durch den Gedanken zu mildern, wie herrlich er vollendet ist.
Und so wahr es endlich bleibt, daß es im Grunde weit schrecklicher ist, schuldig, als unschul- dig zu leiden; so trägt es doch auch gewiß nicht wenig zur Vergrößerung der Leiden bey, wenn der, der durch alles, was er gethan hat, und warum man ihn verdammt hat, nichts als Freude und Glückseligkeit gerade denen hat verschaffen wollen, die ihn verfolgen. Wir haben alle etwas mehr oder etwas weniger von den Unarten des mensch- lichen Herzens an uns; sind uns selbst mancher Härte, mancher Ungerechtigkeit, mancher Kälte gegen das wahre Verdienst bewußt, und so würkt dies alles bey andern, selbst wenn es uns betrifft, nicht mit der Heftigkeit, weil wir es gewohnt sind, und begreiflicher finden. Auch ist es selten schwer, sich bey den besten Absichten und Unternehmungen ganz von aller Unlauterkeit frey zu fühlen. Bey Jesu fallen auch diese Minderungen seiner Leiden weg. Wir können es uns vielleicht kaum denken, wie der Undank, die Ungerechtigkeit, die Härte von Menschen, die er nie beleidigt hatte, seine ganz heilige Seele niederbeugen mußte. Denn in allem dem fand er auch nicht die mindeste Aehnlichkeit
mit
durch den Gedanken zu mildern, wie herrlich er vollendet iſt.
Und ſo wahr es endlich bleibt, daß es im Grunde weit ſchrecklicher iſt, ſchuldig, als unſchul- dig zu leiden; ſo trägt es doch auch gewiß nicht wenig zur Vergrößerung der Leiden bey, wenn der, der durch alles, was er gethan hat, und warum man ihn verdammt hat, nichts als Freude und Glückſeligkeit gerade denen hat verſchaffen wollen, die ihn verfolgen. Wir haben alle etwas mehr oder etwas weniger von den Unarten des menſch- lichen Herzens an uns; ſind uns ſelbſt mancher Härte, mancher Ungerechtigkeit, mancher Kälte gegen das wahre Verdienſt bewußt, und ſo würkt dies alles bey andern, ſelbſt wenn es uns betrifft, nicht mit der Heftigkeit, weil wir es gewohnt ſind, und begreiflicher finden. Auch iſt es ſelten ſchwer, ſich bey den beſten Abſichten und Unternehmungen ganz von aller Unlauterkeit frey zu fühlen. Bey Jeſu fallen auch dieſe Minderungen ſeiner Leiden weg. Wir können es uns vielleicht kaum denken, wie der Undank, die Ungerechtigkeit, die Härte von Menſchen, die er nie beleidigt hatte, ſeine ganz heilige Seele niederbeugen mußte. Denn in allem dem fand er auch nicht die mindeſte Aehnlichkeit
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[123[135]/0139]
durch den Gedanken zu mildern, wie herrlich er
vollendet iſt.
Und ſo wahr es endlich bleibt, daß es im
Grunde weit ſchrecklicher iſt, ſchuldig, als unſchul-
dig zu leiden; ſo trägt es doch auch gewiß nicht
wenig zur Vergrößerung der Leiden bey, wenn der,
der durch alles, was er gethan hat, und warum
man ihn verdammt hat, nichts als Freude und
Glückſeligkeit gerade denen hat verſchaffen wollen,
die ihn verfolgen. Wir haben alle etwas mehr
oder etwas weniger von den Unarten des menſch-
lichen Herzens an uns; ſind uns ſelbſt mancher
Härte, mancher Ungerechtigkeit, mancher Kälte
gegen das wahre Verdienſt bewußt, und ſo würkt
dies alles bey andern, ſelbſt wenn es uns betrifft,
nicht mit der Heftigkeit, weil wir es gewohnt ſind,
und begreiflicher finden. Auch iſt es ſelten ſchwer,
ſich bey den beſten Abſichten und Unternehmungen
ganz von aller Unlauterkeit frey zu fühlen. Bey
Jeſu fallen auch dieſe Minderungen ſeiner Leiden
weg. Wir können es uns vielleicht kaum denken,
wie der Undank, die Ungerechtigkeit, die Härte von
Menſchen, die er nie beleidigt hatte, ſeine ganz
heilige Seele niederbeugen mußte. Denn in allem
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 123[135]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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