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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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Krank heute vor Zärtlichkeit,
ein Thauwind
sitzt Zarathustra wartend, wartend auf seinen
Bergen, --
im eignen Safte
süss geworden und gekocht,
unterhalb seines Gipfels,
unterhalb seines Eises,
müde und selig,
ein Schaffender an seinem siebenten Tag.
-- Still!
Eine Wahrheit wandelt über mir
einer Wolke gleich, --
mit unsichtbaren Blitzen trifft sie mich.
Auf breiten langsamen Treppen
steigt ihr Glück zu mir:
komm, komm, geliebte Wahrheit!
-- Still!
Meine Wahrheit ist's! --
Aus zögernden Augen,
aus sammtenen Schaudern
trifft mich ihr Blick,
lieblich, bös, ein Mädchenblick ...
Sie errieth meines Glückes Grund,
sie errieth mich -- ha! was sinnt sie aus? --
Purpurn lauert ein Drache
im Abgrunde ihres Mädchenblicks.
-- Still! Meine Wahrheit redet! --
Wehe dir, Zarathustra!
Krank heute vor Zärtlichkeit,
ein Thauwind
sitzt Zarathustra wartend, wartend auf seinen
Bergen, —
im eignen Safte
süss geworden und gekocht,
unterhalb seines Gipfels,
unterhalb seines Eises,
müde und selig,
ein Schaffender an seinem siebenten Tag.
— Still!
Eine Wahrheit wandelt über mir
einer Wolke gleich, —
mit unsichtbaren Blitzen trifft sie mich.
Auf breiten langsamen Treppen
steigt ihr Glück zu mir:
komm, komm, geliebte Wahrheit!
— Still!
Meine Wahrheit ist's! —
Aus zögernden Augen,
aus sammtenen Schaudern
trifft mich ihr Blick,
lieblich, bös, ein Mädchenblick ...
Sie errieth meines Glückes Grund,
sie errieth mich — ha! was sinnt sie aus? —
Purpurn lauert ein Drache
im Abgrunde ihres Mädchenblicks.
— Still! Meine Wahrheit redet! —
Wehe dir, Zarathustra!
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[19/0162] Krank heute vor Zärtlichkeit, ein Thauwind sitzt Zarathustra wartend, wartend auf seinen Bergen, — im eignen Safte süss geworden und gekocht, unterhalb seines Gipfels, unterhalb seines Eises, müde und selig, ein Schaffender an seinem siebenten Tag. — Still! Eine Wahrheit wandelt über mir einer Wolke gleich, — mit unsichtbaren Blitzen trifft sie mich. Auf breiten langsamen Treppen steigt ihr Glück zu mir: komm, komm, geliebte Wahrheit! — Still! Meine Wahrheit ist's! — Aus zögernden Augen, aus sammtenen Schaudern trifft mich ihr Blick, lieblich, bös, ein Mädchenblick ... Sie errieth meines Glückes Grund, sie errieth mich — ha! was sinnt sie aus? — Purpurn lauert ein Drache im Abgrunde ihres Mädchenblicks. — Still! Meine Wahrheit redet! — Wehe dir, Zarathustra!

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/162>, abgerufen am 24.11.2024.