in einem Meer von Sachen zu verschwemmen, ihren Geist mehr zu zerstreuen als zu sammeln, ihnen gleich von Jugend an die falsche Richtung auf das unbe- stimmte Allgemeine zu geben, anstatt sie zu ruhigem energischem individuellem Seyn und Wirken vorzu- bereiten.
Aber die Frage von der Zahl der Gegenstände, welche der Erziehungsunterricht bedürfe, läßt sich von jener allgemeinen Ansicht aus allein nicht entscheiden; denn, theile man nach dem Obigen dem Erziehungs- unterricht Viel oder Wenig zu lehren zu, so bleibt doch immer die nähere Frage: Wie viel oder wie wenig? Und überhaupt dürfen, wir nicht aus den Augen lassen, daß wir auf die Ansichten von dem Zweck des Erziehungsunterrichts zurückgehen müssen, um sowohl die Frage als die Antwort selbst bestimmt zu fassen.
Hat der Erziehungsunterricht die Vorbereitung des Lehrlings zu seiner künftigen Berufsbestimmung zum Zweck, so ist unstreitig schon deshalb eine große Zahl von Lehrgegenständen aufzunehmen, weil der künftige Beruf des Lehrlings so frühe noch nicht so bestimmt seyn kann, daß man darnach sein Unterrichtsbedürfniß so genau berechnen könnte. Da man nicht wissen kann, zu was für einem Berufe der Lehrling in der Folge noch Anlage und Lust zeigen werde, und da es nicht einmal recht wäre, seine Lebensbestimmung durch den Unterricht selbst gleichsam despotisch festsetzen zu wollen,
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
in einem Meer von Sachen zu verſchwemmen, ihren Geiſt mehr zu zerſtreuen als zu ſammeln, ihnen gleich von Jugend an die falſche Richtung auf das unbe- ſtimmte Allgemeine zu geben, anſtatt ſie zu ruhigem energiſchem individuellem Seyn und Wirken vorzu- bereiten.
Aber die Frage von der Zahl der Gegenſtaͤnde, welche der Erziehungsunterricht beduͤrfe, laͤßt ſich von jener allgemeinen Anſicht aus allein nicht entſcheiden; denn, theile man nach dem Obigen dem Erziehungs- unterricht Viel oder Wenig zu lehren zu, ſo bleibt doch immer die naͤhere Frage: Wie viel oder wie wenig? Und uͤberhaupt duͤrfen, wir nicht aus den Augen laſſen, daß wir auf die Anſichten von dem Zweck des Erziehungsunterrichts zuruͤckgehen muͤſſen, um ſowohl die Frage als die Antwort ſelbſt beſtimmt zu faſſen.
Hat der Erziehungsunterricht die Vorbereitung des Lehrlings zu ſeiner kuͤnftigen Berufsbeſtimmung zum Zweck, ſo iſt unſtreitig ſchon deshalb eine große Zahl von Lehrgegenſtaͤnden aufzunehmen, weil der kuͤnftige Beruf des Lehrlings ſo fruͤhe noch nicht ſo beſtimmt ſeyn kann, daß man darnach ſein Unterrichtsbeduͤrfniß ſo genau berechnen koͤnnte. Da man nicht wiſſen kann, zu was fuͤr einem Berufe der Lehrling in der Folge noch Anlage und Luſt zeigen werde, und da es nicht einmal recht waͤre, ſeine Lebensbeſtimmung durch den Unterricht ſelbſt gleichſam deſpotiſch feſtſetzen zu wollen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0169"n="157"/><fwplace="top"type="header">Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/>
in einem Meer von Sachen zu verſchwemmen, ihren<lb/>
Geiſt mehr zu zerſtreuen als zu ſammeln, ihnen gleich<lb/>
von Jugend an die falſche Richtung auf das unbe-<lb/>ſtimmte Allgemeine zu geben, anſtatt ſie zu ruhigem<lb/>
energiſchem individuellem Seyn und Wirken vorzu-<lb/>
bereiten.</p><lb/><p>Aber die Frage von der Zahl der Gegenſtaͤnde,<lb/>
welche der Erziehungsunterricht beduͤrfe, laͤßt ſich von<lb/>
jener allgemeinen Anſicht aus allein nicht entſcheiden;<lb/>
denn, theile man nach dem Obigen dem Erziehungs-<lb/>
unterricht <hirendition="#g">Viel</hi> oder <hirendition="#g">Wenig</hi> zu lehren zu, ſo bleibt<lb/>
doch immer die naͤhere Frage: <hirendition="#g">Wie viel</hi> oder <hirendition="#g">wie<lb/>
wenig</hi>? Und uͤberhaupt duͤrfen, wir nicht aus den<lb/>
Augen laſſen, daß wir auf die Anſichten von dem<lb/><hirendition="#g">Zweck</hi> des Erziehungsunterrichts zuruͤckgehen muͤſſen,<lb/>
um ſowohl die Frage als die Antwort ſelbſt beſtimmt<lb/>
zu faſſen.</p><lb/><p>Hat der Erziehungsunterricht die Vorbereitung des<lb/>
Lehrlings zu ſeiner kuͤnftigen Berufsbeſtimmung zum<lb/>
Zweck, ſo iſt unſtreitig ſchon deshalb eine große Zahl<lb/>
von Lehrgegenſtaͤnden aufzunehmen, weil der kuͤnftige<lb/>
Beruf des Lehrlings ſo fruͤhe noch nicht ſo beſtimmt<lb/>ſeyn kann, daß man darnach ſein Unterrichtsbeduͤrfniß<lb/>ſo genau berechnen koͤnnte. Da man nicht wiſſen kann,<lb/>
zu was fuͤr einem Berufe der Lehrling in der Folge<lb/>
noch Anlage und Luſt zeigen werde, und da es nicht<lb/>
einmal recht waͤre, ſeine Lebensbeſtimmung durch den<lb/>
Unterricht ſelbſt gleichſam deſpotiſch feſtſetzen zu wollen,<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[157/0169]
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
in einem Meer von Sachen zu verſchwemmen, ihren
Geiſt mehr zu zerſtreuen als zu ſammeln, ihnen gleich
von Jugend an die falſche Richtung auf das unbe-
ſtimmte Allgemeine zu geben, anſtatt ſie zu ruhigem
energiſchem individuellem Seyn und Wirken vorzu-
bereiten.
Aber die Frage von der Zahl der Gegenſtaͤnde,
welche der Erziehungsunterricht beduͤrfe, laͤßt ſich von
jener allgemeinen Anſicht aus allein nicht entſcheiden;
denn, theile man nach dem Obigen dem Erziehungs-
unterricht Viel oder Wenig zu lehren zu, ſo bleibt
doch immer die naͤhere Frage: Wie viel oder wie
wenig? Und uͤberhaupt duͤrfen, wir nicht aus den
Augen laſſen, daß wir auf die Anſichten von dem
Zweck des Erziehungsunterrichts zuruͤckgehen muͤſſen,
um ſowohl die Frage als die Antwort ſelbſt beſtimmt
zu faſſen.
Hat der Erziehungsunterricht die Vorbereitung des
Lehrlings zu ſeiner kuͤnftigen Berufsbeſtimmung zum
Zweck, ſo iſt unſtreitig ſchon deshalb eine große Zahl
von Lehrgegenſtaͤnden aufzunehmen, weil der kuͤnftige
Beruf des Lehrlings ſo fruͤhe noch nicht ſo beſtimmt
ſeyn kann, daß man darnach ſein Unterrichtsbeduͤrfniß
ſo genau berechnen koͤnnte. Da man nicht wiſſen kann,
zu was fuͤr einem Berufe der Lehrling in der Folge
noch Anlage und Luſt zeigen werde, und da es nicht
einmal recht waͤre, ſeine Lebensbeſtimmung durch den
Unterricht ſelbſt gleichſam deſpotiſch feſtſetzen zu wollen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/169>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.