Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Und gesteh es nur! Wenig war immer nur geschehn, Und diess Wort sage ich noch den Umstürzern Im Schlamme eurer Verachtung lag die Bildsäule: Mit göttlicheren Zügen steht sie nun auf und Diesen Rath aber rathe ich Königen und Kirchen Also redete ich vor dem Feuerhunde: da unter¬ Kirche? antwortete ich, das ist eine Art von Gleich dir selber ist der Staat ein Heuchelhund; Denn er will durchaus das wichtigste Thier auf Und gesteh es nur! Wenig war immer nur geschehn, Und diess Wort sage ich noch den Umstürzern Im Schlamme eurer Verachtung lag die Bildsäule: Mit göttlicheren Zügen steht sie nun auf und Diesen Rath aber rathe ich Königen und Kirchen Also redete ich vor dem Feuerhunde: da unter¬ Kirche? antwortete ich, das ist eine Art von Gleich dir selber ist der Staat ein Heuchelhund; Denn er will durchaus das wichtigste Thier auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0086" n="76"/> <p>Und gesteh es nur! Wenig war immer nur geschehn,<lb/> wenn dein Lärm und Rauch sich verzog. Was liegt<lb/> daran, dass eine Stadt zur Mumie wurde, und eine<lb/> Bildsäule im Schlamme liegt!</p><lb/> <p>Und diess Wort sage ich noch den Umstürzern<lb/> von Bildsäulen. Das ist wohl die grösste Thorheit,<lb/> Salz in's Meer und Bildsäulen in den Schlamm zu werfen.</p><lb/> <p>Im Schlamme eurer Verachtung lag die Bildsäule:<lb/> aber das ist gerade ihr Gesetz, dass ihr aus der Ver¬<lb/> achtung wieder Leben und lebende Schönheit wächst!</p><lb/> <p>Mit göttlicheren Zügen steht sie nun auf und<lb/> leidendverführerisch; und wahrlich! sie wird euch noch<lb/> Dank sagen, dass ihr sie umstürztet, ihr Umstürzer!</p><lb/> <p>Diesen Rath aber rathe ich Königen und Kirchen<lb/> und Allem, was alters- und tugendschwach ist — lasst<lb/> euch nur umstürzen! Dass ihr wieder zum Leben<lb/> kommt, und zu euch — die Tugend! —</p><lb/> <p>Also redete ich vor dem Feuerhunde: da unter¬<lb/> brach er mich mürrisch und fragte: „Kirche? Was<lb/> ist denn das?“</p><lb/> <p>Kirche? antwortete ich, das ist eine Art von<lb/> Staat, und zwar die verlogenste. Doch schweig still,<lb/> du Heuchelhund! Du kennst deine Art wohl am<lb/> besten schon!</p><lb/> <p>Gleich dir selber ist der Staat ein Heuchelhund;<lb/> gleich dir redet er gern mit Rauch und Gebrülle, —<lb/> dass er glauben mache, gleich dir, er rede aus dem<lb/> Bauch der Dinge.</p><lb/> <p>Denn er will durchaus das wichtigste Thier auf<lb/> Erden sein, der Staat; und man glaubt's ihm auch. —</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [76/0086]
Und gesteh es nur! Wenig war immer nur geschehn,
wenn dein Lärm und Rauch sich verzog. Was liegt
daran, dass eine Stadt zur Mumie wurde, und eine
Bildsäule im Schlamme liegt!
Und diess Wort sage ich noch den Umstürzern
von Bildsäulen. Das ist wohl die grösste Thorheit,
Salz in's Meer und Bildsäulen in den Schlamm zu werfen.
Im Schlamme eurer Verachtung lag die Bildsäule:
aber das ist gerade ihr Gesetz, dass ihr aus der Ver¬
achtung wieder Leben und lebende Schönheit wächst!
Mit göttlicheren Zügen steht sie nun auf und
leidendverführerisch; und wahrlich! sie wird euch noch
Dank sagen, dass ihr sie umstürztet, ihr Umstürzer!
Diesen Rath aber rathe ich Königen und Kirchen
und Allem, was alters- und tugendschwach ist — lasst
euch nur umstürzen! Dass ihr wieder zum Leben
kommt, und zu euch — die Tugend! —
Also redete ich vor dem Feuerhunde: da unter¬
brach er mich mürrisch und fragte: „Kirche? Was
ist denn das?“
Kirche? antwortete ich, das ist eine Art von
Staat, und zwar die verlogenste. Doch schweig still,
du Heuchelhund! Du kennst deine Art wohl am
besten schon!
Gleich dir selber ist der Staat ein Heuchelhund;
gleich dir redet er gern mit Rauch und Gebrülle, —
dass er glauben mache, gleich dir, er rede aus dem
Bauch der Dinge.
Denn er will durchaus das wichtigste Thier auf
Erden sein, der Staat; und man glaubt's ihm auch. —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/86 |
Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/86>, abgerufen am 25.07.2024. |