Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

allgemeine Gegenstände der Legislation durch vier Ver-
sammlungen angenommen seyn, ehe sie Gesetz ward. Wie
die Verfassung aus der Oligarchie zur Politie, und von
dieser in Demokratie überging, indem die Zahl der berath-
schlagenden Prüfungen vermindert ward, und zuletzt die
Gemeinde der Tribus ganz unabhängig und alleinherr-
schend übrig blieb, werde ich bey der nächsten Verände-
rung der nun festgesetzten Ordnung darstellen.

Wenn gleich in Zonaras Erzählung der inneren Vor-
fälle dieser Zeit Verwirrung der Zeitordnung unverkenn-
bar ist, und es zweifelhaft scheint ob man eine andre Ro-
gation höchst wichtigen Inhalts, deren er mit den publi-
lischen gedenkt, zu ihnen zählen dürfe, so gehört sie doch
wenigstens in diese Jahre, und zu den wesentlichsten Er-
oberungen für die plebejische Freyheit. Das Recht der
Provocation von den consularischen Urtheilssprüchen an
die Gemeinde ward auf alle ausgesprochene Strafen aus-
gedehnt 44): und das ist der Anfang der Gerichtsbarkeit
der Tribus wie sie in der folgenden Zeit ausgeübt ward.

An dem Tage der Volksversammlung der für die Ab-
stimmung anberaumt war, verbreiteten sich die Patricier,
noch immer wähnend sie könnten an der Spitze ihrer
Clienten dem Volk mit Gewalt widerstehen, auf dem Fo-
rum: und die Consuln, vermöge ihres Rechts zur Ge-
meinde zu reden, widersprachen den Anträgen. T. Quinc-
tius, von einem nichts weniger als der Demokratie gün-

44) Zonaras VII. c. 17. Kan tis ep aitia tini para ton
Strategon prostimothe, ekkleton epi tou'tois ton demon di-
kazein etaxan.

allgemeine Gegenſtaͤnde der Legislation durch vier Ver-
ſammlungen angenommen ſeyn, ehe ſie Geſetz ward. Wie
die Verfaſſung aus der Oligarchie zur Politie, und von
dieſer in Demokratie uͤberging, indem die Zahl der berath-
ſchlagenden Pruͤfungen vermindert ward, und zuletzt die
Gemeinde der Tribus ganz unabhaͤngig und alleinherr-
ſchend uͤbrig blieb, werde ich bey der naͤchſten Veraͤnde-
rung der nun feſtgeſetzten Ordnung darſtellen.

Wenn gleich in Zonaras Erzaͤhlung der inneren Vor-
faͤlle dieſer Zeit Verwirrung der Zeitordnung unverkenn-
bar iſt, und es zweifelhaft ſcheint ob man eine andre Ro-
gation hoͤchſt wichtigen Inhalts, deren er mit den publi-
liſchen gedenkt, zu ihnen zaͤhlen duͤrfe, ſo gehoͤrt ſie doch
wenigſtens in dieſe Jahre, und zu den weſentlichſten Er-
oberungen fuͤr die plebejiſche Freyheit. Das Recht der
Provocation von den conſulariſchen Urtheilsſpruͤchen an
die Gemeinde ward auf alle ausgeſprochene Strafen aus-
gedehnt 44): und das iſt der Anfang der Gerichtsbarkeit
der Tribus wie ſie in der folgenden Zeit ausgeuͤbt ward.

An dem Tage der Volksverſammlung der fuͤr die Ab-
ſtimmung anberaumt war, verbreiteten ſich die Patricier,
noch immer waͤhnend ſie koͤnnten an der Spitze ihrer
Clienten dem Volk mit Gewalt widerſtehen, auf dem Fo-
rum: und die Conſuln, vermoͤge ihres Rechts zur Ge-
meinde zu reden, widerſprachen den Antraͤgen. T. Quinc-
tius, von einem nichts weniger als der Demokratie guͤn-

44) Zonaras VII. c. 17. Κᾄν τις ἐπ̕ αἰτίᾳ τινι παρὰ τῶν
Στρατηγῶν προςτιμωϑῇ, ἔκκλητον ἐπὶ τȣʹτοις τὸν δῆμον δι-
κάζειν ἔταξαν.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="40"/>
allgemeine Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der Legislation durch vier Ver-<lb/>
&#x017F;ammlungen angenommen &#x017F;eyn, ehe &#x017F;ie Ge&#x017F;etz ward. Wie<lb/>
die Verfa&#x017F;&#x017F;ung aus der Oligarchie zur Politie, und von<lb/>
die&#x017F;er in Demokratie u&#x0364;berging, indem die Zahl der berath-<lb/>
&#x017F;chlagenden Pru&#x0364;fungen vermindert ward, und zuletzt die<lb/>
Gemeinde der Tribus ganz unabha&#x0364;ngig und alleinherr-<lb/>
&#x017F;chend u&#x0364;brig blieb, werde ich bey der na&#x0364;ch&#x017F;ten Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung der nun fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Ordnung dar&#x017F;tellen.</p><lb/>
        <p>Wenn gleich in Zonaras Erza&#x0364;hlung der inneren Vor-<lb/>
fa&#x0364;lle die&#x017F;er Zeit Verwirrung der Zeitordnung unverkenn-<lb/>
bar i&#x017F;t, und es zweifelhaft &#x017F;cheint ob man eine andre Ro-<lb/>
gation ho&#x0364;ch&#x017F;t wichtigen Inhalts, deren er mit den publi-<lb/>
li&#x017F;chen gedenkt, zu ihnen za&#x0364;hlen du&#x0364;rfe, &#x017F;o geho&#x0364;rt &#x017F;ie doch<lb/>
wenig&#x017F;tens in die&#x017F;e Jahre, und zu den we&#x017F;entlich&#x017F;ten Er-<lb/>
oberungen fu&#x0364;r die plebeji&#x017F;che Freyheit. Das Recht der<lb/>
Provocation von den con&#x017F;ulari&#x017F;chen Urtheils&#x017F;pru&#x0364;chen an<lb/>
die Gemeinde ward auf alle ausge&#x017F;prochene Strafen aus-<lb/>
gedehnt <note place="foot" n="44)">Zonaras <hi rendition="#aq">VII. c.</hi> 17. &#x039A;&#x1F84;&#x03BD; &#x03C4;&#x03B9;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x0315; &#x03B1;&#x1F30;&#x03C4;&#x03AF;&#x1FB3; &#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B9; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C1;&#x1F70; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD;<lb/>
&#x03A3;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03B3;&#x1FF6;&#x03BD; &#x03C0;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BC;&#x03C9;&#x03D1;&#x1FC7;, &#x1F14;&#x03BA;&#x03BA;&#x03BB;&#x03B7;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F10;&#x03C0;&#x1F76; &#x03C4;&#x0223;&#x0374;&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; &#x03B4;&#x1FC6;&#x03BC;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B4;&#x03B9;-<lb/>
&#x03BA;&#x03AC;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F14;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BE;&#x03B1;&#x03BD;.</note>: und das i&#x017F;t der Anfang der Gerichtsbarkeit<lb/>
der Tribus wie &#x017F;ie in der folgenden Zeit ausgeu&#x0364;bt ward.</p><lb/>
        <p>An dem Tage der Volksver&#x017F;ammlung der fu&#x0364;r die Ab-<lb/>
&#x017F;timmung anberaumt war, verbreiteten &#x017F;ich die Patricier,<lb/>
noch immer wa&#x0364;hnend &#x017F;ie ko&#x0364;nnten an der Spitze ihrer<lb/>
Clienten dem Volk mit Gewalt wider&#x017F;tehen, auf dem Fo-<lb/>
rum: und die Con&#x017F;uln, vermo&#x0364;ge ihres Rechts zur Ge-<lb/>
meinde zu reden, wider&#x017F;prachen den Antra&#x0364;gen. T. Quinc-<lb/>
tius, von einem nichts weniger als der Demokratie gu&#x0364;n-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0056] allgemeine Gegenſtaͤnde der Legislation durch vier Ver- ſammlungen angenommen ſeyn, ehe ſie Geſetz ward. Wie die Verfaſſung aus der Oligarchie zur Politie, und von dieſer in Demokratie uͤberging, indem die Zahl der berath- ſchlagenden Pruͤfungen vermindert ward, und zuletzt die Gemeinde der Tribus ganz unabhaͤngig und alleinherr- ſchend uͤbrig blieb, werde ich bey der naͤchſten Veraͤnde- rung der nun feſtgeſetzten Ordnung darſtellen. Wenn gleich in Zonaras Erzaͤhlung der inneren Vor- faͤlle dieſer Zeit Verwirrung der Zeitordnung unverkenn- bar iſt, und es zweifelhaft ſcheint ob man eine andre Ro- gation hoͤchſt wichtigen Inhalts, deren er mit den publi- liſchen gedenkt, zu ihnen zaͤhlen duͤrfe, ſo gehoͤrt ſie doch wenigſtens in dieſe Jahre, und zu den weſentlichſten Er- oberungen fuͤr die plebejiſche Freyheit. Das Recht der Provocation von den conſulariſchen Urtheilsſpruͤchen an die Gemeinde ward auf alle ausgeſprochene Strafen aus- gedehnt 44): und das iſt der Anfang der Gerichtsbarkeit der Tribus wie ſie in der folgenden Zeit ausgeuͤbt ward. An dem Tage der Volksverſammlung der fuͤr die Ab- ſtimmung anberaumt war, verbreiteten ſich die Patricier, noch immer waͤhnend ſie koͤnnten an der Spitze ihrer Clienten dem Volk mit Gewalt widerſtehen, auf dem Fo- rum: und die Conſuln, vermoͤge ihres Rechts zur Ge- meinde zu reden, widerſprachen den Antraͤgen. T. Quinc- tius, von einem nichts weniger als der Demokratie guͤn- 44) Zonaras VII. c. 17. Κᾄν τις ἐπ̕ αἰτίᾳ τινι παρὰ τῶν Στρατηγῶν προςτιμωϑῇ, ἔκκλητον ἐπὶ τȣʹτοις τὸν δῆμον δι- κάζειν ἔταξαν.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/56
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/56>, abgerufen am 23.11.2024.