Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Löwen-Unthiere? Oder gar schon abgenagt, abgeknabbert -- erbärmlich, wehe! wehe! abgeknabbert! Sela. Oh weint mir nicht, weiche Herzen! Weint mir nicht, ihr Dattel-Herzen! Milch-Busen! Ihr Süssholz-Herz- Beutelchen! Weine nicht mehr, bleiche Dudu! Sei ein Mann, Suleika! Muth! Muth! -- Oder sollte vielleicht etwas Stärkendes, Herz-Stärkendes, hier am Platze sein? Ein gesalbter Spruch? Ein feierlicher Zuspruch? -- Ha! Herauf, Würde!
Tugend-Würde! Europäer-Würde! Blase, blase wieder, Blasebalg der Tugend! Ha! Noch Ein Mal brüllen, moralisch brüllen! Als moralischer Löwe vor den Töchtern der Wüste brüllen! -- Denn Tugend-Geheul, ihr allerliebsten Mädchen, ist mehr als Alles Löwen-Unthiere? Oder gar schon abgenagt, abgeknabbert — erbärmlich, wehe! wehe! abgeknabbert! Sela. Oh weint mir nicht, weiche Herzen! Weint mir nicht, ihr Dattel-Herzen! Milch-Busen! Ihr Süssholz-Herz- Beutelchen! Weine nicht mehr, bleiche Dudu! Sei ein Mann, Suleika! Muth! Muth! — Oder sollte vielleicht etwas Stärkendes, Herz-Stärkendes, hier am Platze sein? Ein gesalbter Spruch? Ein feierlicher Zuspruch? — Ha! Herauf, Würde!
Tugend-Würde! Europäer-Würde! Blase, blase wieder, Blasebalg der Tugend! Ha! Noch Ein Mal brüllen, moralisch brüllen! Als moralischer Löwe vor den Töchtern der Wüste brüllen! — Denn Tugend-Geheul, ihr allerliebsten Mädchen, ist mehr als Alles <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0113" n="106"/> <lg n="10"> <l>Löwen-Unthiere? Oder gar schon</l><lb/> <l>abgenagt, abgeknabbert —</l><lb/> <l>erbärmlich, wehe! wehe! abgeknabbert! Sela.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Oh weint mir nicht,</l><lb/> <l>weiche Herzen!</l><lb/> <l>Weint mir nicht, ihr</l><lb/> <l>Dattel-Herzen! Milch-Busen!</l><lb/> <l>Ihr Süssholz-Herz-</l><lb/> <l>Beutelchen!</l><lb/> <l>Weine nicht mehr,</l><lb/> <l>bleiche Dudu!</l><lb/> <l>Sei ein Mann, Suleika! Muth! Muth!</l><lb/> <l>— Oder sollte vielleicht</l><lb/> <l>etwas Stärkendes, Herz-Stärkendes,</l><lb/> <l>hier am Platze sein?</l><lb/> <l>Ein gesalbter Spruch?</l><lb/> <l>Ein feierlicher Zuspruch? —</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Ha! Herauf, Würde!</l><lb/> <l>Tugend-Würde! Europäer-Würde!</l><lb/> <l>Blase, blase wieder,</l><lb/> <l>Blasebalg der Tugend!</l><lb/> <l>Ha!</l><lb/> <l>Noch Ein Mal brüllen,</l><lb/> <l>moralisch brüllen!</l><lb/> <l>Als moralischer Löwe</l><lb/> <l>vor den Töchtern der Wüste brüllen!</l><lb/> <l>— Denn Tugend-Geheul,</l><lb/> <l>ihr allerliebsten Mädchen,</l><lb/> <l>ist mehr als Alles</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0113]
Löwen-Unthiere? Oder gar schon
abgenagt, abgeknabbert —
erbärmlich, wehe! wehe! abgeknabbert! Sela.
Oh weint mir nicht,
weiche Herzen!
Weint mir nicht, ihr
Dattel-Herzen! Milch-Busen!
Ihr Süssholz-Herz-
Beutelchen!
Weine nicht mehr,
bleiche Dudu!
Sei ein Mann, Suleika! Muth! Muth!
— Oder sollte vielleicht
etwas Stärkendes, Herz-Stärkendes,
hier am Platze sein?
Ein gesalbter Spruch?
Ein feierlicher Zuspruch? —
Ha! Herauf, Würde!
Tugend-Würde! Europäer-Würde!
Blase, blase wieder,
Blasebalg der Tugend!
Ha!
Noch Ein Mal brüllen,
moralisch brüllen!
Als moralischer Löwe
vor den Töchtern der Wüste brüllen!
— Denn Tugend-Geheul,
ihr allerliebsten Mädchen,
ist mehr als Alles
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/113>, abgerufen am 27.07.2024. |