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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1830.

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[Spaltenumbruch] sem beschränkteren politischen Zustande ein Glük, welches oft große
Staaten aufs Unheilvollste entbehren, und welches man schwerlich,
da zugleich wüthende politische und religieuse Spaltungen in den
Kauf kämen, gegen politisch größere Bedeutsamkeit vertauschen
mag. Hierin also, auf doppelte Art, gründen jene vielen Anträge;
sie gründen aber auch in dem Umstande, daß Rheinhessen und die
beiden älteren Provinzen des Großherzogthums, hinsichtlich ihrer
Jnstitutionen und Gesezgebung, noch immer vielfach verschiedene
Theile sind, und so ein Zwiespaltiges offenbaren, was indessen jezt
weniger zum Zwiespalte wird, als früherhin. Wenn gleich hier-
durch erklärt, wie zersplitternd für Aufmerksamkeit und Thätigkeit
der Kammern und Ausschüsse sind jene vielen Anträge! Wie tren-
nend die Theilnahme des Publikums! Wie zeitraubend! Wie höchst
ungewiß in ihrem Erfolge! Und wenn sie sich durch günstigen Aus-
schußbericht und Kammerbeschluß bis in die andere Kammer ge-
kämpft haben, wie fortwährend ungewiß ist jener Erfolg. Selbst
der günstigste Erfolg, wie wenig materiell berührt er oft die Jn-
teressen des Landes, mindestens mit dem Aufwande verglichen,
den er gemacht, und zugleich weiter berüksichtigt, wie für die eine
getilgte Einnahmsquelle eine andre geschaffen werden muß! So
floß, mit Wissen der Stände, das Sperrgeld an den Thoren von
Darmstadt, sowol hinsichtlich der Zeit als der Taxe sehr billig ge-
griffen, in die Soldatenwittwenkasse. Es erschien als passende
und häufigst übliche Remuneration für besondere Bemühungen,
und war Beitrag zu einer milden Kasse. Aber der Antrag auf
seine Aufhebung ging in der zweiten Kammer mit einer geringen
Majorität durch, und, tritt der gedachte günstigste Erfolg ein, so
muß die Staatskasse d. h. die Masse der Steuerpflichtigen, die
Soldatenwittwenkasse entschädigen, während meist Nachtschwärmer,
zu ungewöhnlicher Zeit Reisende und namentlich die Taxisschen
Postwägen, deren Administration ohnedis so einträglich ist, ohne
Abgabe passiren. Jn Frankreich handelt es sich bei einer an die
Kammer gelangten Petition um die Frage: Soll sie an den Mi-
nister verwiesen, oder soll zur Tagesordnung übergegangen wer-
den? Aber selbst das Erste, als günstigern Erfolg, hat man scherz-
weise in Frankreich nennen hören: die Petition beerdigen. Unsere
Art, an den Fürsten den Antrag, nach vorgängig mehrfachen Läu-
terungen und Prüfungen, zu befördern, ist gewiß edier und sinn-
voller; wollten aber, bei analog gleicher Produktion von Anträgen,
die französischen Kammern wie die unsrigen verfahren, sie müß-
ten vielleicht ums Vierfache ihre Thätigkeit steigern und dabei
noch schneller als gewöhnlich übers Votiren des Budgets hinaus-
springen. Zwischen diesem also, was theilweise nothwendig (denn
manche Anträge könnten an sich cessiren), und doch in zu großer
Ausdehnung bedenklich ist, liegt noch etwas Wünschenswerthes in
der Mitte. Es ist ein öffentliches, inländisches, censurfreies Blatt,
was für anständige, ungezwungene Niederlegung, Beredung und
selbst Streit der Ansichten eine passende Stelle abgäbe. Dessen
haben wir bis jezt gar nichts; denn die drei politischen Blätter
des Großherzogthums, welche zu Darmstadt, Mainz und Worms
erscheinen, und von denen das erste, noch am meisten gelesene, in
der Stadt Mainz nur eine sehr geringe Anzahl Abonnenten zählt,
verhalten sich beinahe blos kompilatorisch, und möchten auch
sonst keineswegs dazu geeignet seyn. Ein eigenes Blatt, was
auch, troz der Privilegien jener Zeitungen, reichlich möglich zu
machen wäre, kan einzig hier den Vermittler abgeben. Politisches
Leben will freie politische Aeußerung und Diskussion. Etwas des
[Spaltenumbruch] ersteren, wenn auch nur in gelindem Takte, rinnt durch die Puls-
adern unserer Provinzen. Da nun das leztere, im Julande, nir-
gends leicht sich hinflüchten kan, als von drei zu drei Jahren in
die Kammern, so ist natürlich, daß dann ihre Quelle um so voll-
ständiger und unaufhörlicher strömt. Freier öffentlicher Rede
stand niemals in unserm Lande, und selbst nicht unter den bedenk-
lichsten politischen Umständen, Hemmung oder Aufpasserei im We-
ge; aber vervielfältigt, gelesen und besprochen, wird sie erst zur
freiesten und öffentlichsten. Darin liegt Verschmelzung der Pro-
vinzialinteressen, wo möglich Versöhnung der Prinzipien, minde-
stens eine Bekanntschaft mit denselben (was namentlich wohlthä-
tig auf die alten und neuen Provinzen des Großherzogthums, so
wie ihre Vorurtheile wirken würde), und jedenfalls Vorbereitung
und Nacharbeit des ständischen Wirkens. Dieses würde dadurch
erleichtert, verkürzt, nicht minder konstitutionell und freisinnig,
und doch in wenigeren Tausenden aufs Ausgabebudget drükend.
Freilich, mit Allem diesem steht der Erfolg des Antrags, welcher
in der zweiten Kammer gemacht worden ist: Freiheit der Presse
für alle inländischen Angelegenheiten, im genauesten Zusammen-
hange. Vorerst muß man also diesem fröhliches Gedeihen wün-
schen.

Rußland.

Am 18 Dec. als am Namenstage Sr. Maj. des Kaisers wur-
de in der Kapelle des Winterpallasts in Gegenwart J. M. der
Kaiserin, des Großfürsten Thronfolgers und des Großfürsten Mi-
chael, eine feierliche Messe gehalten; nach welcher das diplomati-
sche Korps die Ehre hatte der Kaiserin seine Glükwünsche abzu-
statten, und in ihren Gemächern der übliche Handkuß statt fand.
Der Minister des kaiserlichen Hauses Fürst Wolchonsky gab ein
großes Mittagsmahl, und Abends war die Stadt beleuchtet.

Am 15 Dec. kam der Staatsrath Graf Matusczewicz von Lon-
don zu Petersburg an, hingegen reisten der geh. Rath Freiherr
v. Humboldt und der Professor Ehrenberg nach Berlin ab.

Türkei.

In öffentlichen Nachrichten aus Seres vom 5 Dec. heißt es:
"Ein Albaneser Häuptling, welcher vor 4 bis 5 Jahren mit Jussuff
Pascha gegen die moreotischen Jnsurgenten focht, hatte für den Un-
terhalt der Besazung von Patras an diesen 750,000 türkische Pia-
ster zu fordern, welche ihm derselbe in einer bestimmten Frist zu
zahlen versprach. Während der Zeit wurde Jussuff-Pascha nach
Konstantinopel berufen, und der Albaneser erschien vor zwei Jahren
hier, um sich seine Bezahlung zu holen. Da aber Jussuff-Pascha
selbst nie mehr hieher kam, so suchte jener die Forderung an des-
sen Sohn, welcher damals Ayan unsrer Stadt war, geltend zu ma-
chen, was jedoch auf dessen Erklärung, daß er nichts für seinen
Vater bezahlen wolle, erfolglos blieb, worauf jener Rache schnau-
bend unsre Stadt verließ. Nachdem dieser Umstand schon längst
aus Jedermanns Gedächtniß entschwunden war, erschien vor eini-
gen Tagen der Albaneser Häuptling unerwartet mit 800 Mann
vor unserer Stadt, plündert und verwüstet seitdem alle in unsrer
Nähe gelegenen Ortschaften, ohne jedoch bis jezt einen Versuch
gegen die Stadt selbst, wo Alles in Angst und Schreken ist, ge-
macht zu haben. Heute hören wir, daß der Rumely Wallessy die
waffenfähige Mannschaft mehrerer Distrikte Macedoniens gegen
diese Bande aufgeboten hat, allein die seit einigen Tagen anhal-
tende fürchterliche Witterung, welche die Kommunikation sehr
erschwert, scheint einen Angrif gegen dieselbe bis jezt verhindert
zu haben."

Verantwortlicher Redakteur, C. J. Stegmann.

[Spaltenumbruch] ſem beſchränkteren politiſchen Zuſtande ein Glük, welches oft große
Staaten aufs Unheilvollſte entbehren, und welches man ſchwerlich,
da zugleich wüthende politiſche und religieuſe Spaltungen in den
Kauf kämen, gegen politiſch größere Bedeutſamkeit vertauſchen
mag. Hierin alſo, auf doppelte Art, gründen jene vielen Anträge;
ſie gründen aber auch in dem Umſtande, daß Rheinheſſen und die
beiden älteren Provinzen des Großherzogthums, hinſichtlich ihrer
Jnſtitutionen und Geſezgebung, noch immer vielfach verſchiedene
Theile ſind, und ſo ein Zwieſpaltiges offenbaren, was indeſſen jezt
weniger zum Zwieſpalte wird, als früherhin. Wenn gleich hier-
durch erklärt, wie zerſplitternd für Aufmerkſamkeit und Thätigkeit
der Kammern und Ausſchüſſe ſind jene vielen Anträge! Wie tren-
nend die Theilnahme des Publikums! Wie zeitraubend! Wie höchſt
ungewiß in ihrem Erfolge! Und wenn ſie ſich durch günſtigen Aus-
ſchußbericht und Kammerbeſchluß bis in die andere Kammer ge-
kämpft haben, wie fortwährend ungewiß iſt jener Erfolg. Selbſt
der günſtigſte Erfolg, wie wenig materiell berührt er oft die Jn-
tereſſen des Landes, mindeſtens mit dem Aufwande verglichen,
den er gemacht, und zugleich weiter berükſichtigt, wie für die eine
getilgte Einnahmsquelle eine andre geſchaffen werden muß! So
floß, mit Wiſſen der Stände, das Sperrgeld an den Thoren von
Darmſtadt, ſowol hinſichtlich der Zeit als der Taxe ſehr billig ge-
griffen, in die Soldatenwittwenkaſſe. Es erſchien als paſſende
und häufigſt übliche Remuneration für beſondere Bemühungen,
und war Beitrag zu einer milden Kaſſe. Aber der Antrag auf
ſeine Aufhebung ging in der zweiten Kammer mit einer geringen
Majorität durch, und, tritt der gedachte günſtigſte Erfolg ein, ſo
muß die Staatskaſſe d. h. die Maſſe der Steuerpflichtigen, die
Soldatenwittwenkaſſe entſchädigen, während meiſt Nachtſchwärmer,
zu ungewöhnlicher Zeit Reiſende und namentlich die Taxisſchen
Poſtwägen, deren Adminiſtration ohnedis ſo einträglich iſt, ohne
Abgabe paſſiren. Jn Frankreich handelt es ſich bei einer an die
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niſter verwieſen, oder ſoll zur Tagesordnung übergegangen wer-
den? Aber ſelbſt das Erſte, als günſtigern Erfolg, hat man ſcherz-
weiſe in Frankreich nennen hören: die Petition beerdigen. Unſere
Art, an den Fürſten den Antrag, nach vorgängig mehrfachen Läu-
terungen und Prüfungen, zu befördern, iſt gewiß edier und ſinn-
voller; wollten aber, bei analog gleicher Produktion von Anträgen,
die franzöſiſchen Kammern wie die unſrigen verfahren, ſie müß-
ten vielleicht ums Vierfache ihre Thätigkeit ſteigern und dabei
noch ſchneller als gewöhnlich übers Votiren des Budgets hinaus-
ſpringen. Zwiſchen dieſem alſo, was theilweiſe nothwendig (denn
manche Anträge könnten an ſich ceſſiren), und doch in zu großer
Ausdehnung bedenklich iſt, liegt noch etwas Wünſchenswerthes in
der Mitte. Es iſt ein öffentliches, inländiſches, cenſurfreies Blatt,
was für anſtändige, ungezwungene Niederlegung, Beredung und
ſelbſt Streit der Anſichten eine paſſende Stelle abgäbe. Deſſen
haben wir bis jezt gar nichts; denn die drei politiſchen Blätter
des Großherzogthums, welche zu Darmſtadt, Mainz und Worms
erſcheinen, und von denen das erſte, noch am meiſten geleſene, in
der Stadt Mainz nur eine ſehr geringe Anzahl Abonnenten zählt,
verhalten ſich beinahe blos kompilatoriſch, und möchten auch
ſonſt keineswegs dazu geeignet ſeyn. Ein eigenes Blatt, was
auch, troz der Privilegien jener Zeitungen, reichlich möglich zu
machen wäre, kan einzig hier den Vermittler abgeben. Politiſches
Leben will freie politiſche Aeußerung und Diskuſſion. Etwas des
[Spaltenumbruch] erſteren, wenn auch nur in gelindem Takte, rinnt durch die Puls-
adern unſerer Provinzen. Da nun das leztere, im Julande, nir-
gends leicht ſich hinflüchten kan, als von drei zu drei Jahren in
die Kammern, ſo iſt natürlich, daß dann ihre Quelle um ſo voll-
ſtändiger und unaufhörlicher ſtrömt. Freier öffentlicher Rede
ſtand niemals in unſerm Lande, und ſelbſt nicht unter den bedenk-
lichſten politiſchen Umſtänden, Hemmung oder Aufpaſſerei im We-
ge; aber vervielfältigt, geleſen und beſprochen, wird ſie erſt zur
freieſten und öffentlichſten. Darin liegt Verſchmelzung der Pro-
vinzialintereſſen, wo möglich Verſöhnung der Prinzipien, minde-
ſtens eine Bekanntſchaft mit denſelben (was namentlich wohlthä-
tig auf die alten und neuen Provinzen des Großherzogthums, ſo
wie ihre Vorurtheile wirken würde), und jedenfalls Vorbereitung
und Nacharbeit des ſtändiſchen Wirkens. Dieſes würde dadurch
erleichtert, verkürzt, nicht minder konſtitutionell und freiſinnig,
und doch in wenigeren Tauſenden aufs Ausgabebudget drükend.
Freilich, mit Allem dieſem ſteht der Erfolg des Antrags, welcher
in der zweiten Kammer gemacht worden iſt: Freiheit der Preſſe
für alle inländiſchen Angelegenheiten, im genaueſten Zuſammen-
hange. Vorerſt muß man alſo dieſem fröhliches Gedeihen wün-
ſchen.

Rußland.

Am 18 Dec. als am Namenstage Sr. Maj. des Kaiſers wur-
de in der Kapelle des Winterpallaſts in Gegenwart J. M. der
Kaiſerin, des Großfürſten Thronfolgers und des Großfürſten Mi-
chael, eine feierliche Meſſe gehalten; nach welcher das diplomati-
ſche Korps die Ehre hatte der Kaiſerin ſeine Glükwünſche abzu-
ſtatten, und in ihren Gemächern der übliche Handkuß ſtatt fand.
Der Miniſter des kaiſerlichen Hauſes Fürſt Wolchonsky gab ein
großes Mittagsmahl, und Abends war die Stadt beleuchtet.

Am 15 Dec. kam der Staatsrath Graf Matusczewicz von Lon-
don zu Petersburg an, hingegen reisten der geh. Rath Freiherr
v. Humboldt und der Profeſſor Ehrenberg nach Berlin ab.

Türkei.

In öffentlichen Nachrichten aus Seres vom 5 Dec. heißt es:
„Ein Albaneſer Häuptling, welcher vor 4 bis 5 Jahren mit Juſſuff
Paſcha gegen die moreotiſchen Jnſurgenten focht, hatte für den Un-
terhalt der Beſazung von Patras an dieſen 750,000 türkiſche Pia-
ſter zu fordern, welche ihm derſelbe in einer beſtimmten Friſt zu
zahlen verſprach. Während der Zeit wurde Juſſuff-Paſcha nach
Konſtantinopel berufen, und der Albaneſer erſchien vor zwei Jahren
hier, um ſich ſeine Bezahlung zu holen. Da aber Juſſuff-Paſcha
ſelbſt nie mehr hieher kam, ſo ſuchte jener die Forderung an deſ-
ſen Sohn, welcher damals Ayan unſrer Stadt war, geltend zu ma-
chen, was jedoch auf deſſen Erklärung, daß er nichts für ſeinen
Vater bezahlen wolle, erfolglos blieb, worauf jener Rache ſchnau-
bend unſre Stadt verließ. Nachdem dieſer Umſtand ſchon längſt
aus Jedermanns Gedächtniß entſchwunden war, erſchien vor eini-
gen Tagen der Albaneſer Häuptling unerwartet mit 800 Mann
vor unſerer Stadt, plündert und verwüſtet ſeitdem alle in unſrer
Nähe gelegenen Ortſchaften, ohne jedoch bis jezt einen Verſuch
gegen die Stadt ſelbſt, wo Alles in Angſt und Schreken iſt, ge-
macht zu haben. Heute hören wir, daß der Rumely Walleſſy die
waffenfähige Mannſchaft mehrerer Diſtrikte Macedoniens gegen
dieſe Bande aufgeboten hat, allein die ſeit einigen Tagen anhal-
tende fürchterliche Witterung, welche die Kommunikation ſehr
erſchwert, ſcheint einen Angrif gegen dieſelbe bis jezt verhindert
zu haben.“

Verantwortlicher Redakteur, C. J. Stegmann.
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[12/0004] ſem beſchränkteren politiſchen Zuſtande ein Glük, welches oft große Staaten aufs Unheilvollſte entbehren, und welches man ſchwerlich, da zugleich wüthende politiſche und religieuſe Spaltungen in den Kauf kämen, gegen politiſch größere Bedeutſamkeit vertauſchen mag. Hierin alſo, auf doppelte Art, gründen jene vielen Anträge; ſie gründen aber auch in dem Umſtande, daß Rheinheſſen und die beiden älteren Provinzen des Großherzogthums, hinſichtlich ihrer Jnſtitutionen und Geſezgebung, noch immer vielfach verſchiedene Theile ſind, und ſo ein Zwieſpaltiges offenbaren, was indeſſen jezt weniger zum Zwieſpalte wird, als früherhin. Wenn gleich hier- durch erklärt, wie zerſplitternd für Aufmerkſamkeit und Thätigkeit der Kammern und Ausſchüſſe ſind jene vielen Anträge! Wie tren- nend die Theilnahme des Publikums! Wie zeitraubend! Wie höchſt ungewiß in ihrem Erfolge! Und wenn ſie ſich durch günſtigen Aus- ſchußbericht und Kammerbeſchluß bis in die andere Kammer ge- kämpft haben, wie fortwährend ungewiß iſt jener Erfolg. Selbſt der günſtigſte Erfolg, wie wenig materiell berührt er oft die Jn- tereſſen des Landes, mindeſtens mit dem Aufwande verglichen, den er gemacht, und zugleich weiter berükſichtigt, wie für die eine getilgte Einnahmsquelle eine andre geſchaffen werden muß! So floß, mit Wiſſen der Stände, das Sperrgeld an den Thoren von Darmſtadt, ſowol hinſichtlich der Zeit als der Taxe ſehr billig ge- griffen, in die Soldatenwittwenkaſſe. Es erſchien als paſſende und häufigſt übliche Remuneration für beſondere Bemühungen, und war Beitrag zu einer milden Kaſſe. Aber der Antrag auf ſeine Aufhebung ging in der zweiten Kammer mit einer geringen Majorität durch, und, tritt der gedachte günſtigſte Erfolg ein, ſo muß die Staatskaſſe d. h. die Maſſe der Steuerpflichtigen, die Soldatenwittwenkaſſe entſchädigen, während meiſt Nachtſchwärmer, zu ungewöhnlicher Zeit Reiſende und namentlich die Taxisſchen Poſtwägen, deren Adminiſtration ohnedis ſo einträglich iſt, ohne Abgabe paſſiren. Jn Frankreich handelt es ſich bei einer an die Kammer gelangten Petition um die Frage: Soll ſie an den Mi- niſter verwieſen, oder ſoll zur Tagesordnung übergegangen wer- den? Aber ſelbſt das Erſte, als günſtigern Erfolg, hat man ſcherz- weiſe in Frankreich nennen hören: die Petition beerdigen. Unſere Art, an den Fürſten den Antrag, nach vorgängig mehrfachen Läu- terungen und Prüfungen, zu befördern, iſt gewiß edier und ſinn- voller; wollten aber, bei analog gleicher Produktion von Anträgen, die franzöſiſchen Kammern wie die unſrigen verfahren, ſie müß- ten vielleicht ums Vierfache ihre Thätigkeit ſteigern und dabei noch ſchneller als gewöhnlich übers Votiren des Budgets hinaus- ſpringen. Zwiſchen dieſem alſo, was theilweiſe nothwendig (denn manche Anträge könnten an ſich ceſſiren), und doch in zu großer Ausdehnung bedenklich iſt, liegt noch etwas Wünſchenswerthes in der Mitte. Es iſt ein öffentliches, inländiſches, cenſurfreies Blatt, was für anſtändige, ungezwungene Niederlegung, Beredung und ſelbſt Streit der Anſichten eine paſſende Stelle abgäbe. Deſſen haben wir bis jezt gar nichts; denn die drei politiſchen Blätter des Großherzogthums, welche zu Darmſtadt, Mainz und Worms erſcheinen, und von denen das erſte, noch am meiſten geleſene, in der Stadt Mainz nur eine ſehr geringe Anzahl Abonnenten zählt, verhalten ſich beinahe blos kompilatoriſch, und möchten auch ſonſt keineswegs dazu geeignet ſeyn. Ein eigenes Blatt, was auch, troz der Privilegien jener Zeitungen, reichlich möglich zu machen wäre, kan einzig hier den Vermittler abgeben. Politiſches Leben will freie politiſche Aeußerung und Diskuſſion. Etwas des erſteren, wenn auch nur in gelindem Takte, rinnt durch die Puls- adern unſerer Provinzen. Da nun das leztere, im Julande, nir- gends leicht ſich hinflüchten kan, als von drei zu drei Jahren in die Kammern, ſo iſt natürlich, daß dann ihre Quelle um ſo voll- ſtändiger und unaufhörlicher ſtrömt. Freier öffentlicher Rede ſtand niemals in unſerm Lande, und ſelbſt nicht unter den bedenk- lichſten politiſchen Umſtänden, Hemmung oder Aufpaſſerei im We- ge; aber vervielfältigt, geleſen und beſprochen, wird ſie erſt zur freieſten und öffentlichſten. Darin liegt Verſchmelzung der Pro- vinzialintereſſen, wo möglich Verſöhnung der Prinzipien, minde- ſtens eine Bekanntſchaft mit denſelben (was namentlich wohlthä- tig auf die alten und neuen Provinzen des Großherzogthums, ſo wie ihre Vorurtheile wirken würde), und jedenfalls Vorbereitung und Nacharbeit des ſtändiſchen Wirkens. Dieſes würde dadurch erleichtert, verkürzt, nicht minder konſtitutionell und freiſinnig, und doch in wenigeren Tauſenden aufs Ausgabebudget drükend. Freilich, mit Allem dieſem ſteht der Erfolg des Antrags, welcher in der zweiten Kammer gemacht worden iſt: Freiheit der Preſſe für alle inländiſchen Angelegenheiten, im genaueſten Zuſammen- hange. Vorerſt muß man alſo dieſem fröhliches Gedeihen wün- ſchen. Rußland. Am 18 Dec. als am Namenstage Sr. Maj. des Kaiſers wur- de in der Kapelle des Winterpallaſts in Gegenwart J. M. der Kaiſerin, des Großfürſten Thronfolgers und des Großfürſten Mi- chael, eine feierliche Meſſe gehalten; nach welcher das diplomati- ſche Korps die Ehre hatte der Kaiſerin ſeine Glükwünſche abzu- ſtatten, und in ihren Gemächern der übliche Handkuß ſtatt fand. Der Miniſter des kaiſerlichen Hauſes Fürſt Wolchonsky gab ein großes Mittagsmahl, und Abends war die Stadt beleuchtet. Am 15 Dec. kam der Staatsrath Graf Matusczewicz von Lon- don zu Petersburg an, hingegen reisten der geh. Rath Freiherr v. Humboldt und der Profeſſor Ehrenberg nach Berlin ab. Türkei. In öffentlichen Nachrichten aus Seres vom 5 Dec. heißt es: „Ein Albaneſer Häuptling, welcher vor 4 bis 5 Jahren mit Juſſuff Paſcha gegen die moreotiſchen Jnſurgenten focht, hatte für den Un- terhalt der Beſazung von Patras an dieſen 750,000 türkiſche Pia- ſter zu fordern, welche ihm derſelbe in einer beſtimmten Friſt zu zahlen verſprach. Während der Zeit wurde Juſſuff-Paſcha nach Konſtantinopel berufen, und der Albaneſer erſchien vor zwei Jahren hier, um ſich ſeine Bezahlung zu holen. Da aber Juſſuff-Paſcha ſelbſt nie mehr hieher kam, ſo ſuchte jener die Forderung an deſ- ſen Sohn, welcher damals Ayan unſrer Stadt war, geltend zu ma- chen, was jedoch auf deſſen Erklärung, daß er nichts für ſeinen Vater bezahlen wolle, erfolglos blieb, worauf jener Rache ſchnau- bend unſre Stadt verließ. Nachdem dieſer Umſtand ſchon längſt aus Jedermanns Gedächtniß entſchwunden war, erſchien vor eini- gen Tagen der Albaneſer Häuptling unerwartet mit 800 Mann vor unſerer Stadt, plündert und verwüſtet ſeitdem alle in unſrer Nähe gelegenen Ortſchaften, ohne jedoch bis jezt einen Verſuch gegen die Stadt ſelbſt, wo Alles in Angſt und Schreken iſt, ge- macht zu haben. Heute hören wir, daß der Rumely Walleſſy die waffenfähige Mannſchaft mehrerer Diſtrikte Macedoniens gegen dieſe Bande aufgeboten hat, allein die ſeit einigen Tagen anhal- tende fürchterliche Witterung, welche die Kommunikation ſehr erſchwert, ſcheint einen Angrif gegen dieſelbe bis jezt verhindert zu haben.“ Verantwortlicher Redakteur, C. J. Stegmann.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-11-17T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1830, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1830/4>, abgerufen am 15.06.2024.