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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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nach Hyginus 24) war bey der Eintheilung des Bodens
der Gesichtspunkt Westen. Daher heißen ihnen die an
der Westseite der durch den Standpunkt des Augurs ge-
henden Mittagslinie gezogenen Limiten anticae, die an
der Ostseite posticae: wogegen Servius Sulpicius die
südlich und nördlich von der von Ost nach West gezoge-
nen Linie, worauf der Augur steht, fallenden Parallellimi-
ten, anticae und posticae genannt haben muß 25). Diese
drey so verschiedenen Angaben lassen sich, wie es scheint,
durch eine aus Varro erhaltene Notiz vereinigen. Der
Augur dachte sich schauend, wie die Götter auf die Erde
schauten: der Wohnsitz der Götter ward im Norden der
Erde gedacht 26). In dieselbe Weltgegend setzen die In-
dier den Götterberg Meru: selbst die Griechen dachten sich
diese Erdgränze, jenseits des Boreas, als eine selige Ge-
gend, die Heimath gottgeliebter Menschen. Vom Nor-
den her richteten die Götter nach den drey übrigen Welt-
gegenden ihren über die Erde waltenden Blick: nur wenn
sie ihr zornig den Rücken wandten reichte ihre Linke nach
Westen: und daß sie es thaten wenn die Auspicien ungün-
stig erschienen, war zuverlässig die Lehre der Augurn.
Ein Widerspruch ist also in diesen verschiedenen Gesichts-
punkten, dem Sinn nach, nicht. Daß, so lange die alte
Religion in ihrer Kraft lebte, für die Landtheilung in der
That auch ein zwiefacher bestand, Süd und West, ist aus

24) De limitib. constituend. p. 150. und das Fragm. de
limitib. p. 215. ed. Goesii.
25) Festus s. v. Sinistrae.
26) Varro bey Festus s. v. Sinistrae.
Zweiter Theil. B b

nach Hyginus 24) war bey der Eintheilung des Bodens
der Geſichtspunkt Weſten. Daher heißen ihnen die an
der Weſtſeite der durch den Standpunkt des Augurs ge-
henden Mittagslinie gezogenen Limiten anticæ, die an
der Oſtſeite posticæ: wogegen Servius Sulpicius die
ſuͤdlich und noͤrdlich von der von Oſt nach Weſt gezoge-
nen Linie, worauf der Augur ſteht, fallenden Parallellimi-
ten, anticæ und posticæ genannt haben muß 25). Dieſe
drey ſo verſchiedenen Angaben laſſen ſich, wie es ſcheint,
durch eine aus Varro erhaltene Notiz vereinigen. Der
Augur dachte ſich ſchauend, wie die Goͤtter auf die Erde
ſchauten: der Wohnſitz der Goͤtter ward im Norden der
Erde gedacht 26). In dieſelbe Weltgegend ſetzen die In-
dier den Goͤtterberg Meru: ſelbſt die Griechen dachten ſich
dieſe Erdgraͤnze, jenſeits des Boreas, als eine ſelige Ge-
gend, die Heimath gottgeliebter Menſchen. Vom Nor-
den her richteten die Goͤtter nach den drey uͤbrigen Welt-
gegenden ihren uͤber die Erde waltenden Blick: nur wenn
ſie ihr zornig den Ruͤcken wandten reichte ihre Linke nach
Weſten: und daß ſie es thaten wenn die Auſpicien unguͤn-
ſtig erſchienen, war zuverlaͤſſig die Lehre der Augurn.
Ein Widerſpruch iſt alſo in dieſen verſchiedenen Geſichts-
punkten, dem Sinn nach, nicht. Daß, ſo lange die alte
Religion in ihrer Kraft lebte, fuͤr die Landtheilung in der
That auch ein zwiefacher beſtand, Suͤd und Weſt, iſt aus

24) De limitib. constituend. p. 150. und das Fragm. de
limitib. p. 215. ed. Goësii.
25) Feſtus s. v. Sinistræ.
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Zweiter Theil. B b
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[385/0401] nach Hyginus 24) war bey der Eintheilung des Bodens der Geſichtspunkt Weſten. Daher heißen ihnen die an der Weſtſeite der durch den Standpunkt des Augurs ge- henden Mittagslinie gezogenen Limiten anticæ, die an der Oſtſeite posticæ: wogegen Servius Sulpicius die ſuͤdlich und noͤrdlich von der von Oſt nach Weſt gezoge- nen Linie, worauf der Augur ſteht, fallenden Parallellimi- ten, anticæ und posticæ genannt haben muß 25). Dieſe drey ſo verſchiedenen Angaben laſſen ſich, wie es ſcheint, durch eine aus Varro erhaltene Notiz vereinigen. Der Augur dachte ſich ſchauend, wie die Goͤtter auf die Erde ſchauten: der Wohnſitz der Goͤtter ward im Norden der Erde gedacht 26). In dieſelbe Weltgegend ſetzen die In- dier den Goͤtterberg Meru: ſelbſt die Griechen dachten ſich dieſe Erdgraͤnze, jenſeits des Boreas, als eine ſelige Ge- gend, die Heimath gottgeliebter Menſchen. Vom Nor- den her richteten die Goͤtter nach den drey uͤbrigen Welt- gegenden ihren uͤber die Erde waltenden Blick: nur wenn ſie ihr zornig den Ruͤcken wandten reichte ihre Linke nach Weſten: und daß ſie es thaten wenn die Auſpicien unguͤn- ſtig erſchienen, war zuverlaͤſſig die Lehre der Augurn. Ein Widerſpruch iſt alſo in dieſen verſchiedenen Geſichts- punkten, dem Sinn nach, nicht. Daß, ſo lange die alte Religion in ihrer Kraft lebte, fuͤr die Landtheilung in der That auch ein zwiefacher beſtand, Suͤd und Weſt, iſt aus 24) De limitib. constituend. p. 150. und das Fragm. de limitib. p. 215. ed. Goësii. 25) Feſtus s. v. Sinistræ. 26) Varro bey Feſtus s. v. Sinistræ. Zweiter Theil. B b

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/401>, abgerufen am 22.11.2024.