Allgemeine Zeitung, Nr. 107, 17. April 1849.[Spaltenumbruch]
Theilnahme an einer Versammlung, welche, wie bereits erwähnt, durch Tirol. Roveredo, 8 April. Von den Verstorbenen soll man nur "So macht Gewissen Feige aus uns allen -- -- * = Aus Tirol, 12 April. Die politischen und religiösen Zustände In politischer Beziehung stehen wir -- obgleich einer Verbesserung Der Schauplatz des dänisch-deutschen Krieges und die ersten Gesechte.𝓞 Flensburg, 10 April. Es dürfte wohl kaum ein Land in Die Beschaffenheit der Gewässer und insbesondere des Anbaues ist es Das beträchtlichste Hinderniß für militärische Operationen jedoch liegt Aus dem bisher Gesagten ergibt sich die Folge daß eine Schlacht in [Spaltenumbruch]
Theilnahme an einer Verſammlung, welche, wie bereits erwähnt, durch Tirol. ⁑ Roveredo, 8 April. Von den Verſtorbenen ſoll man nur „So macht Gewiſſen Feige aus uns allen — — * = Aus Tirol, 12 April. Die politiſchen und religiöſen Zuſtände In politiſcher Beziehung ſtehen wir — obgleich einer Verbeſſerung Der Schauplatz des däniſch-deutſchen Krieges und die erſten Geſechte.𝓞 Flensburg, 10 April. Es dürfte wohl kaum ein Land in Die Beſchaffenheit der Gewäſſer und insbeſondere des Anbaues iſt es Das beträchtlichſte Hinderniß für militäriſche Operationen jedoch liegt Aus dem bisher Geſagten ergibt ſich die Folge daß eine Schlacht in <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><floatingText><body><div n="1"><p><pb facs="#f0010" n="1642"/><cb/> Theilnahme an einer Verſammlung, welche, wie bereits erwähnt, durch<lb/> den von ihr am 28 v. 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Wir lebten der Ueberzeugung es beſtehe ein über die Kreiſe<lb/> Trient und Roveredo weit verzweigter Verein, der von einem trienter<lb/> Fürſtenthum, dem Sieg der wälſchen Tricolore, den Gränzpfählen am<lb/> Brenner und der Herrſchaft der ſüßen Sprache der Sonette und Canzonen<lb/> an der Rienz und Paſſer ſommernächtliche Träume hatte, und hielten uns<lb/> deſſen um ſo mehr verſichert als man von hier erſt höhern Orts anfrug<lb/> ob jenes Decret aus Wien der allgemeinen Aufregung halber wohl kund-<lb/> gemacht werden dürfe. Freilich wußte man auch unſerer Kurzfichtigkeit<lb/> durch allerlei Denkſchriften, Erlaſſe an die Gemeinden, Zeitungsartikel,<lb/> Maueranſchläge und das lebendige Wort entflammender Rede arg genug<lb/> zuzuſetzen, ja ſelbſt in den letzten Tagen ſchmeichelte noch der Meſſagiere<lb/> tiroleſe durch den Abdruck der falſchen turiner Berichte über die Schlachten<lb/> in Piemont dem Wahn als gebe es hier Leute die über <hi rendition="#g">ſolche</hi> Triumphe<lb/> jubeln. Wir verdienen alſo wenigſtens Entſchuldigung wenn wir, ſo<lb/> planvoll ins Irre geleitet, am Ende verblendet genug waren zu glauben<lb/> die Urheber dieſer kühnen Bewegung, die mitunter auch ſchöpferiſchen Ge-<lb/> danken im Fach der Hiſtorie und Geſetzgebung, ja ſelbſt in der Verſetzung<lb/> von Bergen und Flüſſen Raum gaben, gehörten zu den gewiegteſten<lb/> Söhnen der polyglotten Rhätia, und die Sympathien für die lieben Brüder<lb/> Lombarden wären ſo vorherrſchend als es den Anſchein nahm. Nun aber<lb/> werden wir durch unvorgeſehene Enthüllungen dahin enttäuſcht daß es nur<lb/> „eine Handvoll exaltirte in ſchwarzen Sammet gekleidete junge Leute“ ge-<lb/> weſen die uns damit zum Narren hielten. Daß die Farbe dieſer Leute,<lb/> weß Alters oder Standes ſie ſeyn mögen, mit den Carbonen viele Wahl-<lb/> verwandtſchaft haben, darüber mag ſich Ihr Bekreuzter im vollſten Recht<lb/> befinden, aber Unrecht thut ſeine offenbar verkleinernde Eiferſucht dabei<lb/> vielen inner- und außerhalb unſerer heiligen Mauern, manchem Namen<lb/> von bleibendem Nachklang in Frankfurt, Wien und Kremſier. Wozu auch<lb/> ſonſt jene blaſſe Furcht bei der Publication eines Regierungserlaſſes wenn<lb/> davon nur die bartſchmucke Blüthe unſerer Cafés, nur Gentlemen die<lb/> „ſchon beim Riechen von Pulver ruhig wie die Lämmer wären“, betroffen<lb/> wurden? Die Heroen unſerer kleinen Tragödie durften nach unſerer An-<lb/> ſicht nicht ſo ſchnöde von der Bühne fortgeſchafft werden. 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Vielmehr iſt die Ruhe und<lb/> Stabilität im Lande nach allen Beziehungen feſter als man es nach den<lb/> Präcedentien erwarten durfte. Das Volk ſieht ſeine erſten Intereſſen allent-<lb/> halben gewahrt. Noch hat ſich keine andersgläubige Genoſſenſchaft irgend-<lb/> wo angeſiedelt, keine Zeitung bringt mehr aufregende Fragen der Cultus-<lb/> freiheit zur Erörterung, niemand ſpricht von Gefahr auf dieſer Seite und<lb/> in allen religiöſen Dingen iſt es bis jetzt aufs Haar beim alten geblieben.<lb/> Wo iſt in dieſer Sache die frühere Aufregung vernehmbar? Die vorjährige<lb/> Rieſenpetition und ihre Motive ſind im Volke niemals zum eigentlichen<lb/> Bewußtſeyn gekommen und nun ſchon ziemlich vergeſſen. Mahnten nicht<lb/> hie und da einige übereifrige Stimmen daran, kein Menſch gedächte weiter<lb/> der Petition. Es würde ſich auch jeder akatholiſche Ausländer ſorgfältig<lb/> bedenken ſeinen bleibenden Wohnſitz in unſern Thälern zu nehmen, wo er<lb/> von der Unduldſamkeit keine öffentliche Uebung ſeiner Confeſſion, ja kaum<lb/> die Sicherheit des häuslichen Gottesdienſtes hoffen darf. Kurz ſür die in<lb/> der That ſehr wünſchenswerthe Erhaltung der Einheit des religiöſen Be-<lb/> kenntniſſes von Tirol ſehe ich von keiner Seite, weder in der Ferne noch<lb/> Nähe, eine wirkliche Gefahr. Eine andere Frage aber wäre es, ob für die<lb/> katholiſche Glaubensreinheit und beſonders für die Verbeſſerung der ſitt-<lb/><cb/> lichen Zuſtände bei uns die angeſtrebte hermetiſche Abgeſchloſſenheit nicht<lb/> ſchädlich wirke. Soweit ich die Glaubenszuſtände des Landes kenne, dürfte<lb/> ein mäßiges Ferment heilſam werden die lockeren Theile zur dynamiſchen<lb/> Wechſelwirkung und thätigerm geiſtigen Leben aufzuregen. Es iſt eben<lb/> nicht viel mehr bei uns als eine Religionsmumie unter den gebildeten<lb/> Claſſen und ein übertünchtes Heidenthum im gemeinen Volk. Das „Salz“<lb/> fehlt, der „Sauerteig“ für die Maſſe faden Mehles. Das Agens wird die<lb/> Zeit bereiten, hoffentlich bald; dann wird das Reagens ſich zeigen und die<lb/> faulen Zuſtände der Bevölkerung in Sachen des Glaubens und der Sitten<lb/> werden geſunden.</p><lb/> <p>In politiſcher Beziehung ſtehen wir — obgleich einer Verbeſſerung<lb/> bis ins innerſte Mark bedürftig — noch ganz und gar vor den Märztagen<lb/> 1848. Wäre uns der Graf Brandis nicht genommen worden, man fände<lb/> keine Spur von den neuen Ereigniſſen mehr im Lande. Für die politiſchen<lb/> Reformen der letzten Wochen äußert ſich in Tirol noch weniger eine Sym-<lb/> pathie als für ſremde Religionsanſichten. Selbſt die Geſcheidtern ſtimmen<lb/> mit der Anſicht der ungeheuern Mehrzahl der Bauern dahin: keine neuen<lb/> Steuern, eine billige Grundlaſten-Ablöſung, Vereinigung der Gefällen-<lb/> mit der politiſchen Verwaltung, gute Straßen und lebhaften Tranſit, vor<lb/> allem aber Oeffnung der deutſchen Zollſchranken. Wären dieſe Wünſche<lb/> erfüllt, dann ſtünden die Tiroler auch ohne andere Reformen ganz zufrie-<lb/> den, und ließen ſich die alten Einrichtungen noch lange gefallen, ſelbſt im<lb/> Gemeindeweſen, da zur gedeihlichen Durchführung der freiſinnigen Grund-<lb/> ſätze des neuen Gemeindepatentes weſentliche Erforderniſſe in Tirol<lb/> fehlen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Schauplatz des däniſch-deutſchen Krieges und die<lb/> erſten Geſechte.</hi> </head> <dateline>&#x1D4DE; <hi rendition="#b">Flensburg,</hi> 10 April.</dateline><lb/> <p>Es dürfte wohl kaum ein Land in<lb/> Europa geben deſſen militäriſche Beſchaffenheit bei näherer Betrachtung ſo<lb/> ſehr von dem abweicht was es nach dem erſten Blick auf die Landkarte zu<lb/> ſeyn ſcheint, als die nordalbingiſche Halbinſel. Man denkt ſich ein Flach-<lb/> land das ſich vorzugsweiſe von Ackerbau und Viehzucht nährt, weder Berge<lb/> noch bedeutende Flüſſe hat, als einen großen Tummelplatz für die krieg-<lb/> führenden Heere, als eine <hi rendition="#aq">tabula rasa</hi> wo die Ueberzahl ihr ganzes Ge-<lb/> wicht geltend macht, wo die Offenſive und der Gebrauch der Reiterei die<lb/> glänzendſten Reſultate liefern muß, aber eine nähere Unterſuchung des<lb/> Landes zeigt von all dem gerade das Gegentheil.</p><lb/> <p>Die Beſchaffenheit der Gewäſſer und insbeſondere des Anbaues iſt es<lb/> welche dieſes unerwartete Reſultat hervorbringt. Der Höhenrücken welcher<lb/> längs der ganzen Halbinſel die Waſſerſcheide zwiſchen der Oftſee und Nord-<lb/> ſee bildet, iſt ſo niedrig daß die von ihm abſließenden Gewäſſer kaum ein<lb/> bemerkbares Gefälle haben, und nur eine Kette von kleinen Landſeen,<lb/> Sümpfen und Mooren bilden, deren geringſte ſelbſt bedeutende Hinder-<lb/> niſſe bieten, da ſie nicht nur ohne feſten Grund, ſondern auch ohne feſte<lb/> Ufer ſind. Die nördliche Lage der Halbinſel und die Nähe zweier Meere<lb/> führen eine ſo große Menge Waſſer aus der Atmoſphäre herbei daß auch<lb/> Gewäſſer von ganz kurzem Laufe waſſerreich ſind, und faſt in keinem Land<lb/> Europa’s ein ſo großer Theil der Oberfläche durch Waſſer ungangbar ge-<lb/> macht wird als hier — ein Umſtand der gerade in der jetzigen Zeit der<lb/> Wiedereröffnung der Feindſeligkeiten, einer Jahreszeit die ſich überall<lb/> durch Näſſe auszeichnet, doppelte Bedeutung hat.</p><lb/> <p>Das beträchtlichſte Hinderniß für militäriſche Operationen jedoch liegt<lb/> in der Eigenthümlichkeit der Bewirthſchaftung der Landgüter auf der ganzen<lb/> Halbinſel — in der ſogenannten Koppelwirthſchaft. Jedes Landgut zer-<lb/> fällt nämlich in eine gewiſſe Anzahl ſogenannter Schläge, meiſt neun, die<lb/> im Anbau mit einander abwechſeln, von denen aber immer einige nicht<lb/> angebaut, ſondern als Weiden benützt werden, wo das zahlreiche Rind-<lb/> vieh ohne Hirten den größten Theil des Jahres ſich aufhält, weßhalb die-<lb/> ſelben ſämmtlich von kleinen Erdwällen eingefaßt ſind, hoch genug um<lb/> nicht überſprungen werden zu können, und meiſt mit dichtem Gebüſch be-<lb/> pflanzt. Ein ſolcher Erdwall heißt in der Sprache des Landes „Knick“,<lb/> iſt ſelbſt oben noch mehrere Fuß dick, und bildet ein um ſo bedeutenderes<lb/> Hinderniß als vor und hinter demſelben in der Regel ein kleiner Graben<lb/> läuft, durch deſſen Aushebung die Erde zu Erbauung desſelben gewonnen<lb/> wurde. Jeder ſogenannte Schlag eines Landgutes bildet auf dieſe Weiſe<lb/> eine förmliche Redoute, und über dem ganzen Lande liegt ein Netz von<lb/> Gräben, Dämmen und Hecken, das allein ſchon hinreicht der Bewegung<lb/> der Artillerie, Reiterei und ſelbſt geſchloſſener Infanterie die größten Hemm-<lb/> niſſe entgegenzuſtellen, ſo daß der Krieg hier zu einer maſſenhaften zer-<lb/> ſtreuten Fechtart wird, in welchem die Wirkung der Artillerie ſehr vermin-<lb/> dert, die der Reiterei beinahe zu Null wird.</p><lb/> <p>Aus dem bisher Geſagten ergibt ſich die Folge daß eine Schlacht in<lb/> der gewöhnlichen Bedeutung des Worts kaum vorkommen kann, ſondern nur<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1642/0010]
Theilnahme an einer Verſammlung, welche, wie bereits erwähnt, durch
den von ihr am 28 v. M. gefaßten Beſchluß den Boden des Rechtes und
des Geſetzes verlaſſen hat, durchaus nicht mehr ſtattfinden kann. Ew.
Hochwohgeboren haben dieſe Herren in dieſem Sinne zu verſtändigen.
Empfangen ꝛc.“
(Wiener Ztg.)
Tirol.
⁑ Roveredo, 8 April.
Von den Verſtorbenen ſoll man nur
Gutes ſprechen, meint ein alter Spruch, und Ihr bekreuzter Roveredaner
in Nr. 85 befolgt dieſen Spruch gewiſſenhaft in Betreff unſerer Sonder-
bündler, über die der letzte Miniſterialerlaß für Südtirol den Stab ge-
brochen. Wir lebten der Ueberzeugung es beſtehe ein über die Kreiſe
Trient und Roveredo weit verzweigter Verein, der von einem trienter
Fürſtenthum, dem Sieg der wälſchen Tricolore, den Gränzpfählen am
Brenner und der Herrſchaft der ſüßen Sprache der Sonette und Canzonen
an der Rienz und Paſſer ſommernächtliche Träume hatte, und hielten uns
deſſen um ſo mehr verſichert als man von hier erſt höhern Orts anfrug
ob jenes Decret aus Wien der allgemeinen Aufregung halber wohl kund-
gemacht werden dürfe. Freilich wußte man auch unſerer Kurzfichtigkeit
durch allerlei Denkſchriften, Erlaſſe an die Gemeinden, Zeitungsartikel,
Maueranſchläge und das lebendige Wort entflammender Rede arg genug
zuzuſetzen, ja ſelbſt in den letzten Tagen ſchmeichelte noch der Meſſagiere
tiroleſe durch den Abdruck der falſchen turiner Berichte über die Schlachten
in Piemont dem Wahn als gebe es hier Leute die über ſolche Triumphe
jubeln. Wir verdienen alſo wenigſtens Entſchuldigung wenn wir, ſo
planvoll ins Irre geleitet, am Ende verblendet genug waren zu glauben
die Urheber dieſer kühnen Bewegung, die mitunter auch ſchöpferiſchen Ge-
danken im Fach der Hiſtorie und Geſetzgebung, ja ſelbſt in der Verſetzung
von Bergen und Flüſſen Raum gaben, gehörten zu den gewiegteſten
Söhnen der polyglotten Rhätia, und die Sympathien für die lieben Brüder
Lombarden wären ſo vorherrſchend als es den Anſchein nahm. Nun aber
werden wir durch unvorgeſehene Enthüllungen dahin enttäuſcht daß es nur
„eine Handvoll exaltirte in ſchwarzen Sammet gekleidete junge Leute“ ge-
weſen die uns damit zum Narren hielten. Daß die Farbe dieſer Leute,
weß Alters oder Standes ſie ſeyn mögen, mit den Carbonen viele Wahl-
verwandtſchaft haben, darüber mag ſich Ihr Bekreuzter im vollſten Recht
befinden, aber Unrecht thut ſeine offenbar verkleinernde Eiferſucht dabei
vielen inner- und außerhalb unſerer heiligen Mauern, manchem Namen
von bleibendem Nachklang in Frankfurt, Wien und Kremſier. Wozu auch
ſonſt jene blaſſe Furcht bei der Publication eines Regierungserlaſſes wenn
davon nur die bartſchmucke Blüthe unſerer Cafés, nur Gentlemen die
„ſchon beim Riechen von Pulver ruhig wie die Lämmer wären“, betroffen
wurden? Die Heroen unſerer kleinen Tragödie durften nach unſerer An-
ſicht nicht ſo ſchnöde von der Bühne fortgeſchafft werden. Sie hätten ihre
Rolle viel wahrer in ihrem bisherigen Coſtüm allenfalls mit den Worten
des tieffinnigen Phraſeologen von Dänemark geendet:
„So macht Gewiſſen Feige aus uns allen — —
Und Unternehmungen voll Mark und Rachdruck,
Durch dieſe Rückſicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren ſo der Handlung Namen.“
*
= Aus Tirol, 12 April.
Die politiſchen und religiöſen Zuſtände
dieſer Provinz ſind in neueſter Zeit ſo oft und verſchieden beſprochen wor-
den, daß man auswärts zu der Meinung verleitet werden könnte es ſeyen
weſentliche Umänderungen in unſerm Lande ausgeführt oder wenigſtens
angebahnt worden. Dem iſt aber nicht ſo. Vielmehr iſt die Ruhe und
Stabilität im Lande nach allen Beziehungen feſter als man es nach den
Präcedentien erwarten durfte. Das Volk ſieht ſeine erſten Intereſſen allent-
halben gewahrt. Noch hat ſich keine andersgläubige Genoſſenſchaft irgend-
wo angeſiedelt, keine Zeitung bringt mehr aufregende Fragen der Cultus-
freiheit zur Erörterung, niemand ſpricht von Gefahr auf dieſer Seite und
in allen religiöſen Dingen iſt es bis jetzt aufs Haar beim alten geblieben.
Wo iſt in dieſer Sache die frühere Aufregung vernehmbar? Die vorjährige
Rieſenpetition und ihre Motive ſind im Volke niemals zum eigentlichen
Bewußtſeyn gekommen und nun ſchon ziemlich vergeſſen. Mahnten nicht
hie und da einige übereifrige Stimmen daran, kein Menſch gedächte weiter
der Petition. Es würde ſich auch jeder akatholiſche Ausländer ſorgfältig
bedenken ſeinen bleibenden Wohnſitz in unſern Thälern zu nehmen, wo er
von der Unduldſamkeit keine öffentliche Uebung ſeiner Confeſſion, ja kaum
die Sicherheit des häuslichen Gottesdienſtes hoffen darf. Kurz ſür die in
der That ſehr wünſchenswerthe Erhaltung der Einheit des religiöſen Be-
kenntniſſes von Tirol ſehe ich von keiner Seite, weder in der Ferne noch
Nähe, eine wirkliche Gefahr. Eine andere Frage aber wäre es, ob für die
katholiſche Glaubensreinheit und beſonders für die Verbeſſerung der ſitt-
lichen Zuſtände bei uns die angeſtrebte hermetiſche Abgeſchloſſenheit nicht
ſchädlich wirke. Soweit ich die Glaubenszuſtände des Landes kenne, dürfte
ein mäßiges Ferment heilſam werden die lockeren Theile zur dynamiſchen
Wechſelwirkung und thätigerm geiſtigen Leben aufzuregen. Es iſt eben
nicht viel mehr bei uns als eine Religionsmumie unter den gebildeten
Claſſen und ein übertünchtes Heidenthum im gemeinen Volk. Das „Salz“
fehlt, der „Sauerteig“ für die Maſſe faden Mehles. Das Agens wird die
Zeit bereiten, hoffentlich bald; dann wird das Reagens ſich zeigen und die
faulen Zuſtände der Bevölkerung in Sachen des Glaubens und der Sitten
werden geſunden.
In politiſcher Beziehung ſtehen wir — obgleich einer Verbeſſerung
bis ins innerſte Mark bedürftig — noch ganz und gar vor den Märztagen
1848. Wäre uns der Graf Brandis nicht genommen worden, man fände
keine Spur von den neuen Ereigniſſen mehr im Lande. Für die politiſchen
Reformen der letzten Wochen äußert ſich in Tirol noch weniger eine Sym-
pathie als für ſremde Religionsanſichten. Selbſt die Geſcheidtern ſtimmen
mit der Anſicht der ungeheuern Mehrzahl der Bauern dahin: keine neuen
Steuern, eine billige Grundlaſten-Ablöſung, Vereinigung der Gefällen-
mit der politiſchen Verwaltung, gute Straßen und lebhaften Tranſit, vor
allem aber Oeffnung der deutſchen Zollſchranken. Wären dieſe Wünſche
erfüllt, dann ſtünden die Tiroler auch ohne andere Reformen ganz zufrie-
den, und ließen ſich die alten Einrichtungen noch lange gefallen, ſelbſt im
Gemeindeweſen, da zur gedeihlichen Durchführung der freiſinnigen Grund-
ſätze des neuen Gemeindepatentes weſentliche Erforderniſſe in Tirol
fehlen.
Der Schauplatz des däniſch-deutſchen Krieges und die
erſten Geſechte.𝓞 Flensburg, 10 April.
Es dürfte wohl kaum ein Land in
Europa geben deſſen militäriſche Beſchaffenheit bei näherer Betrachtung ſo
ſehr von dem abweicht was es nach dem erſten Blick auf die Landkarte zu
ſeyn ſcheint, als die nordalbingiſche Halbinſel. Man denkt ſich ein Flach-
land das ſich vorzugsweiſe von Ackerbau und Viehzucht nährt, weder Berge
noch bedeutende Flüſſe hat, als einen großen Tummelplatz für die krieg-
führenden Heere, als eine tabula rasa wo die Ueberzahl ihr ganzes Ge-
wicht geltend macht, wo die Offenſive und der Gebrauch der Reiterei die
glänzendſten Reſultate liefern muß, aber eine nähere Unterſuchung des
Landes zeigt von all dem gerade das Gegentheil.
Die Beſchaffenheit der Gewäſſer und insbeſondere des Anbaues iſt es
welche dieſes unerwartete Reſultat hervorbringt. Der Höhenrücken welcher
längs der ganzen Halbinſel die Waſſerſcheide zwiſchen der Oftſee und Nord-
ſee bildet, iſt ſo niedrig daß die von ihm abſließenden Gewäſſer kaum ein
bemerkbares Gefälle haben, und nur eine Kette von kleinen Landſeen,
Sümpfen und Mooren bilden, deren geringſte ſelbſt bedeutende Hinder-
niſſe bieten, da ſie nicht nur ohne feſten Grund, ſondern auch ohne feſte
Ufer ſind. Die nördliche Lage der Halbinſel und die Nähe zweier Meere
führen eine ſo große Menge Waſſer aus der Atmoſphäre herbei daß auch
Gewäſſer von ganz kurzem Laufe waſſerreich ſind, und faſt in keinem Land
Europa’s ein ſo großer Theil der Oberfläche durch Waſſer ungangbar ge-
macht wird als hier — ein Umſtand der gerade in der jetzigen Zeit der
Wiedereröffnung der Feindſeligkeiten, einer Jahreszeit die ſich überall
durch Näſſe auszeichnet, doppelte Bedeutung hat.
Das beträchtlichſte Hinderniß für militäriſche Operationen jedoch liegt
in der Eigenthümlichkeit der Bewirthſchaftung der Landgüter auf der ganzen
Halbinſel — in der ſogenannten Koppelwirthſchaft. Jedes Landgut zer-
fällt nämlich in eine gewiſſe Anzahl ſogenannter Schläge, meiſt neun, die
im Anbau mit einander abwechſeln, von denen aber immer einige nicht
angebaut, ſondern als Weiden benützt werden, wo das zahlreiche Rind-
vieh ohne Hirten den größten Theil des Jahres ſich aufhält, weßhalb die-
ſelben ſämmtlich von kleinen Erdwällen eingefaßt ſind, hoch genug um
nicht überſprungen werden zu können, und meiſt mit dichtem Gebüſch be-
pflanzt. Ein ſolcher Erdwall heißt in der Sprache des Landes „Knick“,
iſt ſelbſt oben noch mehrere Fuß dick, und bildet ein um ſo bedeutenderes
Hinderniß als vor und hinter demſelben in der Regel ein kleiner Graben
läuft, durch deſſen Aushebung die Erde zu Erbauung desſelben gewonnen
wurde. Jeder ſogenannte Schlag eines Landgutes bildet auf dieſe Weiſe
eine förmliche Redoute, und über dem ganzen Lande liegt ein Netz von
Gräben, Dämmen und Hecken, das allein ſchon hinreicht der Bewegung
der Artillerie, Reiterei und ſelbſt geſchloſſener Infanterie die größten Hemm-
niſſe entgegenzuſtellen, ſo daß der Krieg hier zu einer maſſenhaften zer-
ſtreuten Fechtart wird, in welchem die Wirkung der Artillerie ſehr vermin-
dert, die der Reiterei beinahe zu Null wird.
Aus dem bisher Geſagten ergibt ſich die Folge daß eine Schlacht in
der gewöhnlichen Bedeutung des Worts kaum vorkommen kann, ſondern nur
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(2022-09-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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