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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Charakter einer etruskischen Stadt und einer Colonie
Roms in ihr vereinigt und verträglich, als in einer
cäritischen 50).

Zwey Kriege führte Rom gegen Veji, welche sich
um das abtrünnige Fidenä bewegten, und durch sein
Schicksal entschieden wurden. Die Vorfälle beyder sind
sichtbar unter einander verworren, und Livius selbst zwei-
felt, ob er Cossus Sieg und fürstliche Beute auf das
Jahr 318 oder 320, oder gar auf sein in allen Fasten
stumm angedeutetes Consulat 327, beziehen solle. Als
Erzähler nimmt er das zuerst genannte Jahr an; wir
verdanken es auch wohl nur seiner Rücksicht nicht zu
vernachlässigen, was er aus Augusts Munde erfahren,
und, sonderbar genug, in Rom selbst als Augenzeuge
zu erkundigen nicht der Mühe werth geachtet, daß er
berichtet der Imperator habe auf den Spolien Cossus
consularischen Titel gelesen. Er selbst weiß auch daß
ein gewöhnlicher Militartribun opime Spolien nicht wei-
hen konnte, wohl aber ein consularischer: und die des
Cossus sind stets im Andenken berühmt gewesen, wie der
Tod des vejentischen Königs welcher für den Gesand-
tenmord büßte. Auch irrt er in der Meinung alle An-
nalen wären einstimmig für die Epoche des ersten Kriegs:
Diodor schrieb vor ihm, und die denen er folgte, wahr-
scheinlich Fabius, nur eines fidenatischen Kriegs geden-
kend, führten den Mord der Gesandten unter dem Jahre
329 an 51). Auch würde nach der gewöhnlichen Mei-
nung die zweyte harmlosere Empörung von Fidenä mit

50) S. Th. I. Zusatz zu S. 182.
51) Diodor XII. c. 80.
O 2

Charakter einer etruskiſchen Stadt und einer Colonie
Roms in ihr vereinigt und vertraͤglich, als in einer
caͤritiſchen 50).

Zwey Kriege fuͤhrte Rom gegen Veji, welche ſich
um das abtruͤnnige Fidenaͤ bewegten, und durch ſein
Schickſal entſchieden wurden. Die Vorfaͤlle beyder ſind
ſichtbar unter einander verworren, und Livius ſelbſt zwei-
felt, ob er Coſſus Sieg und fuͤrſtliche Beute auf das
Jahr 318 oder 320, oder gar auf ſein in allen Faſten
ſtumm angedeutetes Conſulat 327, beziehen ſolle. Als
Erzaͤhler nimmt er das zuerſt genannte Jahr an; wir
verdanken es auch wohl nur ſeiner Ruͤckſicht nicht zu
vernachlaͤſſigen, was er aus Auguſts Munde erfahren,
und, ſonderbar genug, in Rom ſelbſt als Augenzeuge
zu erkundigen nicht der Muͤhe werth geachtet, daß er
berichtet der Imperator habe auf den Spolien Coſſus
conſulariſchen Titel geleſen. Er ſelbſt weiß auch daß
ein gewoͤhnlicher Militartribun opime Spolien nicht wei-
hen konnte, wohl aber ein conſulariſcher: und die des
Coſſus ſind ſtets im Andenken beruͤhmt geweſen, wie der
Tod des vejentiſchen Koͤnigs welcher fuͤr den Geſand-
tenmord buͤßte. Auch irrt er in der Meinung alle An-
nalen waͤren einſtimmig fuͤr die Epoche des erſten Kriegs:
Diodor ſchrieb vor ihm, und die denen er folgte, wahr-
ſcheinlich Fabius, nur eines fidenatiſchen Kriegs geden-
kend, fuͤhrten den Mord der Geſandten unter dem Jahre
329 an 51). Auch wuͤrde nach der gewoͤhnlichen Mei-
nung die zweyte harmloſere Empoͤrung von Fidenaͤ mit

50) S. Th. I. Zuſatz zu S. 182.
51) Diodor XII. c. 80.
O 2
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[211/0227] Charakter einer etruskiſchen Stadt und einer Colonie Roms in ihr vereinigt und vertraͤglich, als in einer caͤritiſchen 50). Zwey Kriege fuͤhrte Rom gegen Veji, welche ſich um das abtruͤnnige Fidenaͤ bewegten, und durch ſein Schickſal entſchieden wurden. Die Vorfaͤlle beyder ſind ſichtbar unter einander verworren, und Livius ſelbſt zwei- felt, ob er Coſſus Sieg und fuͤrſtliche Beute auf das Jahr 318 oder 320, oder gar auf ſein in allen Faſten ſtumm angedeutetes Conſulat 327, beziehen ſolle. Als Erzaͤhler nimmt er das zuerſt genannte Jahr an; wir verdanken es auch wohl nur ſeiner Ruͤckſicht nicht zu vernachlaͤſſigen, was er aus Auguſts Munde erfahren, und, ſonderbar genug, in Rom ſelbſt als Augenzeuge zu erkundigen nicht der Muͤhe werth geachtet, daß er berichtet der Imperator habe auf den Spolien Coſſus conſulariſchen Titel geleſen. Er ſelbſt weiß auch daß ein gewoͤhnlicher Militartribun opime Spolien nicht wei- hen konnte, wohl aber ein conſulariſcher: und die des Coſſus ſind ſtets im Andenken beruͤhmt geweſen, wie der Tod des vejentiſchen Koͤnigs welcher fuͤr den Geſand- tenmord buͤßte. Auch irrt er in der Meinung alle An- nalen waͤren einſtimmig fuͤr die Epoche des erſten Kriegs: Diodor ſchrieb vor ihm, und die denen er folgte, wahr- ſcheinlich Fabius, nur eines fidenatiſchen Kriegs geden- kend, fuͤhrten den Mord der Geſandten unter dem Jahre 329 an 51). Auch wuͤrde nach der gewoͤhnlichen Mei- nung die zweyte harmloſere Empoͤrung von Fidenaͤ mit 50) S. Th. I. Zuſatz zu S. 182. 51) Diodor XII. c. 80. O 2

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/227>, abgerufen am 07.05.2024.