lange über des Weibes eigentliche Bestimmung eine theils so unsichere, theils so unrichtige Meinung herrscht, als unsre moderne Cultur verbreitet hat. Ich muß also auch diesen Punkt hier mit in unsre Untersu- chung ziehen.
Der Berufskreis für das ganze weibliche Geschlecht ist der häusliche Kreis. Vor allem andern gehört zum Berufe der Frau, was sie als Gattin und als Mutter leisten, was sie für den Mann und für die Kinder seyn soll. Dies aber nicht allein, sondern auch das ganze Hauswesen überhaupt gehört zu dem Berufskreise des Weibes. Von dem untersten Grade an, auf dem die Frau alle häuslichen Geschäfte mit eigner Hand verrich- ten muß, bis zu dem höchsten, auf dem sie keine Hand mehr selbst anlegt, von dem einfachsten Haushalt der ärmlichsten Hütte bis zum reichsten und glänzendsten in unsern Palästen, gebührt der Frau die innere Verwal- tung des Hauswesens, Anordnung, Leitung und Re- gierung des Ganzen, sofern es eine Familie bilden soll. Der Mann, dessen Bestimmung das öffentliche Leben oder sonst das Wirken nach außen ist, kann jene Ge- schäfte nicht übernehmen. Es ist sonst schon als Grund- satz ausgesprochen worden: das Weib soll erhalten, was der Mann erwirbt. Man kann hinzusetzen: sie soll auch anwenden und umtreiben, was er durch sein Ver- dienst gewinnt. Daß dies nicht überall anwendbar und ausführbar ist, beweist nichts gegen die Richtigkeit der Ansicht, sondern deutet nur auf einen Mangel der Bil- dung oder auf ein Verderbniß des Charakters mancher
Vierter Abſchnitt.
lange uͤber des Weibes eigentliche Beſtimmung eine theils ſo unſichere, theils ſo unrichtige Meinung herrſcht, als unſre moderne Cultur verbreitet hat. Ich muß alſo auch dieſen Punkt hier mit in unſre Unterſu- chung ziehen.
Der Berufskreis fuͤr das ganze weibliche Geſchlecht iſt der haͤusliche Kreis. Vor allem andern gehoͤrt zum Berufe der Frau, was ſie als Gattin und als Mutter leiſten, was ſie fuͤr den Mann und fuͤr die Kinder ſeyn ſoll. Dies aber nicht allein, ſondern auch das ganze Hausweſen uͤberhaupt gehoͤrt zu dem Berufskreiſe des Weibes. Von dem unterſten Grade an, auf dem die Frau alle haͤuslichen Geſchaͤfte mit eigner Hand verrich- ten muß, bis zu dem hoͤchſten, auf dem ſie keine Hand mehr ſelbſt anlegt, von dem einfachſten Haushalt der aͤrmlichſten Huͤtte bis zum reichſten und glaͤnzendſten in unſern Palaͤſten, gebuͤhrt der Frau die innere Verwal- tung des Hausweſens, Anordnung, Leitung und Re- gierung des Ganzen, ſofern es eine Familie bilden ſoll. Der Mann, deſſen Beſtimmung das oͤffentliche Leben oder ſonſt das Wirken nach außen iſt, kann jene Ge- ſchaͤfte nicht uͤbernehmen. Es iſt ſonſt ſchon als Grund- ſatz ausgeſprochen worden: das Weib ſoll erhalten, was der Mann erwirbt. Man kann hinzuſetzen: ſie ſoll auch anwenden und umtreiben, was er durch ſein Ver- dienſt gewinnt. Daß dies nicht uͤberall anwendbar und ausfuͤhrbar iſt, beweiſt nichts gegen die Richtigkeit der Anſicht, ſondern deutet nur auf einen Mangel der Bil- dung oder auf ein Verderbniß des Charakters mancher
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Vierter Abſchnitt.
lange uͤber des Weibes eigentliche Beſtimmung
eine theils ſo unſichere, theils ſo unrichtige Meinung
herrſcht, als unſre moderne Cultur verbreitet hat. Ich
muß alſo auch dieſen Punkt hier mit in unſre Unterſu-
chung ziehen.
Der Berufskreis fuͤr das ganze weibliche Geſchlecht
iſt der haͤusliche Kreis. Vor allem andern gehoͤrt zum
Berufe der Frau, was ſie als Gattin und als Mutter
leiſten, was ſie fuͤr den Mann und fuͤr die Kinder ſeyn
ſoll. Dies aber nicht allein, ſondern auch das ganze
Hausweſen uͤberhaupt gehoͤrt zu dem Berufskreiſe des
Weibes. Von dem unterſten Grade an, auf dem die
Frau alle haͤuslichen Geſchaͤfte mit eigner Hand verrich-
ten muß, bis zu dem hoͤchſten, auf dem ſie keine Hand
mehr ſelbſt anlegt, von dem einfachſten Haushalt der
aͤrmlichſten Huͤtte bis zum reichſten und glaͤnzendſten in
unſern Palaͤſten, gebuͤhrt der Frau die innere Verwal-
tung des Hausweſens, Anordnung, Leitung und Re-
gierung des Ganzen, ſofern es eine Familie bilden ſoll.
Der Mann, deſſen Beſtimmung das oͤffentliche Leben
oder ſonſt das Wirken nach außen iſt, kann jene Ge-
ſchaͤfte nicht uͤbernehmen. Es iſt ſonſt ſchon als Grund-
ſatz ausgeſprochen worden: das Weib ſoll erhalten, was
der Mann erwirbt. Man kann hinzuſetzen: ſie ſoll
auch anwenden und umtreiben, was er durch ſein Ver-
dienſt gewinnt. Daß dies nicht uͤberall anwendbar und
ausfuͤhrbar iſt, beweiſt nichts gegen die Richtigkeit der
Anſicht, ſondern deutet nur auf einen Mangel der Bil-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/352>, abgerufen am 16.07.2024.
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