Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Zweiter Abschnitt. Wissensch. Gesichtspunkt etc. welche dabei als Sachen gelten, die es behandelnlernt. Zudem ist die Behandlung der Sachen, so- fern darunter materielle Gegenstände verstanden wer- der, als ein besondrer Beruf zu betrachten, dem eine Uebung darinn zwar nöthig ist, der aber sein Be- dürfniß nicht zu einer Forderung der allgemeinen Bildung machen darf, und für seine Zwecke jene Ue- bung späterhin nach der Erziehungsperiode noch lange erwerben kann, und um so leichter erwerben wird, je mehr Fertigkeit er in der höheren in der That allge- mein menschlichen Kunst erlangt hat, Ideen in Worten darzustellen. Dagegen ist der Theil der menschlichen Natur, auf dessen Ausbildung der Philan- thropinismus das Hauptgewicht legt, in jeder Hinsicht der minder wichtige, wie der Theil, den er vernachläs- siget, der unbedingt wichtige ist; so daß man bei dem Anblick all seines mannichfaltigen ängstlichen irdischen Treibens wohl anwenden möchte, was da geschrieben steht: "Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mü- he; Eins aber ist noth: Maria hat das gute Theil er- wählet!" Deshalb wird auch im Folgenden, bei aller Un- Zweiter Abſchnitt. Wiſſenſch. Geſichtspunkt ꝛc. welche dabei als Sachen gelten, die es behandelnlernt. Zudem iſt die Behandlung der Sachen, ſo- fern darunter materielle Gegenſtaͤnde verſtanden wer- der, als ein beſondrer Beruf zu betrachten, dem eine Uebung darinn zwar noͤthig iſt, der aber ſein Be- duͤrfniß nicht zu einer Forderung der allgemeinen Bildung machen darf, und fuͤr ſeine Zwecke jene Ue- bung ſpaͤterhin nach der Erziehungsperiode noch lange erwerben kann, und um ſo leichter erwerben wird, je mehr Fertigkeit er in der hoͤheren in der That allge- mein menſchlichen Kunſt erlangt hat, Ideen in Worten darzuſtellen. Dagegen iſt der Theil der menſchlichen Natur, auf deſſen Ausbildung der Philan- thropiniſmus das Hauptgewicht legt, in jeder Hinſicht der minder wichtige, wie der Theil, den er vernachlaͤſ- ſiget, der unbedingt wichtige iſt; ſo daß man bei dem Anblick all ſeines mannichfaltigen aͤngſtlichen irdiſchen Treibens wohl anwenden moͤchte, was da geſchrieben ſteht: „Martha, Martha, du haſt viel Sorge und Muͤ- he; Eins aber iſt noth: Maria hat das gute Theil er- waͤhlet!“ Deshalb wird auch im Folgenden, bei aller Un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0086" n="74"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abſchnitt</hi>. Wiſſenſch. Geſichtspunkt ꝛc.</fw><lb/> welche dabei als <hi rendition="#g">Sachen</hi> gelten, die es behandeln<lb/> lernt. Zudem iſt die Behandlung der <hi rendition="#g">Sachen,</hi> ſo-<lb/> fern darunter materielle Gegenſtaͤnde verſtanden wer-<lb/> der, als ein <hi rendition="#g">beſondrer Beruf</hi> zu betrachten, dem<lb/> eine Uebung darinn zwar noͤthig iſt, der aber ſein Be-<lb/> duͤrfniß nicht zu einer Forderung der <hi rendition="#g">allgemeinen<lb/> Bildung</hi> machen darf, und fuͤr ſeine Zwecke jene Ue-<lb/> bung ſpaͤterhin nach der Erziehungsperiode noch lange<lb/> erwerben kann, und um ſo leichter erwerben wird, je<lb/> mehr Fertigkeit er in der hoͤheren in der That <hi rendition="#g">allge-<lb/> mein menſchlichen</hi> Kunſt erlangt hat, <hi rendition="#g">Ideen</hi> in<lb/><hi rendition="#g">Worten</hi> darzuſtellen. Dagegen iſt der Theil der<lb/> menſchlichen Natur, auf deſſen Ausbildung der Philan-<lb/> thropiniſmus das Hauptgewicht legt, in jeder Hinſicht<lb/> der minder wichtige, wie der Theil, den er vernachlaͤſ-<lb/> ſiget, der unbedingt wichtige iſt; ſo daß man bei dem<lb/> Anblick all ſeines mannichfaltigen aͤngſtlichen irdiſchen<lb/> Treibens wohl anwenden moͤchte, was da geſchrieben<lb/> ſteht: „Martha, Martha, du haſt viel Sorge und Muͤ-<lb/> he; Eins aber iſt noth: Maria hat das gute Theil er-<lb/> waͤhlet!“</p><lb/> <p>Deshalb wird auch im Folgenden, bei aller Un-<lb/> parteilichkeit, die Vergleichung der beiden entgegenge-<lb/> ſetzten Unterrichtsſyſteme doch durchaus ſo entſchieden<lb/> zu Gunſten des Humaniſmus ausfallen, daß man bei-<lb/> nah ſelbſt an den Uebertreibungen dieſes Syſtemes Ge-<lb/> fallen finden, und ſonach den Namen — der ohnehin<lb/> fuͤr ein einſeitiges Syſtem wohl zu gut iſt — wieder<lb/> fuͤr die richtige Theorie in Beſitz nehmen moͤchte.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [74/0086]
Zweiter Abſchnitt. Wiſſenſch. Geſichtspunkt ꝛc.
welche dabei als Sachen gelten, die es behandeln
lernt. Zudem iſt die Behandlung der Sachen, ſo-
fern darunter materielle Gegenſtaͤnde verſtanden wer-
der, als ein beſondrer Beruf zu betrachten, dem
eine Uebung darinn zwar noͤthig iſt, der aber ſein Be-
duͤrfniß nicht zu einer Forderung der allgemeinen
Bildung machen darf, und fuͤr ſeine Zwecke jene Ue-
bung ſpaͤterhin nach der Erziehungsperiode noch lange
erwerben kann, und um ſo leichter erwerben wird, je
mehr Fertigkeit er in der hoͤheren in der That allge-
mein menſchlichen Kunſt erlangt hat, Ideen in
Worten darzuſtellen. Dagegen iſt der Theil der
menſchlichen Natur, auf deſſen Ausbildung der Philan-
thropiniſmus das Hauptgewicht legt, in jeder Hinſicht
der minder wichtige, wie der Theil, den er vernachlaͤſ-
ſiget, der unbedingt wichtige iſt; ſo daß man bei dem
Anblick all ſeines mannichfaltigen aͤngſtlichen irdiſchen
Treibens wohl anwenden moͤchte, was da geſchrieben
ſteht: „Martha, Martha, du haſt viel Sorge und Muͤ-
he; Eins aber iſt noth: Maria hat das gute Theil er-
waͤhlet!“
Deshalb wird auch im Folgenden, bei aller Un-
parteilichkeit, die Vergleichung der beiden entgegenge-
ſetzten Unterrichtsſyſteme doch durchaus ſo entſchieden
zu Gunſten des Humaniſmus ausfallen, daß man bei-
nah ſelbſt an den Uebertreibungen dieſes Syſtemes Ge-
fallen finden, und ſonach den Namen — der ohnehin
fuͤr ein einſeitiges Syſtem wohl zu gut iſt — wieder
fuͤr die richtige Theorie in Beſitz nehmen moͤchte.
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