Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Wer du auch sein magst, sagte immer noch
grimmig der Getretene, du trittst mir auch mit deinem
Gleichniss zu nahe, und nicht nur mit deinem Fusse!

Siehe doch, bin ich denn ein Hund?" -- und dabei
erhob sich der Sitzende und zog seinen nackten Arm
aus dem Sumpfe. Zuerst nämlich hatte er ausgestreckt
am Boden gelegen, verborgen und unkenntlich gleich
Solchen, die einem Sumpf-Wilde auflauern.

"Aber was treibst du doch!" rief Zarathustra er¬
schreckt, denn sahe, dass über den nackten Arm
weg viel Blut floss, -- "was ist dir zugestossen? Biss
dich, du Unseliger, ein schlimmes Thier?"

Der Blutende lachte, immer noch erzürnt. "Was
geht's dich an! sagte er und wollte weitergehn. Hier
bin ich heim und in meinem Bereiche. Mag mich
fragen, wer da will: einem Tölpel aber werde ich
schwerlich antworten."

"Du irrst, sagte Zarathustra mitleidig und hielt ihn
fest, du irrst: hier bist du nicht bei dir, sondern in
meinem Reiche, und darin soll mir Keiner zu Schaden
kommen.

Nenne mich aber immerhin, wie du willst, -- ich
bin, der ich sein muss. Ich selber heisse mich Zara¬
thustra.

Wohlan! Dort hinauf geht der Weg zu Zara¬
thustra's Höhle: die ist nicht fern, -- willst du nicht
bei mir deiner Wunden warten?

Es gieng dir schlimm, du Unseliger, in diesem
Leben: erst biss dich das Thier, und dann -- trat
dich der Mensch!" -- --

Als aber der Getretene den Namen Zarathustra's

— „Wer du auch sein magst, sagte immer noch
grimmig der Getretene, du trittst mir auch mit deinem
Gleichniss zu nahe, und nicht nur mit deinem Fusse!

Siehe doch, bin ich denn ein Hund?“ — und dabei
erhob sich der Sitzende und zog seinen nackten Arm
aus dem Sumpfe. Zuerst nämlich hatte er ausgestreckt
am Boden gelegen, verborgen und unkenntlich gleich
Solchen, die einem Sumpf-Wilde auflauern.

„Aber was treibst du doch!“ rief Zarathustra er¬
schreckt, denn sahe, dass über den nackten Arm
weg viel Blut floss, — „was ist dir zugestossen? Biss
dich, du Unseliger, ein schlimmes Thier?“

Der Blutende lachte, immer noch erzürnt. „Was
geht's dich an! sagte er und wollte weitergehn. Hier
bin ich heim und in meinem Bereiche. Mag mich
fragen, wer da will: einem Tölpel aber werde ich
schwerlich antworten.“

„Du irrst, sagte Zarathustra mitleidig und hielt ihn
fest, du irrst: hier bist du nicht bei dir, sondern in
meinem Reiche, und darin soll mir Keiner zu Schaden
kommen.

Nenne mich aber immerhin, wie du willst, — ich
bin, der ich sein muss. Ich selber heisse mich Zara¬
thustra.

Wohlan! Dort hinauf geht der Weg zu Zara¬
thustra's Höhle: die ist nicht fern, — willst du nicht
bei mir deiner Wunden warten?

Es gieng dir schlimm, du Unseliger, in diesem
Leben: erst biss dich das Thier, und dann — trat
dich der Mensch!“ — —

Als aber der Getretene den Namen Zarathustra's

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0029" n="22"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wer du auch sein magst, sagte immer noch<lb/>
grimmig der Getretene, du trittst mir auch mit deinem<lb/>
Gleichniss zu nahe, und nicht nur mit deinem Fusse!</p><lb/>
        <p>Siehe doch, bin ich denn ein Hund?&#x201C; &#x2014; und dabei<lb/>
erhob sich der Sitzende und zog seinen nackten Arm<lb/>
aus dem Sumpfe. Zuerst nämlich hatte er ausgestreckt<lb/>
am Boden gelegen, verborgen und unkenntlich gleich<lb/>
Solchen, die einem Sumpf-Wilde auflauern.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber was treibst du doch!&#x201C; rief Zarathustra er¬<lb/>
schreckt, denn sahe, dass über den nackten Arm<lb/>
weg viel Blut floss, &#x2014; &#x201E;was ist dir zugestossen? Biss<lb/>
dich, du Unseliger, ein schlimmes Thier?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Blutende lachte, immer noch erzürnt. &#x201E;Was<lb/>
geht's dich an! sagte er und wollte weitergehn. Hier<lb/>
bin ich heim und in meinem Bereiche. Mag mich<lb/>
fragen, wer da will: einem Tölpel aber werde ich<lb/>
schwerlich antworten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du irrst, sagte Zarathustra mitleidig und hielt ihn<lb/>
fest, du irrst: hier bist du nicht bei dir, sondern in<lb/>
meinem Reiche, und darin soll mir Keiner zu Schaden<lb/>
kommen.</p><lb/>
        <p>Nenne mich aber immerhin, wie du willst, &#x2014; ich<lb/>
bin, der ich sein muss. Ich selber heisse mich Zara¬<lb/>
thustra.</p><lb/>
        <p>Wohlan! Dort hinauf geht der Weg zu Zara¬<lb/>
thustra's Höhle: die ist nicht fern, &#x2014; willst du nicht<lb/>
bei mir deiner Wunden warten?</p><lb/>
        <p>Es gieng dir schlimm, du Unseliger, in diesem<lb/>
Leben: erst biss dich das Thier, und dann &#x2014; trat<lb/>
dich der Mensch!&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als aber der Getretene den Namen Zarathustra's<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0029] — „Wer du auch sein magst, sagte immer noch grimmig der Getretene, du trittst mir auch mit deinem Gleichniss zu nahe, und nicht nur mit deinem Fusse! Siehe doch, bin ich denn ein Hund?“ — und dabei erhob sich der Sitzende und zog seinen nackten Arm aus dem Sumpfe. Zuerst nämlich hatte er ausgestreckt am Boden gelegen, verborgen und unkenntlich gleich Solchen, die einem Sumpf-Wilde auflauern. „Aber was treibst du doch!“ rief Zarathustra er¬ schreckt, denn sahe, dass über den nackten Arm weg viel Blut floss, — „was ist dir zugestossen? Biss dich, du Unseliger, ein schlimmes Thier?“ Der Blutende lachte, immer noch erzürnt. „Was geht's dich an! sagte er und wollte weitergehn. Hier bin ich heim und in meinem Bereiche. Mag mich fragen, wer da will: einem Tölpel aber werde ich schwerlich antworten.“ „Du irrst, sagte Zarathustra mitleidig und hielt ihn fest, du irrst: hier bist du nicht bei dir, sondern in meinem Reiche, und darin soll mir Keiner zu Schaden kommen. Nenne mich aber immerhin, wie du willst, — ich bin, der ich sein muss. Ich selber heisse mich Zara¬ thustra. Wohlan! Dort hinauf geht der Weg zu Zara¬ thustra's Höhle: die ist nicht fern, — willst du nicht bei mir deiner Wunden warten? Es gieng dir schlimm, du Unseliger, in diesem Leben: erst biss dich das Thier, und dann — trat dich der Mensch!“ — — Als aber der Getretene den Namen Zarathustra's

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/29
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/29>, abgerufen am 27.11.2024.