Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
und unläugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade
das die meiste Freude macht, was es mit Mühe errun-
gen hat. Die Mühe, wenn sie nur gelingt, hat ihren
Lohn in sich selbst: das Kind fühlt sich in dem, was
es geleistet hat, und schöpft aus dem Gelungnen selbst
den Muth zu neuem Unternehmen.

Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen,
die damit in Verbindung steht. Die dem Kinde alles
zur Lust machen wollen, wählen auch das höchst ver-
werfliche Mittel, das Kind für alles zu bezahlen. "Daß
du verdammt seyest mit deinem Gelde," möchte man ei-
fernd mit dem Apostel ausrufen! Soll denn alles in der
Welt nur um des Geldes willen geschehen? und was
für ein anderes Interesse will man denn von Menschen
in der Folge fordern, denen man schon als Kindern dies
als das einzige Motiv einprägt, in denen man dadurch
selbst alles bessere und wahre Interesse tödtet? Will
man denn recht mit Gewalt den schönen Sinn vernich-
ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und
sich belohnt findet, wenn sie gelungen ist? Und, wenn
man diesen Lohn nicht belebend genug für das Kind
hält (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil
sicher entdecken wird), wenn man eine äußere Beloh-
nung nöthig glaubt: soll denn des Lehrers und der
Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, -- er,
dessen Gewicht alles Gold der Welt für ein nicht ver-
bildetes Kind aufwiegen muß?

Noch weit verkehrter aber wird jene Ansicht, wenn
man die Natur des Menschen selbst genauer auffaßt.

16*

Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
und unlaͤugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade
das die meiſte Freude macht, was es mit Muͤhe errun-
gen hat. Die Muͤhe, wenn ſie nur gelingt, hat ihren
Lohn in ſich ſelbſt: das Kind fuͤhlt ſich in dem, was
es geleiſtet hat, und ſchoͤpft aus dem Gelungnen ſelbſt
den Muth zu neuem Unternehmen.

Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen,
die damit in Verbindung ſteht. Die dem Kinde alles
zur Luſt machen wollen, waͤhlen auch das hoͤchſt ver-
werfliche Mittel, das Kind fuͤr alles zu bezahlen. „Daß
du verdammt ſeyeſt mit deinem Gelde,“ moͤchte man ei-
fernd mit dem Apoſtel ausrufen! Soll denn alles in der
Welt nur um des Geldes willen geſchehen? und was
fuͤr ein anderes Intereſſe will man denn von Menſchen
in der Folge fordern, denen man ſchon als Kindern dies
als das einzige Motiv einpraͤgt, in denen man dadurch
ſelbſt alles beſſere und wahre Intereſſe toͤdtet? Will
man denn recht mit Gewalt den ſchoͤnen Sinn vernich-
ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und
ſich belohnt findet, wenn ſie gelungen iſt? Und, wenn
man dieſen Lohn nicht belebend genug fuͤr das Kind
haͤlt (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil
ſicher entdecken wird), wenn man eine aͤußere Beloh-
nung noͤthig glaubt: ſoll denn des Lehrers und der
Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, — er,
deſſen Gewicht alles Gold der Welt fuͤr ein nicht ver-
bildetes Kind aufwiegen muß?

Noch weit verkehrter aber wird jene Anſicht, wenn
man die Natur des Menſchen ſelbſt genauer auffaßt.

16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0255" n="243"/><fw place="top" type="header">Von d. Grund&#x017F;. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/>
und unla&#x0364;ugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade<lb/>
das die mei&#x017F;te Freude macht, was es mit Mu&#x0364;he errun-<lb/>
gen hat. Die Mu&#x0364;he, wenn &#x017F;ie nur gelingt, hat ihren<lb/>
Lohn in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t: das Kind fu&#x0364;hlt &#x017F;ich in dem, was<lb/>
es gelei&#x017F;tet hat, und &#x017F;cho&#x0364;pft aus dem Gelungnen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
den Muth zu neuem Unternehmen.</p><lb/>
                  <p>Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen,<lb/>
die damit in Verbindung &#x017F;teht. Die dem Kinde alles<lb/>
zur Lu&#x017F;t machen wollen, wa&#x0364;hlen auch das ho&#x0364;ch&#x017F;t ver-<lb/>
werfliche Mittel, das Kind fu&#x0364;r alles zu bezahlen. &#x201E;Daß<lb/>
du verdammt &#x017F;eye&#x017F;t mit deinem Gelde,&#x201C; mo&#x0364;chte man ei-<lb/>
fernd mit dem Apo&#x017F;tel ausrufen! Soll denn alles in der<lb/>
Welt nur um des Geldes willen ge&#x017F;chehen? und was<lb/>
fu&#x0364;r ein anderes Intere&#x017F;&#x017F;e will man denn von Men&#x017F;chen<lb/>
in der Folge fordern, denen man &#x017F;chon als Kindern dies<lb/>
als das einzige Motiv einpra&#x0364;gt, in denen man dadurch<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t alles be&#x017F;&#x017F;ere und wahre Intere&#x017F;&#x017F;e to&#x0364;dtet? Will<lb/>
man denn recht mit Gewalt den &#x017F;cho&#x0364;nen Sinn vernich-<lb/>
ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und<lb/>
&#x017F;ich belohnt findet, wenn &#x017F;ie gelungen i&#x017F;t? Und, wenn<lb/>
man die&#x017F;en Lohn nicht belebend genug fu&#x0364;r das Kind<lb/>
ha&#x0364;lt (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil<lb/>
&#x017F;icher entdecken wird), wenn man eine a&#x0364;ußere Beloh-<lb/>
nung no&#x0364;thig glaubt: &#x017F;oll denn des Lehrers und der<lb/>
Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, &#x2014; er,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Gewicht alles Gold der Welt fu&#x0364;r ein nicht ver-<lb/>
bildetes Kind aufwiegen muß?</p><lb/>
                  <p>Noch weit verkehrter aber wird jene An&#x017F;icht, wenn<lb/>
man die Natur des Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t genauer auffaßt.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16*</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0255] Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. und unlaͤugbare Erfahrung, daß dem Kinde gerade das die meiſte Freude macht, was es mit Muͤhe errun- gen hat. Die Muͤhe, wenn ſie nur gelingt, hat ihren Lohn in ſich ſelbſt: das Kind fuͤhlt ſich in dem, was es geleiſtet hat, und ſchoͤpft aus dem Gelungnen ſelbſt den Muth zu neuem Unternehmen. Ich muß hier noch eine andre Bemerkung machen, die damit in Verbindung ſteht. Die dem Kinde alles zur Luſt machen wollen, waͤhlen auch das hoͤchſt ver- werfliche Mittel, das Kind fuͤr alles zu bezahlen. „Daß du verdammt ſeyeſt mit deinem Gelde,“ moͤchte man ei- fernd mit dem Apoſtel ausrufen! Soll denn alles in der Welt nur um des Geldes willen geſchehen? und was fuͤr ein anderes Intereſſe will man denn von Menſchen in der Folge fordern, denen man ſchon als Kindern dies als das einzige Motiv einpraͤgt, in denen man dadurch ſelbſt alles beſſere und wahre Intereſſe toͤdtet? Will man denn recht mit Gewalt den ſchoͤnen Sinn vernich- ten, der die Arbeit um der Arbeit willen thut, und ſich belohnt findet, wenn ſie gelungen iſt? Und, wenn man dieſen Lohn nicht belebend genug fuͤr das Kind haͤlt (obgleich eine richtige Beobachtung das Gegentheil ſicher entdecken wird), wenn man eine aͤußere Beloh- nung noͤthig glaubt: ſoll denn des Lehrers und der Aeltern Beifall ganz und gar nichts gelten, — er, deſſen Gewicht alles Gold der Welt fuͤr ein nicht ver- bildetes Kind aufwiegen muß? Noch weit verkehrter aber wird jene Anſicht, wenn man die Natur des Menſchen ſelbſt genauer auffaßt. 16*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/255
Zitationshilfe: Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/255>, abgerufen am 22.11.2024.