Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Stände neben einander, gleichberechtigt, die Souverai-
netät theilen und den Staat verwalten sollten. Daß
sehr lange nachher der patricische Stand fast erlosch,
und seine politische Absonderung verlohr, war nicht we-
niger nothwendige Folge der absoluten Geschlossenheit
und Unergänzbarkeit der Zahl seiner Geschlechter, als
der herrschend gewordenen, viel eitleren, Ansprüche der
plebejischen Nobilität und der unglücklichen Einführung
des Geldadels: dafür aber ist das licinische Gesetz nicht
verantwortlich. Eingeräumt war die gleiche Theilung
der Regierung in Hinsicht der Decemvirn und ursprüng-
lich der Militartribunen; aber nicht nur wurden die
Stellen der Plebejer viele Jahre lang gegen das Gesetz
nicht ernannt, sondern ehe sie sich einige Wahlen er-
rangen scheint verordnet zu seyn daß alle Stellen ohne
Unterschied aus beyden Ständen, oder abwechselnd, be-
setzt werden sollten. Jenes konnte ein größeres Recht
scheinen, aber nur zwingende Noth verschaffte ihnen den
Genuß: und das Consulat war unstreitig eine weit bes-
sere Verfassung als ein zahlreiches Collegium von höchsten
Regenten. Das erste licinische Gesetz verordnete: daß hin-
fort nicht mehr Militartribunen sondern Consuln erwählt
werden sollten, aus den Patriciern und dem Volk: einer
von beyden müsse nothwendig aus diesem ernannt werden.


stimmt ward, redet Machiavelli vortrefflich am Eingang
des dritten Buchs seiner Geschichte, dagegen die weise Ge-
rechtigkeit der Römer vergleichend. Sehr lehrreich ist Sis-
mondis historische Darstellung der revolutionnairen Tyran-
ney gegen den Adel, T. IV. ch. 25. T. V. ch. 36.

Staͤnde neben einander, gleichberechtigt, die Souverai-
netaͤt theilen und den Staat verwalten ſollten. Daß
ſehr lange nachher der patriciſche Stand faſt erloſch,
und ſeine politiſche Abſonderung verlohr, war nicht we-
niger nothwendige Folge der abſoluten Geſchloſſenheit
und Unergaͤnzbarkeit der Zahl ſeiner Geſchlechter, als
der herrſchend gewordenen, viel eitleren, Anſpruͤche der
plebejiſchen Nobilitaͤt und der ungluͤcklichen Einfuͤhrung
des Geldadels: dafuͤr aber iſt das liciniſche Geſetz nicht
verantwortlich. Eingeraͤumt war die gleiche Theilung
der Regierung in Hinſicht der Decemvirn und urſpruͤng-
lich der Militartribunen; aber nicht nur wurden die
Stellen der Plebejer viele Jahre lang gegen das Geſetz
nicht ernannt, ſondern ehe ſie ſich einige Wahlen er-
rangen ſcheint verordnet zu ſeyn daß alle Stellen ohne
Unterſchied aus beyden Staͤnden, oder abwechſelnd, be-
ſetzt werden ſollten. Jenes konnte ein groͤßeres Recht
ſcheinen, aber nur zwingende Noth verſchaffte ihnen den
Genuß: und das Conſulat war unſtreitig eine weit beſ-
ſere Verfaſſung als ein zahlreiches Collegium von hoͤchſten
Regenten. Das erſte liciniſche Geſetz verordnete: daß hin-
fort nicht mehr Militartribunen ſondern Conſuln erwaͤhlt
werden ſollten, aus den Patriciern und dem Volk: einer
von beyden muͤſſe nothwendig aus dieſem ernannt werden.


ſtimmt ward, redet Machiavelli vortrefflich am Eingang
des dritten Buchs ſeiner Geſchichte, dagegen die weiſe Ge-
rechtigkeit der Roͤmer vergleichend. Sehr lehrreich iſt Sis-
mondis hiſtoriſche Darſtellung der revolutionnairen Tyran-
ney gegen den Adel, T. IV. ch. 25. T. V. ch. 36.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0358" n="342"/>
Sta&#x0364;nde neben einander, gleichberechtigt, die Souverai-<lb/>
neta&#x0364;t theilen und den Staat verwalten &#x017F;ollten. Daß<lb/>
&#x017F;ehr lange nachher der patrici&#x017F;che Stand fa&#x017F;t erlo&#x017F;ch,<lb/>
und &#x017F;eine politi&#x017F;che Ab&#x017F;onderung verlohr, war nicht we-<lb/>
niger nothwendige Folge der ab&#x017F;oluten Ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit<lb/>
und Unerga&#x0364;nzbarkeit der Zahl &#x017F;einer Ge&#x017F;chlechter, als<lb/>
der herr&#x017F;chend gewordenen, viel eitleren, An&#x017F;pru&#x0364;che der<lb/>
plebeji&#x017F;chen Nobilita&#x0364;t und der unglu&#x0364;cklichen Einfu&#x0364;hrung<lb/>
des Geldadels: dafu&#x0364;r aber i&#x017F;t das licini&#x017F;che Ge&#x017F;etz nicht<lb/>
verantwortlich. Eingera&#x0364;umt war die gleiche Theilung<lb/>
der Regierung in Hin&#x017F;icht der Decemvirn und ur&#x017F;pru&#x0364;ng-<lb/>
lich der Militartribunen; aber nicht nur wurden die<lb/>
Stellen der Plebejer viele Jahre lang gegen das Ge&#x017F;etz<lb/>
nicht ernannt, &#x017F;ondern ehe &#x017F;ie &#x017F;ich einige Wahlen er-<lb/>
rangen &#x017F;cheint verordnet zu &#x017F;eyn daß alle Stellen ohne<lb/>
Unter&#x017F;chied aus beyden Sta&#x0364;nden, oder abwech&#x017F;elnd, be-<lb/>
&#x017F;etzt werden &#x017F;ollten. Jenes konnte ein gro&#x0364;ßeres Recht<lb/>
&#x017F;cheinen, aber nur zwingende Noth ver&#x017F;chaffte ihnen den<lb/>
Genuß: und das Con&#x017F;ulat war un&#x017F;treitig eine weit be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ere Verfa&#x017F;&#x017F;ung als ein zahlreiches Collegium von ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Regenten. Das er&#x017F;te licini&#x017F;che Ge&#x017F;etz verordnete: daß hin-<lb/>
fort nicht mehr Militartribunen &#x017F;ondern Con&#x017F;uln erwa&#x0364;hlt<lb/>
werden &#x017F;ollten, aus den Patriciern und dem Volk: einer<lb/>
von beyden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nothwendig aus die&#x017F;em ernannt werden.</p><lb/>
        <note xml:id="note-0358" prev="#note-0357" place="foot" n="41)">&#x017F;timmt ward, redet Machiavelli vortrefflich am Eingang<lb/>
des dritten Buchs &#x017F;einer Ge&#x017F;chichte, dagegen die wei&#x017F;e Ge-<lb/>
rechtigkeit der Ro&#x0364;mer vergleichend. Sehr lehrreich i&#x017F;t Sis-<lb/>
mondis hi&#x017F;tori&#x017F;che Dar&#x017F;tellung der revolutionnairen Tyran-<lb/>
ney gegen den Adel, <hi rendition="#aq">T. IV. ch. 25. T. V. ch.</hi> 36.</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0358] Staͤnde neben einander, gleichberechtigt, die Souverai- netaͤt theilen und den Staat verwalten ſollten. Daß ſehr lange nachher der patriciſche Stand faſt erloſch, und ſeine politiſche Abſonderung verlohr, war nicht we- niger nothwendige Folge der abſoluten Geſchloſſenheit und Unergaͤnzbarkeit der Zahl ſeiner Geſchlechter, als der herrſchend gewordenen, viel eitleren, Anſpruͤche der plebejiſchen Nobilitaͤt und der ungluͤcklichen Einfuͤhrung des Geldadels: dafuͤr aber iſt das liciniſche Geſetz nicht verantwortlich. Eingeraͤumt war die gleiche Theilung der Regierung in Hinſicht der Decemvirn und urſpruͤng- lich der Militartribunen; aber nicht nur wurden die Stellen der Plebejer viele Jahre lang gegen das Geſetz nicht ernannt, ſondern ehe ſie ſich einige Wahlen er- rangen ſcheint verordnet zu ſeyn daß alle Stellen ohne Unterſchied aus beyden Staͤnden, oder abwechſelnd, be- ſetzt werden ſollten. Jenes konnte ein groͤßeres Recht ſcheinen, aber nur zwingende Noth verſchaffte ihnen den Genuß: und das Conſulat war unſtreitig eine weit beſ- ſere Verfaſſung als ein zahlreiches Collegium von hoͤchſten Regenten. Das erſte liciniſche Geſetz verordnete: daß hin- fort nicht mehr Militartribunen ſondern Conſuln erwaͤhlt werden ſollten, aus den Patriciern und dem Volk: einer von beyden muͤſſe nothwendig aus dieſem ernannt werden. 41) 41) ſtimmt ward, redet Machiavelli vortrefflich am Eingang des dritten Buchs ſeiner Geſchichte, dagegen die weiſe Ge- rechtigkeit der Roͤmer vergleichend. Sehr lehrreich iſt Sis- mondis hiſtoriſche Darſtellung der revolutionnairen Tyran- ney gegen den Adel, T. IV. ch. 25. T. V. ch. 36.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/358
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/358>, abgerufen am 22.11.2024.