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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

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Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.

Sodann, was die Meinung betrifft, daß die
Versäumniß jener von der Natur geforderten früheren
Unterrichtsübungen nicht als ein bedeutender Verlust
zu betrachten sey, so läßt sich auch diese leicht als
grundlos zeigen.

In Absicht auf das Fixiren der Gegen-
stände
kann man zwar allenfalls behaupten: "daß
dies eben so wohl durch die Verstandesübungen
zur Fertigkeit erhoben werden könne, und sogar noch
bestimmter geübt werde, indem man das Kind mehr
gewöhne, Gegenstände der äußeren Anschauung für
die Beobachtung zu fixiren." Allein die Ansicht ist nur
halb wahr. Bei materiellen Naturgegenständen zwar,
die ihrer ruhenden Natur zufolge für die Betrachtung
still stehen, mit Beobachtung zu verweilen, lehren
jene Uebungen; geistige Gegenstände aber, die ver-
möge ihrer beweglichen Natur für die Betrachtung erst
fixirt werden müssen, zur Verstandesübung festzu-
halten, setzt vielmehr schon Gedächtnißübung
voraus. Es ergiebt sich daraus also sogar ein neuer
Nachtheil der versäumten früheren Uebung des Ge-
dächtnisses, daß nämlich selbst der wichtigere Theil
der Verstandesübung darunter leidet.

Eben so kann man in Absicht auf das Memori-
ren
zwar allenfalls behaupten: "daß es durch die Ver-
standesübungen entbehrlich werde, indem es sogar weit
zweckmäßiger sey, die Masse von Kenntnissen in allge-
meinen Uebersichten zu fassen, als sich mit mechanischem

Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.

Sodann, was die Meinung betrifft, daß die
Verſaͤumniß jener von der Natur geforderten fruͤheren
Unterrichtsuͤbungen nicht als ein bedeutender Verluſt
zu betrachten ſey, ſo laͤßt ſich auch dieſe leicht als
grundlos zeigen.

In Abſicht auf das Fixiren der Gegen-
ſtaͤnde
kann man zwar allenfalls behaupten: „daß
dies eben ſo wohl durch die Verſtandesuͤbungen
zur Fertigkeit erhoben werden koͤnne, und ſogar noch
beſtimmter geuͤbt werde, indem man das Kind mehr
gewoͤhne, Gegenſtaͤnde der aͤußeren Anſchauung fuͤr
die Beobachtung zu fixiren.“ Allein die Anſicht iſt nur
halb wahr. Bei materiellen Naturgegenſtaͤnden zwar,
die ihrer ruhenden Natur zufolge fuͤr die Betrachtung
ſtill ſtehen, mit Beobachtung zu verweilen, lehren
jene Uebungen; geiſtige Gegenſtaͤnde aber, die ver-
moͤge ihrer beweglichen Natur fuͤr die Betrachtung erſt
fixirt werden muͤſſen, zur Verſtandesuͤbung feſtzu-
halten, ſetzt vielmehr ſchon Gedaͤchtnißuͤbung
voraus. Es ergiebt ſich daraus alſo ſogar ein neuer
Nachtheil der verſaͤumten fruͤheren Uebung des Ge-
daͤchtniſſes, daß naͤmlich ſelbſt der wichtigere Theil
der Verſtandesuͤbung darunter leidet.

Eben ſo kann man in Abſicht auf das Memori-
ren
zwar allenfalls behaupten: „daß es durch die Ver-
ſtandesuͤbungen entbehrlich werde, indem es ſogar weit
zweckmaͤßiger ſey, die Maſſe von Kenntniſſen in allge-
meinen Ueberſichten zu faſſen, als ſich mit mechaniſchem

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[293/0305] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. Sodann, was die Meinung betrifft, daß die Verſaͤumniß jener von der Natur geforderten fruͤheren Unterrichtsuͤbungen nicht als ein bedeutender Verluſt zu betrachten ſey, ſo laͤßt ſich auch dieſe leicht als grundlos zeigen. In Abſicht auf das Fixiren der Gegen- ſtaͤnde kann man zwar allenfalls behaupten: „daß dies eben ſo wohl durch die Verſtandesuͤbungen zur Fertigkeit erhoben werden koͤnne, und ſogar noch beſtimmter geuͤbt werde, indem man das Kind mehr gewoͤhne, Gegenſtaͤnde der aͤußeren Anſchauung fuͤr die Beobachtung zu fixiren.“ Allein die Anſicht iſt nur halb wahr. Bei materiellen Naturgegenſtaͤnden zwar, die ihrer ruhenden Natur zufolge fuͤr die Betrachtung ſtill ſtehen, mit Beobachtung zu verweilen, lehren jene Uebungen; geiſtige Gegenſtaͤnde aber, die ver- moͤge ihrer beweglichen Natur fuͤr die Betrachtung erſt fixirt werden muͤſſen, zur Verſtandesuͤbung feſtzu- halten, ſetzt vielmehr ſchon Gedaͤchtnißuͤbung voraus. Es ergiebt ſich daraus alſo ſogar ein neuer Nachtheil der verſaͤumten fruͤheren Uebung des Ge- daͤchtniſſes, daß naͤmlich ſelbſt der wichtigere Theil der Verſtandesuͤbung darunter leidet. Eben ſo kann man in Abſicht auf das Memori- ren zwar allenfalls behaupten: „daß es durch die Ver- ſtandesuͤbungen entbehrlich werde, indem es ſogar weit zweckmaͤßiger ſey, die Maſſe von Kenntniſſen in allge- meinen Ueberſichten zu faſſen, als ſich mit mechaniſchem

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Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/305>, abgerufen am 22.11.2024.