Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.Und dann: wer ermisst am Eitlen die ganze Tiefe Von euch will er seinen Glauben an sich lernen; Euren Lügen glaubt er noch, wenn ihr gut über Und wenn das die rechte Tugend ist, die nicht Das ist aber meine dritte Menschen-Klugheit, dass Ich bin selig, die Wunder zu sehn, welche heisse Auch unter Menschen giebt es schöne Brut heisser Zwar, wie eure Weisesten mir nicht gar so weise Und oft fragte ich mit Kopfschütteln: Warum Wahrlich, es giebt auch für das Böse noch eine Wie Manches heisst jetzt schon ärgste Bosheit, was Und dann: wer ermisst am Eitlen die ganze Tiefe Von euch will er seinen Glauben an sich lernen; Euren Lügen glaubt er noch, wenn ihr gut über Und wenn das die rechte Tugend ist, die nicht Das ist aber meine dritte Menschen-Klugheit, dass Ich bin selig, die Wunder zu sehn, welche heisse Auch unter Menschen giebt es schöne Brut heisser Zwar, wie eure Weisesten mir nicht gar so weise Und oft fragte ich mit Kopfschütteln: Warum Wahrlich, es giebt auch für das Böse noch eine Wie Manches heisst jetzt schon ärgste Bosheit, was <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0104" n="94"/> <p>Und dann: wer ermisst am Eitlen die ganze Tiefe<lb/> seiner Bescheidenheit! Ich bin ihm gut und mitleidig<lb/> ob seiner Bescheidenheit.</p><lb/> <p>Von euch will er seinen Glauben an sich lernen;<lb/> er nährt sich an euren Blicken, er frisst das Lob aus<lb/> euren Händen.</p><lb/> <p>Euren Lügen glaubt er noch, wenn ihr gut über<lb/> ihn lügt: denn im Tiefsten seufzt sein Herz: „was<lb/> bin <hi rendition="#g">ich</hi>!“</p><lb/> <p>Und wenn das die rechte Tugend ist, die nicht<lb/> um sich selber weiss: nun, der Eitle weiss nicht um<lb/> seine Bescheidenheit! —</p><lb/> <p>Das ist aber meine dritte Menschen-Klugheit, dass<lb/> ich mir den Anblick der <hi rendition="#g">Bösen</hi> nicht verleiden lasse<lb/> durch eure Furchtsamkeit.</p><lb/> <p>Ich bin selig, die Wunder zu sehn, welche heisse<lb/> Sonne ausbrütet: Tiger und Palmen und Klapper¬<lb/> schlangen.</p><lb/> <p>Auch unter Menschen giebt es schöne Brut heisser<lb/> Sonne und viel Wunderwürdiges an den Bösen.</p><lb/> <p>Zwar, wie eure Weisesten mir nicht gar so weise<lb/> erschienen: so fand ich auch der Menschen Bosheit<lb/> unter ihrem Rufe.</p><lb/> <p>Und oft fragte ich mit Kopfschütteln: Warum<lb/> noch klappern, ihr Klapperschlangen?</p><lb/> <p>Wahrlich, es giebt auch für das Böse noch eine<lb/> Zukunft! Und der heisseste Süden ist noch nicht<lb/> entdeckt für den Menschen.</p><lb/> <p>Wie Manches heisst jetzt schon ärgste Bosheit, was<lb/> doch nur zwölf Schuhe breit und drei Monate lang ist!<lb/> Einst aber werden grössere Drachen zur Welt kommen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
Und dann: wer ermisst am Eitlen die ganze Tiefe
seiner Bescheidenheit! Ich bin ihm gut und mitleidig
ob seiner Bescheidenheit.
Von euch will er seinen Glauben an sich lernen;
er nährt sich an euren Blicken, er frisst das Lob aus
euren Händen.
Euren Lügen glaubt er noch, wenn ihr gut über
ihn lügt: denn im Tiefsten seufzt sein Herz: „was
bin ich!“
Und wenn das die rechte Tugend ist, die nicht
um sich selber weiss: nun, der Eitle weiss nicht um
seine Bescheidenheit! —
Das ist aber meine dritte Menschen-Klugheit, dass
ich mir den Anblick der Bösen nicht verleiden lasse
durch eure Furchtsamkeit.
Ich bin selig, die Wunder zu sehn, welche heisse
Sonne ausbrütet: Tiger und Palmen und Klapper¬
schlangen.
Auch unter Menschen giebt es schöne Brut heisser
Sonne und viel Wunderwürdiges an den Bösen.
Zwar, wie eure Weisesten mir nicht gar so weise
erschienen: so fand ich auch der Menschen Bosheit
unter ihrem Rufe.
Und oft fragte ich mit Kopfschütteln: Warum
noch klappern, ihr Klapperschlangen?
Wahrlich, es giebt auch für das Böse noch eine
Zukunft! Und der heisseste Süden ist noch nicht
entdeckt für den Menschen.
Wie Manches heisst jetzt schon ärgste Bosheit, was
doch nur zwölf Schuhe breit und drei Monate lang ist!
Einst aber werden grössere Drachen zur Welt kommen.
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/104>, abgerufen am 16.02.2025. |