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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

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Oh Zarathustra, du sollst gehen als ein Schatten
dessen, was kommen muss: so wirst du befehlen und
befehlend vorangehen." --

Und ich antwortete: "Ich schäme mich."

Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: "Du
musst noch Kind werden und ohne Scham.

Der Stolz der Jugend ist noch auf dir, spät bist
du jung geworden: aber wer zum Kinde werden will,
muss auch noch seine Jugend überwinden." --

Und ich besann mich lange und zitterte. End¬
lich aber sagte ich, was ich zuerst sagte: "Ich will
nicht."

Da geschah ein Lachen um mich. Wehe, wie diess
Lachen mir die Eingeweide zerriss und das Herz auf¬
schlitzte!

Und es sprach zum letzten Male zu mir: "Oh
Zarathustra, deine Früchte sind reif, aber du bist nicht
reif für deine Früchte!

So musst du wieder in die Einsamkeit: denn du
sollst noch mürbe werden." --

Und wieder lachte es und floh: dann wurde es
stille um mich wie mit einer zwiefachen Stille. Ich
aber lag am Boden, und der Schweiss floss mir von
den Gliedern.

-- Nun hörtet ihr Alles, und warum ich in meine
Einsamkeit zurück muss. Nichts verschwieg ich euch,
meine Freunde.

Aber auch diess hörtet ihr von mir, wer immer
noch aller Menschen Verschwiegenster ist -- und es
sein will!

Oh Zarathustra, du sollst gehen als ein Schatten
dessen, was kommen muss: so wirst du befehlen und
befehlend vorangehen.“ —

Und ich antwortete: „Ich schäme mich.“

Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Du
musst noch Kind werden und ohne Scham.

Der Stolz der Jugend ist noch auf dir, spät bist
du jung geworden: aber wer zum Kinde werden will,
muss auch noch seine Jugend überwinden.“ —

Und ich besann mich lange und zitterte. End¬
lich aber sagte ich, was ich zuerst sagte: „Ich will
nicht.“

Da geschah ein Lachen um mich. Wehe, wie diess
Lachen mir die Eingeweide zerriss und das Herz auf¬
schlitzte!

Und es sprach zum letzten Male zu mir: „Oh
Zarathustra, deine Früchte sind reif, aber du bist nicht
reif für deine Früchte!

So musst du wieder in die Einsamkeit: denn du
sollst noch mürbe werden.“ —

Und wieder lachte es und floh: dann wurde es
stille um mich wie mit einer zwiefachen Stille. Ich
aber lag am Boden, und der Schweiss floss mir von
den Gliedern.

— Nun hörtet ihr Alles, und warum ich in meine
Einsamkeit zurück muss. Nichts verschwieg ich euch,
meine Freunde.

Aber auch diess hörtet ihr von mir, wer immer
noch aller Menschen Verschwiegenster ist — und es
sein will!

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[100/0110] Oh Zarathustra, du sollst gehen als ein Schatten dessen, was kommen muss: so wirst du befehlen und befehlend vorangehen.“ — Und ich antwortete: „Ich schäme mich.“ Da sprach es wieder ohne Stimme zu mir: „Du musst noch Kind werden und ohne Scham. Der Stolz der Jugend ist noch auf dir, spät bist du jung geworden: aber wer zum Kinde werden will, muss auch noch seine Jugend überwinden.“ — Und ich besann mich lange und zitterte. End¬ lich aber sagte ich, was ich zuerst sagte: „Ich will nicht.“ Da geschah ein Lachen um mich. Wehe, wie diess Lachen mir die Eingeweide zerriss und das Herz auf¬ schlitzte! Und es sprach zum letzten Male zu mir: „Oh Zarathustra, deine Früchte sind reif, aber du bist nicht reif für deine Früchte! So musst du wieder in die Einsamkeit: denn du sollst noch mürbe werden.“ — Und wieder lachte es und floh: dann wurde es stille um mich wie mit einer zwiefachen Stille. Ich aber lag am Boden, und der Schweiss floss mir von den Gliedern. — Nun hörtet ihr Alles, und warum ich in meine Einsamkeit zurück muss. Nichts verschwieg ich euch, meine Freunde. Aber auch diess hörtet ihr von mir, wer immer noch aller Menschen Verschwiegenster ist — und es sein will!

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/110>, abgerufen am 25.11.2024.