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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Den Vernichter der Moral heissen mich die Guten
und Gerechten: meine Geschichte ist unmoralisch.

So ihr aber einen Feind habt, so vergeltet ihm
nicht Böses mit Gutem: denn das würde beschämen.
Sondern beweist, dass er euch etwas Gutes ange¬
than hat.

Und lieber zürnt noch, als dass ihr beschämt!
Und wenn euch geflucht wird, so gefällt es mir nicht,
dass ihr dann segnen wollt. Lieber ein Wenig mit¬
fluchen!

Und geschah euch ein grosses Unrecht, so thut
mir geschwind fünf kleine dazu! Grässlich ist Der an¬
zusehn, den allein das Unrecht drückt.

Wusstet ihr diess schon? Getheiltes Unrecht ist
halbes Recht. Und Der soll das Unrecht auf sich neh¬
men, der es tragen kann!

Eine kleine Rache ist menschlicher, als gar keine
Rache. Und wenn die Strafe nicht auch ein Recht
und eine Ehre ist für den Übertretenden, so mag ich
auch euer Strafen nicht.

Vornehmer ist's, sich Unrecht zu geben als Recht
zu behalten, sonderlich wenn man Recht hat. Nur
muss man reich genug dazu sein.

Ich mag eure kalte Gerechtigkeit nicht; und aus
dem Auge eurer Richter blickt mir immer der Henker
und sein kaltes Eisen.

Sagt, wo findet sich die Gerechtigkeit, welche
Liebe mit sehenden Augen ist?

So erfindet mir doch die Liebe, welche nicht nur
alle Strafe, sondern auch alle Schuld trägt!

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Den Vernichter der Moral heissen mich die Guten
und Gerechten: meine Geschichte ist unmoralisch.

So ihr aber einen Feind habt, so vergeltet ihm
nicht Böses mit Gutem: denn das würde beschämen.
Sondern beweist, dass er euch etwas Gutes ange¬
than hat.

Und lieber zürnt noch, als dass ihr beschämt!
Und wenn euch geflucht wird, so gefällt es mir nicht,
dass ihr dann segnen wollt. Lieber ein Wenig mit¬
fluchen!

Und geschah euch ein grosses Unrecht, so thut
mir geschwind fünf kleine dazu! Grässlich ist Der an¬
zusehn, den allein das Unrecht drückt.

Wusstet ihr diess schon? Getheiltes Unrecht ist
halbes Recht. Und Der soll das Unrecht auf sich neh¬
men, der es tragen kann!

Eine kleine Rache ist menschlicher, als gar keine
Rache. Und wenn die Strafe nicht auch ein Recht
und eine Ehre ist für den Übertretenden, so mag ich
auch euer Strafen nicht.

Vornehmer ist's, sich Unrecht zu geben als Recht
zu behalten, sonderlich wenn man Recht hat. Nur
muss man reich genug dazu sein.

Ich mag eure kalte Gerechtigkeit nicht; und aus
dem Auge eurer Richter blickt mir immer der Henker
und sein kaltes Eisen.

Sagt, wo findet sich die Gerechtigkeit, welche
Liebe mit sehenden Augen ist?

So erfindet mir doch die Liebe, welche nicht nur
alle Strafe, sondern auch alle Schuld trägt!

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[97/0103] Den Vernichter der Moral heissen mich die Guten und Gerechten: meine Geschichte ist unmoralisch. So ihr aber einen Feind habt, so vergeltet ihm nicht Böses mit Gutem: denn das würde beschämen. Sondern beweist, dass er euch etwas Gutes ange¬ than hat. Und lieber zürnt noch, als dass ihr beschämt! Und wenn euch geflucht wird, so gefällt es mir nicht, dass ihr dann segnen wollt. Lieber ein Wenig mit¬ fluchen! Und geschah euch ein grosses Unrecht, so thut mir geschwind fünf kleine dazu! Grässlich ist Der an¬ zusehn, den allein das Unrecht drückt. Wusstet ihr diess schon? Getheiltes Unrecht ist halbes Recht. Und Der soll das Unrecht auf sich neh¬ men, der es tragen kann! Eine kleine Rache ist menschlicher, als gar keine Rache. Und wenn die Strafe nicht auch ein Recht und eine Ehre ist für den Übertretenden, so mag ich auch euer Strafen nicht. Vornehmer ist's, sich Unrecht zu geben als Recht zu behalten, sonderlich wenn man Recht hat. Nur muss man reich genug dazu sein. Ich mag eure kalte Gerechtigkeit nicht; und aus dem Auge eurer Richter blickt mir immer der Henker und sein kaltes Eisen. Sagt, wo findet sich die Gerechtigkeit, welche Liebe mit sehenden Augen ist? So erfindet mir doch die Liebe, welche nicht nur alle Strafe, sondern auch alle Schuld trägt! 7

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/103>, abgerufen am 21.11.2024.