Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erweiterung, dieser Theilung hätten fähig gemacht wer-
den sollen.

Ein solcher Antrag mißfiel nicht heftiger dem Se-
nat und den Mächtigen als jedem Quiriten, der auf
diese Weise seine individuelle Theilnahme an der Lan-
deshoheit eingeengt und verkümmert sah. Eine andere
Frage ist die der Billigkeit: daß aber diese hätte ent-
scheiden, oder ihre Erörterung unter dem Sturm sol-
cher Leidenschaften geduldet werden sollen, konnte nicht
gefordert werden. Die Senatoren erhoben sich um so
erbitterter gegen die stolzen Latiner, als der Ausgang
des Kampfs nichts weniger als entschieden war. Sie
klagten sie des Eidbruchs und der Treulosigkeit an,
sie riefen die Götter zu Rächern ihrer Sache. Den-
noch scheint es auch nicht an Einzelnen gefehlt zu ha-
ben welche den Wunsch nicht verhehlten, durch einen
Vergleich, der allerdings eine sehr furchtbare Macht
gebildet und die Eroberung Italiens wohl noch mehr
beschleunigt haben würde, einem Kampf zu entgehen
der sich wenig vom Bürgerkriege unterschied. Gegen
diese, und um den Anfang nachgiebiger Abstimmungen
zu verhüten, erklärte der Consul T. Manlius, er würde,
wenn die Republik diese Forderungen feig bewilligte,
bewaffnet in den Senat kommen, und den ersten La-
tiner den er in der Curie erblicke niederstoßen.

Bey solcher Heftigkeit der Gemüther war die Sen-
dung der latinischen Gesandten beendigt, und sie ent-
fernten sich mit nicht geringerer Bewegung als ihre For-
derungen erregt hatten. Der Prätor L. Annius von

Erweiterung, dieſer Theilung haͤtten faͤhig gemacht wer-
den ſollen.

Ein ſolcher Antrag mißfiel nicht heftiger dem Se-
nat und den Maͤchtigen als jedem Quiriten, der auf
dieſe Weiſe ſeine individuelle Theilnahme an der Lan-
deshoheit eingeengt und verkuͤmmert ſah. Eine andere
Frage iſt die der Billigkeit: daß aber dieſe haͤtte ent-
ſcheiden, oder ihre Eroͤrterung unter dem Sturm ſol-
cher Leidenſchaften geduldet werden ſollen, konnte nicht
gefordert werden. Die Senatoren erhoben ſich um ſo
erbitterter gegen die ſtolzen Latiner, als der Ausgang
des Kampfs nichts weniger als entſchieden war. Sie
klagten ſie des Eidbruchs und der Treuloſigkeit an,
ſie riefen die Goͤtter zu Raͤchern ihrer Sache. Den-
noch ſcheint es auch nicht an Einzelnen gefehlt zu ha-
ben welche den Wunſch nicht verhehlten, durch einen
Vergleich, der allerdings eine ſehr furchtbare Macht
gebildet und die Eroberung Italiens wohl noch mehr
beſchleunigt haben wuͤrde, einem Kampf zu entgehen
der ſich wenig vom Buͤrgerkriege unterſchied. Gegen
dieſe, und um den Anfang nachgiebiger Abſtimmungen
zu verhuͤten, erklaͤrte der Conſul T. Manlius, er wuͤrde,
wenn die Republik dieſe Forderungen feig bewilligte,
bewaffnet in den Senat kommen, und den erſten La-
tiner den er in der Curie erblicke niederſtoßen.

Bey ſolcher Heftigkeit der Gemuͤther war die Sen-
dung der latiniſchen Geſandten beendigt, und ſie ent-
fernten ſich mit nicht geringerer Bewegung als ihre For-
derungen erregt hatten. Der Praͤtor L. Annius von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0525" n="509"/>
Erweiterung, die&#x017F;er Theilung ha&#x0364;tten fa&#x0364;hig gemacht wer-<lb/>
den &#x017F;ollen.</p><lb/>
        <p>Ein &#x017F;olcher Antrag mißfiel nicht heftiger dem Se-<lb/>
nat und den Ma&#x0364;chtigen als jedem Quiriten, der auf<lb/>
die&#x017F;e Wei&#x017F;e &#x017F;eine individuelle Theilnahme an der Lan-<lb/>
deshoheit eingeengt und verku&#x0364;mmert &#x017F;ah. Eine andere<lb/>
Frage i&#x017F;t die der Billigkeit: daß aber die&#x017F;e ha&#x0364;tte ent-<lb/>
&#x017F;cheiden, oder ihre Ero&#x0364;rterung unter dem Sturm &#x017F;ol-<lb/>
cher Leiden&#x017F;chaften geduldet werden &#x017F;ollen, konnte nicht<lb/>
gefordert werden. Die Senatoren erhoben &#x017F;ich um &#x017F;o<lb/>
erbitterter gegen die &#x017F;tolzen Latiner, als der Ausgang<lb/>
des Kampfs nichts weniger als ent&#x017F;chieden war. Sie<lb/>
klagten &#x017F;ie des Eidbruchs und der Treulo&#x017F;igkeit an,<lb/>
&#x017F;ie riefen die Go&#x0364;tter zu Ra&#x0364;chern ihrer Sache. Den-<lb/>
noch &#x017F;cheint es auch nicht an Einzelnen gefehlt zu ha-<lb/>
ben welche den Wun&#x017F;ch nicht verhehlten, durch einen<lb/>
Vergleich, der allerdings eine &#x017F;ehr furchtbare Macht<lb/>
gebildet und die <choice><sic>Erobernng</sic><corr>Eroberung</corr></choice> Italiens wohl noch mehr<lb/>
be&#x017F;chleunigt haben wu&#x0364;rde, einem Kampf zu entgehen<lb/>
der &#x017F;ich wenig vom Bu&#x0364;rgerkriege unter&#x017F;chied. Gegen<lb/>
die&#x017F;e, und um den Anfang nachgiebiger Ab&#x017F;timmungen<lb/>
zu verhu&#x0364;ten, erkla&#x0364;rte der Con&#x017F;ul T. Manlius, er wu&#x0364;rde,<lb/>
wenn die Republik die&#x017F;e Forderungen feig bewilligte,<lb/>
bewaffnet in den Senat kommen, und den er&#x017F;ten La-<lb/>
tiner den er in der Curie erblicke nieder&#x017F;toßen.</p><lb/>
        <p>Bey &#x017F;olcher Heftigkeit der Gemu&#x0364;ther war die Sen-<lb/>
dung der latini&#x017F;chen Ge&#x017F;andten beendigt, und &#x017F;ie ent-<lb/>
fernten &#x017F;ich mit nicht geringerer Bewegung als ihre For-<lb/>
derungen erregt hatten. Der Pra&#x0364;tor L. Annius von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[509/0525] Erweiterung, dieſer Theilung haͤtten faͤhig gemacht wer- den ſollen. Ein ſolcher Antrag mißfiel nicht heftiger dem Se- nat und den Maͤchtigen als jedem Quiriten, der auf dieſe Weiſe ſeine individuelle Theilnahme an der Lan- deshoheit eingeengt und verkuͤmmert ſah. Eine andere Frage iſt die der Billigkeit: daß aber dieſe haͤtte ent- ſcheiden, oder ihre Eroͤrterung unter dem Sturm ſol- cher Leidenſchaften geduldet werden ſollen, konnte nicht gefordert werden. Die Senatoren erhoben ſich um ſo erbitterter gegen die ſtolzen Latiner, als der Ausgang des Kampfs nichts weniger als entſchieden war. Sie klagten ſie des Eidbruchs und der Treuloſigkeit an, ſie riefen die Goͤtter zu Raͤchern ihrer Sache. Den- noch ſcheint es auch nicht an Einzelnen gefehlt zu ha- ben welche den Wunſch nicht verhehlten, durch einen Vergleich, der allerdings eine ſehr furchtbare Macht gebildet und die Eroberung Italiens wohl noch mehr beſchleunigt haben wuͤrde, einem Kampf zu entgehen der ſich wenig vom Buͤrgerkriege unterſchied. Gegen dieſe, und um den Anfang nachgiebiger Abſtimmungen zu verhuͤten, erklaͤrte der Conſul T. Manlius, er wuͤrde, wenn die Republik dieſe Forderungen feig bewilligte, bewaffnet in den Senat kommen, und den erſten La- tiner den er in der Curie erblicke niederſtoßen. Bey ſolcher Heftigkeit der Gemuͤther war die Sen- dung der latiniſchen Geſandten beendigt, und ſie ent- fernten ſich mit nicht geringerer Bewegung als ihre For- derungen erregt hatten. Der Praͤtor L. Annius von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/525
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/525>, abgerufen am 01.06.2024.