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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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klärte Zustimmung machte den Ungehorsam gegen den
Willen des Senats zur Empörung. Das erkannte der
Senat im Jahr 324, als die Consuln sich weigerten
einen Dictator zu ernennen. Fruchtlos ihre Herrschsucht
bekämpfend, wandte er sich zuletzt an die Volkstribu-
nen, deren Drohung die Consuln in den Kerker führen
zu lassen sie zum Gehorsam nöthigte 23).

Im Jahr 327 übten die Aedilen die Polizey über
den Gottesdienst zur Entfernung ausländischer Religions-
gebräuche 24). Die Polizey des Kornhandels in gewöhn-
lichen Zeiten müssen sie schon weit früher gehabt haben,
da Plinius berichtet, der Volksädilis M'. Marcius habe
zuerst, vor L. Minucius, Korn vertheilt den Modius zu
einem As 25).

Das folgende Jahr (328) ist durch eine große Be-
schränkung der aristokratischen Gewalt des Senats merk-
würdig. Ohne das Volk zu befragen, entschied dieser
bisher über Krieg und Frieden: auch die Vermögens-
steuer ward von ihm allein ausgeschrieben. In diesem
Jahr erlangten die Tribunen daß Kriegserklärungen künf-
tig in einem Senatusconsult den Centurien vorgeschla-
gen werden mußten. Von dieser Zeit an geschieht kaum
eine flüchtige und zweifelhafte Erwähnung tribunicisches
Widerstands gegen Soldatenaushebung: denn jetzt war
jeder Krieg von der Nation beschlossen, früher immer
eine Willkühr des Senats, gewöhnlich mehr gegen das
Volk als gegen die Feinde gerichtet. Daher ist es auch

23) Livius IV. c. 26.
24) Derselbe c. 30.
25) Plinius a. a. O.

klaͤrte Zuſtimmung machte den Ungehorſam gegen den
Willen des Senats zur Empoͤrung. Das erkannte der
Senat im Jahr 324, als die Conſuln ſich weigerten
einen Dictator zu ernennen. Fruchtlos ihre Herrſchſucht
bekaͤmpfend, wandte er ſich zuletzt an die Volkstribu-
nen, deren Drohung die Conſuln in den Kerker fuͤhren
zu laſſen ſie zum Gehorſam noͤthigte 23).

Im Jahr 327 uͤbten die Aedilen die Polizey uͤber
den Gottesdienſt zur Entfernung auslaͤndiſcher Religions-
gebraͤuche 24). Die Polizey des Kornhandels in gewoͤhn-
lichen Zeiten muͤſſen ſie ſchon weit fruͤher gehabt haben,
da Plinius berichtet, der Volksaͤdilis M’. Marcius habe
zuerſt, vor L. Minucius, Korn vertheilt den Modius zu
einem As 25).

Das folgende Jahr (328) iſt durch eine große Be-
ſchraͤnkung der ariſtokratiſchen Gewalt des Senats merk-
wuͤrdig. Ohne das Volk zu befragen, entſchied dieſer
bisher uͤber Krieg und Frieden: auch die Vermoͤgens-
ſteuer ward von ihm allein ausgeſchrieben. In dieſem
Jahr erlangten die Tribunen daß Kriegserklaͤrungen kuͤnf-
tig in einem Senatusconſult den Centurien vorgeſchla-
gen werden mußten. Von dieſer Zeit an geſchieht kaum
eine fluͤchtige und zweifelhafte Erwaͤhnung tribuniciſches
Widerſtands gegen Soldatenaushebung: denn jetzt war
jeder Krieg von der Nation beſchloſſen, fruͤher immer
eine Willkuͤhr des Senats, gewoͤhnlich mehr gegen das
Volk als gegen die Feinde gerichtet. Daher iſt es auch

23) Livius IV. c. 26.
24) Derſelbe c. 30.
25) Plinius a. a. O.
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[194/0210] klaͤrte Zuſtimmung machte den Ungehorſam gegen den Willen des Senats zur Empoͤrung. Das erkannte der Senat im Jahr 324, als die Conſuln ſich weigerten einen Dictator zu ernennen. Fruchtlos ihre Herrſchſucht bekaͤmpfend, wandte er ſich zuletzt an die Volkstribu- nen, deren Drohung die Conſuln in den Kerker fuͤhren zu laſſen ſie zum Gehorſam noͤthigte 23). Im Jahr 327 uͤbten die Aedilen die Polizey uͤber den Gottesdienſt zur Entfernung auslaͤndiſcher Religions- gebraͤuche 24). Die Polizey des Kornhandels in gewoͤhn- lichen Zeiten muͤſſen ſie ſchon weit fruͤher gehabt haben, da Plinius berichtet, der Volksaͤdilis M’. Marcius habe zuerſt, vor L. Minucius, Korn vertheilt den Modius zu einem As 25). Das folgende Jahr (328) iſt durch eine große Be- ſchraͤnkung der ariſtokratiſchen Gewalt des Senats merk- wuͤrdig. Ohne das Volk zu befragen, entſchied dieſer bisher uͤber Krieg und Frieden: auch die Vermoͤgens- ſteuer ward von ihm allein ausgeſchrieben. In dieſem Jahr erlangten die Tribunen daß Kriegserklaͤrungen kuͤnf- tig in einem Senatusconſult den Centurien vorgeſchla- gen werden mußten. Von dieſer Zeit an geſchieht kaum eine fluͤchtige und zweifelhafte Erwaͤhnung tribuniciſches Widerſtands gegen Soldatenaushebung: denn jetzt war jeder Krieg von der Nation beſchloſſen, fruͤher immer eine Willkuͤhr des Senats, gewoͤhnlich mehr gegen das Volk als gegen die Feinde gerichtet. Daher iſt es auch 23) Livius IV. c. 26. 24) Derſelbe c. 30. 25) Plinius a. a. O.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/210>, abgerufen am 07.05.2024.