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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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schein nach, von einem Besitz unzertrennlich seyn mußte,
welcher nichts als dieses, aber doch vererblich und ver-
äußerlich war. Wir sind berechtigt unmittelbare Rück-
sicht der Gesetzgebung, sey es des Staats oder der präto-
rischen, vorauszusetzen und aufzusuchen.

Ich will es nur als eine bloße Möglichkeit vermuthet
haben daß die Tradition, von der in den zwölf Tafeln, in
unbekannter Beziehung, die Rede gewesen ist, sich auf
diesen Besitz bezogen haben möchte: denn wenn sie auch
die einzige Form der Ueberantwortung desselben war, so
konnten die Gesetze doch auch damals schon von ihr reden
bey Gegenständen welche nicht mancipirt wurden. Hin-
gegen halte ich nichts für unzweifelhafter gewiß als die un-
mittelbare und ursprüngliche Beziehung der possessorischen
Interdicte auf diesen Besitz. Ausdrücklich wendet Cicero
sie an auf den Besitz des Gemeinlands 87), und ihr In-
halt deutet unmittelbar hieher. Freylich nicht die Formel
des Interdicts uti possidetis, wie wir sie jetzt aus dem
beständigen Edict lesen: denn hier ist die Rede von Häu-
sern: wohl aber die weit ältere, die aus Verrius Flaccus

87) Cicero adv. Rullum III. c. 3. Haec trib. pl. promul-
gare ausus est, ut, quod quisque -- possidet, id eo jure
teneret quo qui optimo privatum? Etiamne si vi ojecit?
etiamne si clam, si precario venit in possessionem? Ergo
hac lege jus civile, causae possessionum, praetorum inter-
dicta tollentur
. Die erläuternde Folge oben Anm. 469.
doch bitte ich jeden das zweyte und dritte Capitel ganz zu
lesen. Auch Dionysius giebt schon aus dem Icilischen Ge-
setz eine Erwähnung des Besitzes vi aut clam. Siehe oben
Anmerk. 65.

ſchein nach, von einem Beſitz unzertrennlich ſeyn mußte,
welcher nichts als dieſes, aber doch vererblich und ver-
aͤußerlich war. Wir ſind berechtigt unmittelbare Ruͤck-
ſicht der Geſetzgebung, ſey es des Staats oder der praͤto-
riſchen, vorauszuſetzen und aufzuſuchen.

Ich will es nur als eine bloße Moͤglichkeit vermuthet
haben daß die Tradition, von der in den zwoͤlf Tafeln, in
unbekannter Beziehung, die Rede geweſen iſt, ſich auf
dieſen Beſitz bezogen haben moͤchte: denn wenn ſie auch
die einzige Form der Ueberantwortung deſſelben war, ſo
konnten die Geſetze doch auch damals ſchon von ihr reden
bey Gegenſtaͤnden welche nicht mancipirt wurden. Hin-
gegen halte ich nichts fuͤr unzweifelhafter gewiß als die un-
mittelbare und urſpruͤngliche Beziehung der poſſeſſoriſchen
Interdicte auf dieſen Beſitz. Ausdruͤcklich wendet Cicero
ſie an auf den Beſitz des Gemeinlands 87), und ihr In-
halt deutet unmittelbar hieher. Freylich nicht die Formel
des Interdicts uti possidetis, wie wir ſie jetzt aus dem
beſtaͤndigen Edict leſen: denn hier iſt die Rede von Haͤu-
ſern: wohl aber die weit aͤltere, die aus Verrius Flaccus

87) Cicero adv. Rullum III. c. 3. Hæc trib. pl. promul-
gare ausus est, ut, quod quisque — possidet, id eo jure
teneret quo qui optimo privatum? Etiamne si vi ojecit?
etiamne si clam, si precario venit in possessionem? Ergo
hac lege jus civile, causae possessionum, prætorum inter-
dicta tollentur
. Die erlaͤuternde Folge oben Anm. 469.
doch bitte ich jeden das zweyte und dritte Capitel ganz zu
leſen. Auch Dionyſius giebt ſchon aus dem Iciliſchen Ge-
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Anmerk. 65.
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[370/0386] ſchein nach, von einem Beſitz unzertrennlich ſeyn mußte, welcher nichts als dieſes, aber doch vererblich und ver- aͤußerlich war. Wir ſind berechtigt unmittelbare Ruͤck- ſicht der Geſetzgebung, ſey es des Staats oder der praͤto- riſchen, vorauszuſetzen und aufzuſuchen. Ich will es nur als eine bloße Moͤglichkeit vermuthet haben daß die Tradition, von der in den zwoͤlf Tafeln, in unbekannter Beziehung, die Rede geweſen iſt, ſich auf dieſen Beſitz bezogen haben moͤchte: denn wenn ſie auch die einzige Form der Ueberantwortung deſſelben war, ſo konnten die Geſetze doch auch damals ſchon von ihr reden bey Gegenſtaͤnden welche nicht mancipirt wurden. Hin- gegen halte ich nichts fuͤr unzweifelhafter gewiß als die un- mittelbare und urſpruͤngliche Beziehung der poſſeſſoriſchen Interdicte auf dieſen Beſitz. Ausdruͤcklich wendet Cicero ſie an auf den Beſitz des Gemeinlands 87), und ihr In- halt deutet unmittelbar hieher. Freylich nicht die Formel des Interdicts uti possidetis, wie wir ſie jetzt aus dem beſtaͤndigen Edict leſen: denn hier iſt die Rede von Haͤu- ſern: wohl aber die weit aͤltere, die aus Verrius Flaccus 87) Cicero adv. Rullum III. c. 3. Hæc trib. pl. promul- gare ausus est, ut, quod quisque — possidet, id eo jure teneret quo qui optimo privatum? Etiamne si vi ojecit? etiamne si clam, si precario venit in possessionem? Ergo hac lege jus civile, causae possessionum, prætorum inter- dicta tollentur. Die erlaͤuternde Folge oben Anm. 469. doch bitte ich jeden das zweyte und dritte Capitel ganz zu leſen. Auch Dionyſius giebt ſchon aus dem Iciliſchen Ge- ſetz eine Erwaͤhnung des Beſitzes vi aut clam. Siehe oben Anmerk. 65.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/386>, abgerufen am 22.11.2024.