dem lehrreichen Zusammenhang seiner allmäligen Bil- dung zu erkennen und den darüber erhobnen Streit der beiden entgegengesetzten Theorieen nicht theoretisch, sondern praktisch entscheiden zu lernen, auf jene Pe- riode der Philanthropine mit unsrer Betrachtung zurück- gehen.
Wie aber für den Historiker überhaupt sich in dem Flusse der Begebenheiten nichts isolirt, und selbst solche hervorstechende Punkte ihm nicht als außer dem Zusammenhange des Ganzen entstandne fremde Phäno- mene, vielmehr selbst als Producte der gleichzeitigen Ereignisse und in mannichfaltiger Wechselbeziehung mit denselben stehend erscheinen: so dürfen wir auch die Philanthropine nicht als eine im bloßen Reiche der Be- griffe von ungefähr entstandne Theorie, als einen Einfall, der sich geltend zu machen gewußt habe, be- trachten; wir müssen vielmehr auch sie in ihrem Zu- sammenhang mit der damaligen Bildungs-Periode über- haupt, und aus dem Umtriebe des damaligen Zeitgei- stes im Ganzen erkennen.
Eine Veranlassung, welche zunächst die Unter- richts-Methode des Philanthropinismus, die uns hier vorzugsweise beschäftiget, in Anregung gebracht hat, zeigt sich allerdings theils in der Man- gelhaftigkeit der öffentlichen Unterrichtsanstalten, die von Tag zu Tag fühlbarer wurde, theils in der wirk- lichen Fehlerhaftigkeit, zu welcher die ursprüngliche Ein-
Erſter Abſchnitt.
dem lehrreichen Zuſammenhang ſeiner allmaͤligen Bil- dung zu erkennen und den daruͤber erhobnen Streit der beiden entgegengeſetzten Theorieen nicht theoretiſch, ſondern praktiſch entſcheiden zu lernen, auf jene Pe- riode der Philanthropine mit unſrer Betrachtung zuruͤck- gehen.
Wie aber fuͤr den Hiſtoriker uͤberhaupt ſich in dem Fluſſe der Begebenheiten nichts iſolirt, und ſelbſt ſolche hervorſtechende Punkte ihm nicht als außer dem Zuſammenhange des Ganzen entſtandne fremde Phaͤno- mene, vielmehr ſelbſt als Producte der gleichzeitigen Ereigniſſe und in mannichfaltiger Wechſelbeziehung mit denſelben ſtehend erſcheinen: ſo duͤrfen wir auch die Philanthropine nicht als eine im bloßen Reiche der Be- griffe von ungefaͤhr entſtandne Theorie, als einen Einfall, der ſich geltend zu machen gewußt habe, be- trachten; wir muͤſſen vielmehr auch ſie in ihrem Zu- ſammenhang mit der damaligen Bildungs-Periode uͤber- haupt, und aus dem Umtriebe des damaligen Zeitgei- ſtes im Ganzen erkennen.
Eine Veranlaſſung, welche zunaͤchſt die Unter- richts-Methode des Philanthropinismus, die uns hier vorzugsweiſe beſchaͤftiget, in Anregung gebracht hat, zeigt ſich allerdings theils in der Man- gelhaftigkeit der oͤffentlichen Unterrichtsanſtalten, die von Tag zu Tag fuͤhlbarer wurde, theils in der wirk- lichen Fehlerhaftigkeit, zu welcher die urſpruͤngliche Ein-
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Erſter Abſchnitt.
dem lehrreichen Zuſammenhang ſeiner allmaͤligen Bil-
dung zu erkennen und den daruͤber erhobnen Streit
der beiden entgegengeſetzten Theorieen nicht theoretiſch,
ſondern praktiſch entſcheiden zu lernen, auf jene Pe-
riode der Philanthropine mit unſrer Betrachtung zuruͤck-
gehen.
Wie aber fuͤr den Hiſtoriker uͤberhaupt ſich in
dem Fluſſe der Begebenheiten nichts iſolirt, und ſelbſt
ſolche hervorſtechende Punkte ihm nicht als außer dem
Zuſammenhange des Ganzen entſtandne fremde Phaͤno-
mene, vielmehr ſelbſt als Producte der gleichzeitigen
Ereigniſſe und in mannichfaltiger Wechſelbeziehung mit
denſelben ſtehend erſcheinen: ſo duͤrfen wir auch die
Philanthropine nicht als eine im bloßen Reiche der Be-
griffe von ungefaͤhr entſtandne Theorie, als einen
Einfall, der ſich geltend zu machen gewußt habe, be-
trachten; wir muͤſſen vielmehr auch ſie in ihrem Zu-
ſammenhang mit der damaligen Bildungs-Periode uͤber-
haupt, und aus dem Umtriebe des damaligen Zeitgei-
ſtes im Ganzen erkennen.
Eine Veranlaſſung, welche zunaͤchſt die Unter-
richts-Methode des Philanthropinismus,
die uns hier vorzugsweiſe beſchaͤftiget, in Anregung
gebracht hat, zeigt ſich allerdings theils in der Man-
gelhaftigkeit der oͤffentlichen Unterrichtsanſtalten, die
von Tag zu Tag fuͤhlbarer wurde, theils in der wirk-
lichen Fehlerhaftigkeit, zu welcher die urſpruͤngliche Ein-
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/24>, abgerufen am 23.07.2024.
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