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Allgemeine Zeitung, Nr. 6, 6. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] sen Einflößung bedienen können. Möchte doch Ihr Korrespon-
dent von dem Hochgebirge die Sache etwas näher betrachten, dann
wird er sich überzeugen, daß das, was ihm eine Krise in Frank-
reich zu seyn schien, in der That nicht Anderes ist, als die Bewe-
gungen der allgemeinen Freude, die sich von Seite der Einwohner
des südlichen Frankreichs bei dem Wiedersehn der Mutter des
Thronerben geoffenbart haben, und daß die Flammen, die er ge-
sehn hat, nicht Anderes gewesen sind, als die Freudenfeuer, die
man zur Feier des Königsfestes angezündet hat, aber keine Fa-
keln des Bürgerkriegs. Um sich nicht von dem, was man in
Deutschland Unparteilichkeit nennt, zu entfernen, verurtheilt Ihr
Korrespondent beide Parteien. Dis ist eine sehr bequeme Art
Jedermann zu tadeln und sich selbst Recht zu geben. Wie kön-
nen aber die Störer der öffentlichen Ruhe, und diejenigen die
Ordnung und Unterwerfung predigen, gleich unrecht haben; wie
sollen diejenigen, die das Volk durch Gespenster schreken, gleich
strafbar mit denjenigen seyen, die die Handlungen eines Ordnung
herstellenden Ministeriums in helles Licht sezen? .. Ludwig XVIII,
sagt Ihr Korrespondent, sey in Verhinderung bürgerlicher Zwiste
stärker gewesen, als Karl X; dennoch mußte dieser König und Ge-
sezgeber sich aus Frankreich entfernen; er sah das Blut der Bour-
bons fließen, und Karl X hat noch nichts als Freudenrufe gehört!
Ihr Korrespondent will allerdings dem Könige von Frankreich die
ausgezeichneten Eigenschaften, die Europa an ihm bewundert, nicht
abstreiten, aber er bedauert, daß dieser Fürst das Unglük gehabt,
mit den Riviere und Polignac in der Schule gewesen zu seyn,
statt mit den Decazes, Pasquier, Martignac, weil er dann mit
den so achtungswerthen Eigenschaften seines Herzens die erhabe-
nen Ansichten verbunden haben würde, die man zu Libourne ge-
winnt. Dieses Hochgebirg muß die Gegenstände ganz besonders
entstellen, wenn zwei Männer, die sich durch Seelenstärke und
Adel des Charakters einen historischen Ruf erwarben, als sie un-
ter Ketten waren, von dort aus weniger würdig, sich dem Throne
zu nähern, erscheinen sollten, als Leute, die Minister werden konn-
ten, ohne berühmt zu seyn. Auch sieht man noch von dem Hoch-
gebirge die französische Geistlichkeit Zwietracht predigen, und sich
des irritablen und getrübten Gemüthes Karls X bemächtigen;
man sieht von da aus fremde Gesandten, im Vereine mit Allem,
was sich dem Könige nähert, seinen Royalismus beständig aufrei-
zen, und seine Neigung, keine Konzessionen zu machen, bestärken.
Es ist leider wahr, daß der König Royalist ist; dis ist ein kleiner
Fehler, den man ihm verzeihen muß; auch ist wahr, daß dieser
Monarch, nachdem er seinen Unterthanen einen guten Theil
Rechte zugestanden, die er von seinen Vorfahren erhalten hatte,
den Willen offenbart, diejenigen zu bewahren, die seine Präroga-
tive ausmachen; aber er thut dis ohne Aufreizung, und dieser
Entschluß, der den Leuten vom Hochgebirge so tadelnswerth er-
scheint, genießt den Beifall aller Franzosen, die durch ihren Geist
im Stande sind, einzusehen, daß die Schwächung der königlichen
Autorität die Zerstörung der Monarchie herbeiführen würde. Ihr
Korrespondent hat sich so sehr über jenes aufmerksame Europa,
dem er seine Rathschläge ertheilt, erhoben, daß sich ihm die Dinge vor
seinen Augen verwirren. Er sieht z. B. keinen besondern Unterschied
zwischen der französischen und englischen Regierung, und doch findet ein
auffallender statt, da Frankreich eine durch eine Charte modifizirte Mo-
narchie, England aber eine durch einen König gemäßigte Aristokratie
ist. Es liegt wenig daran, was etwa die Bourbons hätten anneh-
[Spaltenumbruch] men mögen, als si noch zu Hartwel waren; sie sizen jezt auf ih-
rem Throne; sie haben mit Abzug der durch die Charte bestimmten
Konzessionen die Rechte ihrer Vorfahren wieder in Besiz genom-
men. Dis ist jezt das französische Gesez, das durch nichts geän-
dert werden kan. Mit Grund bemerkt Ihr Korrespondent, daß
die konstitutionellen Regierungen, die im übrigen Europa vorhan-
den sind, durch ihre Nüancen vom Anbeginn und nach eines jeden
Eigenthümlichkeit verschieden seyen, und daß daraus für sie ver-
schiedene Ursachen der Ruhe und der Stabilität entsprängen. Eng-
land und Schweden haben die Kraft der Angewöhnung für sich,
die deutschen Monarchien den gutmüthigen Charakter ihrer Ein-
wohner; die Niederlande und Norwegen tragen die Folgen einer
unpassenden Vereinigung, und Frankreich ist zum Kampfe gegen
eine Race von Menschen verurtheilt, die mit dem revolutionairen
Gifte angestekt sind. In Frankreich liegt die große Plage von Eu-
ropa; es ist die Aufgabe des Ministeriums Polignac, Frankreich
von diesem Uebel zu heilen. Dis würde ihm niemals gelingen,
wenn es zu dem Regime der Konzessionen seine Zuflucht nähme,
während es durch Festhaltung der Prärogative und der Rechte der
Nation leicht damit fertig werden wird. Die Charte wird in
Frankreich nicht als ein Versuch angesehen; sie erwartet ihre Sta-
bilität nicht erst von dem Resultate der Erfahrung, wie man sich
auf dem Hochgebirg einbildet; sie ist ein Grundgesez, das nie zu-
rükgenommen werden kan, das selbst nicht unter der Voraussezung,
daß eine der Gewalten, die sie einsezt, ihr die Mitwirkung versa-
gen würde, zurükgenommen werden würde, weil die Neuerungen,
zu denen man dann seine Zuflucht nehmen müßte, um Frankreich
seine Institutionen zu bewahren, selbst ihre Quelle in dem Grund-
vertrage haben würden. Man kan die Menschen nicht verhindern,
die Geseze zu verlezen, aber man muß verhindern, daß ihre Ver-
lezung sie nicht vernichte. Ihr Korrespondent läßt der Verwal-
tung des Hrn. v. Villele eine Gerechtigkeit wiederfahren, die be-
weist, daß wenn er die Sache nicht immer genau, so doch mit gu-
ter Absicht sieht. Allerdings gehörte große Fähigkeit dazu Frank-
reich sechs Jahre lang mitten unter den Eingriffen und Dekla-
mationen der revolutionairen Partei gut zu verwalten; ohne
Zweifel war jene Umwandlnng der fünf Prozents, aus der
ihm Frankreich ein Verbrechen gemacht hat, und die sich an-
dere Nationen als eine Wohlthat aneigneten, eine hohe Konzeption.
Die Liberalen schrien gegen das Ministerium Villele, wie sie gegen
das Ministerium Polignac schreien, weil sie voraussehen, daß es
die Monarchie konsolidiren wird. Sie gleichen jenen unreinli-
chen Thieren, deren Krächzen die Rükkehr der schönen Jahres-
zeit verkündet. Eine royalistische Verwaltung darf sich darüber
freuen, statt darüber zu erschreken. Nicht solche charakterlose Men-
schen sind es, die die Institutionen Frankreichs befestigen werden,
sondern feste und gerechte Royalisten, die eine tiefe Hochachtung
vor den Gesezen, und eine tiefe Verachtung vor dem revolutio-
nairem Abschaum haben. Ihr Korrespondent von dem Hochge-
birge will, daß man den Nationalcharakter der Franzosen ändere.
Die Unternehmung wäre schwierig und kühn, aber glüklicher Weise
ist sie nicht nöthig. Der Franzose ist weniger leichtsinnig als er zu
seyn scheint; er spielt mit Worten, ohne den Grund der Dinge
aus den Augen zu verlieren, und wenn er sie im Spiele des
Scharfsinns entstellt, so weiß er sie doch durch die Kraft seines
Verstandes in ihre wahre Bedeutung zu versezen. So verschwen-
derisch er auch mit seinen Schäzen ist, so kennt er doch den Preis

[Spaltenumbruch] ſen Einflößung bedienen können. Möchte doch Ihr Korreſpon-
dent von dem Hochgebirge die Sache etwas näher betrachten, dann
wird er ſich überzeugen, daß das, was ihm eine Kriſe in Frank-
reich zu ſeyn ſchien, in der That nicht Anderes iſt, als die Bewe-
gungen der allgemeinen Freude, die ſich von Seite der Einwohner
des ſüdlichen Frankreichs bei dem Wiederſehn der Mutter des
Thronerben geoffenbart haben, und daß die Flammen, die er ge-
ſehn hat, nicht Anderes geweſen ſind, als die Freudenfeuer, die
man zur Feier des Königsfeſtes angezündet hat, aber keine Fa-
keln des Bürgerkriegs. Um ſich nicht von dem, was man in
Deutſchland Unparteilichkeit nennt, zu entfernen, verurtheilt Ihr
Korreſpondent beide Parteien. Dis iſt eine ſehr bequeme Art
Jedermann zu tadeln und ſich ſelbſt Recht zu geben. Wie kön-
nen aber die Störer der öffentlichen Ruhe, und diejenigen die
Ordnung und Unterwerfung predigen, gleich unrecht haben; wie
ſollen diejenigen, die das Volk durch Geſpenſter ſchreken, gleich
ſtrafbar mit denjenigen ſeyen, die die Handlungen eines Ordnung
herſtellenden Miniſteriums in helles Licht ſezen? .. Ludwig XVIII,
ſagt Ihr Korreſpondent, ſey in Verhinderung bürgerlicher Zwiſte
ſtärker geweſen, als Karl X; dennoch mußte dieſer König und Ge-
ſezgeber ſich aus Frankreich entfernen; er ſah das Blut der Bour-
bons fließen, und Karl X hat noch nichts als Freudenrufe gehört!
Ihr Korreſpondent will allerdings dem Könige von Frankreich die
ausgezeichneten Eigenſchaften, die Europa an ihm bewundert, nicht
abſtreiten, aber er bedauert, daß dieſer Fürſt das Unglük gehabt,
mit den Riviere und Polignac in der Schule geweſen zu ſeyn,
ſtatt mit den Decazes, Pasquier, Martignac, weil er dann mit
den ſo achtungswerthen Eigenſchaften ſeines Herzens die erhabe-
nen Anſichten verbunden haben würde, die man zu Libourne ge-
winnt. Dieſes Hochgebirg muß die Gegenſtände ganz beſonders
entſtellen, wenn zwei Männer, die ſich durch Seelenſtärke und
Adel des Charakters einen hiſtoriſchen Ruf erwarben, als ſie un-
ter Ketten waren, von dort aus weniger würdig, ſich dem Throne
zu nähern, erſcheinen ſollten, als Leute, die Miniſter werden konn-
ten, ohne berühmt zu ſeyn. Auch ſieht man noch von dem Hoch-
gebirge die franzöſiſche Geiſtlichkeit Zwietracht predigen, und ſich
des irritablen und getrübten Gemüthes Karls X bemächtigen;
man ſieht von da aus fremde Geſandten, im Vereine mit Allem,
was ſich dem Könige nähert, ſeinen Royalismus beſtändig aufrei-
zen, und ſeine Neigung, keine Konzeſſionen zu machen, beſtärken.
Es iſt leider wahr, daß der König Royaliſt iſt; dis iſt ein kleiner
Fehler, den man ihm verzeihen muß; auch iſt wahr, daß dieſer
Monarch, nachdem er ſeinen Unterthanen einen guten Theil
Rechte zugeſtanden, die er von ſeinen Vorfahren erhalten hatte,
den Willen offenbart, diejenigen zu bewahren, die ſeine Präroga-
tive ausmachen; aber er thut dis ohne Aufreizung, und dieſer
Entſchluß, der den Leuten vom Hochgebirge ſo tadelnswerth er-
ſcheint, genießt den Beifall aller Franzoſen, die durch ihren Geiſt
im Stande ſind, einzuſehen, daß die Schwächung der königlichen
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Korreſpondent hat ſich ſo ſehr über jenes aufmerkſame Europa,
dem er ſeine Rathſchläge ertheilt, erhoben, daß ſich ihm die Dinge vor
ſeinen Augen verwirren. Er ſieht z. B. keinen beſondern Unterſchied
zwiſchen der franzöſiſchen und engliſchen Regierung, und doch findet ein
auffallender ſtatt, da Frankreich eine durch eine Charte modifizirte Mo-
narchie, England aber eine durch einen König gemäßigte Ariſtokratie
iſt. Es liegt wenig daran, was etwa die Bourbons hätten anneh-
[Spaltenumbruch] men mögen, als ſi noch zu Hartwel waren; ſie ſizen jezt auf ih-
rem Throne; ſie haben mit Abzug der durch die Charte beſtimmten
Konzeſſionen die Rechte ihrer Vorfahren wieder in Beſiz genom-
men. Dis iſt jezt das franzöſiſche Geſez, das durch nichts geän-
dert werden kan. Mit Grund bemerkt Ihr Korreſpondent, daß
die konſtitutionellen Regierungen, die im übrigen Europa vorhan-
den ſind, durch ihre Nüancen vom Anbeginn und nach eines jeden
Eigenthümlichkeit verſchieden ſeyen, und daß daraus für ſie ver-
ſchiedene Urſachen der Ruhe und der Stabilität entſprängen. Eng-
land und Schweden haben die Kraft der Angewöhnung für ſich,
die deutſchen Monarchien den gutmüthigen Charakter ihrer Ein-
wohner; die Niederlande und Norwegen tragen die Folgen einer
unpaſſenden Vereinigung, und Frankreich iſt zum Kampfe gegen
eine Race von Menſchen verurtheilt, die mit dem revolutionairen
Gifte angeſtekt ſind. In Frankreich liegt die große Plage von Eu-
ropa; es iſt die Aufgabe des Miniſteriums Polignac, Frankreich
von dieſem Uebel zu heilen. Dis würde ihm niemals gelingen,
wenn es zu dem Regime der Konzeſſionen ſeine Zuflucht nähme,
während es durch Feſthaltung der Prärogative und der Rechte der
Nation leicht damit fertig werden wird. Die Charte wird in
Frankreich nicht als ein Verſuch angeſehen; ſie erwartet ihre Sta-
bilität nicht erſt von dem Reſultate der Erfahrung, wie man ſich
auf dem Hochgebirg einbildet; ſie iſt ein Grundgeſez, das nie zu-
rükgenommen werden kan, das ſelbſt nicht unter der Vorausſezung,
daß eine der Gewalten, die ſie einſezt, ihr die Mitwirkung verſa-
gen würde, zurükgenommen werden würde, weil die Neuerungen,
zu denen man dann ſeine Zuflucht nehmen müßte, um Frankreich
ſeine Inſtitutionen zu bewahren, ſelbſt ihre Quelle in dem Grund-
vertrage haben würden. Man kan die Menſchen nicht verhindern,
die Geſeze zu verlezen, aber man muß verhindern, daß ihre Ver-
lezung ſie nicht vernichte. Ihr Korreſpondent läßt der Verwal-
tung des Hrn. v. Villele eine Gerechtigkeit wiederfahren, die be-
weist, daß wenn er die Sache nicht immer genau, ſo doch mit gu-
ter Abſicht ſieht. Allerdings gehörte große Fähigkeit dazu Frank-
reich ſechs Jahre lang mitten unter den Eingriffen und Dekla-
mationen der revolutionairen Partei gut zu verwalten; ohne
Zweifel war jene Umwandlnng der fünf Prozents, aus der
ihm Frankreich ein Verbrechen gemacht hat, und die ſich an-
dere Nationen als eine Wohlthat aneigneten, eine hohe Konzeption.
Die Liberalen ſchrien gegen das Miniſterium Villele, wie ſie gegen
das Miniſterium Polignac ſchreien, weil ſie vorausſehen, daß es
die Monarchie konſolidiren wird. Sie gleichen jenen unreinli-
chen Thieren, deren Krächzen die Rükkehr der ſchönen Jahres-
zeit verkündet. Eine royaliſtiſche Verwaltung darf ſich darüber
freuen, ſtatt darüber zu erſchreken. Nicht ſolche charakterloſe Men-
ſchen ſind es, die die Inſtitutionen Frankreichs befeſtigen werden,
ſondern feſte und gerechte Royaliſten, die eine tiefe Hochachtung
vor den Geſezen, und eine tiefe Verachtung vor dem revolutio-
nairem Abſchaum haben. Ihr Korreſpondent von dem Hochge-
birge will, daß man den Nationalcharakter der Franzoſen ändere.
Die Unternehmung wäre ſchwierig und kühn, aber glüklicher Weiſe
iſt ſie nicht nöthig. Der Franzoſe iſt weniger leichtſinnig als er zu
ſeyn ſcheint; er ſpielt mit Worten, ohne den Grund der Dinge
aus den Augen zu verlieren, und wenn er ſie im Spiele des
Scharfſinns entſtellt, ſo weiß er ſie doch durch die Kraft ſeines
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deriſch er auch mit ſeinen Schäzen iſt, ſo kennt er doch den Preis

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[23/0003] ſen Einflößung bedienen können. Möchte doch Ihr Korreſpon- dent von dem Hochgebirge die Sache etwas näher betrachten, dann wird er ſich überzeugen, daß das, was ihm eine Kriſe in Frank- reich zu ſeyn ſchien, in der That nicht Anderes iſt, als die Bewe- gungen der allgemeinen Freude, die ſich von Seite der Einwohner des ſüdlichen Frankreichs bei dem Wiederſehn der Mutter des Thronerben geoffenbart haben, und daß die Flammen, die er ge- ſehn hat, nicht Anderes geweſen ſind, als die Freudenfeuer, die man zur Feier des Königsfeſtes angezündet hat, aber keine Fa- keln des Bürgerkriegs. Um ſich nicht von dem, was man in Deutſchland Unparteilichkeit nennt, zu entfernen, verurtheilt Ihr Korreſpondent beide Parteien. Dis iſt eine ſehr bequeme Art Jedermann zu tadeln und ſich ſelbſt Recht zu geben. Wie kön- nen aber die Störer der öffentlichen Ruhe, und diejenigen die Ordnung und Unterwerfung predigen, gleich unrecht haben; wie ſollen diejenigen, die das Volk durch Geſpenſter ſchreken, gleich ſtrafbar mit denjenigen ſeyen, die die Handlungen eines Ordnung herſtellenden Miniſteriums in helles Licht ſezen? .. Ludwig XVIII, ſagt Ihr Korreſpondent, ſey in Verhinderung bürgerlicher Zwiſte ſtärker geweſen, als Karl X; dennoch mußte dieſer König und Ge- ſezgeber ſich aus Frankreich entfernen; er ſah das Blut der Bour- bons fließen, und Karl X hat noch nichts als Freudenrufe gehört! Ihr Korreſpondent will allerdings dem Könige von Frankreich die ausgezeichneten Eigenſchaften, die Europa an ihm bewundert, nicht abſtreiten, aber er bedauert, daß dieſer Fürſt das Unglük gehabt, mit den Riviere und Polignac in der Schule geweſen zu ſeyn, ſtatt mit den Decazes, Pasquier, Martignac, weil er dann mit den ſo achtungswerthen Eigenſchaften ſeines Herzens die erhabe- nen Anſichten verbunden haben würde, die man zu Libourne ge- winnt. Dieſes Hochgebirg muß die Gegenſtände ganz beſonders entſtellen, wenn zwei Männer, die ſich durch Seelenſtärke und Adel des Charakters einen hiſtoriſchen Ruf erwarben, als ſie un- ter Ketten waren, von dort aus weniger würdig, ſich dem Throne zu nähern, erſcheinen ſollten, als Leute, die Miniſter werden konn- ten, ohne berühmt zu ſeyn. Auch ſieht man noch von dem Hoch- gebirge die franzöſiſche Geiſtlichkeit Zwietracht predigen, und ſich des irritablen und getrübten Gemüthes Karls X bemächtigen; man ſieht von da aus fremde Geſandten, im Vereine mit Allem, was ſich dem Könige nähert, ſeinen Royalismus beſtändig aufrei- zen, und ſeine Neigung, keine Konzeſſionen zu machen, beſtärken. Es iſt leider wahr, daß der König Royaliſt iſt; dis iſt ein kleiner Fehler, den man ihm verzeihen muß; auch iſt wahr, daß dieſer Monarch, nachdem er ſeinen Unterthanen einen guten Theil Rechte zugeſtanden, die er von ſeinen Vorfahren erhalten hatte, den Willen offenbart, diejenigen zu bewahren, die ſeine Präroga- tive ausmachen; aber er thut dis ohne Aufreizung, und dieſer Entſchluß, der den Leuten vom Hochgebirge ſo tadelnswerth er- ſcheint, genießt den Beifall aller Franzoſen, die durch ihren Geiſt im Stande ſind, einzuſehen, daß die Schwächung der königlichen Autorität die Zerſtörung der Monarchie herbeiführen würde. Ihr Korreſpondent hat ſich ſo ſehr über jenes aufmerkſame Europa, dem er ſeine Rathſchläge ertheilt, erhoben, daß ſich ihm die Dinge vor ſeinen Augen verwirren. Er ſieht z. B. keinen beſondern Unterſchied zwiſchen der franzöſiſchen und engliſchen Regierung, und doch findet ein auffallender ſtatt, da Frankreich eine durch eine Charte modifizirte Mo- narchie, England aber eine durch einen König gemäßigte Ariſtokratie iſt. Es liegt wenig daran, was etwa die Bourbons hätten anneh- men mögen, als ſi noch zu Hartwel waren; ſie ſizen jezt auf ih- rem Throne; ſie haben mit Abzug der durch die Charte beſtimmten Konzeſſionen die Rechte ihrer Vorfahren wieder in Beſiz genom- men. Dis iſt jezt das franzöſiſche Geſez, das durch nichts geän- dert werden kan. Mit Grund bemerkt Ihr Korreſpondent, daß die konſtitutionellen Regierungen, die im übrigen Europa vorhan- den ſind, durch ihre Nüancen vom Anbeginn und nach eines jeden Eigenthümlichkeit verſchieden ſeyen, und daß daraus für ſie ver- ſchiedene Urſachen der Ruhe und der Stabilität entſprängen. Eng- land und Schweden haben die Kraft der Angewöhnung für ſich, die deutſchen Monarchien den gutmüthigen Charakter ihrer Ein- wohner; die Niederlande und Norwegen tragen die Folgen einer unpaſſenden Vereinigung, und Frankreich iſt zum Kampfe gegen eine Race von Menſchen verurtheilt, die mit dem revolutionairen Gifte angeſtekt ſind. In Frankreich liegt die große Plage von Eu- ropa; es iſt die Aufgabe des Miniſteriums Polignac, Frankreich von dieſem Uebel zu heilen. Dis würde ihm niemals gelingen, wenn es zu dem Regime der Konzeſſionen ſeine Zuflucht nähme, während es durch Feſthaltung der Prärogative und der Rechte der Nation leicht damit fertig werden wird. Die Charte wird in Frankreich nicht als ein Verſuch angeſehen; ſie erwartet ihre Sta- bilität nicht erſt von dem Reſultate der Erfahrung, wie man ſich auf dem Hochgebirg einbildet; ſie iſt ein Grundgeſez, das nie zu- rükgenommen werden kan, das ſelbſt nicht unter der Vorausſezung, daß eine der Gewalten, die ſie einſezt, ihr die Mitwirkung verſa- gen würde, zurükgenommen werden würde, weil die Neuerungen, zu denen man dann ſeine Zuflucht nehmen müßte, um Frankreich ſeine Inſtitutionen zu bewahren, ſelbſt ihre Quelle in dem Grund- vertrage haben würden. Man kan die Menſchen nicht verhindern, die Geſeze zu verlezen, aber man muß verhindern, daß ihre Ver- lezung ſie nicht vernichte. Ihr Korreſpondent läßt der Verwal- tung des Hrn. v. Villele eine Gerechtigkeit wiederfahren, die be- weist, daß wenn er die Sache nicht immer genau, ſo doch mit gu- ter Abſicht ſieht. Allerdings gehörte große Fähigkeit dazu Frank- reich ſechs Jahre lang mitten unter den Eingriffen und Dekla- mationen der revolutionairen Partei gut zu verwalten; ohne Zweifel war jene Umwandlnng der fünf Prozents, aus der ihm Frankreich ein Verbrechen gemacht hat, und die ſich an- dere Nationen als eine Wohlthat aneigneten, eine hohe Konzeption. Die Liberalen ſchrien gegen das Miniſterium Villele, wie ſie gegen das Miniſterium Polignac ſchreien, weil ſie vorausſehen, daß es die Monarchie konſolidiren wird. Sie gleichen jenen unreinli- chen Thieren, deren Krächzen die Rükkehr der ſchönen Jahres- zeit verkündet. Eine royaliſtiſche Verwaltung darf ſich darüber freuen, ſtatt darüber zu erſchreken. Nicht ſolche charakterloſe Men- ſchen ſind es, die die Inſtitutionen Frankreichs befeſtigen werden, ſondern feſte und gerechte Royaliſten, die eine tiefe Hochachtung vor den Geſezen, und eine tiefe Verachtung vor dem revolutio- nairem Abſchaum haben. Ihr Korreſpondent von dem Hochge- birge will, daß man den Nationalcharakter der Franzoſen ändere. Die Unternehmung wäre ſchwierig und kühn, aber glüklicher Weiſe iſt ſie nicht nöthig. Der Franzoſe iſt weniger leichtſinnig als er zu ſeyn ſcheint; er ſpielt mit Worten, ohne den Grund der Dinge aus den Augen zu verlieren, und wenn er ſie im Spiele des Scharfſinns entſtellt, ſo weiß er ſie doch durch die Kraft ſeines Verſtandes in ihre wahre Bedeutung zu verſezen. So verſchwen- deriſch er auch mit ſeinen Schäzen iſt, ſo kennt er doch den Preis

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 6, 6. Januar 1830, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine06_1830/3>, abgerufen am 24.11.2024.