Schärfe und Pünktlichkeit des Urtheils bilden, die durch keine noch so scharfe Zergliederung irgend eines Sachge- genstandes erreicht zu werden vermag. Oder lassen wir den Lehrling den Unterschied sinnverwandter Wörter bestimmen; so ist dies abermals eine Uebung des Ur- theils, die an keinem Realgegenstande in gleichem Maße zu erreichen steht.
Was die Uebung des Anschauens und Ur- theilens an materiellen Gegenständen betrifft, so kann diese, nachdem das Auge des Geistes an Gei- stigem geübt und erstarkt ist, allerdings auch vorgenom- men werden. In formeller Rücksicht kann sogar die hö- here Bildung des Geistes, wenn einmal durch die frühere geistige Beschäftigung ein guter Grund gelegt ist, eben- sowohl an Sachen als an Ideen fortgesetzt werden, indem von da an, wo die höhere Erkenntniß anhebt, auch die Sachen als Ideen zu betrachten sind. Der Unterricht kann sogar von dieser Periode an in zwei verschiedne Zweige getheilt werden, deren einer an Naturideen, und der andre an Geistesideen die höhere Ausbildung des Geistes fortsetzt. In mate- rieller Rücksicht aber soll ohnehin der Erziehungsunter- richt die Lehrlinge, nachdem sie dazu fähig geworden, auch zur Betrachtung der Außenwelt führen, weil es des Menschen überhaupt unwürdig ist, diese Welt, in der er lebt, gedankenlos zu durchwandern, die Wun- der Gottes, die sie darbietet, nicht zu kennen, und die Erde nur wie einen Erdkloß zu betrachten. Der Er- ziehungsunterricht muß also allerdings auch dazu anlei-
Dritter Abſchnitt.
Schaͤrfe und Puͤnktlichkeit des Urtheils bilden, die durch keine noch ſo ſcharfe Zergliederung irgend eines Sachge- genſtandes erreicht zu werden vermag. Oder laſſen wir den Lehrling den Unterſchied ſinnverwandter Woͤrter beſtimmen; ſo iſt dies abermals eine Uebung des Ur- theils, die an keinem Realgegenſtande in gleichem Maße zu erreichen ſteht.
Was die Uebung des Anſchauens und Ur- theilens an materiellen Gegenſtaͤnden betrifft, ſo kann dieſe, nachdem das Auge des Geiſtes an Gei- ſtigem geuͤbt und erſtarkt iſt, allerdings auch vorgenom- men werden. In formeller Ruͤckſicht kann ſogar die hoͤ- here Bildung des Geiſtes, wenn einmal durch die fruͤhere geiſtige Beſchaͤftigung ein guter Grund gelegt iſt, eben- ſowohl an Sachen als an Ideen fortgeſetzt werden, indem von da an, wo die hoͤhere Erkenntniß anhebt, auch die Sachen als Ideen zu betrachten ſind. Der Unterricht kann ſogar von dieſer Periode an in zwei verſchiedne Zweige getheilt werden, deren einer an Naturideen, und der andre an Geiſtesideen die hoͤhere Ausbildung des Geiſtes fortſetzt. In mate- rieller Ruͤckſicht aber ſoll ohnehin der Erziehungsunter- richt die Lehrlinge, nachdem ſie dazu faͤhig geworden, auch zur Betrachtung der Außenwelt fuͤhren, weil es des Menſchen uͤberhaupt unwuͤrdig iſt, dieſe Welt, in der er lebt, gedankenlos zu durchwandern, die Wun- der Gottes, die ſie darbietet, nicht zu kennen, und die Erde nur wie einen Erdkloß zu betrachten. Der Er- ziehungsunterricht muß alſo allerdings auch dazu anlei-
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Dritter Abſchnitt.
Schaͤrfe und Puͤnktlichkeit des Urtheils bilden, die durch
keine noch ſo ſcharfe Zergliederung irgend eines Sachge-
genſtandes erreicht zu werden vermag. Oder laſſen wir
den Lehrling den Unterſchied ſinnverwandter Woͤrter
beſtimmen; ſo iſt dies abermals eine Uebung des Ur-
theils, die an keinem Realgegenſtande in gleichem
Maße zu erreichen ſteht.
Was die Uebung des Anſchauens und Ur-
theilens an materiellen Gegenſtaͤnden betrifft,
ſo kann dieſe, nachdem das Auge des Geiſtes an Gei-
ſtigem geuͤbt und erſtarkt iſt, allerdings auch vorgenom-
men werden. In formeller Ruͤckſicht kann ſogar die hoͤ-
here Bildung des Geiſtes, wenn einmal durch die fruͤhere
geiſtige Beſchaͤftigung ein guter Grund gelegt iſt, eben-
ſowohl an Sachen als an Ideen fortgeſetzt werden,
indem von da an, wo die hoͤhere Erkenntniß anhebt,
auch die Sachen als Ideen zu betrachten ſind.
Der Unterricht kann ſogar von dieſer Periode an in
zwei verſchiedne Zweige getheilt werden, deren einer
an Naturideen, und der andre an Geiſtesideen
die hoͤhere Ausbildung des Geiſtes fortſetzt. In mate-
rieller Ruͤckſicht aber ſoll ohnehin der Erziehungsunter-
richt die Lehrlinge, nachdem ſie dazu faͤhig geworden,
auch zur Betrachtung der Außenwelt fuͤhren, weil es
des Menſchen uͤberhaupt unwuͤrdig iſt, dieſe Welt, in
der er lebt, gedankenlos zu durchwandern, die Wun-
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Erde nur wie einen Erdkloß zu betrachten. Der Er-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/320>, abgerufen am 16.07.2024.
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