Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.vor Alters, dahin mißverstanden worden daß sie durch die Vorwürfen der Consuln an die Tribunen, bey Dionysius X. c. 4. oute ai phratrai ten psephon uper umon epiphe- rousin: sie stimmen nicht über euch: nicht: sie erwählen euch nicht. Hätte er das letzte sagen wollen, er, dessen Sprachgebrauch vollkommen correct ist, er würde geschrie- ben haben umas kheirotonou~sin. Denn der von ihm gebrauchte Ausdruck kann dieses nicht bezeichnen. Dadurch berichtigt sich erweißlich das Mißverständniß über die angebliche Wahl der Tribunen durch die Curien bey Dionysius IX. c. 41. und Cicero; wie ich es vermu- thete (S. Th. I. Zusatz zu S. 424.). Ich darf wohl Ver- zeihung fordern wenn in dem Aufräumen dieses Schutts einiges übersehen ist, wie dieses entscheidende Zeugniß. Hätte ich es früher gehörig gefaßt, so würde eine schwan- kende Darstellung der Curien, der schwächste Punkt des er- sten Theils, die Consequenz des Entwurfs der Grundver- fassung, und ihre einleuchtende Evidenz nicht gestört haben. Ich glaubte nämlich anfangs Dionysius Zeugniß über die Wahl der Tribunen durch die Curien nicht beseitigen zu können, und diese Erzählung, mit Livius (II. c. 56.) ver- bunden, zwang mich für die Plebejer und für die Clienten einen Platz in den Curien zu suchen (Th. I. S. 234.) ob- wohl ich nach der Macht aller übrigen Zeugnisse gezeigt und behauptet hatte, ursprünglich sowohl als später wären die Curien die Gesammtheit und Gemeinde nur der patricischen Gentes gewesen. Diese Ansicht stelle ich jetzt ohne irgend einige Beschränkung auf, und nehme alles zurück was in jener accommodirenden Darstellung ihr entgegen ist. Die neuen Centurien des Königs Tarquinius sind den Curien zuverlässig ganz fremd geblieben: vielmehr scheint C 2
vor Alters, dahin mißverſtanden worden daß ſie durch die Vorwuͤrfen der Conſuln an die Tribunen, bey Dionyſius X. c. 4. οὔτε αἱ φράτραι τὴν ψῆφον ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιφέ- ρȣσιν: ſie ſtimmen nicht uͤber euch: nicht: ſie erwaͤhlen euch nicht. Haͤtte er das letzte ſagen wollen, er, deſſen Sprachgebrauch vollkommen correct iſt, er wuͤrde geſchrie- ben haben ὑμᾶς χειροτονȣ῀σιν. Denn der von ihm gebrauchte Ausdruck kann dieſes nicht bezeichnen. Dadurch berichtigt ſich erweißlich das Mißverſtaͤndniß uͤber die angebliche Wahl der Tribunen durch die Curien bey Dionyſius IX. c. 41. und Cicero; wie ich es vermu- thete (S. Th. I. Zuſatz zu S. 424.). Ich darf wohl Ver- zeihung fordern wenn in dem Aufraͤumen dieſes Schutts einiges uͤberſehen iſt, wie dieſes entſcheidende Zeugniß. Haͤtte ich es fruͤher gehoͤrig gefaßt, ſo wuͤrde eine ſchwan- kende Darſtellung der Curien, der ſchwaͤchſte Punkt des er- ſten Theils, die Conſequenz des Entwurfs der Grundver- faſſung, und ihre einleuchtende Evidenz nicht geſtoͤrt haben. Ich glaubte naͤmlich anfangs Dionyſius Zeugniß uͤber die Wahl der Tribunen durch die Curien nicht beſeitigen zu koͤnnen, und dieſe Erzaͤhlung, mit Livius (II. c. 56.) ver- bunden, zwang mich fuͤr die Plebejer und fuͤr die Clienten einen Platz in den Curien zu ſuchen (Th. I. S. 234.) ob- wohl ich nach der Macht aller uͤbrigen Zeugniſſe gezeigt und behauptet hatte, urſpruͤnglich ſowohl als ſpaͤter waͤren die Curien die Geſammtheit und Gemeinde nur der patriciſchen Gentes geweſen. Dieſe Anſicht ſtelle ich jetzt ohne irgend einige Beſchraͤnkung auf, und nehme alles zuruͤck was in jener accommodirenden Darſtellung ihr entgegen iſt. Die neuen Centurien des Koͤnigs Tarquinius ſind den Curien zuverlaͤſſig ganz fremd geblieben: vielmehr ſcheint C 2
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vor Alters, dahin mißverſtanden worden daß ſie durch die
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38) Vorwuͤrfen der Conſuln an die Tribunen, bey Dionyſius X.
c. 4. οὔτε αἱ φράτραι τὴν ψῆφον ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιφέ-
ρȣσιν: ſie ſtimmen nicht uͤber euch: nicht: ſie erwaͤhlen
euch nicht. Haͤtte er das letzte ſagen wollen, er, deſſen
Sprachgebrauch vollkommen correct iſt, er wuͤrde geſchrie-
ben haben ὑμᾶς χειροτονȣ῀σιν. Denn der von ihm gebrauchte
Ausdruck kann dieſes nicht bezeichnen.
Dadurch berichtigt ſich erweißlich das Mißverſtaͤndniß
uͤber die angebliche Wahl der Tribunen durch die Curien
bey Dionyſius IX. c. 41. und Cicero; wie ich es vermu-
thete (S. Th. I. Zuſatz zu S. 424.). Ich darf wohl Ver-
zeihung fordern wenn in dem Aufraͤumen dieſes Schutts
einiges uͤberſehen iſt, wie dieſes entſcheidende Zeugniß.
Haͤtte ich es fruͤher gehoͤrig gefaßt, ſo wuͤrde eine ſchwan-
kende Darſtellung der Curien, der ſchwaͤchſte Punkt des er-
ſten Theils, die Conſequenz des Entwurfs der Grundver-
faſſung, und ihre einleuchtende Evidenz nicht geſtoͤrt haben.
Ich glaubte naͤmlich anfangs Dionyſius Zeugniß uͤber die
Wahl der Tribunen durch die Curien nicht beſeitigen zu
koͤnnen, und dieſe Erzaͤhlung, mit Livius (II. c. 56.) ver-
bunden, zwang mich fuͤr die Plebejer und fuͤr die Clienten
einen Platz in den Curien zu ſuchen (Th. I. S. 234.) ob-
wohl ich nach der Macht aller uͤbrigen Zeugniſſe gezeigt
und behauptet hatte, urſpruͤnglich ſowohl als ſpaͤter waͤren
die Curien die Geſammtheit und Gemeinde nur der patriciſchen
Gentes geweſen. Dieſe Anſicht ſtelle ich jetzt ohne irgend
einige Beſchraͤnkung auf, und nehme alles zuruͤck was in
jener accommodirenden Darſtellung ihr entgegen iſt.
Die neuen Centurien des Koͤnigs Tarquinius ſind den
Curien zuverlaͤſſig ganz fremd geblieben: vielmehr ſcheint
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