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Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849.

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Beilage zu Nr. 101 der Allgemeinen Zeitung vom 11 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Berlin und Frankfurt.

Ueber die auf die Antwort des
Königs von Preußen erfolgte Erklärung der Deputation hört man hier
nur Eine Stimme des Beifalls. Allerdings lag eine solche Erklärung
streng genommen nicht innerhalb der Vollmacht der Deputation, allein jeder-
mann ist damit einverstanden daß sie in diesem außerordentlichen Falle ihre
Befugnisse nach den Umständen bemessen. Was nun weiter? Bevor wir
die Wirkung kennen welche das entschiedene Auftreten der Deputation in
Berlin und Charlottenburg hervorgebracht hat, wollen wir unsern Vermu-
thungen und selbst unsern Ueberzeugungen Stillschweigen auferlegen. Aber
das Eine ist gewiß, das Ministerium Brandenburg macht eine Fehlrech-
nung wenn es auf Schwäche und Unmännlichkeit bei der Mehrheit der
Reichsversammlung zählt. Daß jedoch dieses dreimal unselige Ministe-
rium wirklich von der Voraussetzung ausgeht, die Reichsversammlung
werde mit sich markten, mit sich spielen lassen, das beweist es durch sein
unbegreifliches Rundschreiben, welches die Reichsverfassung wie einen blo-
ßen Vorschlag behandelt, der den Stoff zur Unterhandlung und Verstän-
digung der Regierungen zunächst unter sich, und in zweiter Reihe mit der
Reichsversammlung bilden soll. Das Ministerium Brandenburg und
der Eigensinn mit welchem man bis auf den heutigen Tag an demselben
festgehalten hat, ist ein Unglück für Deutschland, dessen Folgen furchtbar
schwer auf diejenigen niederfallen werden die dafür verantwortlich sind.
Wie unfähig und unwürdig indessen auch die Männer seyen welche zur
Zeit das Ruder der preußischen Politik in Händen haben, Preußen ist und
bleibt darum nicht weniger der Staat welcher an die Spitze Deutschlands
gestellt werden muß wenn von einer bundesstaatlichen Einigung unsers
Vaterlandes die Rede seyn soll. Wer diese Nothwendigkeit nicht aus eige-
nen Mitteln einsieht, dem wird sie schwer einleuchtend zu machen seyn. Ich
meines Theils begreife übrigens allerdings daß man dieselbe läugnet; was
ich aber niemals begreifen werde ist daß man gegen dieselbe fort und fort
mit der Person des Königs und mit der Person seiner Minister argumen-
tirt, ja noch mehr daß man dieselbe mit der Berufung auf Fehler und
Sünden der preußischen Regierung ansicht, welche seit 50 Jahren der Ver-
gangenheit angehören. So finde ich noch in der neuesten Nummer der Allg.
Zeitung eine **Correspondenz aus Franken eine höhnende Verweisung auf
den Frieden zu Basel durch den sich Preußen ohne Zweifel den Anspruch
erworben habe Deutschland einen Kaiser zu geben. Wozu -- von der pa-
triotischen Seite der Frage ganz zu schweigen -- dieses ewige Zurückkom-
men auf eine Verschuldung die jedermann schmerzlich anerkennt, an wel-
cher keiner der heute Lebenden Theil hat, und welche an den Forderungen
und Bedürfnissen der gegenwärtigen staatlichen Lage Deutschlands nicht
das mindeste ändert? Freilich versucht der **Correspondent aus Franken
den Waffenstillstand zu Malmö als eine Art neues Seitenstück des Baseler
Friedens dazustellen, und aus diesem Waffenstillstande Folgerungen für die
weitere Führung des Krieges gegen Dänemark zu ziehen. Nun, ich will
den Malmöer Waffenstillstand nicht loben, obgleich derselbe, wie die Er-
fahrung gezeigt hat, denn doch so schlimm nicht war als man anfangs
fürchtete, und ich will hoffen daß dem dänischen Krieg jetzt von deutscher,
ich will sagen von preußischer Seite ein größerer Nachdruck gegeben werde
als im vorigen Jahre. Wenn dem dänischen Kriege aber nicht aller der
Nachdruck gegeben wird der demselben gegeben werden könnte, dann möchte
ich dem **Correspondenten aus Franken anheimgeben zu erwägen, ob es
nicht vielleicht großentheils die Schuld derjenigen Staaten sey welche bei
dem Landkriege ihrer geographischen Lage nach nur wenig oder gar nicht
unmittelbar betheiligt sind*), und die sich bis jetzt beharrlich geweigert
haben für den Seekrieg wenigstens ihre Matricularbeiträge zu zahlen.



Einige Bedenken über deutsche Bundes- und Reichs-
verfassung.
III.

Es ist kein Umweg, wenn ich meinen
Weg über Berlin nehme um zum Anfange der Oberhauptsfrage, die ich
zu besprechen mir vorgenommen, zu gelangen. Ich kam dort zeitig genug
an um der Sitzung des Parlaments vom 24 d. M. beizuwohnen. Was
[Spaltenumbruch] höre ich? Eine Interpellation, welche Graf Dyrhn an den Minister der
preußischen auswärtigen Angelegenheiten richtet über eine Circularnote
vom 10 desselben Monats in Beziehung auf einen Borschlag der öster-
reichischen Regierung. Der Vorschlag dieser Regierung ging bekanntlich
auf eine (bundesgesetzlichen Bestimmungen widersprechende) Herstellung
von Kreisdirectorien, welche der Kaiser mit den Königen des deutschen
Bundes bilden wollte. Die preußische Regierung war natürlich gern auf
diesen Vorschlag eingegangen, da er ursprünglich schon bei den Verhand-
lungen über die deutsche Bundesverfassung zu Wien 1815 von den dortigen
preußischen Bevollmächtigten gemacht worden, damals aber am Wider-
spruch der zu Einem gemeinschaftlichen Zwecke vereinigten minder mäch-
tigen rein deutschen Staaten scheiterte. Der preußische Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten hatte nun jene Circularnote den bei den Kreis-
directorien zu betheiligenden Regierungen rein deutscher Staaten mitge-
theilt und zur beifälligen Erklärung empfohlen. Die Deutsche Zeitung
nennt zwar die Fassung derselben dunkel, wer aber lesen kann oder lesen
will, dem werden die zwei oder drei letzten Worte derselben die Sache
vollkommen deutlich machen. Diese Note tadelte nun Graf Dyrhn. Es
ist nicht meine Sache mich kritistrend über die Vertheidigung oder vielmehr
Entschuldigung des Ministers auszusprechen -- im Parlament wurde sie
ganz ungenügend gefunden -- wohl aber auf ein seltsames Trostwort des-
selben aufmerksam zu machen, was uns zur Sache führt: "Uebrigens solle
ja nach dem Vorschlage der österreichischen Regierung die Reichsstatthalter-
schaft zwischen Oesterreich und Preußen wechseln, dieses mithin Oesterreich
nicht unterordnen." Diese naive Aeußerung, wodurch sich das reine Deutsch-
land mit seinen 16,900,000 Seelen, seiner Intelligenz, Bildung, seinem
Wohlstand und reichen Boden und seiner Gewerbskraft sehr geschmeichelt
finden wird, zeigt daß der Gesichtspunkt nicht verändert ist unter welchem
die beiden deutschen Großmächte dieses reine Deutschland in den Verhand-
lungen zwischen Metternich und Hardenberg, zuweilen sogar in gebunde-
ner Rede betrachteten, nämlich als bloßes Mittel für ihre europäischen
Zwecke.

Hören wir nun was ein anerkannt scharfsinniger und ebenso wahr-
heitsgetreuer Mann, der den damaligen Begebenheiten näher stand als
ich, der ich, dem Himmel sey Dank! keiner dieser und ähnlicher Cabinete-
conferenzen beiwohnen zu müssen das Glück hatte, in einer höchst inter-
essanten Denkschrift, welche schon am Ende des Februar 1848 geschrieben
wurde, unter viel anderm gerade über jenen Gesichtspunkt im wesent-
lichen sagt.

"Durch den Rheinbund war Napoleon, in dessen Individualität sich
Frankreich damals concentrirte, factisch Militärkaiser (Imperator) von
Deutschland geworden; denn was in diesem Bunde nicht förmlich aufge-
nommen war, wurde in den seit 1806 folgenden Kriegszügen niederge-
worfen, oder doch lahm gelegt. -- -- -- Die Reaction gegen dieses Mili-
tärkaiserthum, welche sich in Folge der Niederlagen in Rußland im Jahr
1813 erhob, ging weder von den Fürsten des Rheinbundes, noch von der
Mehrheit ihrer Staatsdiener aus, indem ihnen der Zustand welcher aus
dem Gelingen derselben resultiren dürfte, und was dabei von dem Errun-
genen zu erhalten oder zu verlieren sey, als eine unbekannte Größe er-
scheinen mußte; sie wurden vielmehr nur durch die glücklichen Erfolge und
durch den Anklang welchen die Sache im Volke fand hineingedrängt.
Oesterreich aber, von mißlungenen Kämpfen gegen die französische Ueber-
macht erschöpft, trat der Coalition erst dann bei wie es durch diesen Bei-
tritt nicht wieder zu verlieren, sondern nur zu gewinnen hoffen durfte.
Durch dieses Zögerungssystem war Oesterreich bei Rußland und Preußen,
welche in der ersten Hälfte des Jahres 1813 die leitenden Mächte der Re-
action waren, in einen gewissen Mißcredit gerathen. Auf eine so voll-
ständige Besiegung Napoleons, wie sich später ergab, erstreckten sich selbst
die Hoffnungen jener Zeit noch nicht, man erblickte in ihm immer noch
den bleibenden Kaiser Frankreichs, und wußte noch ebensowenig ob sich
dieses auf die Rheingränze reduciren lassen dürfte, als auch nur wahr-
scheinlich gefunden werden konnte daß das zwischen der österreichischen
Dynastie und Napoleon geknüpfte verwandtschaftliche Band so folgenlos
bleiben werde, wie es sich später ergeben hat. Die kühnste Aussicht zu
der sich die leitenden Staatsmänner Rußlands und Preußens bei den
Conferenzen zu Kalisch zu erheben vermochten, war daher die Möglichkeit
durch eine allgemeine Volkserhebung in Deutschland den Rheinbund ge-
sprengt und demnächst die Militärkraft Deutschlands so organisirt zu sehen
daß von einer Disposition Frankreichs über dieselbe nicht weiter die Rede
sey. Ebensowenig konnte man einen künftigen Uebergang dieser Dis-
position in Oesterreichs Hände zusagend finden; man verständigte sich da-
her schon damals über die Nichtherstellung der deutschen Kaiserwürde."

*) Bayern ist, geographisch, allerdings nicht unmittelbar betheiligt, die baye-
rischen Truppen aber werden sich, das haben sie gezeigt, dort so wacker
schlagen, als gälte es der nächsten Heimath.
**) Man bemerke das Datum. Der Hr. Berfasser kannte die neuesten Er-
klärungen von Berlin noch nicht.
Beilage zu Nr. 101 der Allgemeinen Zeitung vom 11 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Berlin und Frankfurt.

Ueber die auf die Antwort des
Königs von Preußen erfolgte Erklärung der Deputation hört man hier
nur Eine Stimme des Beifalls. Allerdings lag eine ſolche Erklärung
ſtreng genommen nicht innerhalb der Vollmacht der Deputation, allein jeder-
mann iſt damit einverſtanden daß ſie in dieſem außerordentlichen Falle ihre
Befugniſſe nach den Umſtänden bemeſſen. Was nun weiter? Bevor wir
die Wirkung kennen welche das entſchiedene Auftreten der Deputation in
Berlin und Charlottenburg hervorgebracht hat, wollen wir unſern Vermu-
thungen und ſelbſt unſern Ueberzeugungen Stillſchweigen auferlegen. Aber
das Eine iſt gewiß, das Miniſterium Brandenburg macht eine Fehlrech-
nung wenn es auf Schwäche und Unmännlichkeit bei der Mehrheit der
Reichsverſammlung zählt. Daß jedoch dieſes dreimal unſelige Miniſte-
rium wirklich von der Vorausſetzung ausgeht, die Reichsverſammlung
werde mit ſich markten, mit ſich ſpielen laſſen, das beweist es durch ſein
unbegreifliches Rundſchreiben, welches die Reichsverfaſſung wie einen blo-
ßen Vorſchlag behandelt, der den Stoff zur Unterhandlung und Verſtän-
digung der Regierungen zunächſt unter ſich, und in zweiter Reihe mit der
Reichsverſammlung bilden ſoll. Das Miniſterium Brandenburg und
der Eigenſinn mit welchem man bis auf den heutigen Tag an demſelben
feſtgehalten hat, iſt ein Unglück für Deutſchland, deſſen Folgen furchtbar
ſchwer auf diejenigen niederfallen werden die dafür verantwortlich ſind.
Wie unfähig und unwürdig indeſſen auch die Männer ſeyen welche zur
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bleibt darum nicht weniger der Staat welcher an die Spitze Deutſchlands
geſtellt werden muß wenn von einer bundesſtaatlichen Einigung unſers
Vaterlandes die Rede ſeyn ſoll. Wer dieſe Nothwendigkeit nicht aus eige-
nen Mitteln einſieht, dem wird ſie ſchwer einleuchtend zu machen ſeyn. Ich
meines Theils begreife übrigens allerdings daß man dieſelbe läugnet; was
ich aber niemals begreifen werde iſt daß man gegen dieſelbe fort und fort
mit der Perſon des Königs und mit der Perſon ſeiner Miniſter argumen-
tirt, ja noch mehr daß man dieſelbe mit der Berufung auf Fehler und
Sünden der preußiſchen Regierung anſicht, welche ſeit 50 Jahren der Ver-
gangenheit angehören. So finde ich noch in der neueſten Nummer der Allg.
Zeitung eine **Correſpondenz aus Franken eine höhnende Verweiſung auf
den Frieden zu Baſel durch den ſich Preußen ohne Zweifel den Anſpruch
erworben habe Deutſchland einen Kaiſer zu geben. Wozu — von der pa-
triotiſchen Seite der Frage ganz zu ſchweigen — dieſes ewige Zurückkom-
men auf eine Verſchuldung die jedermann ſchmerzlich anerkennt, an wel-
cher keiner der heute Lebenden Theil hat, und welche an den Forderungen
und Bedürfniſſen der gegenwärtigen ſtaatlichen Lage Deutſchlands nicht
das mindeſte ändert? Freilich verſucht der **Correſpondent aus Franken
den Waffenſtillſtand zu Malmö als eine Art neues Seitenſtück des Baſeler
Friedens dazuſtellen, und aus dieſem Waffenſtillſtande Folgerungen für die
weitere Führung des Krieges gegen Dänemark zu ziehen. Nun, ich will
den Malmöer Waffenſtillſtand nicht loben, obgleich derſelbe, wie die Er-
fahrung gezeigt hat, denn doch ſo ſchlimm nicht war als man anfangs
fürchtete, und ich will hoffen daß dem däniſchen Krieg jetzt von deutſcher,
ich will ſagen von preußiſcher Seite ein größerer Nachdruck gegeben werde
als im vorigen Jahre. Wenn dem däniſchen Kriege aber nicht aller der
Nachdruck gegeben wird der demſelben gegeben werden könnte, dann möchte
ich dem **Correſpondenten aus Franken anheimgeben zu erwägen, ob es
nicht vielleicht großentheils die Schuld derjenigen Staaten ſey welche bei
dem Landkriege ihrer geographiſchen Lage nach nur wenig oder gar nicht
unmittelbar betheiligt ſind*), und die ſich bis jetzt beharrlich geweigert
haben für den Seekrieg wenigſtens ihre Matricularbeiträge zu zahlen.



Einige Bedenken über deutſche Bundes- und Reichs-
verfaſſung.
III.

Es iſt kein Umweg, wenn ich meinen
Weg über Berlin nehme um zum Anfange der Oberhauptsfrage, die ich
zu beſprechen mir vorgenommen, zu gelangen. Ich kam dort zeitig genug
an um der Sitzung des Parlaments vom 24 d. M. beizuwohnen. Was
[Spaltenumbruch] höre ich? Eine Interpellation, welche Graf Dyrhn an den Miniſter der
preußiſchen auswärtigen Angelegenheiten richtet über eine Circularnote
vom 10 desſelben Monats in Beziehung auf einen Borſchlag der öſter-
reichiſchen Regierung. Der Vorſchlag dieſer Regierung ging bekanntlich
auf eine (bundesgeſetzlichen Beſtimmungen widerſprechende) Herſtellung
von Kreisdirectorien, welche der Kaiſer mit den Königen des deutſchen
Bundes bilden wollte. Die preußiſche Regierung war natürlich gern auf
dieſen Vorſchlag eingegangen, da er urſprünglich ſchon bei den Verhand-
lungen über die deutſche Bundesverfaſſung zu Wien 1815 von den dortigen
preußiſchen Bevollmächtigten gemacht worden, damals aber am Wider-
ſpruch der zu Einem gemeinſchaftlichen Zwecke vereinigten minder mäch-
tigen rein deutſchen Staaten ſcheiterte. Der preußiſche Miniſter der aus-
wärtigen Angelegenheiten hatte nun jene Circularnote den bei den Kreis-
directorien zu betheiligenden Regierungen rein deutſcher Staaten mitge-
theilt und zur beifälligen Erklärung empfohlen. Die Deutſche Zeitung
nennt zwar die Faſſung derſelben dunkel, wer aber leſen kann oder leſen
will, dem werden die zwei oder drei letzten Worte derſelben die Sache
vollkommen deutlich machen. Dieſe Note tadelte nun Graf Dyrhn. Es
iſt nicht meine Sache mich kritiſtrend über die Vertheidigung oder vielmehr
Entſchuldigung des Miniſters auszuſprechen — im Parlament wurde ſie
ganz ungenügend gefunden — wohl aber auf ein ſeltſames Troſtwort des-
ſelben aufmerkſam zu machen, was uns zur Sache führt: „Uebrigens ſolle
ja nach dem Vorſchlage der öſterreichiſchen Regierung die Reichsſtatthalter-
ſchaft zwiſchen Oeſterreich und Preußen wechſeln, dieſes mithin Oeſterreich
nicht unterordnen.“ Dieſe naive Aeußerung, wodurch ſich das reine Deutſch-
land mit ſeinen 16,900,000 Seelen, ſeiner Intelligenz, Bildung, ſeinem
Wohlſtand und reichen Boden und ſeiner Gewerbskraft ſehr geſchmeichelt
finden wird, zeigt daß der Geſichtspunkt nicht verändert iſt unter welchem
die beiden deutſchen Großmächte dieſes reine Deutſchland in den Verhand-
lungen zwiſchen Metternich und Hardenberg, zuweilen ſogar in gebunde-
ner Rede betrachteten, nämlich als bloßes Mittel für ihre europäiſchen
Zwecke.

Hören wir nun was ein anerkannt ſcharfſinniger und ebenſo wahr-
heitsgetreuer Mann, der den damaligen Begebenheiten näher ſtand als
ich, der ich, dem Himmel ſey Dank! keiner dieſer und ähnlicher Cabinete-
conferenzen beiwohnen zu müſſen das Glück hatte, in einer höchſt inter-
eſſanten Denkſchrift, welche ſchon am Ende des Februar 1848 geſchrieben
wurde, unter viel anderm gerade über jenen Geſichtspunkt im weſent-
lichen ſagt.

„Durch den Rheinbund war Napoleon, in deſſen Individualität ſich
Frankreich damals concentrirte, factiſch Militärkaiſer (Imperator) von
Deutſchland geworden; denn was in dieſem Bunde nicht förmlich aufge-
nommen war, wurde in den ſeit 1806 folgenden Kriegszügen niederge-
worfen, oder doch lahm gelegt. — — — Die Reaction gegen dieſes Mili-
tärkaiſerthum, welche ſich in Folge der Niederlagen in Rußland im Jahr
1813 erhob, ging weder von den Fürſten des Rheinbundes, noch von der
Mehrheit ihrer Staatsdiener aus, indem ihnen der Zuſtand welcher aus
dem Gelingen derſelben reſultiren dürfte, und was dabei von dem Errun-
genen zu erhalten oder zu verlieren ſey, als eine unbekannte Größe er-
ſcheinen mußte; ſie wurden vielmehr nur durch die glücklichen Erfolge und
durch den Anklang welchen die Sache im Volke fand hineingedrängt.
Oeſterreich aber, von mißlungenen Kämpfen gegen die franzöſiſche Ueber-
macht erſchöpft, trat der Coalition erſt dann bei wie es durch dieſen Bei-
tritt nicht wieder zu verlieren, ſondern nur zu gewinnen hoffen durfte.
Durch dieſes Zögerungsſyſtem war Oeſterreich bei Rußland und Preußen,
welche in der erſten Hälfte des Jahres 1813 die leitenden Mächte der Re-
action waren, in einen gewiſſen Mißcredit gerathen. Auf eine ſo voll-
ſtändige Beſiegung Napoleons, wie ſich ſpäter ergab, erſtreckten ſich ſelbſt
die Hoffnungen jener Zeit noch nicht, man erblickte in ihm immer noch
den bleibenden Kaiſer Frankreichs, und wußte noch ebenſowenig ob ſich
dieſes auf die Rheingränze reduciren laſſen dürfte, als auch nur wahr-
ſcheinlich gefunden werden konnte daß das zwiſchen der öſterreichiſchen
Dynaſtie und Napoleon geknüpfte verwandtſchaftliche Band ſo folgenlos
bleiben werde, wie es ſich ſpäter ergeben hat. Die kühnſte Ausſicht zu
der ſich die leitenden Staatsmänner Rußlands und Preußens bei den
Conferenzen zu Kaliſch zu erheben vermochten, war daher die Möglichkeit
durch eine allgemeine Volkserhebung in Deutſchland den Rheinbund ge-
ſprengt und demnächſt die Militärkraft Deutſchlands ſo organiſirt zu ſehen
daß von einer Dispoſition Frankreichs über dieſelbe nicht weiter die Rede
ſey. Ebenſowenig konnte man einen künftigen Uebergang dieſer Dis-
poſition in Oeſterreichs Hände zuſagend finden; man verſtändigte ſich da-
her ſchon damals über die Nichtherſtellung der deutſchen Kaiſerwürde.“

*) Bayern iſt, geographiſch, allerdings nicht unmittelbar betheiligt, die baye-
riſchen Truppen aber werden ſich, das haben ſie gezeigt, dort ſo wacker
ſchlagen, als gälte es der nächſten Heimath.
**) Man bemerke das Datum. Der Hr. Berfaſſer kannte die neueſten Er-
klärungen von Berlin noch nicht.
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[0009] Beilage zu Nr. 101 der Allgemeinen Zeitung vom 11 April 1849. Berlin und Frankfurt. ⦻ Frankfurt a. M., 7 April. Ueber die auf die Antwort des Königs von Preußen erfolgte Erklärung der Deputation hört man hier nur Eine Stimme des Beifalls. Allerdings lag eine ſolche Erklärung ſtreng genommen nicht innerhalb der Vollmacht der Deputation, allein jeder- mann iſt damit einverſtanden daß ſie in dieſem außerordentlichen Falle ihre Befugniſſe nach den Umſtänden bemeſſen. Was nun weiter? Bevor wir die Wirkung kennen welche das entſchiedene Auftreten der Deputation in Berlin und Charlottenburg hervorgebracht hat, wollen wir unſern Vermu- thungen und ſelbſt unſern Ueberzeugungen Stillſchweigen auferlegen. Aber das Eine iſt gewiß, das Miniſterium Brandenburg macht eine Fehlrech- nung wenn es auf Schwäche und Unmännlichkeit bei der Mehrheit der Reichsverſammlung zählt. Daß jedoch dieſes dreimal unſelige Miniſte- rium wirklich von der Vorausſetzung ausgeht, die Reichsverſammlung werde mit ſich markten, mit ſich ſpielen laſſen, das beweist es durch ſein unbegreifliches Rundſchreiben, welches die Reichsverfaſſung wie einen blo- ßen Vorſchlag behandelt, der den Stoff zur Unterhandlung und Verſtän- digung der Regierungen zunächſt unter ſich, und in zweiter Reihe mit der Reichsverſammlung bilden ſoll. Das Miniſterium Brandenburg und der Eigenſinn mit welchem man bis auf den heutigen Tag an demſelben feſtgehalten hat, iſt ein Unglück für Deutſchland, deſſen Folgen furchtbar ſchwer auf diejenigen niederfallen werden die dafür verantwortlich ſind. Wie unfähig und unwürdig indeſſen auch die Männer ſeyen welche zur Zeit das Ruder der preußiſchen Politik in Händen haben, Preußen iſt und bleibt darum nicht weniger der Staat welcher an die Spitze Deutſchlands geſtellt werden muß wenn von einer bundesſtaatlichen Einigung unſers Vaterlandes die Rede ſeyn ſoll. Wer dieſe Nothwendigkeit nicht aus eige- nen Mitteln einſieht, dem wird ſie ſchwer einleuchtend zu machen ſeyn. Ich meines Theils begreife übrigens allerdings daß man dieſelbe läugnet; was ich aber niemals begreifen werde iſt daß man gegen dieſelbe fort und fort mit der Perſon des Königs und mit der Perſon ſeiner Miniſter argumen- tirt, ja noch mehr daß man dieſelbe mit der Berufung auf Fehler und Sünden der preußiſchen Regierung anſicht, welche ſeit 50 Jahren der Ver- gangenheit angehören. So finde ich noch in der neueſten Nummer der Allg. Zeitung eine **Correſpondenz aus Franken eine höhnende Verweiſung auf den Frieden zu Baſel durch den ſich Preußen ohne Zweifel den Anſpruch erworben habe Deutſchland einen Kaiſer zu geben. Wozu — von der pa- triotiſchen Seite der Frage ganz zu ſchweigen — dieſes ewige Zurückkom- men auf eine Verſchuldung die jedermann ſchmerzlich anerkennt, an wel- cher keiner der heute Lebenden Theil hat, und welche an den Forderungen und Bedürfniſſen der gegenwärtigen ſtaatlichen Lage Deutſchlands nicht das mindeſte ändert? Freilich verſucht der **Correſpondent aus Franken den Waffenſtillſtand zu Malmö als eine Art neues Seitenſtück des Baſeler Friedens dazuſtellen, und aus dieſem Waffenſtillſtande Folgerungen für die weitere Führung des Krieges gegen Dänemark zu ziehen. Nun, ich will den Malmöer Waffenſtillſtand nicht loben, obgleich derſelbe, wie die Er- fahrung gezeigt hat, denn doch ſo ſchlimm nicht war als man anfangs fürchtete, und ich will hoffen daß dem däniſchen Krieg jetzt von deutſcher, ich will ſagen von preußiſcher Seite ein größerer Nachdruck gegeben werde als im vorigen Jahre. Wenn dem däniſchen Kriege aber nicht aller der Nachdruck gegeben wird der demſelben gegeben werden könnte, dann möchte ich dem **Correſpondenten aus Franken anheimgeben zu erwägen, ob es nicht vielleicht großentheils die Schuld derjenigen Staaten ſey welche bei dem Landkriege ihrer geographiſchen Lage nach nur wenig oder gar nicht unmittelbar betheiligt ſind *), und die ſich bis jetzt beharrlich geweigert haben für den Seekrieg wenigſtens ihre Matricularbeiträge zu zahlen. Einige Bedenken über deutſche Bundes- und Reichs- verfaſſung. III. &#x1F70D; Coburg, 30 März. **) Es iſt kein Umweg, wenn ich meinen Weg über Berlin nehme um zum Anfange der Oberhauptsfrage, die ich zu beſprechen mir vorgenommen, zu gelangen. Ich kam dort zeitig genug an um der Sitzung des Parlaments vom 24 d. M. beizuwohnen. Was höre ich? Eine Interpellation, welche Graf Dyrhn an den Miniſter der preußiſchen auswärtigen Angelegenheiten richtet über eine Circularnote vom 10 desſelben Monats in Beziehung auf einen Borſchlag der öſter- reichiſchen Regierung. Der Vorſchlag dieſer Regierung ging bekanntlich auf eine (bundesgeſetzlichen Beſtimmungen widerſprechende) Herſtellung von Kreisdirectorien, welche der Kaiſer mit den Königen des deutſchen Bundes bilden wollte. Die preußiſche Regierung war natürlich gern auf dieſen Vorſchlag eingegangen, da er urſprünglich ſchon bei den Verhand- lungen über die deutſche Bundesverfaſſung zu Wien 1815 von den dortigen preußiſchen Bevollmächtigten gemacht worden, damals aber am Wider- ſpruch der zu Einem gemeinſchaftlichen Zwecke vereinigten minder mäch- tigen rein deutſchen Staaten ſcheiterte. Der preußiſche Miniſter der aus- wärtigen Angelegenheiten hatte nun jene Circularnote den bei den Kreis- directorien zu betheiligenden Regierungen rein deutſcher Staaten mitge- theilt und zur beifälligen Erklärung empfohlen. Die Deutſche Zeitung nennt zwar die Faſſung derſelben dunkel, wer aber leſen kann oder leſen will, dem werden die zwei oder drei letzten Worte derſelben die Sache vollkommen deutlich machen. Dieſe Note tadelte nun Graf Dyrhn. Es iſt nicht meine Sache mich kritiſtrend über die Vertheidigung oder vielmehr Entſchuldigung des Miniſters auszuſprechen — im Parlament wurde ſie ganz ungenügend gefunden — wohl aber auf ein ſeltſames Troſtwort des- ſelben aufmerkſam zu machen, was uns zur Sache führt: „Uebrigens ſolle ja nach dem Vorſchlage der öſterreichiſchen Regierung die Reichsſtatthalter- ſchaft zwiſchen Oeſterreich und Preußen wechſeln, dieſes mithin Oeſterreich nicht unterordnen.“ Dieſe naive Aeußerung, wodurch ſich das reine Deutſch- land mit ſeinen 16,900,000 Seelen, ſeiner Intelligenz, Bildung, ſeinem Wohlſtand und reichen Boden und ſeiner Gewerbskraft ſehr geſchmeichelt finden wird, zeigt daß der Geſichtspunkt nicht verändert iſt unter welchem die beiden deutſchen Großmächte dieſes reine Deutſchland in den Verhand- lungen zwiſchen Metternich und Hardenberg, zuweilen ſogar in gebunde- ner Rede betrachteten, nämlich als bloßes Mittel für ihre europäiſchen Zwecke. Hören wir nun was ein anerkannt ſcharfſinniger und ebenſo wahr- heitsgetreuer Mann, der den damaligen Begebenheiten näher ſtand als ich, der ich, dem Himmel ſey Dank! keiner dieſer und ähnlicher Cabinete- conferenzen beiwohnen zu müſſen das Glück hatte, in einer höchſt inter- eſſanten Denkſchrift, welche ſchon am Ende des Februar 1848 geſchrieben wurde, unter viel anderm gerade über jenen Geſichtspunkt im weſent- lichen ſagt. „Durch den Rheinbund war Napoleon, in deſſen Individualität ſich Frankreich damals concentrirte, factiſch Militärkaiſer (Imperator) von Deutſchland geworden; denn was in dieſem Bunde nicht förmlich aufge- nommen war, wurde in den ſeit 1806 folgenden Kriegszügen niederge- worfen, oder doch lahm gelegt. — — — Die Reaction gegen dieſes Mili- tärkaiſerthum, welche ſich in Folge der Niederlagen in Rußland im Jahr 1813 erhob, ging weder von den Fürſten des Rheinbundes, noch von der Mehrheit ihrer Staatsdiener aus, indem ihnen der Zuſtand welcher aus dem Gelingen derſelben reſultiren dürfte, und was dabei von dem Errun- genen zu erhalten oder zu verlieren ſey, als eine unbekannte Größe er- ſcheinen mußte; ſie wurden vielmehr nur durch die glücklichen Erfolge und durch den Anklang welchen die Sache im Volke fand hineingedrängt. Oeſterreich aber, von mißlungenen Kämpfen gegen die franzöſiſche Ueber- macht erſchöpft, trat der Coalition erſt dann bei wie es durch dieſen Bei- tritt nicht wieder zu verlieren, ſondern nur zu gewinnen hoffen durfte. Durch dieſes Zögerungsſyſtem war Oeſterreich bei Rußland und Preußen, welche in der erſten Hälfte des Jahres 1813 die leitenden Mächte der Re- action waren, in einen gewiſſen Mißcredit gerathen. Auf eine ſo voll- ſtändige Beſiegung Napoleons, wie ſich ſpäter ergab, erſtreckten ſich ſelbſt die Hoffnungen jener Zeit noch nicht, man erblickte in ihm immer noch den bleibenden Kaiſer Frankreichs, und wußte noch ebenſowenig ob ſich dieſes auf die Rheingränze reduciren laſſen dürfte, als auch nur wahr- ſcheinlich gefunden werden konnte daß das zwiſchen der öſterreichiſchen Dynaſtie und Napoleon geknüpfte verwandtſchaftliche Band ſo folgenlos bleiben werde, wie es ſich ſpäter ergeben hat. Die kühnſte Ausſicht zu der ſich die leitenden Staatsmänner Rußlands und Preußens bei den Conferenzen zu Kaliſch zu erheben vermochten, war daher die Möglichkeit durch eine allgemeine Volkserhebung in Deutſchland den Rheinbund ge- ſprengt und demnächſt die Militärkraft Deutſchlands ſo organiſirt zu ſehen daß von einer Dispoſition Frankreichs über dieſelbe nicht weiter die Rede ſey. Ebenſowenig konnte man einen künftigen Uebergang dieſer Dis- poſition in Oeſterreichs Hände zuſagend finden; man verſtändigte ſich da- her ſchon damals über die Nichtherſtellung der deutſchen Kaiſerwürde.“ *) Bayern iſt, geographiſch, allerdings nicht unmittelbar betheiligt, die baye- riſchen Truppen aber werden ſich, das haben ſie gezeigt, dort ſo wacker ſchlagen, als gälte es der nächſten Heimath. **) Man bemerke das Datum. Der Hr. Berfaſſer kannte die neueſten Er- klärungen von Berlin noch nicht.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 101, 11. April 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine101_1849/9>, abgerufen am 24.11.2024.