Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

und Nachts umherzugehn und alte Sachen aufzuwecken,
die lange schon eingeschlafen sind.

Fünf Worte von alten Sachen hörte ich gestern
Nachts an der Garten-Mauer: die kamen von solchen
alten betrübten trocknen Nachtwächtern.

"Für einen Vater sorgt er nicht genug um seine
Kinder: Menschen-Väter thun diess besser!" --

"Er ist zu alt! Er sorgt schon gar nicht mehr um
seine Kinder" -- also antwortete der andre Nachtwächter.

"Hat er denn Kinder? Niemand kann's beweisen,
wenn er's selber nicht beweist! Ich wollte längst, er
bewiese es einmal gründlich."

"Beweisen? Als ob Der je Etwas bewiesen hätte!
Beweisen fällt ihm schwer; er hält grosse Stücke
darauf, dass man ihm glaubt."

"Ja! Ja! Der Glaube macht ihn selig, der Glaube
an ihn. Das ist so die Art alter Leute! So geht's
uns auch!" --

-- Also sprachen zu einander die zwei alten Nacht¬
wächter und Lichtscheuchen, und tuteten darauf betrübt
in ihre Hörner: so geschah's gestern Nachts an der
Garten-Mauer.

Mir aber wand sich das Herz vor Lachen und
wollte brechen und wusste nicht, wohin? und sank
in's Zwerchfell.

Wahrlich, das wird noch mein Tod sein, dass ich
vor Lachen ersticke, wenn ich Esel betrunken sehe
und Nachtwächter also an Gott zweifeln höre.

Ist es denn nicht lange vorbei auch für alle
solche Zweifel? Wer darf noch solche alte eingeschlafne
lichtscheue Sachen aufwecken!

und Nachts umherzugehn und alte Sachen aufzuwecken,
die lange schon eingeschlafen sind.

Fünf Worte von alten Sachen hörte ich gestern
Nachts an der Garten-Mauer: die kamen von solchen
alten betrübten trocknen Nachtwächtern.

„Für einen Vater sorgt er nicht genug um seine
Kinder: Menschen-Väter thun diess besser!“ —

„Er ist zu alt! Er sorgt schon gar nicht mehr um
seine Kinder“ — also antwortete der andre Nachtwächter.

Hat er denn Kinder? Niemand kann's beweisen,
wenn er's selber nicht beweist! Ich wollte längst, er
bewiese es einmal gründlich.“

„Beweisen? Als ob Der je Etwas bewiesen hätte!
Beweisen fällt ihm schwer; er hält grosse Stücke
darauf, dass man ihm glaubt.“

„Ja! Ja! Der Glaube macht ihn selig, der Glaube
an ihn. Das ist so die Art alter Leute! So geht's
uns auch!“ —

— Also sprachen zu einander die zwei alten Nacht¬
wächter und Lichtscheuchen, und tuteten darauf betrübt
in ihre Hörner: so geschah's gestern Nachts an der
Garten-Mauer.

Mir aber wand sich das Herz vor Lachen und
wollte brechen und wusste nicht, wohin? und sank
in's Zwerchfell.

Wahrlich, das wird noch mein Tod sein, dass ich
vor Lachen ersticke, wenn ich Esel betrunken sehe
und Nachtwächter also an Gott zweifeln höre.

Ist es denn nicht lange vorbei auch für alle
solche Zweifel? Wer darf noch solche alte eingeschlafne
lichtscheue Sachen aufwecken!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="45"/>
und Nachts umherzugehn und alte Sachen aufzuwecken,<lb/>
die lange schon eingeschlafen sind.</p><lb/>
          <p>Fünf Worte von alten Sachen hörte ich gestern<lb/>
Nachts an der Garten-Mauer: die kamen von solchen<lb/>
alten betrübten trocknen Nachtwächtern.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Für einen Vater sorgt er nicht genug um seine<lb/>
Kinder: Menschen-Väter thun diess besser!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er ist zu alt! Er sorgt schon gar nicht mehr um<lb/>
seine Kinder&#x201C; &#x2014; also antwortete der andre Nachtwächter.</p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#g">Hat</hi> er denn Kinder? Niemand kann's beweisen,<lb/>
wenn er's selber nicht beweist! Ich wollte längst, er<lb/>
bewiese es einmal gründlich.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Beweisen? Als ob <hi rendition="#g">De</hi>r je Etwas bewiesen hätte!<lb/>
Beweisen fällt ihm schwer; er hält grosse Stücke<lb/>
darauf, dass man ihm <hi rendition="#g">glaubt</hi>.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja! Ja! Der Glaube macht ihn selig, der Glaube<lb/>
an ihn. Das ist so die Art alter Leute! So geht's<lb/>
uns auch!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; Also sprachen zu einander die zwei alten Nacht¬<lb/>
wächter und Lichtscheuchen, und tuteten darauf betrübt<lb/>
in ihre Hörner: so geschah's gestern Nachts an der<lb/>
Garten-Mauer.</p><lb/>
          <p>Mir aber wand sich das Herz vor Lachen und<lb/>
wollte brechen und wusste nicht, wohin? und sank<lb/>
in's Zwerchfell.</p><lb/>
          <p>Wahrlich, das wird noch mein Tod sein, dass ich<lb/>
vor Lachen ersticke, wenn ich Esel betrunken sehe<lb/>
und Nachtwächter also an Gott zweifeln höre.</p><lb/>
          <p>Ist es denn nicht <hi rendition="#g">lange</hi> vorbei auch für alle<lb/>
solche Zweifel? Wer darf noch solche alte eingeschlafne<lb/>
lichtscheue Sachen aufwecken!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0055] und Nachts umherzugehn und alte Sachen aufzuwecken, die lange schon eingeschlafen sind. Fünf Worte von alten Sachen hörte ich gestern Nachts an der Garten-Mauer: die kamen von solchen alten betrübten trocknen Nachtwächtern. „Für einen Vater sorgt er nicht genug um seine Kinder: Menschen-Väter thun diess besser!“ — „Er ist zu alt! Er sorgt schon gar nicht mehr um seine Kinder“ — also antwortete der andre Nachtwächter. „Hat er denn Kinder? Niemand kann's beweisen, wenn er's selber nicht beweist! Ich wollte längst, er bewiese es einmal gründlich.“ „Beweisen? Als ob Der je Etwas bewiesen hätte! Beweisen fällt ihm schwer; er hält grosse Stücke darauf, dass man ihm glaubt.“ „Ja! Ja! Der Glaube macht ihn selig, der Glaube an ihn. Das ist so die Art alter Leute! So geht's uns auch!“ — — Also sprachen zu einander die zwei alten Nacht¬ wächter und Lichtscheuchen, und tuteten darauf betrübt in ihre Hörner: so geschah's gestern Nachts an der Garten-Mauer. Mir aber wand sich das Herz vor Lachen und wollte brechen und wusste nicht, wohin? und sank in's Zwerchfell. Wahrlich, das wird noch mein Tod sein, dass ich vor Lachen ersticke, wenn ich Esel betrunken sehe und Nachtwächter also an Gott zweifeln höre. Ist es denn nicht lange vorbei auch für alle solche Zweifel? Wer darf noch solche alte eingeschlafne lichtscheue Sachen aufwecken!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/55
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/55>, abgerufen am 25.11.2024.