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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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fand anders darüber zu verfügen 83). Nicht unverletz-
licher war der Besitz des Bürgers, selbst innerhalb der
fünfhundert Jugern welche das licinische Gesetz nur zu
überschreiten verbot, nicht zusicherte; obwohl Ti. Grac-
chus den Besitz bis zu diesem Maaß als verjährt ehrte und
bestätigte. Unzweifelhaft beweisen die folgenden Bey-
spiele. Der Ager trientius tabuliusque, womit der dritte
verfallene Termin der Anleihe aus dem hannibalischen
Krieg abgetragen ward, lag um Rom: es war den
Staatsgläubigern erlaubt sich in dem Bezirk innerhalb
funfzig Millien um die Stadt Grundstücke auszusuchen,
welche doch hier nothwendig alle im Besitz römischer Bür-
ger seyn mußten 84). So war die Feldmark von Capua
zwischen einer großen Menge kleiner Besitzer, römischen
Bürgern, getheilt: dennoch war nicht das Recht streitig
sie ihnen zu entziehen um eine Colonie zu gründen, nur
die Billigkeit und Klugheit 85).

Nach dieser Darstellung wird es nicht zweifelhaft seyn
daß die römische Republik, wenn sie die Niederlegung eines
Theils ihrer Domaine zu allgemeinen Assignationen, zu
Colonieen oder zum Verkauf, beschloß, eben so rechtmäßig
handelte als ein Landesherr welcher Vorwerke, die meh-
rere Menschenalter in der Pachtung einer Familie geblie-
ben, zu parcelliren oder zu verkaufen beschließt. Dem
einzelnen entgeht freylich ein großer Vortheil, und es
kann ihn sehr hart treffen wenn er es verlernt hatte einen

83) Cicero adv. Rullum II. c. 21.
84) Livius XXXI. c. 13.
85) Cicero adv. Rullum II. c. 31.

fand anders daruͤber zu verfuͤgen 83). Nicht unverletz-
licher war der Beſitz des Buͤrgers, ſelbſt innerhalb der
fuͤnfhundert Jugern welche das liciniſche Geſetz nur zu
uͤberſchreiten verbot, nicht zuſicherte; obwohl Ti. Grac-
chus den Beſitz bis zu dieſem Maaß als verjaͤhrt ehrte und
beſtaͤtigte. Unzweifelhaft beweiſen die folgenden Bey-
ſpiele. Der Ager trientius tabuliusque, womit der dritte
verfallene Termin der Anleihe aus dem hannibaliſchen
Krieg abgetragen ward, lag um Rom: es war den
Staatsglaͤubigern erlaubt ſich in dem Bezirk innerhalb
funfzig Millien um die Stadt Grundſtuͤcke auszuſuchen,
welche doch hier nothwendig alle im Beſitz roͤmiſcher Buͤr-
ger ſeyn mußten 84). So war die Feldmark von Capua
zwiſchen einer großen Menge kleiner Beſitzer, roͤmiſchen
Buͤrgern, getheilt: dennoch war nicht das Recht ſtreitig
ſie ihnen zu entziehen um eine Colonie zu gruͤnden, nur
die Billigkeit und Klugheit 85).

Nach dieſer Darſtellung wird es nicht zweifelhaft ſeyn
daß die roͤmiſche Republik, wenn ſie die Niederlegung eines
Theils ihrer Domaine zu allgemeinen Aſſignationen, zu
Colonieen oder zum Verkauf, beſchloß, eben ſo rechtmaͤßig
handelte als ein Landesherr welcher Vorwerke, die meh-
rere Menſchenalter in der Pachtung einer Familie geblie-
ben, zu parcelliren oder zu verkaufen beſchließt. Dem
einzelnen entgeht freylich ein großer Vortheil, und es
kann ihn ſehr hart treffen wenn er es verlernt hatte einen

83) Cicero adv. Rullum II. c. 21.
84) Livius XXXI. c. 13.
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[367/0383] fand anders daruͤber zu verfuͤgen 83). Nicht unverletz- licher war der Beſitz des Buͤrgers, ſelbſt innerhalb der fuͤnfhundert Jugern welche das liciniſche Geſetz nur zu uͤberſchreiten verbot, nicht zuſicherte; obwohl Ti. Grac- chus den Beſitz bis zu dieſem Maaß als verjaͤhrt ehrte und beſtaͤtigte. Unzweifelhaft beweiſen die folgenden Bey- ſpiele. Der Ager trientius tabuliusque, womit der dritte verfallene Termin der Anleihe aus dem hannibaliſchen Krieg abgetragen ward, lag um Rom: es war den Staatsglaͤubigern erlaubt ſich in dem Bezirk innerhalb funfzig Millien um die Stadt Grundſtuͤcke auszuſuchen, welche doch hier nothwendig alle im Beſitz roͤmiſcher Buͤr- ger ſeyn mußten 84). So war die Feldmark von Capua zwiſchen einer großen Menge kleiner Beſitzer, roͤmiſchen Buͤrgern, getheilt: dennoch war nicht das Recht ſtreitig ſie ihnen zu entziehen um eine Colonie zu gruͤnden, nur die Billigkeit und Klugheit 85). Nach dieſer Darſtellung wird es nicht zweifelhaft ſeyn daß die roͤmiſche Republik, wenn ſie die Niederlegung eines Theils ihrer Domaine zu allgemeinen Aſſignationen, zu Colonieen oder zum Verkauf, beſchloß, eben ſo rechtmaͤßig handelte als ein Landesherr welcher Vorwerke, die meh- rere Menſchenalter in der Pachtung einer Familie geblie- ben, zu parcelliren oder zu verkaufen beſchließt. Dem einzelnen entgeht freylich ein großer Vortheil, und es kann ihn ſehr hart treffen wenn er es verlernt hatte einen 83) Cicero adv. Rullum II. c. 21. 84) Livius XXXI. c. 13. 85) Cicero adv. Rullum II. c. 31.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/383>, abgerufen am 18.05.2024.