haben
sich mit holländischen Kapitalisten zur Betätigung
in Surinam, Holländisch-Indien zusammengetan.
In Persien ist es deutschen Unternehmern ge-
lungen, Eisenbahnarbeiten im Betrage von
60 Millionen Mark zu übernehmen. In Kolum-
bien hat eine deutsche Gesellschaft gegen vier an-
dere Konkurrenten den Bau einer 99 Kilometer
langen Bahn übertragen erhalten. Die deutschen
Elektrizitätswerke haben sich am Bau der Gas-
und Elektrizitätswerke in Angora, Amsterdam be-
teiligt. Die deutsche chemische und Kunstseiden-
industrle hat sich ebenfalls an verschiedenen aus-
ländischen Unternehmen beteiligt.

Das alles bedeutet natürlich eine gewisse


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10
Pfennig


Nr. 11
AZ am Abend
[Spaltenumbruch]
8-Uhr-Abendblatt
Allgemeine Zeitung
132. Jahrgang
[Spaltenumbruch] München
Montag
14. Januar 1929
Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien-
Geſellſchaft, München, Baaderſtraße 1a.
/ Redaktion: München,
Baaderſtr. 1a. / Telephon 25 784, 28 784 und 297 319 / Poſtſcheckkonto
München 9870 / Verantwortlich für den geſamten Inhalt
Dr. Rolf Flügel. Für Anzeigen M. Giriſch, ſämtliche in München
[Abbildung]
Die „A Z“ erſcheint an jed. Wochentag u. koſtet im Einzelverkauf 10 Pfg., im
Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2. - monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl.,
außerhalb Münchens u. durch d. Poſt M. 2.40 monatl. / Für D. Oeſterr. beträgt
der Einzelpreis 20 Groſch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl. / Anzeigen-
preis:
Die neunſpaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80


[Spaltenumbruch]
Das Schicksal der Reparationen
Morgan ſichert neue Anleihe

Obligationen im Wert von 2 Milliarden Mark auf dem amerikaniſchen Markt


Der Neuyorker Korreſpondent der „Daily News“ ſchreibt:
Die Ernennung Piermont Morgans zum amerikaniſchen Reparationsſachverſtändigen
wird die unbegründelen Gerüchte zerſtreuen, daß Kellogg ein Veto gegen die Flüſſig-
machung einer deutſchen Anleihe im Amerika einlegen werde.

Man glaubt jetzt, daß eine erhebliche Ausgabe von Reparationsobligationen einen
weſentlichen Teil des neuen Planes bilden wird, der von den Sachverſtändigen in
Paris aufgeſtellt werden ſoll. Der Korreſpondent ſagt, man rechne damit, daß Ob-
ligationen im Wert von 2 Milliarden Mark auf den amerikani-
ſchen Markt
gelangen würden und daß der Erfolg geſichert ſei, wenn Morgan hin-
ter der Sache ſtehe.

[Spaltenumbruch]
Japan im Nachteil

Die neue Lage in China


„Times“ meldet aus
Tokio: Die Japaner glauben nicht, daß Yang-
jutings Tod unmittelbar zu Schwierigleiten in
der Mandſchurei führen wird, ſind ſich aber klar
darüber, daß die Lage ſich zu Japans Nachteil
verändern wird. Als wirklicher Urheber der Er-
ſchießung Yangjutings wird der Gouverneur von
Kirin, Tſchangtſotſcheng, betrachtet, der ſtändig
gegen den japaniſchen Plan des Baues einer
Verbindungslinie zwiſchen dem koreaniſchen und
dem mandſchuriſchen Eiſenbahnſyſtem gearbeitet
hat.



Die Soldaten
im Streikgebiet

Vermiedene Zwiſchenfälle


„Petit Journal“ berichtet,
im Innenminiſterium habe man geſtern zur
Streiklage im Bergwerksgebiet von Alais er-
klärt, daß die Truppen ihre Pflicht getan hätten.
Sämtliche Poſten ſeien allerdings durch Gendar-
men verſtärkt, aber jedwede Fühlungnahme mit
den Streikenden ſei vermieden worden. Ledig-
lich die Offiziere bzw. Unteroffiziere hätten mit
ſtreikenden Arbeitern geſprochen.

Der einzige Zwiſchenfall habe ſich am Donners-
tag ereignet, als ein kleiner Poſten in Stärke
von zehn Mann ſich zurückgezogen habe, um
eine Fühlungnahme zu vermeiden, woraufhin die
Streikenden in zwei Schächte eingedrungen ſeien.



Völlig vereiſt
Einſtellung der Mainſchiffahrt
in Bamberg

Infolge des ſtarken
Froſtes mußte der Schiffsbetrieb im Bamberger
Hafen eingeſtellt werden. Ein Kettenſchlepper
mit drei großen Laſtſchiffen erreichte den Hafen
noch kurz vor der Vereiſung der Vierether
Schleuſe.



Der Arktisflug des „Graf Zeppelin“
Die Luftſchiffbaſis in Nome
[Spaltenumbruch]

Mit dem „Columbus“
ſchifft ſich am 14. Januar Herr Bruns, der
Generalſekretär der Internationalen Geſellſchaft
zur Erforſchung der Arktis mit Luftfahrzeugen
nach Neuyork ein. Er trifft ſich dort mit Prof.
Frithjof Nanſen, der bereits von Göteborg

[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]

nach Amerika abgereiſt iſt. Sie werden in
Waſhington mit dem Marinedepartement der
I. S. A. und der dortigen Landesgruppe der
Aero-Arctis verhandeln wegen der
Errichtung einer Lufzſchiffbaſis in Nome,
beſtehend aus einem niedrigen Ankermaſt
neueſter amerikaniſcher Konſtruktion und einem
Trag- und Triebgaslager für den dort nach
Ueberquerung des Polargebietes landenden
„Graf Zeppelin“.

Kurz vor der Abreiſe wurden in Friedrichshafen
zwiſchen Dr. Eckener und Herrn Bruns die
techniſchen Einzelheiten über Luftſchiffbaſis ein-
gehend erörtert. Seinen Aufenthalt in U. S. A.
benutzt Profeſſor Nanſen zu einer Reihe von
Vorträgen. Außerdem werden die bereits ein-
geleiteten Verhandlungen wegen des Verkaufes
des Preſſe-, Bild- und Filmmonopols von Herrn
Bruns zum Abſchluß gebracht. Zum erſten
Male wird der Bildfunk zur Uebermittlung der
vom Luftſchiff gewonnenen Eindrücke Verwen-
dung finden.

[Spaltenumbruch]


Der Wettersturz
Durch Glatteis 20 Autos demoliert

Perſonen verletzt * Schwerer Unfall in Stuttgart

[Spaltenumbruch]

Auf der Chauſſee, die
von Berlin nach Potsdam führt, ſind am Sonn-
tag nachmittag, als dem Tauwetter vom Vor-
mittag ein plötzlicher Froſt folgte, kataſtrophale
Zuſtände eingetreten. Es bildete ſich Glatteis,
auf dem weder Fuhrwerke noch Autos fahren
konnten. Mehrere Kraftfahrzeuge fuhren an
Bäume und wurden demoliert. Etwa zwan-
zig Wagen waren ineinander ge-
fahren und bildeten ein faſt unlös-
bares Chaos
.

Ein Autobus, deſſen Chauffeur die Paſſagiere
aufgefordert hatte, auszuſteigen, da er nicht
weiterfahren könne, wurde gleich darauf von
[Spaltenumbruch] einem Privatkraftwagen mit ſolcher Wucht an-
gefahren, daß die hintere Plattform abriß.
Mehrere Perſonen trugen leichtere Verletzungen
davon.



Geſtern nach-
mittag geriet durch Glatteis auf der Alten
Weinſteige das Automobil eines Ingenieurs ins
Schleudern. Der Wagen fuhr auf den Bürger-
ſteig und verletzte acht Perſonen. Ein 17 Jahre
altes Mädchen trug einen Schädelbruch davon.
Von den übrigen Perſonen erlitten zwei
Knochenbrüche, eine andere eine Gehirnerſchütte-
rung, die übrigen Hautabſchürfungen.



Erfolgreiche Kellerkontrollen bei Winzern

In vino veritas? * Der geleugnete zweite Weinkeller

[Spaltenumbruch]

In einer Landtagsanfrage war darauf
hingewieſen worden, daß im pfälziſchen
Finanzamtsbezirk Bergzabern bei einer
Reihe von Winzern Kellerkontrollen vorge-
nommen wurden, und das Finanzminiſte-
rium war aufgefordert worden, beim Lan-

[Spaltenumbruch]

desfinanzamt dafür einzutreten, daß die auf
Grund dieſer Kontrollen anhängigen Ver-
fahren ſofort eingeſtellt werden und daß von
einer Beſtrafung der Winzer abgeſehen
wird.

In der Antwort des Finanzminiſteriums
wird u. a. feſtgeſtellt: „Bei einigen Steuer-
pflichtigen waren die Erklärungen ſo
augenfällig unrichtig und der-
art abweichend
von den Gutachten der
Gemeindevertreter und der Sachverſtändi-
gen, daß der dringende Verdacht einer ver-
ſuchten Steuerhinterziehung vorlag, und
eine nähere Nachprüfung der Weinbeſtände
an Ort und Stelle unerläßlich war. Da-
bei wurden in 15 Fällen ganz erhebliche
Unterſchiede zwiſchen den Angaben der
Pflichtigen und den wirklichen Erntemengen
feſtgeſtellt. Ein Pflichtiger hatte ſogar das
Vorhandenſein eines weiteren Weinkellers
abzuleugnen verſucht, in dem nachträglich
3000 Liter Wein der Ernte 1928 feſtgeſtellt
wurden.

In neun Fällen iſt das gebotene Straf-
verfahren ſogleich dadurch erledigt worden,
daß ſich die Beſchuldigten der Beſtrafung
unterworfen haben. In ſechs Fällen iſt das
Strafverfahren noch im Gange.



Wetterbericht

Weitere Schneefälle, kein Tauwetter; winter-
liche Witterung noch längere Zeit anhaltend.

[Spaltenumbruch]
Weltpolitik
und Reparationen

II.

Die Weltpolitik wird heute von dem britiſch-
amerikaniſchen Gegenſatz beherrſcht. Es handelt
ſich darum, wer die vorherrſchende Weltmacht
ſein ſoll. Mit dem Grundſatz der „offenen
Tür“, d. h. der ökonomiſchen Entwertung aller
kolonialen Monopolgebiete durch gleichberechtigte
Mitbeteiligung des amerikaniſchen Kapitals (ſiehe
die Beteiligung des amerikaniſchen Kapitals an
der Ausbeute der Petroleumgebiete im Irak!)
ſuchen die Vereinigten Staaten das engliſche
Weltreich zu unterhöhlen. Die politiſche Ober-
hoheit Englands über ſeine Kolonien und Kron-
länder droht zur Fiktion zu werden. Das Ueber-
gewicht des amerikaniſchen Kapitals würde ſich
vollſtändig geltend machen wie in Kanada.

England beſitzt durch ſeine maritimen Stütz-
punkte ein bedeutendes Uebergewicht zur See,
das durch das ſogenannte Waſhingtoner Ab-
kommen gebrochen werden ſollte. Amerika for-
derte eine Einſchränkung aller Kreuzerbauten,
England nur derjenigen über 8000 Tonnen und
mit einer Beſtückung von Kanonen mit einem
Kaliber über 6 Zoll. Der tiefere Sinn dieſes
Konfliktes iſt der: England braucht für den
Kriegsfall kleinere, billigere Kriegsſchiffe, die es
aus ſeiner rieſigen Handelsflotte bewaffnen und
mit einem kleineren Aktionsradius zwiſchen ſei-
nen Flottenſtützpunkten operieren laſſen kann.
Amerika braucht große Kreuzer mit bedeutendem
Aktionsradius, weil es wenig Flottenbaſen hat.
Um Frankreich zu gewinnen, mußte England ſich
mit dem unbeſchränkten Bau von U-Booten über
600 Tonnen und damit abfinden, daß die aus-
gebildeten franzöſiſchen Armeereſerven nicht in
die Heeresſtärke Frankreichs eingerechnet werden
dürfen.

Darin liegt die weltpolitiſche Bedeutung der
neuen engliſch-franzöſiſchen Entente, mit der wohl
einſtweilen als einem ernſthaften politiſchen
Machtfaktor zu rechnen iſt. Der britiſch-fran-
zöſiſche Gegenſatz in der Reparationsfrage, der
vor allem während des Ruhrkrieges in Erſchei-
nung getreten iſt, iſt in den Hintergrund gerückt.

Die franzöſiſche Valuta konnte ohne Aufnahme
neuer amerikaniſcher Anleihen ſtabiliſiert wer-
den, was die Poſition Frankreichs gegenüber den
Vereinigten Staaten bedeutend ſtärkte und die
Sabotage der Ratifizierung des Schuldenabkom-
mens wirtſchaftlich erleichterte. Die internatio-
nale Kohlenkriſe hat die franzöſiſche Wirtſchaft
von der Ruhrkohle, die man im Ruhrkrieg zu
unterwerfen hoffte, unabhängiger gemacht, ſo
daß einem wirtſchaftlich gewachſenen Deutſchland
ein ſtärker gewordenes Frankreich gegenüberſteht.

In der deutſchen Schwerinduſtrie und in der
Chemie, neuerdings auch auf dem Kapitalmarkt,
hat ſich das franzöſiſche Kapital einen gewiſſen
Einfluß zu ſichern gewußt, wenn es auch in der
Eiſeninduſtrie keine Hegemonie zu erlangen ver-
mochte. Die „Information Financiere“ vom
21. September 1928 behauptet ſogar, daß der
deutſche Geldmarkt heute in viel ſtärkerem Maße
von Frankreich abhänge, wie von irgendeinem
anderen ausländiſchem Finanzzentrum. Frank-
reich habe ſehr bedeutende Poſten von deutſchen
Anleihen und Goldbons angekauft, die in Amerika
emittiert wurden ...

Deutſchland hat in den letzten Jahren ſeine
Eiſeninduſtrie unabhängig von Frankreich auf-
gebaut und iſt im internationalen Stahlkartell
führend. Es hat ſeine Wirtſchaft mit amerikani-
ſchem Kapital wieder aufgebaut und befindet ſich
daher auch politiſch mit den Vereinigten Staaten
in engſtem Konnex. Es iſt ſo erſtarkt, daß es
ſich ſchon wieder kolonialpolitiſch betätigen kann,
ohne direkt über Kolonien zu verfügen. Zwei
ehemalige deutſche Kolonialgeſellſchaften haben
ſich mit holländiſchen Kapitaliſten zur Betätigung
in Surinam, Holländiſch-Indien zuſammengetan.
In Perſien iſt es deutſchen Unternehmern ge-
lungen, Eiſenbahnarbeiten im Betrage von
60 Millionen Mark zu übernehmen. In Kolum-
bien hat eine deutſche Geſellſchaft gegen vier an-
dere Konkurrenten den Bau einer 99 Kilometer
langen Bahn übertragen erhalten. Die deutſchen
Elektrizitätswerke haben ſich am Bau der Gas-
und Elektrizitätswerke in Angora, Amſterdam be-
teiligt. Die deutſche chemiſche und Kunſtſeiden-
induſtrle hat ſich ebenfalls an verſchiedenen aus-
ländiſchen Unternehmen beteiligt.

Das alles bedeutet natürlich eine gewiſſe

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[0001] _ [Abbildung 10 Pfennig] Nr. 11 AZ am Abend 8-Uhr-Abendblatt Allgemeine Zeitung 132. Jahrgang München Montag 14. Januar 1929 Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien- Geſellſchaft, München, Baaderſtraße 1a. / Redaktion: München, Baaderſtr. 1a. / Telephon 25 784, 28 784 und 297 319 / Poſtſcheckkonto München 9870 / Verantwortlich für den geſamten Inhalt Dr. Rolf Flügel. Für Anzeigen M. Giriſch, ſämtliche in München [Abbildung] Die „A Z“ erſcheint an jed. Wochentag u. koſtet im Einzelverkauf 10 Pfg., im Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2. - monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl., außerhalb Münchens u. durch d. Poſt M. 2.40 monatl. / Für D. Oeſterr. beträgt der Einzelpreis 20 Groſch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl. / Anzeigen- preis: Die neunſpaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80 Das Schicksal der Reparationen Morgan ſichert neue Anleihe Obligationen im Wert von 2 Milliarden Mark auf dem amerikaniſchen Markt London, 14. Januar. Der Neuyorker Korreſpondent der „Daily News“ ſchreibt: Die Ernennung Piermont Morgans zum amerikaniſchen Reparationsſachverſtändigen wird die unbegründelen Gerüchte zerſtreuen, daß Kellogg ein Veto gegen die Flüſſig- machung einer deutſchen Anleihe im Amerika einlegen werde. Man glaubt jetzt, daß eine erhebliche Ausgabe von Reparationsobligationen einen weſentlichen Teil des neuen Planes bilden wird, der von den Sachverſtändigen in Paris aufgeſtellt werden ſoll. Der Korreſpondent ſagt, man rechne damit, daß Ob- ligationen im Wert von 2 Milliarden Mark auf den amerikani- ſchen Markt gelangen würden und daß der Erfolg geſichert ſei, wenn Morgan hin- ter der Sache ſtehe. Japan im Nachteil Die neue Lage in China London, 14. Januar. „Times“ meldet aus Tokio: Die Japaner glauben nicht, daß Yang- jutings Tod unmittelbar zu Schwierigleiten in der Mandſchurei führen wird, ſind ſich aber klar darüber, daß die Lage ſich zu Japans Nachteil verändern wird. Als wirklicher Urheber der Er- ſchießung Yangjutings wird der Gouverneur von Kirin, Tſchangtſotſcheng, betrachtet, der ſtändig gegen den japaniſchen Plan des Baues einer Verbindungslinie zwiſchen dem koreaniſchen und dem mandſchuriſchen Eiſenbahnſyſtem gearbeitet hat. Die Soldaten im Streikgebiet Vermiedene Zwiſchenfälle Paris, 14. Januar. „Petit Journal“ berichtet, im Innenminiſterium habe man geſtern zur Streiklage im Bergwerksgebiet von Alais er- klärt, daß die Truppen ihre Pflicht getan hätten. Sämtliche Poſten ſeien allerdings durch Gendar- men verſtärkt, aber jedwede Fühlungnahme mit den Streikenden ſei vermieden worden. Ledig- lich die Offiziere bzw. Unteroffiziere hätten mit ſtreikenden Arbeitern geſprochen. Der einzige Zwiſchenfall habe ſich am Donners- tag ereignet, als ein kleiner Poſten in Stärke von zehn Mann ſich zurückgezogen habe, um eine Fühlungnahme zu vermeiden, woraufhin die Streikenden in zwei Schächte eingedrungen ſeien. Völlig vereiſt Einſtellung der Mainſchiffahrt in Bamberg Bamberg. 14. Januar Infolge des ſtarken Froſtes mußte der Schiffsbetrieb im Bamberger Hafen eingeſtellt werden. Ein Kettenſchlepper mit drei großen Laſtſchiffen erreichte den Hafen noch kurz vor der Vereiſung der Vierether Schleuſe. Der Arktisflug des „Graf Zeppelin“ Die Luftſchiffbaſis in Nome Berlin, 13. Januar. Mit dem „Columbus“ ſchifft ſich am 14. Januar Herr Bruns, der Generalſekretär der Internationalen Geſellſchaft zur Erforſchung der Arktis mit Luftfahrzeugen nach Neuyork ein. Er trifft ſich dort mit Prof. Frithjof Nanſen, der bereits von Göteborg _ nach Amerika abgereiſt iſt. Sie werden in Waſhington mit dem Marinedepartement der I. S. A. und der dortigen Landesgruppe der Aero-Arctis verhandeln wegen der Errichtung einer Lufzſchiffbaſis in Nome, beſtehend aus einem niedrigen Ankermaſt neueſter amerikaniſcher Konſtruktion und einem Trag- und Triebgaslager für den dort nach Ueberquerung des Polargebietes landenden „Graf Zeppelin“. Kurz vor der Abreiſe wurden in Friedrichshafen zwiſchen Dr. Eckener und Herrn Bruns die techniſchen Einzelheiten über Luftſchiffbaſis ein- gehend erörtert. Seinen Aufenthalt in U. S. A. benutzt Profeſſor Nanſen zu einer Reihe von Vorträgen. Außerdem werden die bereits ein- geleiteten Verhandlungen wegen des Verkaufes des Preſſe-, Bild- und Filmmonopols von Herrn Bruns zum Abſchluß gebracht. Zum erſten Male wird der Bildfunk zur Uebermittlung der vom Luftſchiff gewonnenen Eindrücke Verwen- dung finden. Der Wettersturz Durch Glatteis 20 Autos demoliert Perſonen verletzt * Schwerer Unfall in Stuttgart Berlin, 14. Januar. Auf der Chauſſee, die von Berlin nach Potsdam führt, ſind am Sonn- tag nachmittag, als dem Tauwetter vom Vor- mittag ein plötzlicher Froſt folgte, kataſtrophale Zuſtände eingetreten. Es bildete ſich Glatteis, auf dem weder Fuhrwerke noch Autos fahren konnten. Mehrere Kraftfahrzeuge fuhren an Bäume und wurden demoliert. Etwa zwan- zig Wagen waren ineinander ge- fahren und bildeten ein faſt unlös- bares Chaos. Ein Autobus, deſſen Chauffeur die Paſſagiere aufgefordert hatte, auszuſteigen, da er nicht weiterfahren könne, wurde gleich darauf von einem Privatkraftwagen mit ſolcher Wucht an- gefahren, daß die hintere Plattform abriß. Mehrere Perſonen trugen leichtere Verletzungen davon. Stuttgart, 14. Januar. Geſtern nach- mittag geriet durch Glatteis auf der Alten Weinſteige das Automobil eines Ingenieurs ins Schleudern. Der Wagen fuhr auf den Bürger- ſteig und verletzte acht Perſonen. Ein 17 Jahre altes Mädchen trug einen Schädelbruch davon. Von den übrigen Perſonen erlitten zwei Knochenbrüche, eine andere eine Gehirnerſchütte- rung, die übrigen Hautabſchürfungen. Erfolgreiche Kellerkontrollen bei Winzern In vino veritas? * Der geleugnete zweite Weinkeller München, 14. Januar. In einer Landtagsanfrage war darauf hingewieſen worden, daß im pfälziſchen Finanzamtsbezirk Bergzabern bei einer Reihe von Winzern Kellerkontrollen vorge- nommen wurden, und das Finanzminiſte- rium war aufgefordert worden, beim Lan- desfinanzamt dafür einzutreten, daß die auf Grund dieſer Kontrollen anhängigen Ver- fahren ſofort eingeſtellt werden und daß von einer Beſtrafung der Winzer abgeſehen wird. In der Antwort des Finanzminiſteriums wird u. a. feſtgeſtellt: „Bei einigen Steuer- pflichtigen waren die Erklärungen ſo augenfällig unrichtig und der- art abweichend von den Gutachten der Gemeindevertreter und der Sachverſtändi- gen, daß der dringende Verdacht einer ver- ſuchten Steuerhinterziehung vorlag, und eine nähere Nachprüfung der Weinbeſtände an Ort und Stelle unerläßlich war. Da- bei wurden in 15 Fällen ganz erhebliche Unterſchiede zwiſchen den Angaben der Pflichtigen und den wirklichen Erntemengen feſtgeſtellt. Ein Pflichtiger hatte ſogar das Vorhandenſein eines weiteren Weinkellers abzuleugnen verſucht, in dem nachträglich 3000 Liter Wein der Ernte 1928 feſtgeſtellt wurden. In neun Fällen iſt das gebotene Straf- verfahren ſogleich dadurch erledigt worden, daß ſich die Beſchuldigten der Beſtrafung unterworfen haben. In ſechs Fällen iſt das Strafverfahren noch im Gange. Wetterbericht Weitere Schneefälle, kein Tauwetter; winter- liche Witterung noch längere Zeit anhaltend. Weltpolitik und Reparationen II. Die Weltpolitik wird heute von dem britiſch- amerikaniſchen Gegenſatz beherrſcht. Es handelt ſich darum, wer die vorherrſchende Weltmacht ſein ſoll. Mit dem Grundſatz der „offenen Tür“, d. h. der ökonomiſchen Entwertung aller kolonialen Monopolgebiete durch gleichberechtigte Mitbeteiligung des amerikaniſchen Kapitals (ſiehe die Beteiligung des amerikaniſchen Kapitals an der Ausbeute der Petroleumgebiete im Irak!) ſuchen die Vereinigten Staaten das engliſche Weltreich zu unterhöhlen. Die politiſche Ober- hoheit Englands über ſeine Kolonien und Kron- länder droht zur Fiktion zu werden. Das Ueber- gewicht des amerikaniſchen Kapitals würde ſich vollſtändig geltend machen wie in Kanada. England beſitzt durch ſeine maritimen Stütz- punkte ein bedeutendes Uebergewicht zur See, das durch das ſogenannte Waſhingtoner Ab- kommen gebrochen werden ſollte. Amerika for- derte eine Einſchränkung aller Kreuzerbauten, England nur derjenigen über 8000 Tonnen und mit einer Beſtückung von Kanonen mit einem Kaliber über 6 Zoll. Der tiefere Sinn dieſes Konfliktes iſt der: England braucht für den Kriegsfall kleinere, billigere Kriegsſchiffe, die es aus ſeiner rieſigen Handelsflotte bewaffnen und mit einem kleineren Aktionsradius zwiſchen ſei- nen Flottenſtützpunkten operieren laſſen kann. Amerika braucht große Kreuzer mit bedeutendem Aktionsradius, weil es wenig Flottenbaſen hat. Um Frankreich zu gewinnen, mußte England ſich mit dem unbeſchränkten Bau von U-Booten über 600 Tonnen und damit abfinden, daß die aus- gebildeten franzöſiſchen Armeereſerven nicht in die Heeresſtärke Frankreichs eingerechnet werden dürfen. Darin liegt die weltpolitiſche Bedeutung der neuen engliſch-franzöſiſchen Entente, mit der wohl einſtweilen als einem ernſthaften politiſchen Machtfaktor zu rechnen iſt. Der britiſch-fran- zöſiſche Gegenſatz in der Reparationsfrage, der vor allem während des Ruhrkrieges in Erſchei- nung getreten iſt, iſt in den Hintergrund gerückt. Die franzöſiſche Valuta konnte ohne Aufnahme neuer amerikaniſcher Anleihen ſtabiliſiert wer- den, was die Poſition Frankreichs gegenüber den Vereinigten Staaten bedeutend ſtärkte und die Sabotage der Ratifizierung des Schuldenabkom- mens wirtſchaftlich erleichterte. Die internatio- nale Kohlenkriſe hat die franzöſiſche Wirtſchaft von der Ruhrkohle, die man im Ruhrkrieg zu unterwerfen hoffte, unabhängiger gemacht, ſo daß einem wirtſchaftlich gewachſenen Deutſchland ein ſtärker gewordenes Frankreich gegenüberſteht. In der deutſchen Schwerinduſtrie und in der Chemie, neuerdings auch auf dem Kapitalmarkt, hat ſich das franzöſiſche Kapital einen gewiſſen Einfluß zu ſichern gewußt, wenn es auch in der Eiſeninduſtrie keine Hegemonie zu erlangen ver- mochte. Die „Information Financiere“ vom 21. September 1928 behauptet ſogar, daß der deutſche Geldmarkt heute in viel ſtärkerem Maße von Frankreich abhänge, wie von irgendeinem anderen ausländiſchem Finanzzentrum. Frank- reich habe ſehr bedeutende Poſten von deutſchen Anleihen und Goldbons angekauft, die in Amerika emittiert wurden ... Deutſchland hat in den letzten Jahren ſeine Eiſeninduſtrie unabhängig von Frankreich auf- gebaut und iſt im internationalen Stahlkartell führend. Es hat ſeine Wirtſchaft mit amerikani- ſchem Kapital wieder aufgebaut und befindet ſich daher auch politiſch mit den Vereinigten Staaten in engſtem Konnex. Es iſt ſo erſtarkt, daß es ſich ſchon wieder kolonialpolitiſch betätigen kann, ohne direkt über Kolonien zu verfügen. Zwei ehemalige deutſche Kolonialgeſellſchaften haben ſich mit holländiſchen Kapitaliſten zur Betätigung in Surinam, Holländiſch-Indien zuſammengetan. In Perſien iſt es deutſchen Unternehmern ge- lungen, Eiſenbahnarbeiten im Betrage von 60 Millionen Mark zu übernehmen. In Kolum- bien hat eine deutſche Geſellſchaft gegen vier an- dere Konkurrenten den Bau einer 99 Kilometer langen Bahn übertragen erhalten. Die deutſchen Elektrizitätswerke haben ſich am Bau der Gas- und Elektrizitätswerke in Angora, Amſterdam be- teiligt. Die deutſche chemiſche und Kunſtſeiden- induſtrle hat ſich ebenfalls an verſchiedenen aus- ländiſchen Unternehmen beteiligt. Das alles bedeutet natürlich eine gewiſſe

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 14. Januar 1929, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1929/1>, abgerufen am 21.11.2024.