Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.nicht, unhold ist mein Geschmack allen diesen Zurück¬ Und ihr sagt mir, Freunde, dass nicht zu streiten Geschmack: das ist Gewicht zugleich und Wag¬ Wenn er seiner Erhabenheit müde würde, dieser Und erst, wenn er sich von sich selber abwendet, Allzulange sass er im Schatten, die Wangen Verachtung ist noch in seinem Auge; und Ekel Dem Stiere gleich sollte er thun; und sein Glück Als weissen Stier möchte ich ihn sehn, wie er Dunkel noch ist sein Antlitz; der Hand Schatten nicht, unhold ist mein Geschmack allen diesen Zurück¬ Und ihr sagt mir, Freunde, dass nicht zu streiten Geschmack: das ist Gewicht zugleich und Wag¬ Wenn er seiner Erhabenheit müde würde, dieser Und erst, wenn er sich von sich selber abwendet, Allzulange sass er im Schatten, die Wangen Verachtung ist noch in seinem Auge; und Ekel Dem Stiere gleich sollte er thun; und sein Glück Als weissen Stier möchte ich ihn sehn, wie er Dunkel noch ist sein Antlitz; der Hand Schatten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="53"/> nicht, unhold ist mein Geschmack allen diesen Zurück¬<lb/> gezognen.</p><lb/> <p>Und ihr sagt mir, Freunde, dass nicht zu streiten<lb/> sei über Geschmack und Schmecken? Aber alles<lb/> Leben ist Streit um Geschmack und Schmecken!</p><lb/> <p>Geschmack: das ist Gewicht zugleich und Wag¬<lb/> schale und Wägender; und wehe allem Lebendigen,<lb/> das ohne Streit um Gewicht und Wagschale und<lb/> Wägende leben wollte!</p><lb/> <p>Wenn er seiner Erhabenheit müde würde, dieser<lb/> Erhabene: dann erst würde seine Schönheit anheben,<lb/> — und dann erst will ich ihn schmecken und schmack¬<lb/> haft finden.</p><lb/> <p>Und erst, wenn er sich von sich selber abwendet,<lb/> wird er über seinen eignen Schatten springen — und,<lb/> wahrlich! hinein in <hi rendition="#g">seine</hi> Sonne.</p><lb/> <p>Allzulange sass er im Schatten, die Wangen<lb/> bleichten dem Büsser des Geistes; fast verhungerte<lb/> er an seinen Erwartungen.</p><lb/> <p>Verachtung ist noch in seinem Auge; und Ekel<lb/> birgt sich an seinem Munde. Zwar ruht er jetzt, aber<lb/> seine Ruhe hat sich noch nicht in die Sonne gelegt.</p><lb/> <p>Dem Stiere gleich sollte er thun; und sein Glück<lb/> sollte nach Erde riechen und nicht nach Verachtung<lb/> der Erde.</p><lb/> <p>Als weissen Stier möchte ich ihn sehn, wie er<lb/> schnaubend und brüllend der Pflugschar vorangeht:<lb/> und sein Gebrüll sollte noch alles Irdische preisen!</p><lb/> <p>Dunkel noch ist sein Antlitz; der Hand Schatten<lb/> spielt auf ihm. Verschattet ist noch der Sinn seines<lb/> Auges.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [53/0063]
nicht, unhold ist mein Geschmack allen diesen Zurück¬
gezognen.
Und ihr sagt mir, Freunde, dass nicht zu streiten
sei über Geschmack und Schmecken? Aber alles
Leben ist Streit um Geschmack und Schmecken!
Geschmack: das ist Gewicht zugleich und Wag¬
schale und Wägender; und wehe allem Lebendigen,
das ohne Streit um Gewicht und Wagschale und
Wägende leben wollte!
Wenn er seiner Erhabenheit müde würde, dieser
Erhabene: dann erst würde seine Schönheit anheben,
— und dann erst will ich ihn schmecken und schmack¬
haft finden.
Und erst, wenn er sich von sich selber abwendet,
wird er über seinen eignen Schatten springen — und,
wahrlich! hinein in seine Sonne.
Allzulange sass er im Schatten, die Wangen
bleichten dem Büsser des Geistes; fast verhungerte
er an seinen Erwartungen.
Verachtung ist noch in seinem Auge; und Ekel
birgt sich an seinem Munde. Zwar ruht er jetzt, aber
seine Ruhe hat sich noch nicht in die Sonne gelegt.
Dem Stiere gleich sollte er thun; und sein Glück
sollte nach Erde riechen und nicht nach Verachtung
der Erde.
Als weissen Stier möchte ich ihn sehn, wie er
schnaubend und brüllend der Pflugschar vorangeht:
und sein Gebrüll sollte noch alles Irdische preisen!
Dunkel noch ist sein Antlitz; der Hand Schatten
spielt auf ihm. Verschattet ist noch der Sinn seines
Auges.
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/63>, abgerufen am 05.07.2024. |