Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.Von den Lehrstühlen der Tugend. Man rühmte Zarathustra einen Weisen, der gut Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe: Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon Zehn Mal musst du des Tages dich selber über¬ Zehn Mal musst du dich wieder mit dir selber 3
Von den Lehrstühlen der Tugend. Man rühmte Zarathustra einen Weisen, der gut Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe: Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon Zehn Mal musst du des Tages dich selber über¬ Zehn Mal musst du dich wieder mit dir selber 3
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Von den Lehrstühlen der Tugend.
Man rühmte Zarathustra einen Weisen, der gut
vom Schlafe und von der Tugend zu reden wisse: sehr
werde er geehrt und gelohnt dafür, und alle Jünglinge
sässen vor seinem Lehrstuhle. Zu ihm gieng Zarathustra,
und mit allen Jünglingen sass er vor seinem Lehrstuhle.
Und also sprach der Weise:
Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das
Erste! Und Allen aus dem Wege gehn, die schlecht
schlafen und Nachts wachen!
Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe:
stets stiehlt er sich leise durch die Nacht. Schamlos
aber ist der Wächter der Nacht, schamlos trägt er
sein Horn.
Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon
Noth, den ganzen Tag darauf hin zu wachen.
Zehn Mal musst du des Tages dich selber über¬
winden: das macht eine gute Müdigkeit und ist Mohn
der Seele.
Zehn Mal musst du dich wieder mit dir selber
versöhnen; denn Überwindung ist Bitterniss, und
schlecht schläft der Unversöhnte.
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Zitationshilfe: | Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/39>, abgerufen am 16.02.2025. |