Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Fragen unkte und würgte und nagte und klagte bei
Tag und Nacht:

-- "ach, der Mensch kehrt ewig wieder! Der kleine
Mensch kehrt ewig wieder! " --

Nackt hatte ich einst Beide gesehn, den grössten
Menschen und den kleinsten Menschen: allzuähnlich
einander, -- allzumenschlich auch den Grössten noch!

Allzuklein der Grösste! -- Das war mein Über¬
druss am Menschen! Und ewige Wiederkunft auch
des Kleinsten! -- Das war mein Überdruss an allem
Dasein!

Ach, Ekel! Ekel! Ekel! -- -- Also sprach
Zarathustra und seufzte und schauderte; denn er er¬
innerte sich seiner Krankheit. Da liessen ihn aber
seine Thiere nicht weiter reden.

"Sprich nicht weiter, du Genesender! -- so ant¬
worteten ihm seine Thiere, sondern geh hinaus, wo
die Welt auf dich wartet gleich einem Garten.

Geh hinaus zu den Rosen und Bienen und Tauben¬
schwärmen! Sonderlich aber zu den Singe-Vögeln:
dass du ihnen das Singen ablernst!

Singen nämlich ist für Genesende; der Gesunde
mag reden. Und wenn auch der Gesunde Lieder will,
will er andre Lieder doch als der Genesende."

-- "Oh ihr Schalks-Narren und Drehorgeln, so
schweigt doch! -- antwortete Zarathustra und lächelte
über seine Thiere. Wie gut ihr wisst, welchen Trost
ich mir selber in sieben Tagen erfand!

Dass ich wieder singen müsse, -- den Trost er¬

Fragen unkte und würgte und nagte und klagte bei
Tag und Nacht:

— „ach, der Mensch kehrt ewig wieder! Der kleine
Mensch kehrt ewig wieder! “ —

Nackt hatte ich einst Beide gesehn, den grössten
Menschen und den kleinsten Menschen: allzuähnlich
einander, — allzumenschlich auch den Grössten noch!

Allzuklein der Grösste! — Das war mein Über¬
druss am Menschen! Und ewige Wiederkunft auch
des Kleinsten! — Das war mein Überdruss an allem
Dasein!

Ach, Ekel! Ekel! Ekel! — — Also sprach
Zarathustra und seufzte und schauderte; denn er er¬
innerte sich seiner Krankheit. Da liessen ihn aber
seine Thiere nicht weiter reden.

„Sprich nicht weiter, du Genesender! — so ant¬
worteten ihm seine Thiere, sondern geh hinaus, wo
die Welt auf dich wartet gleich einem Garten.

Geh hinaus zu den Rosen und Bienen und Tauben¬
schwärmen! Sonderlich aber zu den Singe-Vögeln:
dass du ihnen das Singen ablernst!

Singen nämlich ist für Genesende; der Gesunde
mag reden. Und wenn auch der Gesunde Lieder will,
will er andre Lieder doch als der Genesende.“

— „Oh ihr Schalks-Narren und Drehorgeln, so
schweigt doch! — antwortete Zarathustra und lächelte
über seine Thiere. Wie gut ihr wisst, welchen Trost
ich mir selber in sieben Tagen erfand!

Dass ich wieder singen müsse, — den Trost er¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0108" n="98"/>
Fragen unkte und würgte und nagte und klagte bei<lb/>
Tag und Nacht:</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x201E;ach, der Mensch kehrt ewig wieder! Der kleine<lb/>
Mensch kehrt ewig wieder! &#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nackt hatte ich einst Beide gesehn, den grössten<lb/>
Menschen und den kleinsten Menschen: allzuähnlich<lb/>
einander, &#x2014; allzumenschlich auch den Grössten noch!</p><lb/>
          <p>Allzuklein der Grösste! &#x2014; Das war mein Über¬<lb/>
druss am Menschen! Und ewige Wiederkunft auch<lb/>
des Kleinsten! &#x2014; Das war mein Überdruss an allem<lb/>
Dasein!</p><lb/>
          <p>Ach, Ekel! Ekel! Ekel! &#x2014; &#x2014; Also sprach<lb/>
Zarathustra und seufzte und schauderte; denn er er¬<lb/>
innerte sich seiner Krankheit. Da liessen ihn aber<lb/>
seine Thiere nicht weiter reden.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sprich nicht weiter, du Genesender! &#x2014; so ant¬<lb/>
worteten ihm seine Thiere, sondern geh hinaus, wo<lb/>
die Welt auf dich wartet gleich einem Garten.</p><lb/>
          <p>Geh hinaus zu den Rosen und Bienen und Tauben¬<lb/>
schwärmen! Sonderlich aber zu den Singe-Vögeln:<lb/>
dass du ihnen das <hi rendition="#g">Singen</hi> ablernst!</p><lb/>
          <p>Singen nämlich ist für Genesende; der Gesunde<lb/>
mag reden. Und wenn auch der Gesunde Lieder will,<lb/>
will er andre Lieder doch als der Genesende.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x2014; &#x201E;Oh ihr Schalks-Narren und Drehorgeln, so<lb/>
schweigt doch! &#x2014; antwortete Zarathustra und lächelte<lb/>
über seine Thiere. Wie gut ihr wisst, welchen Trost<lb/>
ich mir selber in sieben Tagen erfand!</p><lb/>
          <p>Dass ich wieder singen müsse, &#x2014; <hi rendition="#g">den</hi> Trost er¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0108] Fragen unkte und würgte und nagte und klagte bei Tag und Nacht: — „ach, der Mensch kehrt ewig wieder! Der kleine Mensch kehrt ewig wieder! “ — Nackt hatte ich einst Beide gesehn, den grössten Menschen und den kleinsten Menschen: allzuähnlich einander, — allzumenschlich auch den Grössten noch! Allzuklein der Grösste! — Das war mein Über¬ druss am Menschen! Und ewige Wiederkunft auch des Kleinsten! — Das war mein Überdruss an allem Dasein! Ach, Ekel! Ekel! Ekel! — — Also sprach Zarathustra und seufzte und schauderte; denn er er¬ innerte sich seiner Krankheit. Da liessen ihn aber seine Thiere nicht weiter reden. „Sprich nicht weiter, du Genesender! — so ant¬ worteten ihm seine Thiere, sondern geh hinaus, wo die Welt auf dich wartet gleich einem Garten. Geh hinaus zu den Rosen und Bienen und Tauben¬ schwärmen! Sonderlich aber zu den Singe-Vögeln: dass du ihnen das Singen ablernst! Singen nämlich ist für Genesende; der Gesunde mag reden. Und wenn auch der Gesunde Lieder will, will er andre Lieder doch als der Genesende.“ — „Oh ihr Schalks-Narren und Drehorgeln, so schweigt doch! — antwortete Zarathustra und lächelte über seine Thiere. Wie gut ihr wisst, welchen Trost ich mir selber in sieben Tagen erfand! Dass ich wieder singen müsse, — den Trost er¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/108
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/108>, abgerufen am 22.11.2024.