Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Der Wahrsager. "-- und ich sahe eine grosse Traurigkeit über Eine Lehre ergieng, ein Glauben lief neben ihr: Und von allen Hügeln klang es wieder: "Alles Wohl haben wir geerntet: aber warum wurden Umsonst war alle Arbeit, Gift ist unser Wein Trocken wurden wir Alle; und fällt Feuer auf Alle Brunnen versiegten uns, auch das Meer wich "Ach, wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken Der Wahrsager. „— und ich sahe eine grosse Traurigkeit über Eine Lehre ergieng, ein Glauben lief neben ihr: Und von allen Hügeln klang es wieder: „Alles Wohl haben wir geerntet: aber warum wurden Umsonst war alle Arbeit, Gift ist unser Wein Trocken wurden wir Alle; und fällt Feuer auf Alle Brunnen versiegten uns, auch das Meer wich „Ach, wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0089" n="79"/> <div n="1"> <head>Der Wahrsager.<lb/></head> <p>„— und ich sahe eine grosse Traurigkeit über<lb/> die Menschen kommen. Die Besten wurden ihrer<lb/> Werke müde.</p><lb/> <p>Eine Lehre ergieng, ein Glauben lief neben ihr:<lb/> „Alles ist leer, Alles ist gleich, Alles war!“</p><lb/> <p>Und von allen Hügeln klang es wieder: „Alles<lb/> ist leer, Alles ist gleich, Alles war!“</p><lb/> <p>Wohl haben wir geerntet: aber warum wurden<lb/> alle Früchte uns faul und braun? Was fiel vom bösen<lb/> Monde bei der letzten Nacht hernieder?</p><lb/> <p>Umsonst war alle Arbeit, Gift ist unser Wein<lb/> geworden, böser Blick sengte unsre Felder und<lb/> Herzen gelb.</p><lb/> <p>Trocken wurden wir Alle; und fällt Feuer auf<lb/> uns, so stäuben wir der Asche gleich: — ja das Feuer<lb/> selber machten wir müde.</p><lb/> <p>Alle Brunnen versiegten uns, auch das Meer wich<lb/> zurück. Aller Grund will reissen, aber die Tiefe will<lb/> nicht schlingen!</p><lb/> <p>„Ach, wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken<lb/> könnte“: so klingt unsre Klage — hinweg über flache<lb/> Sümpfe.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [79/0089]
Der Wahrsager.
„— und ich sahe eine grosse Traurigkeit über
die Menschen kommen. Die Besten wurden ihrer
Werke müde.
Eine Lehre ergieng, ein Glauben lief neben ihr:
„Alles ist leer, Alles ist gleich, Alles war!“
Und von allen Hügeln klang es wieder: „Alles
ist leer, Alles ist gleich, Alles war!“
Wohl haben wir geerntet: aber warum wurden
alle Früchte uns faul und braun? Was fiel vom bösen
Monde bei der letzten Nacht hernieder?
Umsonst war alle Arbeit, Gift ist unser Wein
geworden, böser Blick sengte unsre Felder und
Herzen gelb.
Trocken wurden wir Alle; und fällt Feuer auf
uns, so stäuben wir der Asche gleich: — ja das Feuer
selber machten wir müde.
Alle Brunnen versiegten uns, auch das Meer wich
zurück. Aller Grund will reissen, aber die Tiefe will
nicht schlingen!
„Ach, wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken
könnte“: so klingt unsre Klage — hinweg über flache
Sümpfe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/89 |
Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/89>, abgerufen am 25.07.2024. |