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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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-- "Mitleiden!" antwortete der Wahrsager aus
einem überströmenden Herzen und hob beide Hände
empor -- "oh Zarathustra, ich komme, dass ich dich
zu deiner letzten Sünde verführe!" --

Und kaum waren diese Worte gesprochen, da er¬
scholl der Schrei abermals, und länger und ängstlicher
als vorher, auch schon viel näher. "Hörst du? Hörst
du, oh Zarathustra? rief der Wahrsager, dir gilt der
Schrei, dich ruft er: komm, komm, komm, es ist Zeit,
es ist höchste Zeit!" --

Zarathustra schwieg hierauf, verwirrt und er¬
schüttert; endlich fragte er, wie Einer, der bei sich
selber zögert: "Und wer ist das, der dort mich ruft?"

"Aber du weisst es ja, antwortete der Wahrsager
heftig, was verbirgst du dich? Der höhere Mensch
ist es, der nach dir schreit!"

"Der höhere Mensch? schrie Zarathustra von
Grausen erfasst: was will der? Was will der? Der
höhere Mensch! Was will der hier?" -- und seine
Haut bedeckte sich mit Schweiss.

Der Wahrsager aber antwortete nicht auf die
Angst Zarathustra's, sondern horchte und horchte
nach der Tiefe zu. Als es jedoch lange Zeit dort
stille blieb, wandte er seinen Blick zurück und sahe
Zarathustra stehn und zittern.

"Oh Zarathustra, hob er mit trauriger Stimme
an, du stehst nicht da wie Einer, den sein Glück
drehend macht: du wirst tanzen müssen, dass du mir
nicht umfällst!

Aber wenn du auch vor mir tanzen wolltest und
alle deine Seitensprünge springen: Niemand soll mir

— „Mitleiden!“ antwortete der Wahrsager aus
einem überströmenden Herzen und hob beide Hände
empor — „oh Zarathustra, ich komme, dass ich dich
zu deiner letzten Sünde verführe!“ —

Und kaum waren diese Worte gesprochen, da er¬
scholl der Schrei abermals, und länger und ängstlicher
als vorher, auch schon viel näher. „Hörst du? Hörst
du, oh Zarathustra? rief der Wahrsager, dir gilt der
Schrei, dich ruft er: komm, komm, komm, es ist Zeit,
es ist höchste Zeit!“ —

Zarathustra schwieg hierauf, verwirrt und er¬
schüttert; endlich fragte er, wie Einer, der bei sich
selber zögert: „Und wer ist das, der dort mich ruft?“

„Aber du weisst es ja, antwortete der Wahrsager
heftig, was verbirgst du dich? Der höhere Mensch
ist es, der nach dir schreit!“

„Der höhere Mensch? schrie Zarathustra von
Grausen erfasst: was will der? Was will der? Der
höhere Mensch! Was will der hier?“ — und seine
Haut bedeckte sich mit Schweiss.

Der Wahrsager aber antwortete nicht auf die
Angst Zarathustra's, sondern horchte und horchte
nach der Tiefe zu. Als es jedoch lange Zeit dort
stille blieb, wandte er seinen Blick zurück und sahe
Zarathustra stehn und zittern.

„Oh Zarathustra, hob er mit trauriger Stimme
an, du stehst nicht da wie Einer, den sein Glück
drehend macht: du wirst tanzen müssen, dass du mir
nicht umfällst!

Aber wenn du auch vor mir tanzen wolltest und
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[12/0019] — „Mitleiden!“ antwortete der Wahrsager aus einem überströmenden Herzen und hob beide Hände empor — „oh Zarathustra, ich komme, dass ich dich zu deiner letzten Sünde verführe!“ — Und kaum waren diese Worte gesprochen, da er¬ scholl der Schrei abermals, und länger und ängstlicher als vorher, auch schon viel näher. „Hörst du? Hörst du, oh Zarathustra? rief der Wahrsager, dir gilt der Schrei, dich ruft er: komm, komm, komm, es ist Zeit, es ist höchste Zeit!“ — Zarathustra schwieg hierauf, verwirrt und er¬ schüttert; endlich fragte er, wie Einer, der bei sich selber zögert: „Und wer ist das, der dort mich ruft?“ „Aber du weisst es ja, antwortete der Wahrsager heftig, was verbirgst du dich? Der höhere Mensch ist es, der nach dir schreit!“ „Der höhere Mensch? schrie Zarathustra von Grausen erfasst: was will der? Was will der? Der höhere Mensch! Was will der hier?“ — und seine Haut bedeckte sich mit Schweiss. Der Wahrsager aber antwortete nicht auf die Angst Zarathustra's, sondern horchte und horchte nach der Tiefe zu. Als es jedoch lange Zeit dort stille blieb, wandte er seinen Blick zurück und sahe Zarathustra stehn und zittern. „Oh Zarathustra, hob er mit trauriger Stimme an, du stehst nicht da wie Einer, den sein Glück drehend macht: du wirst tanzen müssen, dass du mir nicht umfällst! Aber wenn du auch vor mir tanzen wolltest und alle deine Seitensprünge springen: Niemand soll mir

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/19>, abgerufen am 22.11.2024.