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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

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über die Rücken wimmelnder Schafheerden wegblickt.
Es sind kleine wohlwollige wohlwillige graue Leute.
Wie ein Reiher verachtend über flache Teiche
wegblickt, mit zurückgelegtem Kopfe: so blicke ich
über das Gewimmel grauer kleiner Wellen und Willen
und Seelen weg.

Zu lange hat man ihnen Recht gegeben, diesen
kleinen Leuten: so gab man ihnen endlich auch die
Macht -- nun lehren sie: "gut ist nur, was kleine
Leute gut heissen."

Und "Wahrheit" heisst heute, was der Prediger
sprach, der selber aus ihnen herkam, jener wunderliche
Heilige und Fürsprecher der kleinen Leute, welcher
von sich zeugte "ich -- bin die Wahrheit."

Dieser Unbescheidne macht nun lange schon den
kleinen Leuten den Kamm hoch schwellen -- er, der
keinen kleinen Irrthum lehrte, als er lehrte "ich -- bin
die Wahrheit."

Ward einem Unbescheidnen jemals höflicher ge¬
antwortet? -- Du aber, oh Zarathustra, giengst an
ihm vorüber und sprachst: "Nein! Nein! Drei Mal
Nein!"

Du warntest vor seinem Irrthum, du warntest als
der Erste vor dem Mitleiden -- nicht Alle, nicht
Keinen, sondern dich und deine Art.

Du schämst dich an der Scham des grossen Leiden¬
den; und wahrlich, wenn du sprichst "von dem Mit¬
leiden her kommt eine grosse Wolke, habt Acht, ihr
Menschen!"

-- wenn du lehrst "alle Schaffenden sind hart,
alle grosse Liebe ist über ihrem Mitleiden": oh Zara¬

über die Rücken wimmelnder Schafheerden wegblickt.
Es sind kleine wohlwollige wohlwillige graue Leute.
Wie ein Reiher verachtend über flache Teiche
wegblickt, mit zurückgelegtem Kopfe: so blicke ich
über das Gewimmel grauer kleiner Wellen und Willen
und Seelen weg.

Zu lange hat man ihnen Recht gegeben, diesen
kleinen Leuten: so gab man ihnen endlich auch die
Macht — nun lehren sie: „gut ist nur, was kleine
Leute gut heissen.“

Und „Wahrheit“ heisst heute, was der Prediger
sprach, der selber aus ihnen herkam, jener wunderliche
Heilige und Fürsprecher der kleinen Leute, welcher
von sich zeugte „ich — bin die Wahrheit.“

Dieser Unbescheidne macht nun lange schon den
kleinen Leuten den Kamm hoch schwellen — er, der
keinen kleinen Irrthum lehrte, als er lehrte „ich — bin
die Wahrheit.“

Ward einem Unbescheidnen jemals höflicher ge¬
antwortet? — Du aber, oh Zarathustra, giengst an
ihm vorüber und sprachst: „Nein! Nein! Drei Mal
Nein!“

Du warntest vor seinem Irrthum, du warntest als
der Erste vor dem Mitleiden — nicht Alle, nicht
Keinen, sondern dich und deine Art.

Du schämst dich an der Scham des grossen Leiden¬
den; und wahrlich, wenn du sprichst „von dem Mit¬
leiden her kommt eine grosse Wolke, habt Acht, ihr
Menschen!“

— wenn du lehrst „alle Schaffenden sind hart,
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[46/0053] über die Rücken wimmelnder Schafheerden wegblickt. Es sind kleine wohlwollige wohlwillige graue Leute. Wie ein Reiher verachtend über flache Teiche wegblickt, mit zurückgelegtem Kopfe: so blicke ich über das Gewimmel grauer kleiner Wellen und Willen und Seelen weg. Zu lange hat man ihnen Recht gegeben, diesen kleinen Leuten: so gab man ihnen endlich auch die Macht — nun lehren sie: „gut ist nur, was kleine Leute gut heissen.“ Und „Wahrheit“ heisst heute, was der Prediger sprach, der selber aus ihnen herkam, jener wunderliche Heilige und Fürsprecher der kleinen Leute, welcher von sich zeugte „ich — bin die Wahrheit.“ Dieser Unbescheidne macht nun lange schon den kleinen Leuten den Kamm hoch schwellen — er, der keinen kleinen Irrthum lehrte, als er lehrte „ich — bin die Wahrheit.“ Ward einem Unbescheidnen jemals höflicher ge¬ antwortet? — Du aber, oh Zarathustra, giengst an ihm vorüber und sprachst: „Nein! Nein! Drei Mal Nein!“ Du warntest vor seinem Irrthum, du warntest als der Erste vor dem Mitleiden — nicht Alle, nicht Keinen, sondern dich und deine Art. Du schämst dich an der Scham des grossen Leiden¬ den; und wahrlich, wenn du sprichst „von dem Mit¬ leiden her kommt eine grosse Wolke, habt Acht, ihr Menschen!“ — wenn du lehrst „alle Schaffenden sind hart, alle grosse Liebe ist über ihrem Mitleiden“: oh Zara¬

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/53>, abgerufen am 25.11.2024.