Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Wahrlich, ich that wohl Das und Jenes an Leiden¬ Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen Darum wasche ich mir die Hand, die dem Leiden¬ Denn dass ich den Leidenden leidend sah, dessen Grosse Verbindlichkeiten machen nicht dankbar, "Seid spröde im Annehmen! Zeichnet aus damit, Ich aber bin ein Schenkender: gerne schenke ich, Bettler aber sollte man ganz abschaffen! Wahrlich, Und insgleichen die Sünder und bösen Gewissen! Wahrlich, ich that wohl Das und Jenes an Leiden¬ Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen Darum wasche ich mir die Hand, die dem Leiden¬ Denn dass ich den Leidenden leidend sah, dessen Grosse Verbindlichkeiten machen nicht dankbar, „Seid spröde im Annehmen! Zeichnet aus damit, Ich aber bin ein Schenkender: gerne schenke ich, Bettler aber sollte man ganz abschaffen! Wahrlich, Und insgleichen die Sünder und bösen Gewissen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0020" n="10"/> <p>Wahrlich, ich that wohl Das und Jenes an Leiden¬<lb/> den: aber Besseres schien ich mir stets zu thun, wenn<lb/> ich lernte, mich besser freuen.</p><lb/> <p>Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu<lb/> wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsre<lb/> Erbsünde!</p><lb/> <p>Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen<lb/> wir am besten, Andern wehe zu thun und Wehes<lb/> auszudenken.</p><lb/> <p>Darum wasche ich mir die Hand, die dem Leiden¬<lb/> den half, darum wische ich mir auch noch die Seele ab.</p><lb/> <p>Denn dass ich den Leidenden leidend sah, dessen<lb/> schämte ich mich um seiner Scham willen; und als ich<lb/> ihm half, da vergieng ich mich hart an seinem Stolze.</p><lb/> <p>Grosse Verbindlichkeiten machen nicht dankbar,<lb/> sondern rachsüchtig; und wenn die kleine Wohlthat<lb/> nicht vergessen wird, so wird noch ein Nage-Wurm<lb/> daraus.</p><lb/> <p>„Seid spröde im Annehmen! Zeichnet aus damit,<lb/> dass ihr annehmt!“ — also rathe ich Denen, die Nichts<lb/> zu verschenken haben.</p><lb/> <p>Ich aber bin ein Schenkender: gerne schenke ich,<lb/> als Freund den Freunden. Fremde aber und Arme<lb/> mögen sich die Frucht selber von meinem Baume<lb/> pflücken: so beschämt es weniger.</p><lb/> <p>Bettler aber sollte man ganz abschaffen! Wahrlich,<lb/> man ärgert sich ihnen zu geben und ärgert sich ihnen<lb/> nicht zu geben.</p><lb/> <p>Und insgleichen die Sünder und bösen Gewissen!<lb/> Glaubt mir, meine Freunde: Gewissensbisse erziehn<lb/> zum Beissen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [10/0020]
Wahrlich, ich that wohl Das und Jenes an Leiden¬
den: aber Besseres schien ich mir stets zu thun, wenn
ich lernte, mich besser freuen.
Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu
wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsre
Erbsünde!
Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen
wir am besten, Andern wehe zu thun und Wehes
auszudenken.
Darum wasche ich mir die Hand, die dem Leiden¬
den half, darum wische ich mir auch noch die Seele ab.
Denn dass ich den Leidenden leidend sah, dessen
schämte ich mich um seiner Scham willen; und als ich
ihm half, da vergieng ich mich hart an seinem Stolze.
Grosse Verbindlichkeiten machen nicht dankbar,
sondern rachsüchtig; und wenn die kleine Wohlthat
nicht vergessen wird, so wird noch ein Nage-Wurm
daraus.
„Seid spröde im Annehmen! Zeichnet aus damit,
dass ihr annehmt!“ — also rathe ich Denen, die Nichts
zu verschenken haben.
Ich aber bin ein Schenkender: gerne schenke ich,
als Freund den Freunden. Fremde aber und Arme
mögen sich die Frucht selber von meinem Baume
pflücken: so beschämt es weniger.
Bettler aber sollte man ganz abschaffen! Wahrlich,
man ärgert sich ihnen zu geben und ärgert sich ihnen
nicht zu geben.
Und insgleichen die Sünder und bösen Gewissen!
Glaubt mir, meine Freunde: Gewissensbisse erziehn
zum Beissen.
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