Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

unbegreiflichem Leichtsinn leiht derselbe unmittelbar nach-
her dem Consul T. Quinctius Capitolinus eine Rede
welche das Mißvergnügen des Volks straft, ja er redet
von der Beschämung und der Reue des Volks bey diesen
Vorwürfen.

Indessen regte sich doch stets die Entwicklung der
römischen Freyheit. Im 63sten Jahr nach Verbannung
der Könige, dem Jahr der Stadt 307, wurden, nach
Tacitus, zuerst die Quästoren vom Volk erwählt. Von
dieser Veränderung ist schon geredet 68), und sie ist dahin
erklärt geworden, daß wahrscheinlich damals die Blut-
richter, bisher von den Curien allein erwählt, von nun
an als Nationalmagistratur, durch die Centurien ernannt
wurden, und die Aufsicht über den Schatz mit ihrem
Richteramt vereinigt ist, bis diese sich völlig fremdar-
tigen Geschäfte aufs neue in dem Vergleich über die lici-
nischen Rogationen getrennt wurden.

Eine andre, dieser völlig widersprechende Notiz,
welche die Volkswahl der Quästoren, als Schatzmeister,
bis in Publicolas erstes Consulat hinaufrückt 69), scheint,
wie die Erzählung daß er den Senat durch Plebejer er-
gänzt, auf ihn zu übertragen was von Brutus im Anden-
ken war, und eine Entstellung der gesetzlichen Bestätigung
der Blutrichter 70) unter den ersten Consuln zu seyn: der
quästorische Nahme verstanden, wie ihn ein lateinischer
Rhetor gegen das Ende des siebenten Jahrhunderts faßte.


68) Siehe oben Th. II. S. 113. 114.
69) Plutarch Public. p. 103. D.
70) Tacitus a. a. O. Siehe oben Th. II. S. 15.

unbegreiflichem Leichtſinn leiht derſelbe unmittelbar nach-
her dem Conſul T. Quinctius Capitolinus eine Rede
welche das Mißvergnuͤgen des Volks ſtraft, ja er redet
von der Beſchaͤmung und der Reue des Volks bey dieſen
Vorwuͤrfen.

Indeſſen regte ſich doch ſtets die Entwicklung der
roͤmiſchen Freyheit. Im 63ſten Jahr nach Verbannung
der Koͤnige, dem Jahr der Stadt 307, wurden, nach
Tacitus, zuerſt die Quaͤſtoren vom Volk erwaͤhlt. Von
dieſer Veraͤnderung iſt ſchon geredet 68), und ſie iſt dahin
erklaͤrt geworden, daß wahrſcheinlich damals die Blut-
richter, bisher von den Curien allein erwaͤhlt, von nun
an als Nationalmagiſtratur, durch die Centurien ernannt
wurden, und die Aufſicht uͤber den Schatz mit ihrem
Richteramt vereinigt iſt, bis dieſe ſich voͤllig fremdar-
tigen Geſchaͤfte aufs neue in dem Vergleich uͤber die lici-
niſchen Rogationen getrennt wurden.

Eine andre, dieſer voͤllig widerſprechende Notiz,
welche die Volkswahl der Quaͤſtoren, als Schatzmeiſter,
bis in Publicolas erſtes Conſulat hinaufruͤckt 69), ſcheint,
wie die Erzaͤhlung daß er den Senat durch Plebejer er-
gaͤnzt, auf ihn zu uͤbertragen was von Brutus im Anden-
ken war, und eine Entſtellung der geſetzlichen Beſtaͤtigung
der Blutrichter 70) unter den erſten Conſuln zu ſeyn: der
quaͤſtoriſche Nahme verſtanden, wie ihn ein lateiniſcher
Rhetor gegen das Ende des ſiebenten Jahrhunderts faßte.


68) Siehe oben Th. II. S. 113. 114.
69) Plutarch Public. p. 103. D.
70) Tacitus a. a. O. Siehe oben Th. II. S. 15.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="165"/>
unbegreiflichem Leicht&#x017F;inn leiht der&#x017F;elbe unmittelbar nach-<lb/>
her dem Con&#x017F;ul T. Quinctius Capitolinus eine Rede<lb/>
welche das Mißvergnu&#x0364;gen des Volks &#x017F;traft, ja er redet<lb/>
von der Be&#x017F;cha&#x0364;mung und der Reue des Volks bey die&#x017F;en<lb/>
Vorwu&#x0364;rfen.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en regte &#x017F;ich doch &#x017F;tets die Entwicklung der<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;chen Freyheit. Im 63&#x017F;ten Jahr nach Verbannung<lb/>
der Ko&#x0364;nige, dem Jahr der Stadt 307, wurden, nach<lb/>
Tacitus, zuer&#x017F;t die Qua&#x0364;&#x017F;toren vom Volk erwa&#x0364;hlt. Von<lb/>
die&#x017F;er Vera&#x0364;nderung i&#x017F;t &#x017F;chon geredet <note place="foot" n="68)">Siehe oben Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 113. 114.</note>, und &#x017F;ie i&#x017F;t dahin<lb/>
erkla&#x0364;rt geworden, daß wahr&#x017F;cheinlich damals die Blut-<lb/>
richter, bisher von den Curien allein erwa&#x0364;hlt, von nun<lb/>
an als Nationalmagi&#x017F;tratur, durch die Centurien ernannt<lb/>
wurden, und die Auf&#x017F;icht u&#x0364;ber den Schatz mit ihrem<lb/>
Richteramt vereinigt i&#x017F;t, bis die&#x017F;e &#x017F;ich vo&#x0364;llig fremdar-<lb/>
tigen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte aufs neue in dem Vergleich u&#x0364;ber die lici-<lb/>
ni&#x017F;chen Rogationen getrennt wurden.</p><lb/>
        <p>Eine andre, die&#x017F;er vo&#x0364;llig wider&#x017F;prechende Notiz,<lb/>
welche die Volkswahl der Qua&#x0364;&#x017F;toren, als Schatzmei&#x017F;ter,<lb/>
bis in Publicolas er&#x017F;tes Con&#x017F;ulat hinaufru&#x0364;ckt <note place="foot" n="69)">Plutarch <hi rendition="#aq">Public. p. 103. D.</hi></note>, &#x017F;cheint,<lb/>
wie die Erza&#x0364;hlung daß er den Senat durch Plebejer er-<lb/>
ga&#x0364;nzt, auf ihn zu u&#x0364;bertragen was von Brutus im Anden-<lb/>
ken war, und eine Ent&#x017F;tellung der ge&#x017F;etzlichen Be&#x017F;ta&#x0364;tigung<lb/>
der Blutrichter <note place="foot" n="70)">Tacitus a. a. O. Siehe oben Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 15.</note> unter den er&#x017F;ten Con&#x017F;uln zu &#x017F;eyn: der<lb/>
qua&#x0364;&#x017F;tori&#x017F;che Nahme ver&#x017F;tanden, wie ihn ein lateini&#x017F;cher<lb/>
Rhetor gegen das Ende des &#x017F;iebenten Jahrhunderts faßte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0181] unbegreiflichem Leichtſinn leiht derſelbe unmittelbar nach- her dem Conſul T. Quinctius Capitolinus eine Rede welche das Mißvergnuͤgen des Volks ſtraft, ja er redet von der Beſchaͤmung und der Reue des Volks bey dieſen Vorwuͤrfen. Indeſſen regte ſich doch ſtets die Entwicklung der roͤmiſchen Freyheit. Im 63ſten Jahr nach Verbannung der Koͤnige, dem Jahr der Stadt 307, wurden, nach Tacitus, zuerſt die Quaͤſtoren vom Volk erwaͤhlt. Von dieſer Veraͤnderung iſt ſchon geredet 68), und ſie iſt dahin erklaͤrt geworden, daß wahrſcheinlich damals die Blut- richter, bisher von den Curien allein erwaͤhlt, von nun an als Nationalmagiſtratur, durch die Centurien ernannt wurden, und die Aufſicht uͤber den Schatz mit ihrem Richteramt vereinigt iſt, bis dieſe ſich voͤllig fremdar- tigen Geſchaͤfte aufs neue in dem Vergleich uͤber die lici- niſchen Rogationen getrennt wurden. Eine andre, dieſer voͤllig widerſprechende Notiz, welche die Volkswahl der Quaͤſtoren, als Schatzmeiſter, bis in Publicolas erſtes Conſulat hinaufruͤckt 69), ſcheint, wie die Erzaͤhlung daß er den Senat durch Plebejer er- gaͤnzt, auf ihn zu uͤbertragen was von Brutus im Anden- ken war, und eine Entſtellung der geſetzlichen Beſtaͤtigung der Blutrichter 70) unter den erſten Conſuln zu ſeyn: der quaͤſtoriſche Nahme verſtanden, wie ihn ein lateiniſcher Rhetor gegen das Ende des ſiebenten Jahrhunderts faßte. 68) Siehe oben Th. II. S. 113. 114. 69) Plutarch Public. p. 103. D. 70) Tacitus a. a. O. Siehe oben Th. II. S. 15.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/181
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/181>, abgerufen am 04.05.2024.