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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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Der freiwillige Bettler.

Als Zarathustra den hässlichsten Menschen ver¬
lassen hatte, fror ihn, und er fühlte sich einsam: es
gieng ihm nämlich vieles Kalte und Einsame durch
die Sinne, also, dass darob auch seine Glieder kälter
wurden. Indem er aber weiter und weiter stieg, hinauf,
hinab, bald an grünen Weiden vorbei, aber auch über
wilde steinichte Lager, wo ehedem wohl ein ungedul¬
diger Bach sich zu Bett gelegt hatte: da wurde ihm
mit Einem Male wieder wärmer und herzlicher zu Sinne.

"Was geschah mir doch? fragte er sich, etwas
Warmes und Lebendiges erquickt mich, das muss in
meiner Nähe sein.

Schon bin ich weniger allein; unbewusste Ge¬
fährten und Brüder schweifen um mich, ihr warmer
Athem rührt an meine Seele."

Als er aber um sich spähete und nach den Trö¬
stern seiner Einsamkeit suchte: siehe, da waren es
Kühe, welche auf einer Anhöhe bei einander standen;
deren Nähe und Geruch hatten sein Herz erwärmt.
Diese Kühe aber schienen mit Eifer einem Redenden
zuzuhören und gaben nicht auf Den Acht, der heran¬
kam. Wie aber Zarathustra ganz in ihrer Nähe war,

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Der freiwillige Bettler.

Als Zarathustra den hässlichsten Menschen ver¬
lassen hatte, fror ihn, und er fühlte sich einsam: es
gieng ihm nämlich vieles Kalte und Einsame durch
die Sinne, also, dass darob auch seine Glieder kälter
wurden. Indem er aber weiter und weiter stieg, hinauf,
hinab, bald an grünen Weiden vorbei, aber auch über
wilde steinichte Lager, wo ehedem wohl ein ungedul¬
diger Bach sich zu Bett gelegt hatte: da wurde ihm
mit Einem Male wieder wärmer und herzlicher zu Sinne.

„Was geschah mir doch? fragte er sich, etwas
Warmes und Lebendiges erquickt mich, das muss in
meiner Nähe sein.

Schon bin ich weniger allein; unbewusste Ge¬
fährten und Brüder schweifen um mich, ihr warmer
Athem rührt an meine Seele.“

Als er aber um sich spähete und nach den Trö¬
stern seiner Einsamkeit suchte: siehe, da waren es
Kühe, welche auf einer Anhöhe bei einander standen;
deren Nähe und Geruch hatten sein Herz erwärmt.
Diese Kühe aber schienen mit Eifer einem Redenden
zuzuhören und gaben nicht auf Den Acht, der heran¬
kam. Wie aber Zarathustra ganz in ihrer Nähe war,

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[49/0056] Der freiwillige Bettler. Als Zarathustra den hässlichsten Menschen ver¬ lassen hatte, fror ihn, und er fühlte sich einsam: es gieng ihm nämlich vieles Kalte und Einsame durch die Sinne, also, dass darob auch seine Glieder kälter wurden. Indem er aber weiter und weiter stieg, hinauf, hinab, bald an grünen Weiden vorbei, aber auch über wilde steinichte Lager, wo ehedem wohl ein ungedul¬ diger Bach sich zu Bett gelegt hatte: da wurde ihm mit Einem Male wieder wärmer und herzlicher zu Sinne. „Was geschah mir doch? fragte er sich, etwas Warmes und Lebendiges erquickt mich, das muss in meiner Nähe sein. Schon bin ich weniger allein; unbewusste Ge¬ fährten und Brüder schweifen um mich, ihr warmer Athem rührt an meine Seele.“ Als er aber um sich spähete und nach den Trö¬ stern seiner Einsamkeit suchte: siehe, da waren es Kühe, welche auf einer Anhöhe bei einander standen; deren Nähe und Geruch hatten sein Herz erwärmt. Diese Kühe aber schienen mit Eifer einem Redenden zuzuhören und gaben nicht auf Den Acht, der heran¬ kam. Wie aber Zarathustra ganz in ihrer Nähe war, 4

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/56>, abgerufen am 24.11.2024.