Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Rom, den alten Latinern und ihren zugewandten
Städten 59), wie schon damals der Trieb eines neuen
sich vorbereitenden Zeitalters allenthalben die uralten
kleinen Staaten in größere Körper zusammenzog.

Im Jahr 397 ward das Bündniß mit den Latinern
erneuert welches seit vielen Jahren nicht beobachtet war,
und sie stellten ein großes Heer zur Abwehrung des galli-
schen Kriegs 60). Offenbar falsch ist der Zusatz des Ge-
schichtschreibers: die Latiner hätten den erbetenen Frieden
erlangt, -- ein Irrthum aus dem entstanden der in ihrer
Absonderung eine Empörung und Kriege zu sehen wähnte.
Wie aus Livius eigener Erzählung hervorgeht daß Tuscu-
lum und andere nähere Orte nie aufgehört hatten Rom
unmittelbar bundesverwandt zu seyn, so war bey ihm
selbst schon während zehn Jahren keine Erwähnung eines
Kriegs auch nur mit Veliträ oder Präneste, welche er
sonst zu latinischen vergrößerte.

Die angeführte Nachricht würde uns weder berechti-
gen noch veranlassen hierin mehr zu sehen als eine Erneue-
rung der Verhältnisse wie sie bis zu der gallischen Erobe-
rung mit dem Theil latinischer Städte bestanden welcher
sich frey erhalten, oder nicht an fremde Vereinigungen
angeschlossen hatte: aber der Bund erscheint in den letzten
Jahren seiner Dauer in einer Größe ganz neuer Art.
Nicht nur alle ursprünglich latinische Städte sind darin
vereinigt, und mit ihnen die Colonieen ihres Nahmens,

59) Polybius II. c. 18. Romaioi -- ta kata tou`s Latinous au-
this pragmata sunesesants; ist hierauf zu beziehen.
60) Livius VII. c. 12.

ſchen Rom, den alten Latinern und ihren zugewandten
Staͤdten 59), wie ſchon damals der Trieb eines neuen
ſich vorbereitenden Zeitalters allenthalben die uralten
kleinen Staaten in groͤßere Koͤrper zuſammenzog.

Im Jahr 397 ward das Buͤndniß mit den Latinern
erneuert welches ſeit vielen Jahren nicht beobachtet war,
und ſie ſtellten ein großes Heer zur Abwehrung des galli-
ſchen Kriegs 60). Offenbar falſch iſt der Zuſatz des Ge-
ſchichtſchreibers: die Latiner haͤtten den erbetenen Frieden
erlangt, — ein Irrthum aus dem entſtanden der in ihrer
Abſonderung eine Empoͤrung und Kriege zu ſehen waͤhnte.
Wie aus Livius eigener Erzaͤhlung hervorgeht daß Tuscu-
lum und andere naͤhere Orte nie aufgehoͤrt hatten Rom
unmittelbar bundesverwandt zu ſeyn, ſo war bey ihm
ſelbſt ſchon waͤhrend zehn Jahren keine Erwaͤhnung eines
Kriegs auch nur mit Velitraͤ oder Praͤneſte, welche er
ſonſt zu latiniſchen vergroͤßerte.

Die angefuͤhrte Nachricht wuͤrde uns weder berechti-
gen noch veranlaſſen hierin mehr zu ſehen als eine Erneue-
rung der Verhaͤltniſſe wie ſie bis zu der galliſchen Erobe-
rung mit dem Theil latiniſcher Staͤdte beſtanden welcher
ſich frey erhalten, oder nicht an fremde Vereinigungen
angeſchloſſen hatte: aber der Bund erſcheint in den letzten
Jahren ſeiner Dauer in einer Groͤße ganz neuer Art.
Nicht nur alle urſpruͤnglich latiniſche Staͤdte ſind darin
vereinigt, und mit ihnen die Colonieen ihres Nahmens,

59) Polybius II. c. 18. Ῥωμαῖοι — τὰ κατὰ τȣ`ς Λατίνȣς αὖ-
ϑις πράγματα συνεςήσαντσ; iſt hierauf zu beziehen.
60) Livius VII. c. 12.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0485" n="469"/>
&#x017F;chen Rom, den alten Latinern und ihren zugewandten<lb/>
Sta&#x0364;dten <note place="foot" n="59)">Polybius <hi rendition="#aq">II. c.</hi> 18. &#x1FEC;&#x03C9;&#x03BC;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03B9; &#x2014; &#x03C4;&#x1F70; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x1F70; &#x03C4;&#x0223;&#x1FEF;&#x03C2; &#x039B;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AF;&#x03BD;&#x0223;&#x03C2; &#x03B1;&#x1F56;-<lb/>
&#x03D1;&#x03B9;&#x03C2; &#x03C0;&#x03C1;&#x03AC;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03C3;; i&#x017F;t hierauf zu beziehen.</note>, wie &#x017F;chon damals der Trieb eines neuen<lb/>
&#x017F;ich vorbereitenden Zeitalters allenthalben die uralten<lb/>
kleinen Staaten in gro&#x0364;ßere Ko&#x0364;rper zu&#x017F;ammenzog.</p><lb/>
        <p>Im Jahr 397 ward das Bu&#x0364;ndniß mit den Latinern<lb/>
erneuert welches &#x017F;eit vielen Jahren nicht beobachtet war,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;tellten ein großes Heer zur Abwehrung des galli-<lb/>
&#x017F;chen Kriegs <note place="foot" n="60)">Livius <hi rendition="#aq">VII. c.</hi> 12.</note>. Offenbar fal&#x017F;ch i&#x017F;t der Zu&#x017F;atz des Ge-<lb/>
&#x017F;chicht&#x017F;chreibers: die Latiner ha&#x0364;tten den erbetenen Frieden<lb/>
erlangt, &#x2014; ein Irrthum aus dem ent&#x017F;tanden der in ihrer<lb/>
Ab&#x017F;onderung eine Empo&#x0364;rung und Kriege zu &#x017F;ehen wa&#x0364;hnte.<lb/>
Wie aus Livius eigener Erza&#x0364;hlung hervorgeht daß Tuscu-<lb/>
lum und andere na&#x0364;here Orte nie aufgeho&#x0364;rt hatten Rom<lb/>
unmittelbar bundesverwandt zu &#x017F;eyn, &#x017F;o war bey ihm<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon wa&#x0364;hrend zehn Jahren keine Erwa&#x0364;hnung eines<lb/>
Kriegs auch nur mit Velitra&#x0364; oder Pra&#x0364;ne&#x017F;te, welche er<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t zu latini&#x017F;chen vergro&#x0364;ßerte.</p><lb/>
        <p>Die angefu&#x0364;hrte Nachricht wu&#x0364;rde uns weder berechti-<lb/>
gen noch veranla&#x017F;&#x017F;en hierin mehr zu &#x017F;ehen als eine Erneue-<lb/>
rung der Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e wie &#x017F;ie bis zu der galli&#x017F;chen Erobe-<lb/>
rung mit dem Theil latini&#x017F;cher Sta&#x0364;dte be&#x017F;tanden welcher<lb/>
&#x017F;ich frey erhalten, oder nicht an fremde Vereinigungen<lb/>
ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte: aber der Bund er&#x017F;cheint in den letzten<lb/>
Jahren &#x017F;einer Dauer in einer Gro&#x0364;ße ganz neuer Art.<lb/>
Nicht nur alle ur&#x017F;pru&#x0364;nglich latini&#x017F;che Sta&#x0364;dte &#x017F;ind darin<lb/>
vereinigt, und mit ihnen die Colonieen ihres Nahmens,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0485] ſchen Rom, den alten Latinern und ihren zugewandten Staͤdten 59), wie ſchon damals der Trieb eines neuen ſich vorbereitenden Zeitalters allenthalben die uralten kleinen Staaten in groͤßere Koͤrper zuſammenzog. Im Jahr 397 ward das Buͤndniß mit den Latinern erneuert welches ſeit vielen Jahren nicht beobachtet war, und ſie ſtellten ein großes Heer zur Abwehrung des galli- ſchen Kriegs 60). Offenbar falſch iſt der Zuſatz des Ge- ſchichtſchreibers: die Latiner haͤtten den erbetenen Frieden erlangt, — ein Irrthum aus dem entſtanden der in ihrer Abſonderung eine Empoͤrung und Kriege zu ſehen waͤhnte. Wie aus Livius eigener Erzaͤhlung hervorgeht daß Tuscu- lum und andere naͤhere Orte nie aufgehoͤrt hatten Rom unmittelbar bundesverwandt zu ſeyn, ſo war bey ihm ſelbſt ſchon waͤhrend zehn Jahren keine Erwaͤhnung eines Kriegs auch nur mit Velitraͤ oder Praͤneſte, welche er ſonſt zu latiniſchen vergroͤßerte. Die angefuͤhrte Nachricht wuͤrde uns weder berechti- gen noch veranlaſſen hierin mehr zu ſehen als eine Erneue- rung der Verhaͤltniſſe wie ſie bis zu der galliſchen Erobe- rung mit dem Theil latiniſcher Staͤdte beſtanden welcher ſich frey erhalten, oder nicht an fremde Vereinigungen angeſchloſſen hatte: aber der Bund erſcheint in den letzten Jahren ſeiner Dauer in einer Groͤße ganz neuer Art. Nicht nur alle urſpruͤnglich latiniſche Staͤdte ſind darin vereinigt, und mit ihnen die Colonieen ihres Nahmens, 59) Polybius II. c. 18. Ῥωμαῖοι — τὰ κατὰ τȣ`ς Λατίνȣς αὖ- ϑις πράγματα συνεςήσαντσ; iſt hierauf zu beziehen. 60) Livius VII. c. 12.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/485
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/485>, abgerufen am 22.11.2024.