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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] tag eine der gewohnten Deputationen, welche ihm bei jedem Anlaß ihren Schmerz
ausdrücken über den Lauf der Welt, aufgefordert guten Muthes zu sein. (S. unsere
römische Correspondenz in Nr. 1 der Allg. Ztg. D. R.) Wie einst dem Kaiser
Augustus, so sei auch denen die heute in Rom herrschen die Marotte der
Volkszählung gekommen (a quelli che comandano e venuto il ticchio del
censimento
), und dieses Zusammentreffen der Verderbniß der Zeiten mit der Volks-
zählung berechtige zu der Hoffnung daß auch jetzt wieder das Licht und die Wahrheit
erscheinen werden. Da übrigens der heilige Joseph dem Befehl der Regierung Ge-
horsam leistete und sich zur Volkszählung nach Bethlehem begab, so läßt sich er-
warten daß ein Problem welches dem Gemeinderathe von Rom viel Kopfzerbrechen
verursachen soll, ohne Schwierigkeit seine Lösung finden werde. Hat die Volks-
zählung sich auch auf die Bewohner des Vaticans zu erstrecken? Im Garantien-
Gesetz ist nicht davon die Rede. Doch muß die Frage in abstracto offenbar be-
jaht werden. Der Vatican bildet einen Theil des Königreichs Italien, und seine
Bewohner sind -- mit Ausnahme des einzigen Papstes -- den italienischen Ge-
setzen unterworfen. Der Papst selbst ist ohne Zweifel Italiener, Bürger des
Königreichs Italien, wenn auch nicht Unterthan des Königs von Italien. Der
König wird nun aber bei der Volkszählung mitgezählt; warum sollte nicht auch der
Papst mitgezählt werden? Doch selbst wenn man den Papst nicht als Italiener be-
trachten wollte, so würde die Sache sich nicht ändern. Denn die Zählung erstreckt
sich auch auf alle in der Neujahrsnacht auf italienischem Boden anwesenden Aus-
länder. Indessen hat die Sache ihrer praktischen Ausführbarkeit nach allerdings
etwas problematisches. Der Vatican gehört zwar zum Königreich Italien, doch
ist der Zugang zu demselben den italienischen Beamten nur mit Zustimmung des
Papstes gestattet. Die mit der Zählung betrauten Beamten haben also sich die
Zustimmung des Papstes zum Eintritt in den Palast behufs der Vornahme ihrer
Functionen zu erbitten. Die Zustimmung sollte nicht verweigert werden, möchte
man denken, wenn der Papst das Präcedens des hl. Joseph zur Richtschnur seines
Handelns macht.

Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Nachrichten, die von Jedo der Dampfer
"Great Republic" mitbrachte, sagen: daß die Gesandtschaft die heute von Joko-
hama absegelt und bis zum 18 Jan. hier eintreffen dürfte, die bedeutsamste sein
wird die jemals eine orientalische Nation nach Amerika oder Europa geschickt hat.
Sie wird auf Befehl des japanischen Parlaments und des Mikado abgesendet,
damit die herrschenden Classen selbst die westliche Civilisation studieren können, und
nicht mehr von den Berichten untergeordneter Individuen abhängen mögen, wie
dieß seither der Fall war. An der Spitze der Gesandtschaft werden Jawkura, der
ehemalige Minister der auswärtigen Angelegenheiten, und der neue Premiermini-
ster von Japan stehen; dieselben werden unterstützt von Kido, dem Chef des Privat-
Conseils des Kaisers. Zur Gesandtschaft gehören außerdem der Minister der öf-
fentlichen Bauwerke, der Finanzminister und der Viceminister der auswärtigen
Angelegenheiten. Diese Gesandten werden von 8 Secretären, 21 Beamten höheren
Ranges und 21 jungen Edelleuten begleitet werden, welche die Reise mitmachen um
Kenntniß von den Zuständen des Auslandes zu erlangen. Sie werden, wenn sie
in San Francisco ankommen, über Land nach Washington gehen, die Hauptstädte
Amerika's besuchen, Europa bereisen und dann die Tour um die Welt herum
machen. Der amerikanische Gesandte De Long wird sie nach Washington begleiten.
Charles Walcott Brooks, japanischer Consul in San Francisco, hat die Weisung
erhalten diese Gesandtschaft um die Welt herum zu begleiten. (N.-Y. Staatsztg.)

Südamerika.

Aus Callao, 27 Nov., berichtet man der "Köln. Ztg.:" "Eine schöne
Illustration hiesiger Sitten ist der vor drei oder vier Tagen erfolgte Tod des Ex-
Dictators von Bolivia, Generals Melgarejo. Derselbe hatte dort von 1864 an, wo
er seinen Gönner, den Präsidenten Belzu, meuchlerisch ermordet, von der Gunst der
niederen Classen getragen, bis zu Anfang dieses Jahres geherrscht und dabei große
Reichthümer zusammengebracht. Als er endlich im Januar 1871 verjagt wurde,
flüchtete er nach Lima, wo er in dem General Porfirio Sanchez einen Schwieger-
sohn hatte, der, wenn Katholiken zwei Frauen zu gleicher Zeit haben dürften, zu-
gleich sein Schwager sein würde. Während nämlich Sanchez die Tochter Melgarejo's
zur Frau hat, hatte letzterer die Schwester des ersteren als Quasi-Frau bei sich.
Nun waren dem Ex-Dictator die Quasi-Frau und ein Koffer mit seinen Haupt-
schätzen vorausgereist und bei Sanchez abgestiegen, welcher den Koffer dann dem
Eigenthümer nicht herausgeben wollte. Es kam zu einem Proceß, in welchem, wie
ich höre, das Gericht die Behauptung: der Koffer nebst Inhalt sei wohlerworbenes
Eigenthum der Schwester von Sanchez, nicht richtig fand. Melgarejo indessen
forderte vergebens daraufhin die Zurückerstattung seines freilich gleichfalls nichts
weniger als wohlerworbenen Eigenthums, und als er am 23 Nov. mit Gewalt in
das Haus des harthörigen Schwiegersohns zu dringen versuchte, schoß ihn dieser
vom Altane des Hauses vor der Thüre nieder."

Verschiedenes.


erhalten wir folgende Zuschrift, mit deren Inhalt
wir uns vollkommen einverstanden erklären "Ich möchte mir eine kleine Reclamation
gegen die weitgehende Autonomie erlauben welche, in Deutschland alle Welt bezüglich
der Sprache in Anspruch nimmt. Wenn nach der Ausdrucksweise in den Gesetzen
die Worte: Meter, Liter etc. generis neutrius sind, so sollte das Volk nach
und nach aufhören zu sagen: der Meter, der Liter, und die Tagesliteratur dürfte
wohl gut thun darin mit gutem Beispiel voranzugehen. Freilich möchte man an jedem
Erfolg in dieser Hinsicht fast verzweifeln, wenn man sieht daß selbst die Organe des
[Spaltenumbruch] Reichs in solchen Dingen nicht immer zum Einklang kommen können. So schreibt und
spricht man z. B. nach den Reichsgesetzen das Wort: Gramm im Plural: Gramme
(Maß- und Gewichtsordnung vom 17 Aug. 1868 Art. 6 Abs. 2 etc.), und, unsers
Wissens, stimmt das mit dem allgemeinen Sprachgebrauch überein. Die Reichs-Post-
verwaltung aber hat schon wieder ihren eigenen Sprachgebrauch, denn sie schreibt: die
Grammen. (S. Post-Reglement vom 30 Nov. 1871 §. 1. II, Tarifbestimmungen §. II.
Abs. 1. §. III Abs. 1 etc.)



(Universität).

Durch die Gründung der
Straßburger Hochschule werden auch die Kräfte unserer Universität in Anspruch genom-
men. Prof. Binding von hier ist für Strafrecht und Strafproceß nach Straßburg
berufen. Wir verlieren in ihm mit lebhaftem Bedauern eine wirkungsvolle Persönlich-
keit und eine wissenschaftlich wie docentisch bedeutende Kraft, wenn gleich es andrerseits
unser Stolz ist daß auch unsere Hochschule berufen ist zu dem Wiederaufbau deutscher
Wissenschaft in den neugewonnenen Reichslanden beizusteuern. Es ist der zweite Schlag
der in letzter Zeit insbesondere unsere Juristenfacultät betroffen, da vor kurzem Prof.
Degenkolb einen Ruf nach Tübingen erhalten und angenommen hat.


(Professor Jäger +.)

Im hohen Greisenalter ist hier
der berühmte Augenarzt Prof. Jäger verschieden, ein geborener Württemberger (aus
Kirchberg an der Jaxt) und seiner Heimath noch in seinem Namen (Ritter v. Jaxtthal)
gedenkend. Er war seinerzeit auch Leibarzt des Fürsten Metternich, und seine Salons
versammelten alles was in Wien auf Geist und Talent Anspruch zu machen hatte.


Gegenwärtig liegen bei Hrn. Harry Emanuel die Juwelen der
Ex-Kaiserin Eugenie
zum Verkauf aus. Viele davon waren durch Photogra-
phien bekannt geworden, und unter ihnen befinden sich die ersten Geschenke des Ex-
Kaisers; das prachtvolle Diadem welches die Kaiserin bei Halbgala zu tragen pflegte,
die kleinern Schmucksachen im täglichen Gebrauch und die kostbaren Prunkjuwelen wer-
den jetzt alle zum Kauf angeboten. Wenn gleich weniger werthvoll als die Esterhazy'schen
Juwelen, sind sie doch jedenfalls historisch interessanter und zeichnen sich noch durch
feinern Geschmack und feinere Arbeit aus, wie dieß schon der erste Blick zeigt. Nicht
den letzten Platz unter den ausgebotenen Kostbarkeiten nimmt ein Kopfschmuck von Dia-
manten in Gestalt eines Oelzweiges ein, welcher von der Beendigung des Krieges zwi-
schen Frankreich und Oesterreich her datirt. Der Oelzweig versinnbildlichte den Frieden,
und schwarze Perlen, welche die glänzenden Diamanten in regelmäßigen Zwischenräumen
abhoben, sollten der Trauer für die gefallenen Soldaten Ausdruck geben. Auch das
berühmte Kreuz von Smaragden an einer Halskette von Perlen befindet sich unter den
ausgebotenen Schmucksachen, sowie ferner ein einfaches Halsband von schwarzen Perlen
gleicher Größe, deren Sammlung eine Reihe von Jahren in Anspruch nahm. Ein an-
derer prachtvoller Kopfschmuck besteht aus Weizenähren in Diamanten, mit Kornblumen
und Gras gleichfalls aus Diamanten in der Mitte, welch letztere herausgenommen und
getrennt als Kleiderzierrath getragen werden konnten. Auch die von der Ex-Kaiserin
beständig getragene Uhr und Kette, ein Paar Ohrringe aus Riesenbrillanten -- ein
Geschenk des Kaisers -- die großen Diamantenanker welche Eugenie bei dem Besuch in
Cherbourg in ihrer Eigenschaft als Protectorin der französischen Flotte als Schulter-
schmuck trug, alles dieß ist in dem Katalog zu finden. Hr. Emanuel weiß mit histo-
rischer Genauigkeit über jeden einzelnen Gegenstand Rechenschaft abzulegen. Doch muß
man nicht glauben daß dieß der ganze Juwelenvorrath der Ex-Kaiserin ist; viele der-
selben haben bei Hrn. Emanuel keine Aussicht verkauft zu werden, und harren in Chisel-
hurst einer Käuferin; es hat, dem Vernehmen nach, die Kaiserin von Rußland bereits
die berühmte Rubinengarnitur angekauft.


(Die Bevölkerung Englands.)

Die letzte Volkszählung ergibt daß außer
London 17 Städte in England und Wales eine Einwohnerzahl von mehr als 100,000
Köpfen haben. Indessen sind die Censusangaben nicht ganz richtig, weil bei einigen
der größeren Städte, wie Liverpool und Birmingham, die Gränzen für die Volkszählung
weit enger gezogen sind als die wirklichen Stadtgränzen, während bei andern die Vor-
städte ganz mit eingeschlossen sind. Die wirkliche Vevölkerung der größten Städte stellt
sich folgendermaßen: Manchester mit Salford 592,164; Liverpool 581,203; Bir-
mingham 444,545; Leeds 259,201; Sheffield 239,947; Bristol 198,730; Newcastle
mit Gateshead 180,000; Wolverhampton 163,408; Plymouth mit Devonport 134,000;
Stoke-upon-Trent 130,507; Portsmouth mit Gosport 128,461; Hull 123,111; Nothing-
ham 120,392; Wednesbury 116,768; Oldham 113,092; Sunderland 104,490 und
Brighton 103,760.



Neueste Posten.

Wie aus Sandringham gemeldet wird, haben die ört-
lichen Schmerzen des Prinzen von Wales an Heftigkeit nachgelassen. Die Königin
wird voraussichtlich morgen Sandringham verlassen. -- Dem Ausweis über die
Einnahmen des Staates zufolge dürfte sich der Ueberschuß für das abgelaufene
Verwaltungsjahr auf zwei Millionen beziffern. -- Die "Times" äußert sich, in einem
Artikel welcher eine Uebersicht über die Verhältnisse der einzelnen Länder Europa's
am Schlusse des Jahres gibt, dahin: daß das siegreiche Deutschland das einzige
Land sei in welchem Regierung und Volk vertrauensvoll Hand in Hand gehen. Während
Frankreich durch seine Träume nach Rache nur zur Consolidation Deutschlands
beitrage und am Abhange der Anarchie zittere, suche Deutschland seine Sicherheit
in Loyalität und Disciplin. -- Wie der "Morning Post" aus Singapur gemeldet
wird, hat sich der König von Siam am 24 Nov. daselbst eingeschifft um Europa
zu besuchen. (T. N.)


Anläßlich der Wahl Littre's in die Akademie hat Bi-
schof Dupanloup seine Würde als Mitglied der Akademie niedergelegt. (T. N.)


Der König empfieng heute das diplomatische Corps, und
nahm die Glückwünsche desselben zum neuen Jahr entgegen. Das diplomatische
Corps beglückwünschte hierauf die Kronprinzessin. (T. N.)

[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] tag eine der gewohnten Deputationen, welche ihm bei jedem Anlaß ihren Schmerz
ausdrücken über den Lauf der Welt, aufgefordert guten Muthes zu ſein. (S. unſere
römiſche Correſpondenz in Nr. 1 der Allg. Ztg. D. R.) Wie einſt dem Kaiſer
Auguſtus, ſo ſei auch denen die heute in Rom herrſchen die Marotte der
Volkszählung gekommen (a quelli che comandano è venuto il ticchio del
censimento
), und dieſes Zuſammentreffen der Verderbniß der Zeiten mit der Volks-
zählung berechtige zu der Hoffnung daß auch jetzt wieder das Licht und die Wahrheit
erſcheinen werden. Da übrigens der heilige Joſeph dem Befehl der Regierung Ge-
horſam leiſtete und ſich zur Volkszählung nach Bethlehem begab, ſo läßt ſich er-
warten daß ein Problem welches dem Gemeinderathe von Rom viel Kopfzerbrechen
verurſachen ſoll, ohne Schwierigkeit ſeine Löſung finden werde. Hat die Volks-
zählung ſich auch auf die Bewohner des Vaticans zu erſtrecken? Im Garantien-
Geſetz iſt nicht davon die Rede. Doch muß die Frage in abstracto offenbar be-
jaht werden. Der Vatican bildet einen Theil des Königreichs Italien, und ſeine
Bewohner ſind — mit Ausnahme des einzigen Papſtes — den italieniſchen Ge-
ſetzen unterworfen. Der Papſt ſelbſt iſt ohne Zweifel Italiener, Bürger des
Königreichs Italien, wenn auch nicht Unterthan des Königs von Italien. Der
König wird nun aber bei der Volkszählung mitgezählt; warum ſollte nicht auch der
Papſt mitgezählt werden? Doch ſelbſt wenn man den Papſt nicht als Italiener be-
trachten wollte, ſo würde die Sache ſich nicht ändern. Denn die Zählung erſtreckt
ſich auch auf alle in der Neujahrsnacht auf italieniſchem Boden anweſenden Aus-
länder. Indeſſen hat die Sache ihrer praktiſchen Ausführbarkeit nach allerdings
etwas problematiſches. Der Vatican gehört zwar zum Königreich Italien, doch
iſt der Zugang zu demſelben den italieniſchen Beamten nur mit Zuſtimmung des
Papſtes geſtattet. Die mit der Zählung betrauten Beamten haben alſo ſich die
Zuſtimmung des Papſtes zum Eintritt in den Palaſt behufs der Vornahme ihrer
Functionen zu erbitten. Die Zuſtimmung ſollte nicht verweigert werden, möchte
man denken, wenn der Papſt das Präcedens des hl. Joſeph zur Richtſchnur ſeines
Handelns macht.

Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Nachrichten, die von Jedo der Dampfer
„Great Republic“ mitbrachte, ſagen: daß die Geſandtſchaft die heute von Joko-
hama abſegelt und bis zum 18 Jan. hier eintreffen dürfte, die bedeutſamſte ſein
wird die jemals eine orientaliſche Nation nach Amerika oder Europa geſchickt hat.
Sie wird auf Befehl des japaniſchen Parlaments und des Mikado abgeſendet,
damit die herrſchenden Claſſen ſelbſt die weſtliche Civiliſation ſtudieren können, und
nicht mehr von den Berichten untergeordneter Individuen abhängen mögen, wie
dieß ſeither der Fall war. An der Spitze der Geſandtſchaft werden Jawkura, der
ehemalige Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, und der neue Premiermini-
ſter von Japan ſtehen; dieſelben werden unterſtützt von Kido, dem Chef des Privat-
Conſeils des Kaiſers. Zur Geſandtſchaft gehören außerdem der Miniſter der öf-
fentlichen Bauwerke, der Finanzminiſter und der Viceminiſter der auswärtigen
Angelegenheiten. Dieſe Geſandten werden von 8 Secretären, 21 Beamten höheren
Ranges und 21 jungen Edelleuten begleitet werden, welche die Reiſe mitmachen um
Kenntniß von den Zuſtänden des Auslandes zu erlangen. Sie werden, wenn ſie
in San Francisco ankommen, über Land nach Waſhington gehen, die Hauptſtädte
Amerika’s beſuchen, Europa bereiſen und dann die Tour um die Welt herum
machen. Der amerikaniſche Geſandte De Long wird ſie nach Waſhington begleiten.
Charles Walcott Brooks, japaniſcher Conſul in San Francisco, hat die Weiſung
erhalten dieſe Geſandtſchaft um die Welt herum zu begleiten. (N.-Y. Staatsztg.)

Südamerika.

Aus Callao, 27 Nov., berichtet man der „Köln. Ztg.:“ „Eine ſchöne
Illuſtration hieſiger Sitten iſt der vor drei oder vier Tagen erfolgte Tod des Ex-
Dictators von Bolivia, Generals Melgarejo. Derſelbe hatte dort von 1864 an, wo
er ſeinen Gönner, den Präſidenten Belzu, meuchleriſch ermordet, von der Gunſt der
niederen Claſſen getragen, bis zu Anfang dieſes Jahres geherrſcht und dabei große
Reichthümer zuſammengebracht. Als er endlich im Januar 1871 verjagt wurde,
flüchtete er nach Lima, wo er in dem General Porfirio Sanchez einen Schwieger-
ſohn hatte, der, wenn Katholiken zwei Frauen zu gleicher Zeit haben dürften, zu-
gleich ſein Schwager ſein würde. Während nämlich Sanchez die Tochter Melgarejo’s
zur Frau hat, hatte letzterer die Schweſter des erſteren als Quaſi-Frau bei ſich.
Nun waren dem Ex-Dictator die Quaſi-Frau und ein Koffer mit ſeinen Haupt-
ſchätzen vorausgereist und bei Sanchez abgeſtiegen, welcher den Koffer dann dem
Eigenthümer nicht herausgeben wollte. Es kam zu einem Proceß, in welchem, wie
ich höre, das Gericht die Behauptung: der Koffer nebſt Inhalt ſei wohlerworbenes
Eigenthum der Schweſter von Sanchez, nicht richtig fand. Melgarejo indeſſen
forderte vergebens daraufhin die Zurückerſtattung ſeines freilich gleichfalls nichts
weniger als wohlerworbenen Eigenthums, und als er am 23 Nov. mit Gewalt in
das Haus des harthörigen Schwiegerſohns zu dringen verſuchte, ſchoß ihn dieſer
vom Altane des Hauſes vor der Thüre nieder.“

Verſchiedenes.


erhalten wir folgende Zuſchrift, mit deren Inhalt
wir uns vollkommen einverſtanden erklären „Ich möchte mir eine kleine Reclamation
gegen die weitgehende Autonomie erlauben welche, in Deutſchland alle Welt bezüglich
der Sprache in Anſpruch nimmt. Wenn nach der Ausdrucksweiſe in den Geſetzen
die Worte: Meter, Liter ꝛc. generis neutrius ſind, ſo ſollte das Volk nach
und nach aufhören zu ſagen: der Meter, der Liter, und die Tagesliteratur dürfte
wohl gut thun darin mit gutem Beiſpiel voranzugehen. Freilich möchte man an jedem
Erfolg in dieſer Hinſicht faſt verzweifeln, wenn man ſieht daß ſelbſt die Organe des
[Spaltenumbruch] Reichs in ſolchen Dingen nicht immer zum Einklang kommen können. So ſchreibt und
ſpricht man z. B. nach den Reichsgeſetzen das Wort: Gramm im Plural: Gramme
(Maß- und Gewichtsordnung vom 17 Aug. 1868 Art. 6 Abſ. 2 ꝛc.), und, unſers
Wiſſens, ſtimmt das mit dem allgemeinen Sprachgebrauch überein. Die Reichs-Poſt-
verwaltung aber hat ſchon wieder ihren eigenen Sprachgebrauch, denn ſie ſchreibt: die
Grammen. (S. Poſt-Reglement vom 30 Nov. 1871 §. 1. II, Tarifbeſtimmungen §. II.
Abſ. 1. §. III Abſ. 1 ꝛc.)



(Univerſität).

Durch die Gründung der
Straßburger Hochſchule werden auch die Kräfte unſerer Univerſität in Anſpruch genom-
men. Prof. Binding von hier iſt für Strafrecht und Strafproceß nach Straßburg
berufen. Wir verlieren in ihm mit lebhaftem Bedauern eine wirkungsvolle Perſönlich-
keit und eine wiſſenſchaftlich wie docentiſch bedeutende Kraft, wenn gleich es andrerſeits
unſer Stolz iſt daß auch unſere Hochſchule berufen iſt zu dem Wiederaufbau deutſcher
Wiſſenſchaft in den neugewonnenen Reichslanden beizuſteuern. Es iſt der zweite Schlag
der in letzter Zeit insbeſondere unſere Juriſtenfacultät betroffen, da vor kurzem Prof.
Degenkolb einen Ruf nach Tübingen erhalten und angenommen hat.


(Profeſſor Jäger †.)

Im hohen Greiſenalter iſt hier
der berühmte Augenarzt Prof. Jäger verſchieden, ein geborener Württemberger (aus
Kirchberg an der Jaxt) und ſeiner Heimath noch in ſeinem Namen (Ritter v. Jaxtthal)
gedenkend. Er war ſeinerzeit auch Leibarzt des Fürſten Metternich, und ſeine Salons
verſammelten alles was in Wien auf Geiſt und Talent Anſpruch zu machen hatte.


Gegenwärtig liegen bei Hrn. Harry Emanuel die Juwelen der
Ex-Kaiſerin Eugenie
zum Verkauf aus. Viele davon waren durch Photogra-
phien bekannt geworden, und unter ihnen befinden ſich die erſten Geſchenke des Ex-
Kaiſers; das prachtvolle Diadem welches die Kaiſerin bei Halbgala zu tragen pflegte,
die kleinern Schmuckſachen im täglichen Gebrauch und die koſtbaren Prunkjuwelen wer-
den jetzt alle zum Kauf angeboten. Wenn gleich weniger werthvoll als die Eſterhazy’ſchen
Juwelen, ſind ſie doch jedenfalls hiſtoriſch intereſſanter und zeichnen ſich noch durch
feinern Geſchmack und feinere Arbeit aus, wie dieß ſchon der erſte Blick zeigt. Nicht
den letzten Platz unter den ausgebotenen Koſtbarkeiten nimmt ein Kopfſchmuck von Dia-
manten in Geſtalt eines Oelzweiges ein, welcher von der Beendigung des Krieges zwi-
ſchen Frankreich und Oeſterreich her datirt. Der Oelzweig verſinnbildlichte den Frieden,
und ſchwarze Perlen, welche die glänzenden Diamanten in regelmäßigen Zwiſchenräumen
abhoben, ſollten der Trauer für die gefallenen Soldaten Ausdruck geben. Auch das
berühmte Kreuz von Smaragden an einer Halskette von Perlen befindet ſich unter den
ausgebotenen Schmuckſachen, ſowie ferner ein einfaches Halsband von ſchwarzen Perlen
gleicher Größe, deren Sammlung eine Reihe von Jahren in Anſpruch nahm. Ein an-
derer prachtvoller Kopfſchmuck beſteht aus Weizenähren in Diamanten, mit Kornblumen
und Gras gleichfalls aus Diamanten in der Mitte, welch letztere herausgenommen und
getrennt als Kleiderzierrath getragen werden konnten. Auch die von der Ex-Kaiſerin
beſtändig getragene Uhr und Kette, ein Paar Ohrringe aus Rieſenbrillanten — ein
Geſchenk des Kaiſers — die großen Diamantenanker welche Eugenie bei dem Beſuch in
Cherbourg in ihrer Eigenſchaft als Protectorin der franzöſiſchen Flotte als Schulter-
ſchmuck trug, alles dieß iſt in dem Katalog zu finden. Hr. Emanuel weiß mit hiſto-
riſcher Genauigkeit über jeden einzelnen Gegenſtand Rechenſchaft abzulegen. Doch muß
man nicht glauben daß dieß der ganze Juwelenvorrath der Ex-Kaiſerin iſt; viele der-
ſelben haben bei Hrn. Emanuel keine Ausſicht verkauft zu werden, und harren in Chiſel-
hurſt einer Käuferin; es hat, dem Vernehmen nach, die Kaiſerin von Rußland bereits
die berühmte Rubinengarnitur angekauft.


(Die Bevölkerung Englands.)

Die letzte Volkszählung ergibt daß außer
London 17 Städte in England und Wales eine Einwohnerzahl von mehr als 100,000
Köpfen haben. Indeſſen ſind die Cenſusangaben nicht ganz richtig, weil bei einigen
der größeren Städte, wie Liverpool und Birmingham, die Gränzen für die Volkszählung
weit enger gezogen ſind als die wirklichen Stadtgränzen, während bei andern die Vor-
ſtädte ganz mit eingeſchloſſen ſind. Die wirkliche Vevölkerung der größten Städte ſtellt
ſich folgendermaßen: Mancheſter mit Salford 592,164; Liverpool 581,203; Bir-
mingham 444,545; Leeds 259,201; Sheffield 239,947; Briſtol 198,730; Newcaſtle
mit Gateshead 180,000; Wolverhampton 163,408; Plymouth mit Devonport 134,000;
Stoke-upon-Trent 130,507; Portsmouth mit Gosport 128,461; Hull 123,111; Nothing-
ham 120,392; Wednesbury 116,768; Oldham 113,092; Sunderland 104,490 und
Brighton 103,760.



Neueſte Poſten.

Wie aus Sandringham gemeldet wird, haben die ört-
lichen Schmerzen des Prinzen von Wales an Heftigkeit nachgelaſſen. Die Königin
wird vorausſichtlich morgen Sandringham verlaſſen. — Dem Ausweis über die
Einnahmen des Staates zufolge dürfte ſich der Ueberſchuß für das abgelaufene
Verwaltungsjahr auf zwei Millionen beziffern. — Die „Times“ äußert ſich, in einem
Artikel welcher eine Ueberſicht über die Verhältniſſe der einzelnen Länder Europa’s
am Schluſſe des Jahres gibt, dahin: daß das ſiegreiche Deutſchland das einzige
Land ſei in welchem Regierung und Volk vertrauensvoll Hand in Hand gehen. Während
Frankreich durch ſeine Träume nach Rache nur zur Conſolidation Deutſchlands
beitrage und am Abhange der Anarchie zittere, ſuche Deutſchland ſeine Sicherheit
in Loyalität und Diſciplin. — Wie der „Morning Poſt“ aus Singapur gemeldet
wird, hat ſich der König von Siam am 24 Nov. daſelbſt eingeſchifft um Europa
zu beſuchen. (T. N.)


Anläßlich der Wahl Littré’s in die Akademie hat Bi-
ſchof Dupanloup ſeine Würde als Mitglied der Akademie niedergelegt. (T. N.)


Der König empfieng heute das diplomatiſche Corps, und
nahm die Glückwünſche desſelben zum neuen Jahr entgegen. Das diplomatiſche
Corps beglückwünſchte hierauf die Kronprinzeſſin. (T. N.)

[irrelevantes Material]
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[32/0008] tag eine der gewohnten Deputationen, welche ihm bei jedem Anlaß ihren Schmerz ausdrücken über den Lauf der Welt, aufgefordert guten Muthes zu ſein. (S. unſere römiſche Correſpondenz in Nr. 1 der Allg. Ztg. D. R.) Wie einſt dem Kaiſer Auguſtus, ſo ſei auch denen die heute in Rom herrſchen die Marotte der Volkszählung gekommen (a quelli che comandano è venuto il ticchio del censimento), und dieſes Zuſammentreffen der Verderbniß der Zeiten mit der Volks- zählung berechtige zu der Hoffnung daß auch jetzt wieder das Licht und die Wahrheit erſcheinen werden. Da übrigens der heilige Joſeph dem Befehl der Regierung Ge- horſam leiſtete und ſich zur Volkszählung nach Bethlehem begab, ſo läßt ſich er- warten daß ein Problem welches dem Gemeinderathe von Rom viel Kopfzerbrechen verurſachen ſoll, ohne Schwierigkeit ſeine Löſung finden werde. Hat die Volks- zählung ſich auch auf die Bewohner des Vaticans zu erſtrecken? Im Garantien- Geſetz iſt nicht davon die Rede. Doch muß die Frage in abstracto offenbar be- jaht werden. Der Vatican bildet einen Theil des Königreichs Italien, und ſeine Bewohner ſind — mit Ausnahme des einzigen Papſtes — den italieniſchen Ge- ſetzen unterworfen. Der Papſt ſelbſt iſt ohne Zweifel Italiener, Bürger des Königreichs Italien, wenn auch nicht Unterthan des Königs von Italien. Der König wird nun aber bei der Volkszählung mitgezählt; warum ſollte nicht auch der Papſt mitgezählt werden? Doch ſelbſt wenn man den Papſt nicht als Italiener be- trachten wollte, ſo würde die Sache ſich nicht ändern. Denn die Zählung erſtreckt ſich auch auf alle in der Neujahrsnacht auf italieniſchem Boden anweſenden Aus- länder. Indeſſen hat die Sache ihrer praktiſchen Ausführbarkeit nach allerdings etwas problematiſches. Der Vatican gehört zwar zum Königreich Italien, doch iſt der Zugang zu demſelben den italieniſchen Beamten nur mit Zuſtimmung des Papſtes geſtattet. Die mit der Zählung betrauten Beamten haben alſo ſich die Zuſtimmung des Papſtes zum Eintritt in den Palaſt behufs der Vornahme ihrer Functionen zu erbitten. Die Zuſtimmung ſollte nicht verweigert werden, möchte man denken, wenn der Papſt das Präcedens des hl. Joſeph zur Richtſchnur ſeines Handelns macht. Vereinigte Staaten von Nordamerika. San Francisco, 17 Dec. Nachrichten, die von Jedo der Dampfer „Great Republic“ mitbrachte, ſagen: daß die Geſandtſchaft die heute von Joko- hama abſegelt und bis zum 18 Jan. hier eintreffen dürfte, die bedeutſamſte ſein wird die jemals eine orientaliſche Nation nach Amerika oder Europa geſchickt hat. Sie wird auf Befehl des japaniſchen Parlaments und des Mikado abgeſendet, damit die herrſchenden Claſſen ſelbſt die weſtliche Civiliſation ſtudieren können, und nicht mehr von den Berichten untergeordneter Individuen abhängen mögen, wie dieß ſeither der Fall war. An der Spitze der Geſandtſchaft werden Jawkura, der ehemalige Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, und der neue Premiermini- ſter von Japan ſtehen; dieſelben werden unterſtützt von Kido, dem Chef des Privat- Conſeils des Kaiſers. Zur Geſandtſchaft gehören außerdem der Miniſter der öf- fentlichen Bauwerke, der Finanzminiſter und der Viceminiſter der auswärtigen Angelegenheiten. Dieſe Geſandten werden von 8 Secretären, 21 Beamten höheren Ranges und 21 jungen Edelleuten begleitet werden, welche die Reiſe mitmachen um Kenntniß von den Zuſtänden des Auslandes zu erlangen. Sie werden, wenn ſie in San Francisco ankommen, über Land nach Waſhington gehen, die Hauptſtädte Amerika’s beſuchen, Europa bereiſen und dann die Tour um die Welt herum machen. Der amerikaniſche Geſandte De Long wird ſie nach Waſhington begleiten. Charles Walcott Brooks, japaniſcher Conſul in San Francisco, hat die Weiſung erhalten dieſe Geſandtſchaft um die Welt herum zu begleiten. (N.-Y. Staatsztg.) Südamerika. Aus Callao, 27 Nov., berichtet man der „Köln. Ztg.:“ „Eine ſchöne Illuſtration hieſiger Sitten iſt der vor drei oder vier Tagen erfolgte Tod des Ex- Dictators von Bolivia, Generals Melgarejo. Derſelbe hatte dort von 1864 an, wo er ſeinen Gönner, den Präſidenten Belzu, meuchleriſch ermordet, von der Gunſt der niederen Claſſen getragen, bis zu Anfang dieſes Jahres geherrſcht und dabei große Reichthümer zuſammengebracht. Als er endlich im Januar 1871 verjagt wurde, flüchtete er nach Lima, wo er in dem General Porfirio Sanchez einen Schwieger- ſohn hatte, der, wenn Katholiken zwei Frauen zu gleicher Zeit haben dürften, zu- gleich ſein Schwager ſein würde. Während nämlich Sanchez die Tochter Melgarejo’s zur Frau hat, hatte letzterer die Schweſter des erſteren als Quaſi-Frau bei ſich. Nun waren dem Ex-Dictator die Quaſi-Frau und ein Koffer mit ſeinen Haupt- ſchätzen vorausgereist und bei Sanchez abgeſtiegen, welcher den Koffer dann dem Eigenthümer nicht herausgeben wollte. Es kam zu einem Proceß, in welchem, wie ich höre, das Gericht die Behauptung: der Koffer nebſt Inhalt ſei wohlerworbenes Eigenthum der Schweſter von Sanchez, nicht richtig fand. Melgarejo indeſſen forderte vergebens daraufhin die Zurückerſtattung ſeines freilich gleichfalls nichts weniger als wohlerworbenen Eigenthums, und als er am 23 Nov. mit Gewalt in das Haus des harthörigen Schwiegerſohns zu dringen verſuchte, ſchoß ihn dieſer vom Altane des Hauſes vor der Thüre nieder.“ Verſchiedenes. * Aus München, 29 Dec., erhalten wir folgende Zuſchrift, mit deren Inhalt wir uns vollkommen einverſtanden erklären „Ich möchte mir eine kleine Reclamation gegen die weitgehende Autonomie erlauben welche, in Deutſchland alle Welt bezüglich der Sprache in Anſpruch nimmt. Wenn nach der Ausdrucksweiſe in den Geſetzen die Worte: Meter, Liter ꝛc. generis neutrius ſind, ſo ſollte das Volk nach und nach aufhören zu ſagen: der Meter, der Liter, und die Tagesliteratur dürfte wohl gut thun darin mit gutem Beiſpiel voranzugehen. Freilich möchte man an jedem Erfolg in dieſer Hinſicht faſt verzweifeln, wenn man ſieht daß ſelbſt die Organe des Reichs in ſolchen Dingen nicht immer zum Einklang kommen können. So ſchreibt und ſpricht man z. B. nach den Reichsgeſetzen das Wort: Gramm im Plural: Gramme (Maß- und Gewichtsordnung vom 17 Aug. 1868 Art. 6 Abſ. 2 ꝛc.), und, unſers Wiſſens, ſtimmt das mit dem allgemeinen Sprachgebrauch überein. Die Reichs-Poſt- verwaltung aber hat ſchon wieder ihren eigenen Sprachgebrauch, denn ſie ſchreibt: die Grammen. (S. Poſt-Reglement vom 30 Nov. 1871 §. 1. II, Tarifbeſtimmungen §. II. Abſ. 1. §. III Abſ. 1 ꝛc.) ⫰ Freiburg i. B., 29 Dec. (Univerſität). Durch die Gründung der Straßburger Hochſchule werden auch die Kräfte unſerer Univerſität in Anſpruch genom- men. Prof. Binding von hier iſt für Strafrecht und Strafproceß nach Straßburg berufen. Wir verlieren in ihm mit lebhaftem Bedauern eine wirkungsvolle Perſönlich- keit und eine wiſſenſchaftlich wie docentiſch bedeutende Kraft, wenn gleich es andrerſeits unſer Stolz iſt daß auch unſere Hochſchule berufen iſt zu dem Wiederaufbau deutſcher Wiſſenſchaft in den neugewonnenen Reichslanden beizuſteuern. Es iſt der zweite Schlag der in letzter Zeit insbeſondere unſere Juriſtenfacultät betroffen, da vor kurzem Prof. Degenkolb einen Ruf nach Tübingen erhalten und angenommen hat. &#xfffc; Wien, 28 Dec. (Profeſſor Jäger †.) Im hohen Greiſenalter iſt hier der berühmte Augenarzt Prof. Jäger verſchieden, ein geborener Württemberger (aus Kirchberg an der Jaxt) und ſeiner Heimath noch in ſeinem Namen (Ritter v. Jaxtthal) gedenkend. Er war ſeinerzeit auch Leibarzt des Fürſten Metternich, und ſeine Salons verſammelten alles was in Wien auf Geiſt und Talent Anſpruch zu machen hatte. London. Gegenwärtig liegen bei Hrn. Harry Emanuel die Juwelen der Ex-Kaiſerin Eugenie zum Verkauf aus. Viele davon waren durch Photogra- phien bekannt geworden, und unter ihnen befinden ſich die erſten Geſchenke des Ex- Kaiſers; das prachtvolle Diadem welches die Kaiſerin bei Halbgala zu tragen pflegte, die kleinern Schmuckſachen im täglichen Gebrauch und die koſtbaren Prunkjuwelen wer- den jetzt alle zum Kauf angeboten. Wenn gleich weniger werthvoll als die Eſterhazy’ſchen Juwelen, ſind ſie doch jedenfalls hiſtoriſch intereſſanter und zeichnen ſich noch durch feinern Geſchmack und feinere Arbeit aus, wie dieß ſchon der erſte Blick zeigt. Nicht den letzten Platz unter den ausgebotenen Koſtbarkeiten nimmt ein Kopfſchmuck von Dia- manten in Geſtalt eines Oelzweiges ein, welcher von der Beendigung des Krieges zwi- ſchen Frankreich und Oeſterreich her datirt. Der Oelzweig verſinnbildlichte den Frieden, und ſchwarze Perlen, welche die glänzenden Diamanten in regelmäßigen Zwiſchenräumen abhoben, ſollten der Trauer für die gefallenen Soldaten Ausdruck geben. Auch das berühmte Kreuz von Smaragden an einer Halskette von Perlen befindet ſich unter den ausgebotenen Schmuckſachen, ſowie ferner ein einfaches Halsband von ſchwarzen Perlen gleicher Größe, deren Sammlung eine Reihe von Jahren in Anſpruch nahm. Ein an- derer prachtvoller Kopfſchmuck beſteht aus Weizenähren in Diamanten, mit Kornblumen und Gras gleichfalls aus Diamanten in der Mitte, welch letztere herausgenommen und getrennt als Kleiderzierrath getragen werden konnten. Auch die von der Ex-Kaiſerin beſtändig getragene Uhr und Kette, ein Paar Ohrringe aus Rieſenbrillanten — ein Geſchenk des Kaiſers — die großen Diamantenanker welche Eugenie bei dem Beſuch in Cherbourg in ihrer Eigenſchaft als Protectorin der franzöſiſchen Flotte als Schulter- ſchmuck trug, alles dieß iſt in dem Katalog zu finden. Hr. Emanuel weiß mit hiſto- riſcher Genauigkeit über jeden einzelnen Gegenſtand Rechenſchaft abzulegen. Doch muß man nicht glauben daß dieß der ganze Juwelenvorrath der Ex-Kaiſerin iſt; viele der- ſelben haben bei Hrn. Emanuel keine Ausſicht verkauft zu werden, und harren in Chiſel- hurſt einer Käuferin; es hat, dem Vernehmen nach, die Kaiſerin von Rußland bereits die berühmte Rubinengarnitur angekauft. (Die Bevölkerung Englands.) Die letzte Volkszählung ergibt daß außer London 17 Städte in England und Wales eine Einwohnerzahl von mehr als 100,000 Köpfen haben. Indeſſen ſind die Cenſusangaben nicht ganz richtig, weil bei einigen der größeren Städte, wie Liverpool und Birmingham, die Gränzen für die Volkszählung weit enger gezogen ſind als die wirklichen Stadtgränzen, während bei andern die Vor- ſtädte ganz mit eingeſchloſſen ſind. Die wirkliche Vevölkerung der größten Städte ſtellt ſich folgendermaßen: Mancheſter mit Salford 592,164; Liverpool 581,203; Bir- mingham 444,545; Leeds 259,201; Sheffield 239,947; Briſtol 198,730; Newcaſtle mit Gateshead 180,000; Wolverhampton 163,408; Plymouth mit Devonport 134,000; Stoke-upon-Trent 130,507; Portsmouth mit Gosport 128,461; Hull 123,111; Nothing- ham 120,392; Wednesbury 116,768; Oldham 113,092; Sunderland 104,490 und Brighton 103,760. Neueſte Poſten. London, 1 Jan. Wie aus Sandringham gemeldet wird, haben die ört- lichen Schmerzen des Prinzen von Wales an Heftigkeit nachgelaſſen. Die Königin wird vorausſichtlich morgen Sandringham verlaſſen. — Dem Ausweis über die Einnahmen des Staates zufolge dürfte ſich der Ueberſchuß für das abgelaufene Verwaltungsjahr auf zwei Millionen beziffern. — Die „Times“ äußert ſich, in einem Artikel welcher eine Ueberſicht über die Verhältniſſe der einzelnen Länder Europa’s am Schluſſe des Jahres gibt, dahin: daß das ſiegreiche Deutſchland das einzige Land ſei in welchem Regierung und Volk vertrauensvoll Hand in Hand gehen. Während Frankreich durch ſeine Träume nach Rache nur zur Conſolidation Deutſchlands beitrage und am Abhange der Anarchie zittere, ſuche Deutſchland ſeine Sicherheit in Loyalität und Diſciplin. — Wie der „Morning Poſt“ aus Singapur gemeldet wird, hat ſich der König von Siam am 24 Nov. daſelbſt eingeſchifft um Europa zu beſuchen. (T. N.) Paris, 31 Dec. Anläßlich der Wahl Littré’s in die Akademie hat Bi- ſchof Dupanloup ſeine Würde als Mitglied der Akademie niedergelegt. (T. N.) Rom, 31 Dec. Der König empfieng heute das diplomatiſche Corps, und nahm die Glückwünſche desſelben zum neuen Jahr entgegen. Das diplomatiſche Corps beglückwünſchte hierauf die Kronprinzeſſin. (T. N.) _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1872/8>, abgerufen am 22.07.2024.