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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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gen, und ihr Lager erobert (361), doch hatte der römi-
sche Feldherr um so weniger Hoffnung eine starke und
überflüssig mit Lebensmitteln versehene Festung einzu-
nehmen, da das Volk heftig murrte daß die Patricier
sich den Besitz der vejentischen Feldmark theilten, und
sehr unwillig die Anstrengungen und Aufopferungen eines
neuen, nicht weniger langwierigen und viel entfernteren
Kriegs ertragen haben würde. Jedermann kennt die Er-
zählung, wie ein Lehrer vornehmer Knaben zu Falerii
seine Schüler verrätherisch in das römische Lager führte,
und Camillus Edelmuth die Falisker zur Unterwerfung
bewogen haben soll. Unterwerfung aber, wie Livius die
Bitte um Frieden nennt, war der geschlossene Vertrag
gewiß nicht: denn 37 Jahre später, im Jahr 398, er-
scheinen die Falisker, verbündet mit Tarquinii, als
Roms offene Feinde; nicht wie Rebellen, sondern als
ein unabhängiges Volk. Bis dahin war ungestörter
Friede, und so scheint es höchst wahrscheinlich daß, nach
der etruskischen Sitte Waffenstillstand auf bestimmte Zeit,
und gewöhnlich entweder auf zwanzig oder auf vierzig
cyclische Jahre abzuschließen, im Jahr 361 ein Vertrag
für die zuletzt genannte Zeit geschlossen ward, der, still-
schweigend oder durch Uebereinkunft, wie der letzte ve-
jentische, drey Jahre über sein Ziel fortgedauert hatte.
Mit diesem Vertrag verknüpft sich die den Faliskern
aufgelegte Verbindlichkeit den Sold der Armee auf ein
Jahr zu zahlen, eben wie bey dem volsiniensischen Waf-
fenstillstand 89): und weit natürlicher als mit der Er-

89) Livius V. c. 32.
Zweiter Theil. Q

gen, und ihr Lager erobert (361), doch hatte der roͤmi-
ſche Feldherr um ſo weniger Hoffnung eine ſtarke und
uͤberfluͤſſig mit Lebensmitteln verſehene Feſtung einzu-
nehmen, da das Volk heftig murrte daß die Patricier
ſich den Beſitz der vejentiſchen Feldmark theilten, und
ſehr unwillig die Anſtrengungen und Aufopferungen eines
neuen, nicht weniger langwierigen und viel entfernteren
Kriegs ertragen haben wuͤrde. Jedermann kennt die Er-
zaͤhlung, wie ein Lehrer vornehmer Knaben zu Falerii
ſeine Schuͤler verraͤtheriſch in das roͤmiſche Lager fuͤhrte,
und Camillus Edelmuth die Falisker zur Unterwerfung
bewogen haben ſoll. Unterwerfung aber, wie Livius die
Bitte um Frieden nennt, war der geſchloſſene Vertrag
gewiß nicht: denn 37 Jahre ſpaͤter, im Jahr 398, er-
ſcheinen die Falisker, verbuͤndet mit Tarquinii, als
Roms offene Feinde; nicht wie Rebellen, ſondern als
ein unabhaͤngiges Volk. Bis dahin war ungeſtoͤrter
Friede, und ſo ſcheint es hoͤchſt wahrſcheinlich daß, nach
der etruskiſchen Sitte Waffenſtillſtand auf beſtimmte Zeit,
und gewoͤhnlich entweder auf zwanzig oder auf vierzig
cycliſche Jahre abzuſchließen, im Jahr 361 ein Vertrag
fuͤr die zuletzt genannte Zeit geſchloſſen ward, der, ſtill-
ſchweigend oder durch Uebereinkunft, wie der letzte ve-
jentiſche, drey Jahre uͤber ſein Ziel fortgedauert hatte.
Mit dieſem Vertrag verknuͤpft ſich die den Faliskern
aufgelegte Verbindlichkeit den Sold der Armee auf ein
Jahr zu zahlen, eben wie bey dem volſinienſiſchen Waf-
fenſtillſtand 89): und weit natuͤrlicher als mit der Er-

89) Livius V. c. 32.
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[241/0257] gen, und ihr Lager erobert (361), doch hatte der roͤmi- ſche Feldherr um ſo weniger Hoffnung eine ſtarke und uͤberfluͤſſig mit Lebensmitteln verſehene Feſtung einzu- nehmen, da das Volk heftig murrte daß die Patricier ſich den Beſitz der vejentiſchen Feldmark theilten, und ſehr unwillig die Anſtrengungen und Aufopferungen eines neuen, nicht weniger langwierigen und viel entfernteren Kriegs ertragen haben wuͤrde. Jedermann kennt die Er- zaͤhlung, wie ein Lehrer vornehmer Knaben zu Falerii ſeine Schuͤler verraͤtheriſch in das roͤmiſche Lager fuͤhrte, und Camillus Edelmuth die Falisker zur Unterwerfung bewogen haben ſoll. Unterwerfung aber, wie Livius die Bitte um Frieden nennt, war der geſchloſſene Vertrag gewiß nicht: denn 37 Jahre ſpaͤter, im Jahr 398, er- ſcheinen die Falisker, verbuͤndet mit Tarquinii, als Roms offene Feinde; nicht wie Rebellen, ſondern als ein unabhaͤngiges Volk. Bis dahin war ungeſtoͤrter Friede, und ſo ſcheint es hoͤchſt wahrſcheinlich daß, nach der etruskiſchen Sitte Waffenſtillſtand auf beſtimmte Zeit, und gewoͤhnlich entweder auf zwanzig oder auf vierzig cycliſche Jahre abzuſchließen, im Jahr 361 ein Vertrag fuͤr die zuletzt genannte Zeit geſchloſſen ward, der, ſtill- ſchweigend oder durch Uebereinkunft, wie der letzte ve- jentiſche, drey Jahre uͤber ſein Ziel fortgedauert hatte. Mit dieſem Vertrag verknuͤpft ſich die den Faliskern aufgelegte Verbindlichkeit den Sold der Armee auf ein Jahr zu zahlen, eben wie bey dem volſinienſiſchen Waf- fenſtillſtand 89): und weit natuͤrlicher als mit der Er- 89) Livius V. c. 32. Zweiter Theil. Q

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/257>, abgerufen am 24.11.2024.