Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Und schon, ihr höheren Menschen -- dass ich euch
mit diesem Lob- und Schmeichel-Namen kitzle, gleich
ihm selber -- schon fällt mich mein schlimmer Trug-
und Zaubergeist an, mein schwermüthiger Teufel,

-- welcher diesem Zarathustra ein Widersacher ist
aus dem Grunde: vergebt es ihm! Nun will er vor
euch zaubern, er hat gerade seine Stunde; umsonst
ringe ich mit diesem bösen Geiste.

Euch Allen, welche Ehren ihr euch mit Worten
geben mögt, ob ihr euch "die freien Geister" nennt
oder "die Wahrhaftigen" oder "die Büsser des Geistes"
oder "die Entfesselten" oder "die grossen Sehnsüchtigen" --

-- euch Allen, die ihr am grossen Ekel leidet
gleich mir, denen der alte Gott starb und noch kein
neuer Gott in Wiegen und Windeln liegt, -- euch Allen
ist mein böser Geist und Zauber-Teufel hold.

Ich kenne euch, ihr höheren Menschen, ich kenne
ihn, -- ich kenne auch diesen Unhold, den ich wider
Willen liebe, diesen Zarathustra: er selber dünkt mich
öfter gleich einer schönen Heiligen-Larve,

-- gleich einem neuen wunderlichen Mummenschanze,
in dem sich mein böser Geist, der schwermüthige Teufel,
gefällt: -- ich liebe Zarathustra, so dünkt mich oft, um
meines bösen Geistes Willen. --

Aber schon fällt der mich an und zwingt mich,
dieser Geist der Schwermuth, dieser Abend-Dämmerungs-
Teufel: und, wahrlich, ihr höheren Menschen, es gelüstet
ihn --

-- macht nur die Augen auf! -- es gelüstet ihn,
nackt zu kommen, ob männlich, ob weiblich, noch weiss

Und schon, ihr höheren Menschen — dass ich euch
mit diesem Lob- und Schmeichel-Namen kitzle, gleich
ihm selber — schon fällt mich mein schlimmer Trug-
und Zaubergeist an, mein schwermüthiger Teufel,

— welcher diesem Zarathustra ein Widersacher ist
aus dem Grunde: vergebt es ihm! Nun will er vor
euch zaubern, er hat gerade seine Stunde; umsonst
ringe ich mit diesem bösen Geiste.

Euch Allen, welche Ehren ihr euch mit Worten
geben mögt, ob ihr euch „die freien Geister“ nennt
oder „die Wahrhaftigen“ oder „die Büsser des Geistes“
oder „die Entfesselten“ oder „die grossen Sehnsüchtigen“ —

— euch Allen, die ihr am grossen Ekel leidet
gleich mir, denen der alte Gott starb und noch kein
neuer Gott in Wiegen und Windeln liegt, — euch Allen
ist mein böser Geist und Zauber-Teufel hold.

Ich kenne euch, ihr höheren Menschen, ich kenne
ihn, — ich kenne auch diesen Unhold, den ich wider
Willen liebe, diesen Zarathustra: er selber dünkt mich
öfter gleich einer schönen Heiligen-Larve,

— gleich einem neuen wunderlichen Mummenschanze,
in dem sich mein böser Geist, der schwermüthige Teufel,
gefällt: — ich liebe Zarathustra, so dünkt mich oft, um
meines bösen Geistes Willen. —

Aber schon fällt der mich an und zwingt mich,
dieser Geist der Schwermuth, dieser Abend-Dämmerungs-
Teufel: und, wahrlich, ihr höheren Menschen, es gelüstet
ihn —

— macht nur die Augen auf! — es gelüstet ihn,
nackt zu kommen, ob männlich, ob weiblich, noch weiss

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0098" n="91"/>
          <p>Und schon, ihr höheren Menschen &#x2014; dass ich euch<lb/>
mit diesem Lob- und Schmeichel-Namen kitzle, gleich<lb/>
ihm selber &#x2014; schon fällt mich mein schlimmer Trug-<lb/>
und Zaubergeist an, mein schwermüthiger Teufel,</p><lb/>
          <p>&#x2014; welcher diesem Zarathustra ein Widersacher ist<lb/>
aus dem Grunde: vergebt es ihm! Nun <hi rendition="#g">will</hi> er vor<lb/>
euch zaubern, er hat gerade <hi rendition="#g">seine</hi> Stunde; umsonst<lb/>
ringe ich mit diesem bösen Geiste.</p><lb/>
          <p>Euch Allen, welche Ehren ihr euch mit Worten<lb/>
geben mögt, ob ihr euch &#x201E;die freien Geister&#x201C; nennt<lb/>
oder &#x201E;die Wahrhaftigen&#x201C; oder &#x201E;die Büsser des Geistes&#x201C;<lb/>
oder &#x201E;die Entfesselten&#x201C; oder &#x201E;die grossen Sehnsüchtigen&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; euch Allen, die ihr <hi rendition="#g">am grossen Ekel</hi> leidet<lb/>
gleich mir, denen der alte Gott starb und noch kein<lb/>
neuer Gott in Wiegen und Windeln liegt, &#x2014; euch Allen<lb/>
ist mein böser Geist und Zauber-Teufel hold.</p><lb/>
          <p>Ich kenne euch, ihr höheren Menschen, ich kenne<lb/>
ihn, &#x2014; ich kenne auch diesen Unhold, den ich wider<lb/>
Willen liebe, diesen Zarathustra: er selber dünkt mich<lb/>
öfter gleich einer schönen Heiligen-Larve,</p><lb/>
          <p>&#x2014; gleich einem neuen wunderlichen Mummenschanze,<lb/>
in dem sich mein böser Geist, der schwermüthige Teufel,<lb/>
gefällt: &#x2014; ich liebe Zarathustra, so dünkt mich oft, um<lb/>
meines bösen Geistes Willen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Aber schon fällt <hi rendition="#g">der</hi> mich an und zwingt mich,<lb/>
dieser Geist der Schwermuth, dieser Abend-Dämmerungs-<lb/>
Teufel: und, wahrlich, ihr höheren Menschen, es gelüstet<lb/>
ihn &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; macht nur die Augen auf! &#x2014; es gelüstet ihn,<lb/><hi rendition="#g">nackt</hi> zu kommen, ob männlich, ob weiblich, noch weiss<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0098] Und schon, ihr höheren Menschen — dass ich euch mit diesem Lob- und Schmeichel-Namen kitzle, gleich ihm selber — schon fällt mich mein schlimmer Trug- und Zaubergeist an, mein schwermüthiger Teufel, — welcher diesem Zarathustra ein Widersacher ist aus dem Grunde: vergebt es ihm! Nun will er vor euch zaubern, er hat gerade seine Stunde; umsonst ringe ich mit diesem bösen Geiste. Euch Allen, welche Ehren ihr euch mit Worten geben mögt, ob ihr euch „die freien Geister“ nennt oder „die Wahrhaftigen“ oder „die Büsser des Geistes“ oder „die Entfesselten“ oder „die grossen Sehnsüchtigen“ — — euch Allen, die ihr am grossen Ekel leidet gleich mir, denen der alte Gott starb und noch kein neuer Gott in Wiegen und Windeln liegt, — euch Allen ist mein böser Geist und Zauber-Teufel hold. Ich kenne euch, ihr höheren Menschen, ich kenne ihn, — ich kenne auch diesen Unhold, den ich wider Willen liebe, diesen Zarathustra: er selber dünkt mich öfter gleich einer schönen Heiligen-Larve, — gleich einem neuen wunderlichen Mummenschanze, in dem sich mein böser Geist, der schwermüthige Teufel, gefällt: — ich liebe Zarathustra, so dünkt mich oft, um meines bösen Geistes Willen. — Aber schon fällt der mich an und zwingt mich, dieser Geist der Schwermuth, dieser Abend-Dämmerungs- Teufel: und, wahrlich, ihr höheren Menschen, es gelüstet ihn — — macht nur die Augen auf! — es gelüstet ihn, nackt zu kommen, ob männlich, ob weiblich, noch weiss

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/98
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/98>, abgerufen am 28.11.2024.