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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem,
was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte, -- mir
schweigen sie.

Oh diess ist die Feindschaft des Lichts gegen
Leuchtendes; erbarmungslos wandelt es seine Bahnen.

Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen,
kalt gegen Sonnen; -- also wandelt jede Sonne.

Einem Sturme gleich fliegen die Sonnen ihre
Bahnen, das ist ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen
Willen folgen sie, das ist ihre Kälte.

Oh, ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen,
die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! Oh, ihr
erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes
Eutern!

Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich
an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet
nach eurem Durste!

Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und
Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit!

Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir
mein Verlangen, -- nach Rede verlangt mich.

Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden
Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender
Brunnen.

Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der
Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines
Liebenden. --

Also sang Zarathustra.


Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem,
was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte, — mir
schweigen sie.

Oh diess ist die Feindschaft des Lichts gegen
Leuchtendes; erbarmungslos wandelt es seine Bahnen.

Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen,
kalt gegen Sonnen; — also wandelt jede Sonne.

Einem Sturme gleich fliegen die Sonnen ihre
Bahnen, das ist ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen
Willen folgen sie, das ist ihre Kälte.

Oh, ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen,
die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! Oh, ihr
erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes
Eutern!

Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich
an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet
nach eurem Durste!

Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und
Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit!

Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir
mein Verlangen, — nach Rede verlangt mich.

Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden
Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender
Brunnen.

Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der
Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines
Liebenden. —

Also sang Zarathustra.


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[37/0047] Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem, was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte, — mir schweigen sie. Oh diess ist die Feindschaft des Lichts gegen Leuchtendes; erbarmungslos wandelt es seine Bahnen. Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen, kalt gegen Sonnen; — also wandelt jede Sonne. Einem Sturme gleich fliegen die Sonnen ihre Bahnen, das ist ihr Wandeln. Ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre Kälte. Oh, ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! Oh, ihr erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes Eutern! Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet nach eurem Durste! Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit! Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen, — nach Rede verlangt mich. Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen. Nacht ist es: nun erst erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden. — Also sang Zarathustra.

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/47>, abgerufen am 25.12.2024.